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  Deutschland

Deutschland Deutschland Einleitung Im Hochmittelalter entstand aus der Erbmasse des Ostfrankenreiches das Deutsche Reich, das bis zum Spätmittelalter die Geschichte Europas dominierte. Ab dem 14. Jh. zerfiel das Reich de facto in Einzelterritorien, doch erst der Westfälische Frieden 1648 bestätigte diese Entwicklung vom deutschen "Flickenteppich". Österreich und Preußen entstanden als wichtigste Staaten, die im 19. Jh.

um die Macht in Deutschland konkurrierten. Das Scheitern des durch die Französische Revolution inspirierten liberalen Nationalismus 1848/49 gab Raum für die Einigung von oben unter preußischer Führung 1871. Im 20. Jh. gingen zwei Weltkriege von deutschem Boden aus, und Deutsche verübten mit dem Völkermord an den europäischen Juden das größte Verbrechen der Geschichte. Die von den Alliierten auferlegte Teilung in zwei Staaten 1949 endete 1990 nach dem Zusammenbruch der DDR.

Antike und Völkerwanderung (bis 486) Kampfszene zwischen Römern und Germanen; Relief an einem Porphyrsarkophag; 4. Jh. Rom: Vatikanische Sammlungen. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Nach der Eroberung Galliens im 1. Jh. v.

Chr. drangen römische Truppen bis zum Rhein vor und versuchten mehrfach, in rechtsrheinische Gebiete zu expandieren. Dabei stießen sie auf Stämme, die sie unter dem Begriff "Germanen" subsumierten. Ihre dominierende Herrschaftsschicht war der Kriegeradel, der "Häuptlinge" bestimmte, deren bekanntester der Cheruskerfürst Arminius wurde, der 9. n. Chr.

drei römische Legionen im Teutoburger Wald aufrieb und die Versuche der römischen rechtsrheinischen Expansion beendete. Die germanischen Stämme (u. a. Langobarden, Sachsen, Franken, Alemannen, Markomannen) versuchten ihrerseits, über die Rhein-Donau-Grenze ("Limes", unter Einschluss des Dekumatenlandes) in den römischen Herrschaftsbereich einzufallen. obergermanisch-rätischer Limes. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Durch die "germanische Völkerwanderung" zerbrach 406 der Limes, und Germanenheere unter Odoaker vernichteten 476 das Weströmische Reich.

Im Mittelmeerraum entstanden Germanenreiche. Im Norden errichtete Chlodwig I. 486 das merowingische Frankenreich. Vom Franken- zum Deutschen Reich (486-919) Der Schwerpunkt des merowingischen Reiches lag in seiner Frühzeit im Westen mit der Hauptstadt Paris. Alemannen, Burgunder und Bayern konnten im 6. Jh.

unterworfen werden, wobei das Merowingerreich mehrfach durch Teilungen (fränkisches Realerbteilungsrecht) geschwächt wurde. Pippin der Jüngere (auch Pippin der Kleine, Pippin der Kurze); König der Franken 751-768. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Der Tod König Dagoberts I. 639 markiert den Aufstieg der Hausmeier. Die merowingischen Herrscher sanken zu Schattenkönigen herab. Der Sieg des austrischen Hausmeiers Pippin II.

bei Tertry über Neustrien-Burgund begründete die Suprematie der Karolinger im fränkischen Gesamtreich, in das 689 auch die Friesen eingegliedert wurden. Das Prestige der Hausmeier erhöhte Karl Martell (715 bis 741) durch seinen Sieg über das Araberheer Abd ar-Rahmans I. bei Poitiers 732. Sein Sohn Pippin III. (741-768) entmachtete 747 seinen Bruder Karlmann, unterwarf endgültig Aquitanien, Bayern, und Schwaben und etablierte das Frankenreich als europäische Vormacht. Mit Hilfe des Papstes setzte er 751 den letzten Merowinger ab und begründete das fränkische Königtum der Karolinger, das sein Sohn Karl der Große (768-814) 800 zum Kaisertum erweiterte .

Karl der Grosse, Skulptur auf der Stirnseite des Karlsschreins (um 1200-1215) im Aachener Münster. © aisa, Barcelona Bei seinem Tod 814 reichte das Reich Karls des Großen von Nordwestspanien und Norditalien über Frankreich und Mitteleuropa mit Böhmen und der westlichen Ostseeküste bis Haithabu in Schleswig. Unter seinen Nachfolgern zerfiel der Reichsverband, wobei der Teilungsvertrag von Verdun 843 neben Westfranken - der Keimzelle Frankreichs - östlich des Rheins ein ostfränkisches Reich unter Ludwig I., dem Deutschen (840-876), konstituierte, aus dem das Deutsche Reich hervorging. In Ostfranken starb die Karolingerdynastie mit Ludwig dem Kind (900-911) aus. Die Stammesherzogtümer Sachsen, Bayern, Schwaben und Franken bestimmten Konrad I.

(911-918) zu ihrem König. Er designierte den Sachsen Heinrich I. (Ottonen) zu seinem Nachfolger, der 919 König wurde (bsi 936) und damit das Reich in einen unteilbaren Herrschaftsverband überführte. Erbdynastien der Sachsenkönige (919-1125) Otto I. (936-973) führte das Reich auf einen ersten Höhepunkt. 950 unterwarf er endgültig Böhmen, besiegte 955 die Ungarn auf dem Lechfeld und ließ sich 962 in Rom zum Kaiser krönen.

Damit errichtete er das mittelalterliche deutsche Imperium, das im engeren Sinne bis 1250 bestand und im späteren Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation bis 1806 eine nominelle Fortsetzung fand. Otto I.in Gold getriebene Skulptur auf den Karlsschrein in der Pfalzkapelle in Aachen. © aisa, Barcelona Im Innern befestigte Otto I. das sog. Reichskirchensystem.


Er ernannte kirchliche Würdenträger und gab ihnen Ländereien zum Lehen, die nach ihrem Ableben an den König zurückfielen. So verhinderten Ottonen und Salier die Stärkung der Stammesherzöge und damit die Bildung territorialer Subherrschaften. Unter den Ottonen wurde zudem der mittelelbische Raum erobert, eine weitgefächerte Missionierung legte die Grundlagen für die sog. Ostsiedlung . Unter Otto II. (973-983) und Otto III.

(983-1002) stand Italien im Mittelpunkt der Politik. Otto II. hatte mit Theophano eine byzantinische Prinzessin geheiratet und versuchte erfolglos, das byzantinische Süditalien zu erobern. Otto III. erhob Rom zu seiner Residenzstadt und beschwor mit seiner langen Abwesenheit vom Deutschen Reich eine indirekte Schwächung des deutschen Königtums herauf, die Heinrich II. (1002-1024) beseitigte.

Mit der Wahl Konrads II. (1024-1039) ging das Königtum auf die Salier über, nachdem die Ottonendynastie ("Liudolfinger") erloschen war. Konrad erwarb Burgund, organisierte das Imperium durch Schaffung der Erzkanzlerämter Deutschland, Italien und Burgund neu und gewann die nominelle Oberhoheit über Polen. Unter seinem Sohn Heinrich III. (1039-1056) erreichte die Macht der mittelalterlichen deutschen Könige und Kaiser seinen Höhepunkt. Er demonstrierte seine Macht über das Papsttum auf der Synode von Sutri (1046) und erweiterte mit der Oberhoheit über Ungarn den Einfluss des Reiches.

Die Herrschaft Heinrichs IV. (1056-1106) und Heinrichs V. (1106-1125) war durch den Investiturstreit gekennzeichnet, der 1122 mit dem Wormser Konkordat endete. In ihm gewannen die Territorialfürsten an Macht, da die Könige ihnen im Kampf gegen das Papsttum Zugeständnisse machen mussten (Lehnsrecht, Regalien). Das Reichskirchensystem ging seiner Auflösung entgegen. Investiturstreit zwischen Papsttum und Kaisertum: Papst Gregor VII.

und Kaiser Heinrich IV., Kirchenväteraltar von Michael Pacher, vor 1483. München, Alte Pinakothek. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Das bisher in der Königsfolge dominierende Geblütsrecht wurde 1125 zugunsten des Wahlrechts der Fürsten außer Kraft gesetzt. Der geblütsrechtlich legitime Nachfolger Friedrich II. von Schwaben konnte seinen Anspruch nicht gegen den Sachsenherzog Lothar III.

von Supplingburg (1125 bis 1137) durchsetzen. Die schwäbischen Staufer erlangten erst mit der Wahl Konrads III. (1138 bis 1152) gegen den Welfen Heinrich den Stolzen die Königskrone (staufisch-welfischer Gegensatz). Lothar III. von Supplinburg © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Heinrich VI. (1190-1197) versuchte, die Königswahl durch den sog.

Erbreichsplan zu unterminieren. Als Erbe des normannischen Königreiches in Unteritalien hatte er eine starke Hausmacht und bot den Fürsten gegen ein erbliches Königtum die Erblichkeit ihrer Lehen an. Sein früher Tod verhinderte eine Neukonstituierung des Königtums auf dynastischer Basis und führte 1198 zur Doppelwahl des Welfen Ottos IV. und Philipps von Schwaben. Erst die von Papst Innozenz III. protegierte Wahl des Staufers Friedrichs II.

1212 und ihre Anerkennung 1215 beendeten die Zweikönigsherrschaft. Miniatur zur Falkenjagd aus "De arte venandi cum avibus" (Falkenbuch) von Kaiser Friedrich II. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Die Regierung Friedrichs II. war letzter Höhepunkt, aber auch beginnender Niedergang des traditionellen mittelalterlichen Königtums im Deutschen Reich. Auf Sizilien aufgewachsen, richtete er sein Hauptaugenmerk auf Südeuropa und delegierte - auch in Übereinkunft mit dem Papsttum - die Regentschaft in Deutschland an seinen Sohn Heinrich. Der Sohn empörte sich mehrfach gegen den Vater, der seinerseits den deutschen Territorialfürsten große Zugeständnisse machen musste: 1231/32 überließ er ihnen im Statutum in favorem principum wichtige Hoheitsrechte (Münz-, Zoll- und Marktrecht) und leistete damit dem Zerfall der Zentralgewalt entscheidenden Vorschub Spätmittelalter (1250-1517) Der Tod Friedrichs II.

führte zum Verfall des Königtums in Deutschland (Interregnum), das erst Rudolf I. von Habsburg (1273-1291) beendete. Die neue Machtstellung der starken Territorialherren verdeutlichte die endgültige Regelung der Königswahl in der Goldenen Bulle 1356, nach der der "Rex" durch Stimmenmehrheit der sieben Kurfürsten bestimmt wurde (Erzbischöfe von Trier, Mainz und Köln, Pfalzgraf bei Rhein, Herzog von Sachsen, Markgraf von Brandenburg, König von Böhmen). Seit Albrecht II. (1438/39) und Friedrich III. (1440-1493) stammten die Könige aus dem Hause Habsburg ("Namenskaiser").

Historische Segelschiffe, im Holstenhafen an der Untertrave, dahinter restaurierte Patrizierhäuser der Altstadt von Lübeck, der "Königin der Hanse". © aisa, Barcelona Drei Linien bestimmten im 14. und 15. Jh. die Entwicklung des Reiches: Aufstieg der Städte, Pestepedemie sowie die Renaissance und Kirchenkrise. Nach dem Beispiel Flanderns und Norditaliens etablierten sich Stadtbünde als wichtige Machtfaktoren und mit ihnen eine erste bürgerliche Komponente in der Sozialordnung.

Dominierend war dabei die Ende des 13. Jhs. entstandene Hanse ("stede van der dudeschen hense"), die insbesondere im Ostseeraum eine quasi-hegemoniale Stellung einnahm. Demgegenüber erlebte die Feudalordnung durch die Pestkatastrophen ab 1348 eine tiefe Krise: Ein Drittel der Bevölkerung im Reich starb, über 40 000 Wüstungen entstanden. Die Agrarkrise erhöhte den Stellenwert der Bauern und lockerte die Vertragsverhältnisse der Feudalherren gegenüber ihren Untergebenen. Ende des 15.

Jhs. beendete die sog. 2. Leibeigenschaft diese Entwicklung vor allem östlich der Elbe und führte die Schollenbindung erneut ein. Aufstände waren die Folge (Bundschuhaufstand 1502), die schließlich in den Bauernkrieg 1525 mündeten. Titelblatt zu Luthers Flugschrift "Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern" (1525).

© Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Er fiel bereits in die Auseinandersetzungen um die Reformation, die als Reaktion auf die Kirchenkrise die mittelalterliche Scholastik und Glaubenseinheit ablöste und die letzte universale Klammer der deutschen, königlich-kaiserlichen Zentralgewalt durch Glaubensfreiheit und Glaubensvielfalt beseitigte. Reformation und Glaubenskämpfe (1517-1648) Martin Luther vor Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Worms, 1521: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen"; zeitgenössische Darstellung. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Mit Martin Luthers - möglicherweise nicht historischem - Thesenanschlag 1517 begann die Reformation, die sich territorial vor allem im deutschen Norden und Osten verbreitete und nach 1530 innerhalb des Reiches eine Auseinandersetzung zwischen fürstlicher Souveränität und kaiserlichem Absolutheitsanspruch heraufbeschwor. Karl V. (1519 bis 1556) hatte durch die Vereinigung von deutscher Krone und spanischem Weltreich zwar eine machtvolle Position inne, war aber außenpolitisch durch die bourbonisch-habsburgische Auseinandersetzung gebunden.

Gegen Karls repressive Rekatholisierung schlossen sich die protestantischen Stände 1531 im Schmalkaldischen Bund zusammen und zwangen den Kaiser im Nürnberger Religionsfrieden 1532 zum Erlass der Religionsfreiheit für die Fürsten, die schließlich im Augsburger Religionsfrieden 1555 bestätigt wurde. Kaiser Karl V. (1500-1558) © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Anfang des 17. Jhs. internationalisierten sich die Glaubenskonflikte endgültig: Die protestantischen deutschen Fürsten schlossen sich unter Anlehnung an England, die Niederlande und das katholische, aber antihabsburgische Frankreich in der Protestantischen Union zusammen (1608), der sich unter Führung der Habsburger die Katholische Liga gegenüberstellte (1609). Frankreichs Position in diesem Konflikt zeigt, dass es tatsächlich um machtpolitische Fragen ging, die schließlich in den Dreißigjährigen Krieg mündeten (1618-1648).

Hauptkampfplatz waren deutsche Territorien, die von spanischen, schwedischen und schließlich französischen Söldnern verwüstet wurden. In einigen Gebieten reduzierte sich die Bevölkerung, die im 16. Jh. gerade wieder den Stand von vor den Pestwellen erreicht hatte, um 50%. Albrecht von Wallenstein (1583-1634), Herzog von Friedland, Feldherr des Dreißigjährigen Krieges. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Im Westfälischen Frieden 1648 endeten die Kämpfe mit einer Niederlage für die katholische Partei.

Schweden und Frankreich erzielten im Norden und Westen Gebietsgewinne, Bayern stieg zum Kurfürstentum auf. Die Niederlande und die Schweiz als nominell Untergebene des Kaisers schieden endgültig aus dem Reichsverband aus. Der Postillon von Münster bringt die Kunde vom Westfälischen Frieden; 1648. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Die Religionsfreiheit für die Fürsten wurde bestätigt (und auf die "Reformierten" ausgeweitet). Kaiser, Kurfürsten und Fürsten galten als gleichberechtigt - das Reich zerfiel in über 300 Einzelherrschaften. Daneben musste die kaiserliche Politik zukünftig auf einem Reichstag (seit 1663 in Regensburg) verhandelt werden, in dem sich auch die Reichsstädte gleichberechtigt organisierten.

Diese neue Reichsverfassung (Instrumentum Pacis) galt bis zur Auflösung des Reiches 1806 und wurde von Frankreich und Schweden garantiert. Aufstieg Preußens (1648-1789) Trotz der Schwächung der kaiserlichen Position stieg Österreich in den Türkenkriegen seit 1683 zur europäischen Großmacht auf. Innerhalb des Reiches profilierte sich neben Bayern besonders das von Friedrich Wilhelm I. (1640-1688) gefestigte Preußen. Der "Große Kurfürst" löste 1656/1660 seine östlichen Territorien aus der Oberhoheit Polens. Friedrich III.

(1688 bis 1713) ließ sich 1701 mit Absolution des Kaisers als Friedrich I. zum "König in Preußen" krönen. Friedrich I. ( König in Preußen 1701-1713 ) © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Preußen entwickelte eine moderne, effektive Verwaltung und leistete sich ein 130000 Mann starkes stehendes Heer. Der König herrschte absolutistisch und stützte sich innenpolitisch besonders auf die adelige Offiziersschicht, die nach dem Monarchen die höchste Position im Sozialgefüge einnahm. So weitete Preußen im Großen Nordischen Krieg (1700 bis 1721) als Verbündeter Russlands seine Herrschaft auf das schwedische Vorpommern aus.

Friedrich II. der Grosse © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) entging Friedrich II., der Große (1740-1786), nur knapp der militärischen Katastrophe gegen ein europäisches Bündnis. Das um Schlesien erweiterte Preußen etablierte sich als europäischer Machtfaktor und konnte gemeinsam mit Russland und Österreich in den Teilungen Polens (1772-1795) weitere Gebietsgewinne im Osten erzielen. Revolution und Restauration (1789-1849) Das Machtgefüge im Deutschen Reich veränderte sich maßgeblich durch die Auswirkungen der Französischen Revolution. 1795 scherte Preußen aus der Koalition gegen Frankreich aus, und Napoleons Erfolge führten 1806 zum Untergang des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

Der Reichsdeputationshauptschluss gliederte 1803 die Territorien unter Auflösung der Kleinstherrschafen und geistlichen Gebieten (Säkularisierung) neu und stärkte die deutschen Mittelstaaten ("Drittes Deutschland" neben Preußen und Österreich). Im 1806 geschaffenen, französisch dominierten Rheinbund, waren - nach der vernichtenden Niederlage Preußens gegen Napoleon 1806 - 36 Territorien zusammengeschlossen. In zahlreichen süddeutschen Staaten, besonders in Baden und Bayern, bildeten sich unter dem Einfluss Frankreichs konstitutionelle Staatsformen heraus, und in Preußen veränderten die Stein-Hardenbergschen Reformen seit 1807 den inneren Aufbau (u. a. Gewerbefreiheit und Aufhebung der Leibeigenschaft). Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein, Politiker (1757-1831) © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Wichtigste Nachwirkung der Französischen Revolution war das Erwachen des deutschen Nationalismus: Die Befreiungskriege 1813-1815 standen unter dem Vorzeichen einer von Patrioten geforderten deutschen Einigung, nachdem das untergegangene Reich ein Vakuum hinterlassen hatte.

Auf dem Wiener Kongress zur Neuordnung Europas 1814/15 kam es aber aus Gleichgewichtserwägungen nicht zu einer deutschen Staatenbildung, sondern nur zur Gründung des Deutschen Bundes, der unter Einschluss und Dominanz Österreichs 39 Staaten locker zusammenschloss und im Frankfurter Bundestag sein höchstes Organ fand. Die Teilnehmer des vom 18.9.1814 bis 9.6.1815 tagenden Wiener Kongresses: Erster von links Wellington, dritter unter Hardenberg (Preußen), siebter Metternich (Österreich), elfter Castlereagh (England); vierter von rechts (unten) Talleyrand (Frankreich).

Kolorierter Stich. © aisa, Barcelona Die liberale Nationalbewegung wurde im Deutschen Bund zwar unterdrückt (Karlsbader Beschlüsse 1819), gewann aber dennoch an Einfluss. Die zweite Revolutionswelle in Europa 1830 brachte in mitteldeutschen Staaten (Hannover, Braunschweig, Sachsen und Hessen-Kassel) abermals konstitutionelle Verfassungen hervor, die den fürstlichen Absolutismus beendeten. Das Hambacher Fest 1832 demonstrierte die Stärke der patriotischen Bewegung, und die Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 offenbarte die Notwendigkeit einer Einigung des deutschen Raumes im beginnenden Zeitalter der Industrialisierung. Unter dem Einfluss einer langsam einsetzenden Industrialisierung und des Handelsaufschwungs konstituierte sich in Deutschland das Bürgertum zur wichtigsten sozialen Schicht. Sein Liberalismus zielte auf nationale Einigung und forderte die Beteiligung des Bürgertums an politischen Entscheidungsprozessen.

Mit beiden Ambitionen scheiterten die Liberalen in der Revolution 1848/49 Dualismus und deutsche Einigung (1849-1871) Österreich und Preußen konkurrierten als stärkste Mächte um den Einfluss auf die kleineren Staaten. Ihr Dualismus spiegelte sich auch in der liberalen Nationalbewegung wider, die zwischen kleindeutschem (Einigung ohne Österreich) und großdeutschem (mit Österreich) Programm gespalten war. Otto von Bismarck, 1884 © aisa, Barcelona Die Einigung ging schließlich von Preußen aus. 1862 wurde Otto von Bismarck preußischer Ministerpräsident (bis 1890) und entschied in den drei Einigungskriegen die Form des Reiches: Zunächst verschärfte der deutsch-dänische Krieg 1864 über die Schleswig-Holsteinische Frage den Dualismus, da Österreich und Preußen über die Verwaltung der eroberten Gebiete stritten. Der daraus resultierende Deutsche Krieg 1866 endete überraschend klar zugunsten Preußens, das 1867 den Norddeutschen Bund gründete und die deutsche Frage so zugunsten der kleindeutschen Einigung entschied. 1870/71 folgte der deutsch-französische Krieg, der sich an der Thronfolgefrage der Hohenzollern in Spanien entzündet hatte.

Kaiserproklamation in der Spiegelgalerie des Schlosses von Versailles am 18.1.1871. Gemälde von Anton von Werner. Schloß Friedrichsruh. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Napoleon III.

von Frankreich hatte in der (von Bismarck redigierten) Emser Depesche an Wilhelm I. von Preußen (1861-1888) eine Thronfolge für alle Zeit ausgeschlossen. Die raschen militärischen Erfolge erhöhten das Ansehen Preußens unter den deutschen Fürsten weiter, so dass Bismarck Wilhelm I. am 18. 1. 1871 in Versailles von den versammelten Fürsten zum Deutschen Kaiser proklamieren ließ.

Großbritannien und Russland deckten die Reichsgründung als Gegengewicht gegen Frankreich. Deutsches Kaiserreich (1871-1918) Über die Verfassung hatte Preußen im Kaiserreich eine "versteckte Hegemonie" inne. Es besaß im Bundestag - der Versammlung der Fürstenterritorien und Reichsstädte - mit den von ihm abhängigen Staaten die Mehrheit. Im Reichstag hatten preußische Abgeordnete durch das Mehrheitswahlrecht stärkstes Gewicht. Der nur dem Kaiser verantwortliche Reichskanzler war in aller Regel gleichzeitig preußischer Ministerpräsident. Bernhard von Bülow (1849-1929) © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Trotz der antidemokratischen politischen Grundstrukturen vollzog sich innenpolitisch ein Demokratisierungsprozess zugunsten des Reichstags ("schleichende Parlamentarisierung").

Die Kanzler des beginnenden 20. Jhs. (Bernhard von Bülow 1900-1909, Theobald von Bethmann Hollweg 1909 bis 1917) suchten Mehrheiten im Parlament und einen Ausgleich in politischen Streitpunkten. Hintergrund war die Notwendigkeit zum Kompromiss, da das Parlament das Budgetrecht besaß, den Reichshaushalt und auch die Militärhaushalte absegnen musste. Daneben markiert das späte Kaiserreich für Deutschland aber auch den Beginn des "Massenzeitalters". Interessenverbände (Flottenverein, Kolonialverein) und Parteien (besonders die Sozialdemokraten) wandelten sich von Honoratioren-Zusammenschlüssen zu mitgliederstarken Organisationen.

Die Regierungen versuchten erstmals, durch "Medienarbeit" (Zeitungsartikel, Kommentare) Einfluss auf die öffentliche Meinung zu gewinnen. Das Parlament partizipierte von diesem Phänomen durch einen indirekten Machtzuwachs. Theobald von Bethmann Hollweg (1856-1921) © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Ebenfalls zu Beginn des 20. Jhs. hatte die Industrialisierung das gesamte Reich erfasst, und Deutschland überholte das bisher dominierende Großbritannien als wichtigste Industrienation Europas. Damit einher ging eine gewaltige soziale Umstrukturierung, die in Landflucht und Proletariatsbildung ihre wichtigsten Ausdrucksformen fand.

Nach anfänglichen Versuchen Bismarcks, die sozialdemokratische Interessenvertretung zu verbieten (Sozialistengesetz 1878-1890) und durch staatliche Fürsorge überflüssig zu machen (Sozialgesetzgebungen der 1880er und 1890er Jahre), wuchs der rechte Flügel der SPD im Parlament (u. a. Friedrich Ebert) zu einer staatstragenden Partei heran. Demgegenüber gewann die Arbeit der preußisch-konservativen Gutsbesitzer seit einem Handelsvertrag mit Russland 1894, der ihre Getreidegewinne gefährdete, antikaiserliche Züge. Außenpolitisch plädierte Bismarck zunächst für Bündnisfreiheit. Er nannte das Reich "saturiert" und ohne Expansionsinteressen.

Angesichts des französischen Revanchismus gegen die deutsche Annexion Elsass-Lothringens 1871 knüpfte der Kanzler 1879 den Zweibund mit Österreich-Ungarn, der gleichzeitig Ausdruck der Versöhnung nach dem Ende des deutschen Dualismus war. 1882 wurde der Zweibund durch Beitritt Italiens zum Dreibund erweitert. Bismarck erwarb sich in Europa großes Ansehen, als er 1878 auf dem Berliner Kongress und 1884/1885 auf der Kongokonferenz als "ehrlicher Makler" auftrat. Eine Verstimmung mit Russland über seine status-quo-orientierte Balkanpolitik konnte im "Dreikaiservertrag" (mit Österreich-Ungarn) 1881 beigelegt werden. Die kurze Phase bismarckscher Kolonialpolitik 1884/85 (Erwerb von Togo, Kamerun, Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika) trug die politisch-strategische Perspektive des Reiches über Europa hinaus. Nach 1890 erweiterten Bismarcks Nachfolger die kolonialen Aspirationen zum Schlagwort der "Weltpolitik", die ab 1897 (Berufung von Alfred Tirpitz zum Marinestaatssekretär) in den massiven Flotenbau mündete und die deutsch-englische Rivalität begründete.

Kaiser Wilhelm II. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Kaiser Wilhelm II. (1888-1918) trat persönlich für die Flottenrüstung ein. Das ohnehin militärisch starke Deutsche Reich wurde zu einer offenkundigen Bedrohung für seine Nachbarn und trieb mit seiner Rüstungspolitik und planlos-unglücklichen Außenpolitik die Entstehung von Bündnissen zwischen Frankreich und Russland (1894), Frankreich und Großbritannien (1904: Entente Cordiale) sowie Großbritannien und Russland (1907) voran. Deutsch-britische Bündnisgespräche, die schon Bismarck gesucht hatte, scheiterten an der verhärteten deutschen Verhandlungsposition in Flottenfragen (Haldane-Mission 1912). Der Attentäter des Bombenanschlages von Sarajewo auf den österreichischen Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin am 28.

6.1914, wird verhaftet. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Die massive Konfrontationsstellung der Mächte zueinander entlud sich 1914 in der Julikrise nach dem Attentat von Sarajewo auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger. Die deutsche Haltung in der Balkankrise begünstigte den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, da die Führung britische Verhandlungsinitiativen unterlief und Österreich-Ungarn zum Angriff auf Serbien drängte. Aus dem Krieg mit Serbien ging binnen weniger Tage der große europäische Krieg hervor, der 1917 durch den kriegsentscheidenden Eintritt der USA endgültig zum Weltkrieg ausuferte. Revolution und Weimarer Republik (1918-1933) Unmittelbar vor der deutschen Kapitulation am 11.

11. 1918 brach unter den deutschen Marinesoldaten eine Meuterei aus, die in die Novemberrevolution mündete. Wilhelm II. floh ins niederländische Exil. In den Wirren setzte sich der von SPD und USDP (kriegsgegnerische Abspaltung der Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg) gebildete Rat der Volksbeauftragten unter Ebert und Philipp Scheidemann durch. 1919 konnten sich die gemäßigten Parteien der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum, DDP) bei Wahlen zur Nationalversammlung durchsetzen.

Die neue Verfassung konstituierte eine Präsidialrepublik, deren erster Präsident Friedrich Ebert (1919-1925) wurde. Reichspräsident Friedrich Ebert (1919) © Corbis-Bettmann, New York Bis 1924 stand die Republik unter scharfem Druck. Der demütigende Versailler Friedensvertrag schrieb u. a. Entmilitarisierung, territoriale Verluste, Besetzung des Rheinlandes und hohe Reparationsleistungen fest. Die "Dolchstoßlegende" vom unbesiegten Heer belastete den innenpolitischen Konsens.

Zahlreiche Putsch- und Umsturzversuche von links (Spartakusaufstand 1919) und rechts (Kapp-Putsch 1920, Hitler-Putsch 1923) illustrierten das Schlagwort von der "Republik ohne Demokaten". Die Ruhrbesetzung durch Frankreich und die Hyperinflation 1923 bildeten Höhepunkt und Abschluss der ersten Krisenzeit. Kapp- Putsch (1920). Von Putschisten besetzter Potsdamer Bahnhof in Berlin. © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Die Währungsreform von 1923 verbesserte die wirtschaftliche Lage, und außenpolitisch trat eine Beruhigung ein (Locarnopakt 1925, Beitritt zum Völkerbund 1926). Der Sieg des kaiserlichen Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg bei den Präsidentschaftswahlen 1925 ließ Befürchtungen für einen neuen Rechtsruck aufkommen, doch erwies sich Hindenburg lange als ausgleichender Reichspräsident (bis 1934).

Paul von Hindenburg (1847-1934) © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Die Endphase der Republik leiteten der Börsenkrach in New York 1929 und die Weltwirtschaftskrise ein, für die die junge Republik nicht hinreichend gefestigt war. Die radikalen Flügelparteien NSDAP und KPD verzeichneten Stimmengewinne aus dem Heer der Arbeitslosen und enttäuschten Kleinbürger, und die 1924-1928 gemäßigt agitierende und regierungstragende Deutschnationale Volkspartei (DNVP) rückte unter dem Medienmogul Alfred Hugenberg nach rechts. Die Regierungen ab 1930 - beginnend mit dem Präsidialkabinett Heinrich Brünings (Zentrum) 1930/31 - besaßen keine parlamentarischen Mehrheiten, sondern regierten mit Hilfe von Notverordnungen, die Reichspräsident Hindenburg erließ. Am 30. 1. 1933 berief Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler.

Nationalsozialismus (1933-1945) Das nationalsozialistische Herrschaftssystem beseitigte die Weimarer Ordnung durch Gleichschaltung von Gesellschaft und Staat. Das pyramidenhafte "Führerprinzip" ersetzte Instanzenzüge und etablierte einen komplexen Machtapparat mit Hitler an der Spitze. Jede Oppsosition wurde rigide bekämpft. Mit der Ausschaltung der SA unter Ernst Röhm als innenpolitischem Rivalen 1934 war der "Führerstaat" vollendet. Drei der mächtigsten Nazi-Größen, die anläßlich eines Partei-Treffens in Hannover zusammenkamen: Kanzler Adolf Hitler (Mitte), Ernst Röhm (links) und Franz Seldt (rechts) (Oktober 1933). © Corbis-Bettmann, New York Unmittelbar nach der Machtübernahme begann die Verfolgung der jüdischen Mitbürgern, die die Machthaber mit den sog.

Nürnberger Gesetzen 1935 scheinlegitimierten. Als "Juden" galten nicht allein Mitglieder der Religionsgemeinschaft, sondern auch die "Versippten". Neben politischen Gegnern, Juden und anderen Angehörigen "rassisch" missliebiger Ethnien (Sinti und Roma) wurden auch psychisch Kranke und "Erbkranke" Verfolgungen und Repressalien unterworfen (Eheverbot, Zwangssterilisationen, ab 1939 Massenmorde). Juden müssen gut sichtbar den 6-zackigen David-Stern tragen. (Foto: 1941) © Corbis-Bettmann, New York Außen- und wirtschaftspolitisch verzeichnete das Hitlerregime zunächst große Erfolge. Durch Arbeitsdienst, Aufrüstung (1935: Kündigung des Versailler Vertrages) und eine verbesserte Weltkonjunktur gingen die Arbeitslosenzahlen zurück.

Unter Vorspiegelung revisionistischer Absichten erreichte Hitler 1938 den "Anschluss" Österreichs und die Annexion der "Sudetengebiete" der Tschechoslowakei (sanktioniert im Münchner Abkommen). Erst der Griff zum tschechoslowakischen Reststaat im März 1939 und endgültig der Überfall auf Polen am 1. 9. 1939 beendeten Frankreichs und Großbritanniens Appeasementpolitik und führten in den Zweiten Weltkrieg. Der Einzug von Adolf Hitler in Brünn, das nach der Schaffung des Reichsprotektorats Mähren die Landeshauptstadt von Mähren wurde (17.3.

1939) © Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh Gestützt auf den Hitler-Stalin-Pakt (1939) und im Bund mit Italien (ab 1940) erzielten die deutschen Armeen Siege über Polen und Frankreich und besetzten Norwegen, Dänemark und große Teile des Balkans. Erst der Angriff auf die UdSSR 1941 ("Lebensraum im Osten") und der Kriegseintritt der USA veränderten die Mächtekonstellation zuungunsten des Deutschen Reiches. Kinder im Konzentrationslager Auschwitz, Polen, vor ihrer Befreiung, 1945 © Corbis-Bettmann, New York Parallel mit der Verschlechterung der militärischen Lage gingen die Vorbereitungen und ab 1942 auch der Vollzug des Massenmordes an den europäischen Juden, den Sinti und Roma einher. In den Vernichtungsstätten starben wahrscheinlich über 6 Mio. Menschen. Weitere Millionen Opfer forderte das NS-Besatzungsregime, besonders in Polen und der UdSSR, sowie die unmenschliche Behandlung der Kriegsgefangenen.

Deutsche Teilung (1945-1990) 1945 wurde Deutschland (und ebenso die deutsche Hauptstadt Berlin) in vier alliierte Besatzungszonen der Siegermächte Frankreich, Großbritannien, USA und UdSSR geteilt. Pommern, Ostpreußen und Schlesien kamen unter polnische Verwaltung und Königsberg unter sowjetische Kontrolle. Obwohl die Alliierten sich während des Krieges auf die Wiedererrichtung eines einheitlichen deutschen Staates geeinigt hatten, kam es 1949 aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über den Weg zu Wahlen und aus strategischen Erwägungen im beginnenden Kalten Krieg zur Bildung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) aus den Westzonen und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) aus der Sowjetischen Besatzungszone. In der Bundesrepublik vollzog sich durch die Hilfsgelder aus dem Marshall-Plan während der 50er Jahre ein rascher wirtschaftlicher Wiederaufstieg ("Wirtschaftswunder"), der von einem durchgreifenden Demokratisierungsprozess begleitet wurde. Unter den Regierungen von Konrad Adenauer (CDU, 1949-1963) erfolgte die "Westintegration" durch Einbeziehung in die Montanunion (1951), die Westeuropäische Union (1954), die NATO (1955) - verbunden mit der heftig umstrittenen Wiederbewaffnung (1956) - und die EWG (1957) sowie der Abschluss des historischen deutsch-französischen Freundschaftsvertrages 1963. Charles de Gaulle begrüßt Konrad Adenauer nach seiner Ankunft auf dem Flughafen (21.

9.1963). © Corbis-Bettmann, New York Die Politik in der DDR war demgegenüber von systematischer Unterdrückung Oppositioneller, Bespitzelung (1950: Stasi-Gründung) und der Vergesellschaftung der Betriebsmittel geprägt. Der wirtschaftliche Wiederaufbau vollzog sich langsamer, da die UdSSR nach Kriegsende große Teile der Industrieanlagen als Reparationen abbaute und insgesamt ein weniger potenter Partner war. Walter Ulbricht als Chef des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei (SED, 1950-1971) war der starke Mann der 50er und 60er Jahre und beschleunigte die "Ostintegration" des Staates (COMECON-Beitritt 1950; Warschauer Pakt 1955). Nach dem niedergeschlagenen Arbeiteraufstand 1953, der aus dem Protest gegen eine Erhöhung der Arbeitsnormen erwuchs, stiegen die Flüchtlingszahlen in den Westen rapide an: Gegen die "Ausblutung" der DDR ließ Ulbricht 1961 die Berliner Mauer errichten, nachdem bereits ab 1952 die deutsch-deutsche Grenze abgeriegelt wurde.

Die Berlin Mauer wird durch weitere Betonplatten erhöht (1964). © Corbis-Bettmann, New York Die zwischenstaatlichen Beziehungen vollzogen sich zunächst nur auf den untersten Ebenen, da die Bundesrepublik aufgrund ihres Alleinvertretungsanspruches die DDR nicht als Staat anerkannte. Diese Position änderte erst die sozialliberale Koalition unter Bundeskanzler Willy Brandt (1969 bis 1974) mit den Ostverträgen (ab 1970). Unter der Maxime "Wandel durch Annäherung" anerkannte die Bundesrepublik mit der Verbesserung der Beziehungen zum Ostblock im Grundlagenvertrag 1972 de facto die DDR und ermöglichte so die Aufnahme von DDR und BRD in die UNO (1973). Erich Honecker bei seinem ersten Staatsbesuch in der Bundesrepublik, (Sept. 1987) © Sipa Press, Paris Im Innern und im Wirtschaftsbereich waren die 70er und 80er Jahre für beide deutsche Staaten Krisenjahrzehnte.

Die DDR, in der Erich Honecker 1971 die Nachfolge Ulbrichts antrat, stand wegen ihrer veralteten Wirtschaft vor dem Bankrott. In der BRD erschütterte der Linksterrorismus (RAF) die Gesellschaft. Die Arbeitslosenzahlen stiegen an, überschritten die Millionenmarke und trieben die sozialliberale Koalition 1982 zugunsten der christliberalen Koalition unter Helmut Kohl (CDU) auseinander. In beiden Staaten etablierten sich in der Auseinandersetzung um den NATO-Nachrüstungsbeschluss, der Deutschlands Bedeutung als atomares Rüstungsfeld der Supermächte verdeutlichte, ab 1979 oppositionelle Friedensbewegungen. In der DDR entwickelte sich daraus eine starke Bürgerrechtsbewegung. Zunächst mehr im Untergrund arbeitend, versuchten ihre Mitglieder, seit den Reformen in der UdSSR 1986 auch in der DDR politische Liberalisierungen durchzusetzen, scheiterten aber an der repressiv-konservativ orientierten Linie Honeckers.

Montagsdemonstration in Ost-Berlin (4.11.1989) © Sipa Press, Paris 1989 eskalierten wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise der DDR zum Kollaps. DDR-Bürger besetzten im Ausland Botschaften, um ihre Ausreise zu erzwingen, und eine Welle nicht mehr kontrollierbarer Großdemonstrationen erschütterte das Regime. Begegnung zwischen West- und Ostberlinern auf der Mauer am Brandenburger Tor ( November 1989 ) © Sipa Press, Paris Die Mauer fiel und binnen weniger Wochen mit ihr in einem beispiellosen historischen Prozess einer unblutigen Revolution die SED-Herrschaft. Im Zwei-Plus-Vier-Vertrag sanktionierten die Mitglieder der ehemaligen Anti-Hitler-Koalition den Beitritt der DDR-Länder zur BRD am 3.

10. 1990. Vereinigtes Deutschland (seit 1990) Die CDU/CSU-FDP-Koaliton unter Helmut Kohl gewann die gesamtdeutschen Wahlen 1990. In der ehemaligen DDR war der Übergang von der totalitären Diktatur zur pluralistischen Demokratie und von der Zentralverwaltungs- zur sozialen Marktwirtschaft mit großen wirtschaftlichen, sozialen und auch psychologischen Problemen verbunden. Für die Bewältigung der dringendsten öffentlichen Aufgaben mussten in den westlichen Landesteilen erhebliche Mittel aufgebracht werden. Die jährlichen Transferleistungen beliefen sich auf rd.

160 Mrd. DM. Dies machte Steuererhöhungen und hohe Kreditaufnahmen notwendig. Die zur Verwaltung des DDR-Wirtschaftssektors gegründete Treuhandanstalt privatisierte bis 1994 rd. 15000 bisher staatliche Betriebe. Viele Arbeitsstätten mussten jedoch wegen mangelnder Rentabilität stillgelegt werden, was eine hohe Arbeitslosigkeit zur Folge hatte.

Außerdem wirkten katastrophale Umweltschäden und ungeklärte Eigentumsverhältnisse als Investitionshemmnis. Ein wirtschaftlicher Aufschwung kam nur langsam in Gang. Nach den Wahlen 1994 blieb die bisherige Koalition mit geschrumpfter Mehrheit im Amt. Die Bundestagswahlen 1998 führten zu einem Machtwechsel. Gerhard Schröder (SPD) wurde neuer Bundeskanzler an der Spitze einer rot-grünen Koalitionsregierung. 1999 beteiligten sich deutsche Soldaten am NATO-Luftkrieg gegen Jugoslawien.

Im Sommer desselben Jahres zogen Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin um. Eine 1999 bekannt gewordene Parteispendenaffäre beschädigte das Ansehen des früheren Bundeskanzlers Kohl und der CDU. In der Gesundheits- und Sozialpolitik bestimmten die BSE-Krise sowie die Auseinandersetzungen über die Rentenreform die innenpolitische Debatte. Die öffentliche Diskussionen über die Gefahren des Rechtsextremismus für die demokratische Ordnung mündeten im Januar 2001 in einen Verbotsantrag gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht. Im gleichen Jahr wurden nach schwierigen Verhandlungen erste Entschädigungszahlungen an Zwangsarbeiter während der NS-Zeit geleistet. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon im September 2001 beschloss die Regierung Schröder die USA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu unterstützen.

Am 16. 11. 2001 stimmte der Bundestag einem damit verbundenen Einsatz der Bundeswehr zu. Um eine Koalitionsmehrheit für den Einsatz zu sichern, hatte G. Schröder den Antrag mit der Vertrauensfrage verbunden. Zur Verbesserung der inneren Sicherheit beschloss die rot-grüne Koalition weit reichende Anti-Terror-Gesetze.

Der Petersberg bei Bonn wurde im November/Dezember 2001 zum Schauplatz einer Konferenz über den staatlichen Neuaufbau Afghanistans nach dem Ende der Talibanherrschaft. Auf der Grundlage der Vereinbarungen dieser Konferenz stimmte der Bundestag einer deutschen Beteiligung an einer internationalen Sicherheitstruppe für Afghanistan zu. Am 1. 1. 2002 erfolgte die Bargeldeinführung des Euros. Obwohl die CDU/CSU mit dem Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber Stimmengewinne verzeichnete, konnte sich das rot-grüne Regierungsbündnis bei den Bundestagswahlen 2002 mit knapper Mehrheit behaupten.

Am 22. Oktober 2002 wurde G. Schröder erneut zum Bundeskanzler gewählt. Im Dezember 2002 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Zuwanderungsgesetz für nichtig. In der Außenpolitik verschlechterte sich das Verhältnis zu den USA, da die Regierung Schröder eine militärische Lösung des Irakkonflikts ablehnte. In der Innenpolitik bestimmten Auseinandersetzungen über eine Reform der sozialen Sicherungssysteme die öffentliche Diskussion.

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