Hongkong
Vorwort
Anlaß unserer Arbeit über Hong Kong war vor allem die Aktualität der am 1. Juli
stattfindenden Übergabe von Großbritannien an die Volksrepublik China. Der damit
verbundene,lange vorbereitete Wechsel der Kolonie von einem Gesellschaftssytem zu einem
scheinbar völlig gegensätzlichem ist in der Geschichte bislang ohne Beispiel. Bei
näherer Beschäftigung mit dem Thema wurden wir auf weitere interessante Aspekte
aufmerksam. So hat die Vergangenheit und Gegenwart Hong Kongs Beispielcharakter für viele
Entwicklungen von Wirtschaft und Gesellschaft; unter anderem durch seinen Funktionswandel
als Wirtschaftsstandort. Auch sind am Beispiel der Kolonie die Prinzipien der englischen
Kolonialpolitik gut zu erkennen.
Ein weiterer Grund für die Beschäftigung mit diesem
Land ist die zunehmende Bedeutung des südostasiatischen Raumes für die globale
Wirtschaft.
Ziel der Arbeit ist der Versuch einer Zukunftsprognose. Eine
eigene Betrachtung ist wegen der Interessengebundenheit der meisten bereits bestehenden
Aussagen zur Zukunft Hong Kongs wichtig. Der Reiz des Vorausblickes liegt in der
Möglichkeit, schon in wenigen Monaten überprüfen zu können, ob das Erwartete
eintrifft. Die Wechselhaftigkeit der chinesischen Regierungspolitik läßt eine absolute
Vorhersage nicht zu.
Grundlage unserer Prognose ist hauptsächlich eine Analyse
der bisherigen Entwicklung Hong Kongs.
Daher haben wir besonderen Wert auf einen
ausführlichen historischen Teil gelegt.
Grundsätzlich lag der Beweggrund für die Wahl des Themas im
eigenen Interesse, weil Ostasien im Unterricht kaum behandelt wurde. Die Bearbeitung der
Unterthemen teilten wir untereinander auf. Markus Beier legte dabei den Schwerpunkt auf
die wirtschaftlichen und geschichtlichen Zusammenhänge, Jörg Wagner auf Geographie und
Kultur/Demographie.
Diskrepanzen zur gewohnten Schreibweise einiger chinesischer
Begriffe treten wegen den unterschiedlichen Verschriftlichungsformen auf. Von uns wurde
die Pinyin Verschriftlichung des Kantonesischen gewählt.
Wegen verschiedener Angaben in
den jeweils verwandten Quellen kann es zu Abweichungen bei Zahlenangaben kommen.
I. Analyse der historischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten
1. Historischer Abriß
1.1. Englands
Chinahandel unter dem Kanton-System
Englands Präsenz in China beginnt im Jahre 1699.
Die Interessen in China beschränkten
sich anfangs nur auf Handelsbeziehungen. So waren es zuerst auch nur kleinere Abstecher
mit ein paar Schiffen. 1786 entstand die erste ständige Handelsvertretung vor der Stadt
Kanton. Die Handelsbeziehungen wurden ausschließlich von der East India Company
unterhalten, da sie das Außenhandelsmonopol besaß. Aus China wurde Tee, Porzellan, Seide
sowie andere Luxusgüter importiert, nach China exportiert wurden englische
Industrieerzeugnisse. Den Hauptanteil Importgüter bildete der Tee.
Der Handel damit war
sehr gewinnbringend, da zur selben Zeit in Großbritannien der 5 Uhr Tee in Mode kam.
Seide nahm einen weit geringeren Stellenwert ein. Sie war auch in Indien zu bekommen. Doch
um die britischen Textilmanufakturen zu schützen, wurde sogar die Einfuhr von Seide und
anderen Stoffen verboten. Das Verbot wurde erst später im Zuge der Free Trade Doctrine
aufgehoben. Ein Problem im Chinahandel lag darin, daß China wirtschaftlich autonom war
und daher die Industrieerzeugnisse nicht gut verkauft werden konnten.
Der Tee mußte also
zusätzlich mit Silber bezahlt werden.
Der Handel an sich gestaltete sich sehr schwierig. Der
Außenhandel durfte nur nach dem Kanton-System durchgeführt werden. Das heißt, daß nur
in der Stadt Kanton mit Ausländern gehandelt wurde. Es gab spezielle Händler, die als
einzige in Kontakt mit den Ausländern treten durften. Den Ausländern war es verboten,
die Stadt zu betreten, ihre Frauen mitzubringen, Diener einzustellen, chinesisch zu lernen
und chinesische Bücher zu kaufen.
Ihr Lebens- und Handelsbereich erstreckte sich auf ein
Ghetto vor der Stadt. Es gab 13 Gilden, die das Handelsmonopol für einen bestimmten
Warenbereich hatten. Die "Barbaren" waren im Ghetto dem chinesischen Strafrecht
unterworfen, was sie Bestrafungen wie Auspeitschungen und Folter aussetzte. Nach Ende der
Handelssaison, welches durch die Unschiffbarkeit der Gewässer festgelegt war, mußten sie
das Ghetto verlassen. Während dieser Zeit lebten die meisten Händler in der
portugiesischen Besitzung Macao. Besonders beschwerten sich die ausländischen Händler
über das undurchsichtige und willkürliche System von "Gebühren" und Abgaben,
welche sich nach Aufhebung des Chinahandelsmonopols der East India Company im Jahre 1834
noch verstärkten.
Das Kanton-System und die neue Free Trade Doctrine, die im Sinne des
neuen Wirtschaftsliberalismus herausgegeben wurde, waren völlig gegensätzlich. China
konnte sich diese Überheblichkeit leisten. Außerdem war das Geschäft trotz aller
Unannehmlichkeiten dennoch sehr lukrativ.
1.2. Der erste Opiumkrieg
1.
2.1. Beginn des
Opiumkonflikts
Der Handel wurde sogar noch lukrativer, als die englischen Händler bemerkten, daß die
Chinesen enormen Gefallen an Opium hatten. Opium gab es in den anderen britischen Kolonien
besonders in Indien in Hülle und Fülle, so daß es sehr günstig beschafft werden
konnte. Der Opiumhandel mit China positivierte die Handelsbilanz. Mittlerweile floß
wieder Silber aus China nach England.
Da Silber inzwischen sehr viel wertvoller geworden
war, lohnte es sich für die Kaufleute um so mehr. Es entstand ein weiterer
Dreieckshandel. Britische Industrieerzeugnisse gingen nach Indien. Von dort wurde das
Opium nach China exportiert. In China wurde das Opium gegen Tee gehandelt. Das Opium hatte
für die Wirtschaft und die Volksgesundheit verheerende Folgen.
In Beijing wurden daher
heftige Diskussionen geführt, ob der Handel und Gebrauch von Opium nicht gänzlich zu
verbieten sei. Der Gebrauch und Handel war eigentlich vorher schon offiziell verboten
worden. Das Verbot wurde jedoch nur sehr ungenau kontrolliert. Aufgrund der weitreichenden
Folgen, die der Abfluß des britischen Silbers für die Wirtschaft hatte, konnten sich die
Befürworter der strengeren Kontrolle des Opiumverbots in der Hauptstadt durchsetzen. Um
den Opiumhandel wirksam zu unterbinden, wurde einer der energischsten chinesischen
Hofbeamten namens Lin Zexu 1839 nach Kanton geschickt. Ihm wurde ein Heer zur Verfügung
gestellt mit dem er das Kantoner Ghetto umstellte und die Herausgabe des Opiums forderte.
Von dem plötzlich so entschlossenen Auftreten Chinas überrascht, verließen die
Engländer das Ghetto und überließen Lin Zexu rund 20.000 Kisten Opium. Da Lin ein
Abkommen mit den Portugiesen auf Macao getroffen hatte, wurden die Engländer dort nicht
aufgenommen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich auf eine der Inseln im
Mündungsbereich des Perlflusses zurückzuziehen. Ihre Wahl fiel auf Hong Kong. Eine
felsige Insel mit ungefähr 3.
500 Bewohnern, sowie noch einmal circa 2.000 auf ihren
Booten lebenden Fischern. Lin Zexu statuierte inzwischen ein Exempel indem er die Kisten,
insgesamt mehr als 1 Millionen Tonnen Opium, verbrennen ließ.
1.2.2.
Verlauf der
Auseinandersetzungen
Bei ihrem entschlossenen Eingreifen hatte die chinesische Führung übersehen, daß
England eine wesentlich aggressivere Handelspolitik führte als Portugal mit dem es bisher
in Auseinandersetzungen zu tun hatte. Die Briten hatten mit dieser Politik die Portugiesen
längst als führende Handelsnation im pazifischen Handelsraum abgelöst. Ganz im Sinne
der Erhaltung ihrer Hegemonialstellung entsandte England 1840 ein Expeditionscorps
bestehend aus 49 Kriegsschiffen und 4.000 Soldaten in die südchinesische See und
erklärte China im Juli des gleichen Jahres den Krieg. Dieser "erste Opiumkrieg"
verlief nicht kontinuierlich. Gefechts- und Verhandlungsphasen wechselten einander
ständig ab.
Während einer dieser Verhandlungsphasen, fiel im Vertrag von Chuanbi die
Insel Hong Kong an England. Sie wurde am 26.1.1841 formell in Besitz genommen.
Anfangs waren viele mit der Standortwahl unzufrieden. Foreign Secretary Lord Palmerston
prägte in dieser Zeit das oft zu lesende Zitat "a barren island with hardly a house
upon it", um Hong Kong zu beschreiben.
Doch schon die Übersetzung des Begriffes
Hong Kong läßt die Vorzüge der Insel offenbar werden. Hong Kong heißt auf
deutsch "Duftender Hafen". Das besondere an dem Hafen war nicht unbedingt sein
Geruch, sondern vielmehr die Tatsache, daß er taifunsicher und besonders tief war, was
für die heutige Schiffahrt von besonderer Bedeutung ist. Für England war es wichtig,
einen sicheren Hafen als Stützpunkt für ihre Flotte zu haben. Es war ohnehin geplant,
die Insel nicht wie eine gewöhnliche Kolonie zu nutzen und auszubeuten. Auf
Hong Kong sollte vielmehr ein strategischer Stützpunkt für weitere
Ostasienunternehmungen Großbritanniens entstehen.
Hong Kong wurde "not with a
view of colonisation, but for diplomatic, military and commercial purposes"
ausgewählt, wie Königin Victoria in einer Instruktion am 3. Juni 1843 schrieb.
1.2.3. Die Ungleichen
Verträge
Der Krieg endete 29.
8.1842 mit dem Vertrag von Nanjin, der die Niederlage Chinas
feststellte und den Briten neben Kanton vier weitere Häfen für den Handel öffnete sowie
günstigere und vor allem feste Zolltarife zusicherte. Außerdem mußte das Kanton-System
abgeschafft werden. Von nun an war es den Briten erlaubt, direkt mit chinesischen
Händlern in Kontakt zu treten. Auch wurden viele der vorigen Restriktionen abgeschafft,
wie das Verbot Chinesisch lernen zu dürfen. Die "Kronkolonie Hong Kong"
war also fürs erste abgesichert.
Der erste Opiumkrieg minderte aber keineswegs den
Opiumhandel. Er wurde jetzt lediglich verdeckt durchgeführt. Hierbei nutzten die
Schmuggler die Hilfe der Missionare, deren Schiffe sie zum Schmuggel benutzten. Außerdem
waren sie häufig als Dolmetscher tätig. Auf diese Weise verdienten sich die später
angesehensten Hong Konger Kaufleute eine "goldene Nase". So stachen
besonders die Gründer des Heute größten Handelshauses in Hong Kong "Jardine
& Matheson" aus der Menge der Schmuggler durch ihren Erfolg hervor.
Zu dieser
Zeit war der Chinahandel auf Hong Kong bestimmt vom Abenteuer. Hatte man den Mut
dazu, konnte man durch Schmuggelei ein Vermögen machen.
1.2.4. Aufgaben und
Struktur der neuen Kolonialregierung
Die Regierung der Kronkolonie kam die Aufgabe zu, den Freihandel zu überwachen, mit dem
chinesischen Kaiser in diplomatischem Kontakt zu bleiben sowie sich um die
wirtschaftlichen Belange der Kolonie zu kümmern.
Der Aufbau der Verwaltungsorgane sah
folgendermaßen aus. Der eigentliche Machthaber in der Kolonie war der Gouverneur. Er
wurde auf Zeit von der Königin bestimmt. Diese Art der Einsetzung sollte den Gouverneur
unabhängig von der Bevölkerung und anderen Interessengruppen halten. So konnte er einen
konsequenten Regierungsstil durchhalten. Es gab in der Kolonie von Anfang an eine
Gewaltenteilung.
Das Oberhaupt der Exekutive ist der Gouverneur, er steht auch dem
Legislativrat vor. Diese Gremien wurden ebenfalls nicht gewählt, sondern auf Vorschlag
des Gouverneurs und nur mit ausdrücklicher Zustimmung durch die Krone besetzt. Das System
der Ernennungen wurde bis vor wenigen Jahren immer noch durchgeführt. Aus diesem System
kann man auch ableiten, warum es bis vor kurzem nicht zur Bildung politischer Parteien
kam. Wenn man ohnehin nicht an der Staatsgewalt partizipieren kann, hat es auch keinen
Sinn, sich in Parteien zu organisieren. Der Regierungsstil zeichnete sich auf der einen
Seite durch enorme Autorität auf der anderen durch sehr geringe Einmischung in
wirtschaftliche Belange aus.
So konnte sich der Handel frei entfalten.
1.3. Erster Aufstieg
Hong Kongs zum Zwischenhandelszentrum
Die ersten Maßnahmen des ersten Gouverneurs waren zum einen die Aufstellung einer
Polizeitruppe, um die enorme Kriminalitätsrate zu verringern, zum anderen der Aufbau
einer medizinischen Grundversorgung, was wegen der hohen Seuchengefahr sehr von Nöten
war. Alle Maßnahmen der Regierung zielten auf eine Verbesserung der Infrastruktur der
Kolonie ab. Da mit dem Vertrag von Nanjin weitere Häfen dem Freihandel geöffnet wurden,
stieg der Wettbewerb unter den Zwischenhandelshäfen enorm.
In diesem Sinne wurde auch
Privatbesitz von Land auf Hong Kong verboten. So konnte die Regierung mit günstigen
Angeboten gezielt die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen steuern. In den 1970er Jahren
wurde auf diese Weise die amerikanische Firma Dow Chemical nach Hong Kong gelockt, da
man den Aufbau einer technologieintensiven Industriestruktur fördern wollte. Land wurde
nur nach einer öffentlichen Ausschreibung an den Meistbietenden auf 75 Jahre verpachtet.
Nachdem eine Minimalinfrastruktur aufgebaut war, um Hong Kong als
Zwischenhandelshafen zu etablieren, ruhten die Bestrebungen diese weiter zu verbessern.
1.
3.1. Bedrohung durch
andere Kolonialmächte
Die Infrastruktur der Kolonie wurde erst wieder ausgebaut, als Hong Kong für die
Briten eine erhöhte strategische Bedeutung erhielt. Bislang hatte die Kolonie ihren Zweck
erfüllt. Hong Kong hatte sich als feste Größe im Zwischenhandel etabliert, die
Kontakte mit China verliefen für Großbritannien günstig und die Führungsposition im
Handel in Südostasien war unangefochten. Dies änderte sich mit dem beginnenden
Kolonialisierungswettlauf der europäischen Großmächte zur Blütezeit des Imperialismus.
Es zeichnete sich ein Dreierwettlauf zwischen Frankreich, Rußland und Großbritannien ab.
Rußland drang von Norden her nach China ein, und Frankreich besetzte im Verlauf des
französisch-chinesischen Krieges von 1884 bis 1885 große Teile der an Hong Kong
angrenzenden Provinzen. Großbritannien sah hierin eine direkte Bedrohung ihrer Kolonie.
Als sich diese Entwicklung schon leicht abzuzeichnen begann, versuchte Großbritannien das
Areal ihrer Kolonie zu vergrößern.
1.3.
2. Ausweitung des
Territoriums
1.3.2.1. Zweiter Opiumkrieg
So wurde die Durchsuchung des als Schmuggel- und Piratenschiff verdächtigten britischen
Frachters "Arrow" zum Vorwand genommen, China den Krieg zu erklären.
In dieser
Weise begann 1856 der "zweite Opiumkrieg", den China erneut verlor. In zwei
Friedensverträgen mußte China weitere Zugeständnisse an Großbritannien machen. Im
Vertrag von Tianjin und der "Konvention von Peking" mußte China 1858 bzw. 1860
weitere Häfen dem Freihandel öffnen, Missionaren den Zug ins Landesinnere erlauben, den
Opiumhandel legalisieren und die Erweiterung der Kolonie genehmigen. China mußte auch
britischen Diplomaten den Aufenthalt in Beijing gestatten. In die Kronkolonie wurde die
gegenüberliegende Halbinsel Kowloon, zu deutsch "Neun Drachen", eingegliedert.
Dies fand auch den Beifall der Händler auf Hong Kong, da sie den taifunsicheren
Hafen schätzen gelernt hatten, ihnen für eine Verstärkung ihres Engagements jedoch
einfach der Platz fehlte. Mit dem Krieg wurden gleich drei Ziele auf einmal erfüllt. Als
erstes verbesserte sich so die Stellung Hong Kongs als Handelshafen, da sich neue
Händler ansiedeln beziehungsweise eingesessene Händler ihre Kontore erweitern konnten,
als zweites wurde eine militärische Pufferzone geschaffen und als drittes konnte man
China zu einer erneuten Erleichterung des Handels zwingen.
1.3.2.
2. Annexion der New
Territories
Die letzte Erweiterung der Kronkolonie konnte Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführt
werden. Frankreich hatte von der geschwächten Qing-Dynastie eine Stützpunktkonzession
für die Kanton-Bucht erzwungen. Die Briten sahen hierin eine Bedrohung der Sicherheit
Hong Kongs und rechtfertigten so die Besetzung des Gebietes landeinwärts von Kowloon
bis zum Shenzenfluß, die "New Territories". Am 9.
6.1898 wurde ein Vertrag
unterzeichnet, der die Vergrößerung über die New Territories sowie über 235 kleinere
Inseln bestätigte. Dadurch wuchs die Landfläche Hong Kongs um das zehnfache an.
Doch hier trat ein entscheidender Unterschied zu den vorangegangenen Verträgen auf.
Während die früheren Verträge besagten, daß das Land "auf ewig" bei
Großbritannien verbleiben sollte, sollten die Neuerwerbungen nach 99 Jahren der
"Verpachtung" an China zurückfallen. Als "Pacht" zahlen die Briten
bis heute für das gesamte Areal 5.
000 HK$. Das sind umgerechnet rund 700 US$. Daher
wurden die britisch-chinesischen Verträge auch "ungleiche" Verträge genannt,
da die Chinesen immer zum Abschluß der Verträge gepreßt wurden und nie eine angemessene
Gegenleistung für die Landabgabe erhielten.
1.3.3.
Wirtschaftliche
Ausbauphase
Diese letzte Vergrößerung war anfangs nur aus militärischen Gründen getätigt worden,
später stellte sie sich auch wieder als fördernd für die Wirtschaft heraus. Zuerste
wurde die britische Garnison aufgestockt und weit gestaffelte Verteidigungsanlagen
errichtet. Die Ereignisse zogen nun auch wieder infrastrukturelle Maßnahmen nach sich.
Das Straßennetz wurde erweitert, die medizinische Versorgung verbessert und neue Schulen
gebaut. Besonders wichtige öffentliche Projekte waren die Versorgung der Stadt mit
Elektrizität (1889), Bau der elektrischen Straßenbahn (1904) und die Eisenbahnverbindung
von Hong Kong nach Kanton (1910). Wirtschaftlich hatten diese Maßnahmen
weitreichende Konsequenzen.
Zwar dienten sie primär nur dazu, die britische
Vormachtstellung in Südostasien aufrecht zu erhalten, so brachten sie doch sekundär eine
Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes. In das vorher sehr wilde
Hong Kong hatte nun endlich die Zivilisation Einzug gehalten, wie sie die Händler
von England her kannten. Um die Jahrhundertwende erreichte der Zwischenhandel seinen
Zenit. Der Zwischenhandel war auch der einzige bedeutende Wirtschaftszweig. Der
Industriestandort der Briten in dieser Gegend war Shanghai geworden.
Die nächsten Jahrzehnte verliefen wirtschaftlich gesehen bis
auf wenige Ereignisse belanglos.
Die Kolonialregierung beschränkte sich weiterhin darauf,
nur eine grobe Rahmengesetzgebung zu beschließen, um eine größtmögliche ökonomische
Freiheit der Händler zu gewährleisten. Dieser Bestrebung ist auch die
Gewerkschaftsgesetzgebung der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zu verdanken. 1925/26
schwappten Streikwellen von China in die Kolonie. Die dadurch politisch aktiv gewordenen
Gewerkschaften wurden umgehend verboten.
1.
3.4. Niedergang durch
Überbevölkerung
Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation zeichnete sich durch die großen
Flüchtlingsströme ab. Hong Kong war seit jeher eine Art Druckausgleichsbehälter
für China. Alle dort unerwünschten Kräfte konnten nach Hong Kong
"entweichen". Die Bevölkerungszahl der Kolonie stieg von 1851 bis 1931 von
33.
000 bis 879.000. Anfangs rekrutierten sich die Flüchtlinge aus dem
anitmonarchistischen Lager. Nach dem Erfolg der Revolution von 1912 und dem Niedergang der
Qing-Dynastie kamen große Mengen Monarchisten. Mit diesen Flüchtlingströmen konnte die
Kolonie noch fertig werden. Als die Nationalisten die Republik China ausriefen, verließen
die Anhänger der Nationalisten die Kolonie, und die Monarchisten kamen.
Besonders hart
wurde die Kolonie von der japanischen Invasion in China von 1931 getroffen. Nach Besetzung
der Mandschurei begann Japan 1937 mit der Besetzung großen Teilen Ostchinas. Auf diese
Weise erreichte die Bevölkerungszahl Hong Kongs innerhalb kürzester Zeit circa 1,6
Millionen. Für eine so große Anzahl Menschen gab es nicht genügend Quartiere. Die
Flüchtlinge lebten auf den Straßen und die alte Seuchengefahr kehrte zurück. Ebenso
erreichte die Kriminalitätsrate wieder Höhen aus den Schmugglertagen der Kolonie.
Abgeschreckt durch diese Dinge kehrten manche Händler Hong Kong den Rücken. Der
Krieg brachte aber auch Aufträge für die Wirtschaft Hong Kongs. Hauptsächlich
kamen Aufträge für kriegswichtige Güter wie zum Beispiel Gasmasken und Uniformen.
Dieser Umstand bedeutete den Aufbau einer kleinen industriellen Struktur.
1.3.
5. Besetzung durch
Japan
Bevor die Kolonie so die Arbeitslosigkeit effektiv senken konnte, begann einen Tag nach
dem Angriff auf Pearl Harbour die Bombardierung Hong Kongs am 8.12.1941. Sie landeten
wenig später auf der Insel, hungerten sie aus und konnten bereits am Weihnachtstag 1941
die britische Kapitulation entgegennehmen. Die Japaner maßen der Kolonie wenig
wirtschaftliche Bedeutung zu, da der Zwischenhandel mit China über Hong Kong nun
faktisch nicht mehr existent war.
Während der Besatzungszeit verkam die Kolonie mehr und
mehr. Durch Deportationsmaßnahmen verringerten die Besatzer die Bevölkerung auf circa
600.000.
1.4. Nachkriegszeit
1.
4.1. Anfängliche
Dekolonialisierung
Als die Briten im Mai 1946 Hong Kong wieder in Besitz nahmen, lag die Wirtschaft am
Boden. Es wurde Wiederaufbaumaßnahmen eingeleitet. Die Kolonie kehrte zu ihrer Bestimmung
als Zwischenhandelshafen zurück. Doch inzwischen war eine erhebliche Liberalisierung in
der Regierungspolitik Großbritanniens eingetreten.
Im Zuge dieser Politik wurde auch die
Entkolonisierung Hong Kongs beschlossen. Die Maßnahmen wurden im Young-Plan benannt
nach dem damaligen Gouverneur festgelegt. Als erstes wurde das Gewerkschaftsverbot
aufgehoben. Damit nahm auch wieder die durch die Gewerkschaften hervorgerufene
Politisierung der Menschen zu. Die Gewerkschaften handelten schon 1946 die erste
Tariflöhne aus, deren Erhöhung bereits 1947 in Streiks erkämpft wurde. In der Zeit der
Entkolonisierung von 1946 bis 1949 verschlechterte sich so die wirtschaftliche
Wettbewerbslage Hong Kongs enorm.
Vor allem schreckten Investoren die gestiegenen
Lohn- und Lohnnebenkosten ab.
1.4.2 Kapitaltransfer durch
Shanghais Industrielle
Eine Wende in diesem Prozeß trat 1949 ein. Erneut erhielt die Kolonie eine große
strategische Bedeutung für England. Sie war durch den Bürgerkrieg in China bedingt.
Als
sich abzeichnete, daß die Kommunisten unter der Führung Mao Tse-tungs gegen die von
Chiang Kai-shek geführten Nationalisten gewinnen würden, flohen viele Geschäftsleute
vor allem aus Shanghai nach Hong Kong. Dies war ein immenser Glücksfall für die
Kolonie. Da andere Länder nach dem Krieg Einreiseverbote für Bürgerkriegsflüchtlinge
erlassen hatten, waren die Menschen gezwungen, nach Hong Kong oder Taiwan zu fliehen.
Nach Taiwan floh überwiegend die alte Verwaltungsschicht, während Hong Kong zur
Anlaufstelle für die Industriellen wurde. Sie bedeuteten einen gewaltigen Kapital- und
Know-how-Transfer. So wurden teilweise ganze Fertigungsanlagen der in Shanghai ansässigen
Textilindustrie von dort in die Kolonie geschafft.
Dies half beim Aufbau eines zweiten
wirtschaftlichen Standbeines, das später dringend benötigt wurde.
1.4.3. Wende der britischen
Politik wegen Sieg der Kommunisten
Um der Bedrohung der Kronkolonie durch die Kommunisten zu entgehen, setzten die Briten auf
eine Rückkehr zum autoritären Führungsstil früherer Tage. Sie sahen in den politisch
aktiv gewordenen Gewerkschaften einen möglichen Ansatzpunkt für eine kommunistische
Einflußnahme auf ihren Besitz.
Also wurde sofort wieder eine sehr einschränkende
Gewerkschaftsgesetzgebung erlassen. Auch wurden alle demokratischen Reformen des
Young-Planes zurückgenommen. Obwohl es sonst eher schwierig ist, einmal gewährte Rechte
zurückzunehmen, gelang es in Hong Kong nahezu reibungslos, da mit dem Sieg der
Kommunisten auf dem Festland, die Bewohner der Kolonie eingeschüchtert waren und eine
baldige Eingliederung in die VR China befürchteten. Das bedeutete eine erneute
Unabhängigkeit der Kolonialregierung von irgendwelchen Interessengruppen. Ferner wurde so
die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt, da nun wieder die Gesetze des Marktes herrschten.
1.
4.4 Stabilität wird
zum entscheidenden Standortvorteil
In den folgenden Jahren profitierte die Kolonie wirtschaftlich von der Instabilität
einiger Mächte im südostasiatischen Raum. Es begann mit dem Ausbruch des Koreakrieges.
Die Vereinten Nationen erließen ein weitreichendes Handelsembargo über das Nordkorea
unterstützende China. Das war das Ende des Zwischenhandelshafen Hong Kong und der
Beginn des Industriestandortes. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich die Flexibilität
des Standortes Hong Kong.
Die Unternehmer wurden gezwungen, sich durch den scheinbar
dauerhaften Wegfall des Chinahandels neu zu orientieren. Da die Kolonie selbst nicht über
exportierbare Rohstoffe verfügt und kein besonderes technologisches Know-how besaß, aber
mit enormen Flüchtlingsströmen "gesegnet" war, lag es nahe, eine
arbeitsintensive Industrie aufzuziehen. Die Textilindustrie eignete sich besonders für
dieses Vorhaben. Zum einen ist sie sehr arbeitsintensiv und erfordert wenig Qualifikation
der Arbeiter, zum anderen gab es schon viele Unternehmer aus Shanghai, die über das
Wissen und oft schon über die Maschinen verfügten, eine Produktion von Textilwaren
aufzubauen. Hong Kong profitierte außerdem von der Angst vieler Investoren im
südostasiatischen Raum. In Malaysia, Indochina und Indonesien gab es starke
kommunistische Parteien.
Aus Angst, daß diese an die Macht kommen könnten, verlagerten
auch viele ausländische Investoren ihre Aktivitäten in dem Wirtschaftsraum nach
Hong Kong. Dadurch war auch auf lange Sicht genügend Investitionskapital vorhanden.
Hier liegt auch der Ursprung des Finanzzentrums Hong Kong. Durch die Ansiedlung der
Industrie wurde das Flüchtlingsproblem merklich abgeschwächt.
1.4.
5. Maßnahmen der
Regierung
Um der Kolonie beim wirtschaftlichen Aufschwung zu helfen, wurden wieder viele Projekte in
Angriff genommen, die die Infrastruktur verbessern sollten. So wurde in den 50er Jahren
der Flughafen Kai Tak ausgebaut. Auf Kowloon wurden Wasserreservoirs eingerichtet, um den
Wasserbedarf der Textilindustrie zu decken.
Da 1949 die Stärke der Gewerkschaften durch die strenge
Gesetzgebung weit gesenkt wurde, legte nun der Markt die Preise für Arbeitskraft fest.
Aufgrund der anhaltenden Flüchtlingsströme aus China war das Angebot sehr groß.
Die
Löhne wurden von den Unternehmern über lange Zeit auf einem niedrigen Niveau gehalten.
Die Löhne sanken sogar wieder während der Zeit der Ölkrise in den 70ern. Daher traf die
Kolonie diese Krise auch nicht so stark wie andere Länder mit starken Gewerkschaften. Das
heißt nicht, daß Hong Kong streikfrei ist. Doch in der Gewerkschaftsgesetzgebung
von 1949 wurde festgelegt, daß die Regierung an allen Tarifstreitigkeiten teilnehmen
muß. Sie konnte sogar ein für beide Parteien bindendes Schiedsverfahren anordnen.
1.4.6. Chinas Hong Kong
- Politik von 1949 bis 1982
Die politische Schwäche der Gewerkschaften ist erstaunlich, da es China ein leichtes
gewesen wäre mit Drohungen eine Lockerung der Gesetze zu erwirken. Doch es kam nie so
weit, da das System auch für China seine Vorteile hatte. In den 50ern ließ sich in der
Kolonie das Embargo durch Schmuggel umgehen.
Später vor allem nach dem Bruch mit Moskau
war Hong Kong eine Chance, aus der wirtschaftlichen Isolation herauszukommen. Nach
der von Deng Xiao-ping eingeleiteten "Politik der offenen Tür" begann der
chinesische Staat sich aktiv in Hong Kong zu engagieren. Hauptsächlich über die
schon etablierte "Bank of China" sowie über staatseigene
Investmentgesellschaften. Diese Beziehungen der Kolonie zwischen China und Hong Kong
führten zu einer Art Stillhalteabkommen. Großbritannien hielt sich aus der chinesischen
Politik heraus und würde im Falle einer Einnahme Hong Kongs stillhalten, China
verzichtete dafür auf eine unangekündigte Intervention und auf die Mobilisierung der
Industriearbeiterschaft.
1.
5. Hong Kong wird
zum High - Tech Standort
Die Bildungsmaßnahmen haben bewirkt, daß die Struktur der Industrie sich auf Bereiche
verlagern konnte, für die eine größere Qualifikation nötig ist und die ohne riesigen
Maschinenpark auskommen. Auf diese Weise wurde Hong Kong Anfang der 80er zum
Produktionsstandort für elektronische Waren wie Computer, Halbleiterchips und
Digitaluhren. Auf diese Entwicklung wurde von der Regierung aktiv hingearbeitet. Da sie
die Vergabe von Grundstücken kontrollierte, erhielten anfangs Betriebe der Petrochemie
besondere Konditionen. So wurde die Basis für eine Plastikproduktion gelegt.
Das Öl
konnte direkt aus dem südostasiatischen Raum importiert werden. Hong Kong wurde zu
einem der größten Exporteure von Plastikspielzeug.
1.5.1.
Infrastrukturasbau und Schaffung sozialer Mindeststandards durch die Regierung
Die Veränderung hin zu technologieintensiveren Industriestrukturen war wegen der
Erhöhung des Lohnniveaus nötig geworden.
In den 70ern hielt der Sozialstaat in gewissem
Umfang Einzug. Die Ereignisse der Kulturrevolution hatten die Regierung der Kolonie
aufgeschreckt. Mit den folgenden Maßnahmen sollte die Lage entschärft werden, da es auch
in Hong Kong zu Unruhen gekommen war. Sie ebbten sehr schnell ab, als klar wurde,
daß die chinesische Führung noch nicht die Absicht hatte, die Kolonie einzugliedern. Es
folgten keine direkten Forderungen nach sozialer Absicherung, aber man wollte einer
Wiederholung vorbeugen. Deshalb wurde 1971 ein neues Wohnungsbauprogramm eingeleitet.
Seit
1971 ist auch die schulische Grundausbildung kostenlos. 1981 wurde das gesamte
Bildungswesen kostenfrei. Um den Bildungsstand effektiv zu erhöhen, initiierte die
Regierung den Bau von weiteren Schulen und Universitäten. So wurden neben den zwei schon
existierenden Universitäten noch zwei Fachhochschulen gebaut. Zusätzlich zu diesen
Maßnahmen, die auf eine Verbesserung der Infrastruktur abzielten, gab es auch Eingriffe
in die Wirtschaft. Im Rahmen der Sozialgesetzgebung wurde die 48-Stundenwoche (vorher 60)
festgesetzt, sieben bezahlte Urlaubstage pro Jahr eingeführt, Sicherheitsstandards für
Arbeitsplätze beschlossen und es wurde ein Kündigungsschutz bestimmt.
Die soziale
Absicherung der Arbeiter ging auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit. Doch dank der
Bildungspolitik hatte sich die Kolonie diesmal einen entscheidenden Standortfaktor
aufgebaut.
1.5.2. Konkurrenz zu
Sonderwirtschaftszonen und Abwanderung der arbeitsintensiven Industrien
Als dann Ende der 70er die Sonderwirtschaftszonen eingerichtet wurden, stand nun ein sehr
viel billigerer Produktionsstandort zur Verfügung.
Auf diese Art und Weise kam es, daß
sich die Textilindustrie mehr und mehr in die benachbarte Wirtschaftssonderzone Shenzen
verlagerte. Hong Kong vollzog die gleiche Verlagerung der Sektoren wie alle modernen
Industrieländer. Landwirtschaft gab es in der Kolonie nur im geringstem Maße, so daß
deren Anteil kaum weiter sinken konnte. Im sekundären Sektor trat eine Verlagerung von
arbeitsintensiven dafür aber keine hohe Qualifikation erfordernden Produktionsabläufe in
Gebiete mit niedrigeren Lohnkosten. Die Betriebe, die eine moderne Infrastruktur sowie auf
Technologie angewiesen waren blieben in Hong Kong. Dafür stieg der Anteil des
Dienstleistungssektors was sich mit der erneuten Rückkehr zum Zwischenhandelshafen
abzeichnete.
1.5.3. Wiederaufleben
des Zwischenhandels und Entwicklung zum Dientsleitungszentrum
Mit der "Politik der offenen Tür" trat die VR China wieder als wichtigster
Handelspartner der Kolonie auf den Plan. Um dieser Funktion wieder gerecht zu werden,
wurde sofort mit dem Bau eines modernen Containerterminals begonnen, der 1976
fertiggestellt wurde. Er war über 5 Jahre hinweg der größte Containerhafen der Welt.
Vorher war der Hafen nur schlecht ausgebaut. Lange Zeit war er sogar nur das Naturbecken
aus Gründertagen geblieben und die Schiffe mußten mit Hilfe von Leichtern gelöscht
werden. Der Trend hin zum Handelshafen und Dienstleistungsstandort wird sich wohl aus den
oben genannten Gründen weiter vollziehen. Ein Schritt in diese Richtung wurde auch mit
der Planung bzw. Bau des 127 Milliarden HK$ teuren Flughafens auf der Insel Chek Lap Kok
getan.
Um ihn errichten zu können, wurde
die Insel eingeebnet und das Meer rund um die Insel aufgefüllt.
Die neu entstandene
Fläche ist circa 4mal so groß wie die eigentliche Insel Chek Lap Kok. Der Flughafenbau
zieht auch weitere Mammutprojekte nach sich. So soll der Flughafen über eine rund 2,3 km
lange zweistöckige Brücke mit der Insel Hong Kong verbunden werden. Dieses Projekt
wurde zum Zankapfel zwischen China und Großbritannien. Die chinesische Regierung fühlte
sich bei der Entscheidung übergangen. Sie befürchtete, daß die Finanzierung nach
Übergabe der Kolonie zum Milliardengrab ähnlich wie der Kanaltunnel, der Frankreich mit
Großbritannien verbindet, wird.
Nach langen Verhandlungen zwischen Regierungsvertretern
kam man zu der Übereinkunft, daß der Bau von China gebilligt wird, die Briten
versprachen im Gegenzug, eine "eiserne" Reserve von 25 Milliarden HK$ in der
Staatskasse der Kolonie zu hinterlassen.
Chek Lap Kok:
Zeichnung des im Bau befindlichen Flughafens Chek Lap Kok.
Der Flughafen soll bis 1998 fertiggestellt sein. Er ist das ergeizigste Bau-projekt der
Welt. Beim Bau wurde das Areal der Insel um das vierfache durch Aufschüttungsmaßnahmen
vergrößert. Die Verkehrsanbindung erfolgt über ein 2,3 km lange zweistöckige Brücke,
die sogar die Golden Gate Bridge an Länge übertreffen wird.
Hong Kong entwickelte sich in den 80er Jahren
rasant vom Billiglohnland zum modernen Wirtschaftsstandort mit den selben Merkmalen wie
andere westliche Industrieländer. Obwohl das Lohnniveau gestiegen ist, hat Hong Kong
im Vergleich zu anderen Industrienationen noch extrem niedrige Lohnkosten gerade im
Bereich der qualifizierten Arbeitsplätze. Allgemein wird die Kronkolonie als "Newly
Industrialized Country" (NIC) bezeichnet.
2. Einzelaspekte
2.1.
Der Standort
2.1.1. Auswahlkriterien
Die Wahl Hong Kong Islands als Standort für eine neue Kolonie erfolgte aus
langfristigen wirtschaftlichen und militärischen Überlegungen der East India Company der
Briten. Hierbei spielte die Beschaffenheit der Insel selbst offensichtlich eine
untergeordnete Rolle, denn ihre geringe Fläche und vor allem die steilen Berghänge
setzen den Möglichkeiten zur Besiedlung enge Grenzen. Außerdem bestand die
Einwohnerschaft zum Zeitpunkt der Annexion aus einer vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung
von nur 6.
000 Personen. Die Zahl der potentiellen Arbeitskräfte und die vorhandene
Kaufkraft war also gering. Dementsprechend stark wurde die Entscheidung für
Hong Kong Island durch die britische Öffentlichkeit kritisiert. Doch der Standort
besitzt ganz wesentliche Vorzüge, die für vorausschauende Militärs und Geschäftsleute
den Ausschlag gaben. Dies waren die geographische Lage und ganz besondere Eigenschaften
des Inselhafens. Hieraus ergaben sich enorme Möglichkeiten zu weiterer territorialer und
wirtschaftlicher Expansion, für die Hong Kong als Basis dienen sollte.
Der größte Vorzug von Hong Kong Island ist aber der
natürliche Tiefwasserhafen an ihrer Nordküste. Er ist der einzige taifunsichere Hafen in
dieser Region und die Tiefe des Beckens war auch für große Kriegsschiffe ausreichend. Um
ihn leichter verteidigen zu können, besetzte Großbritannien auch die an der Gegenküste
liegende Halbinsel Kowloon.
Nach Abschluß des "Pachtvertrages" von 1898 über
die New Territories im Hinterland von Kowloon vergrößerte sich das Territorium um das
Zehnfache. Hong Kong erhielt damit seine heutigen Grenzen. Die 1.
040 km2 Landfläche
der Kolonie verteilen sich auf den Kern Hong Kong Island, einem festländischen Teil
mit Kowloon und den nördlichen New Territories, sowie die ebenso zu den New Territories
zählenden 235 Inseln einschließlich Lantaos. Durch die zahlreichen Inseln ergibt sich
eine Küstenlinie von gesamt 733 Kilometern; zu China gibt es eine 30 Kilometer lange
Landgrenze, während das Gebiet Macaos nicht direkt angrenzt.
Hong Kong Island und Kowloon stellen das
Wirtschaftszentrum der Kolonie dar, während die New Territories vor allem die Aufgabe
haben, die Reserve an Bauland zu bilden. In den Anfangsjahren der Kolonie sollten sie die
Verteidigung und Versorgung der Kolonie mit den wichtigsten Nahrungsmitteln und Rohstoffen
sicherstellen. Ihre Produktion reichte jedoch schon sehr früh nicht mehr für die schnell
wachsende Bevölkerung aus. Hong Kong ist vollkommen von den Lieferungen aus China
abhängig.
Heute wäre die Kolonie in Krisenzeiten nicht einmal in der Wasserversorgung
autark.
2.1.2. Veränderungen der
Landschaft
Im Zuge der Besiedelung Hong Kongs wurde die Landschaft stark verändert. Aus Mangel
an Baufläche wurden bereits in den ersten Jahren der Kolonie Berge auf Hong Kong
Island abgetragen und damit Teile des Hafenbeckens aufgeschüttet.
An der Küste Kowloons
und beim Bau des neuen Flughafens Chek Lap Kok wurde mit der selben Methode Neuland
gewonnen.
Auch die Landwirtschaft hat das Gesicht Hong Kongs
tiefgreifend verändert. Daß sie in einem so sehr auf Handel und Industrie konzentrierten
Land überhaupt noch betrieben wird, ist nur durch ein Bestreben nach einem Mindestmaß
von Autarkie erklärbar. Trotz diese Bedürfnisses wird der Anteil der landwirtschaftlich
genutzten Flächen weiterhin geringer. Neben dem Wachsen der Städte sind hierfür
Landschaftsschutzmaßnahmen verantwortlich.
Flächenmangel machte Intensivierungsmaßnahmen und
Waldrodungen erforderlich.
Als Folge daraus ist der ursprüngliche Tropenwald bis auf
Restbestände auf Bergen und kleinen Inseln verschwunden. Da jedoch aufgrund der hohen
Reliefenergie die Erosion in Hong Kong sehr stark ist, mußten große Flächen wieder
aufgeforstet werden. Heute sind wieder zwölf Prozent des Gesamtgebietes bewaldet.
Die Kolonisierung Hong Kongs hat natürlich auch die
Wandlung der Kulturlandschaft zur Folge. In den New Territories gab es bereits einige
Jahrhunderte vor der Eroberung durch Großbritannien Dörfer. Fast alle wurden
mittlerweile aufgelöst oder zu Städten von mehreren zehntausend Einwohnern
umstrukturiert.
2.2. Die Bevölkerung
2.2.1. Wachstum und
Zusammensetzung
Es ist nur sehr begrenzt möglich, genaue Zahlenangaben über die Bevölkerungsentwicklung
Hong Kongs zu machen, da die Quellen stark differieren.
Hierfür gibt es mehrere
Gründe. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, daß die Einwanderung in die Kolonie
lange Zeit unplanmäßig und unkontrollierbar vor sich ging, insbesondere während der
Kriege und Revolutionen. Zudem wird eine statistische Erfassung durch hohe Reisetätigkeit
erschwert. So befanden sich zum Beispiel im November 1996 über 200.000 der anerkannten
Bürger Hong Kongs im Ausland. Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Gruppe der
zahlreichen Einwanderer, die sich illegal in der Kolonie aufhalten und darum ein Interesse
daran haben, von den Behörden unentdeckt zu bleiben.
In den frühen Jahren von 1842 bis 1861 wuchs die
Bevölkerung durch Zuwanderung und durch "Pachtung" der bereits besiedelten New
Territories schnell auf 100.000 Personen an. Sie setzte sich vor allem aus britischen
Händlern, Soldaten und Matrosen und Südchinesen aus der angrenzenden Provinz zusammen.
Die Rolle der Chinesen bestand in der Regel darin als Reisbauern und Haltern von
Fischteichen in den New Territories die Versorgung zu sichern oder im Hafen und in den
Handelsunternehmen der Europäer zu arbeiten. Eine dritte, sehr kleine Gruppe der Chinesen
arbeitete als gutverdienende Dolmetscher und Mittelsmänner, sogenannte
"Compradores". Sie waren nötig, weil mit Ausnahme der Missionare kein Europäer
Kantonesisch beherrschte und bis heute nur ein Teil der Hong Kong - Chinesen englisch
spricht.
Außerdem ist für einen europäischen Geschäftsmann die Hilfe eines Chinesen,
der sich mit den in der chinesischen Kultur sehr wichtigen Familienbeziehungen auskennt,
von großer Bedeutung. Gemeinsam mit den Briten eingewanderte Inder arbeiteten ebenfalls
als Dolmetscher. Zwar macht die Gruppe der Inder mit etwa 8.000 Personen nur einen
verschwindend kleinen Anteil an der Gesamtbevölkerung aus, doch ist ihr Einfluß groß.
In den 1990er Jahren kontrollierten sie geschätzte zehn Prozent des Handels in
Hong Kong.
Die Europäer und später die US-Amerikaner behielten lange
Zeit ausschließlich sich das Management vor.
Der Wandel in diesem Bereich war vor allem
eine Folge der Einwanderung wohlhabender Shanghai-Chinesen ab 1949.
Durch natürliches Wachstum und stetige Zuwanderung war die
Bevölkerungszahl bis 1900 auf 200.000 Personen gestiegen. 1912 gab es nach dem Sturz der
Quing-Dynastie und der Begründung der ersten chinesischen Republik durch Sun Yat-Sen die
erste große Flüchtlingsbewegung in Richtung Hong Kong. Im Jahr 1936 zählte die
Kolonie zum ersten mal an die 1.000.
000 Einwohner. Als sich dann im Japanisch-Chinesischen
Krieg die Bevölkerungszahl durch Flüchtlinge aus den besetzten Küstenprovinzen
verzweifachte, war Wohnraum knapp. Auf einer Fläche, die etwa der anderthalbfachen
Hamburgs entspricht, lebten zwei Millionen Menschen. Um die vorhandenen Städte entstanden
die ersten Slums der Kolonie, und mehrere zehntausend lebten bis in die 1980er Jahre auf
Hausbooten. Die Situation der Bevölkerung verschlechterte sich weiter durch die
japanische Besatzung Hong Kongs ab 1941. Versorgungsschwierigkeiten während der
folgenden vier Jahre bis zum Abzug der Japaner zwangen viele zum Auswandern.
Da außerdem
viele während des Krieges deportiert wurden, hatte Hong Kong zu dessen Ende nur noch
610.000 Einwohner.
Neue Flüchtlingswellen in Folge des anschließenden
Chinesischen Bürgerkrieges ließen das Vorkriegsniveau bald wieder erreichen. Seit dem
ist die Bevölkerungszahl Hong Kongs bis auf einen Einbruch in den frühen 50er
Jahren nur noch gestiegen.
Die Machtübernahme Mao Zedongs auf dem chinesischen Festland
bewirkte auch einen Wandel im Leben der Hong Konger Bevölkerung. Viele der
Flüchtlinge, die 1949 aus Schanghai in die britische Kolonie kamen, waren sehr
wohlhabend.
Mit ihrem Kapital und ihrer Geschäftserfahrung entstanden dort die ersten von
Chinesen geführten Unternehmen. Dies waren häufig Dienstleistungsunternehmen wie
Wäschereien und Reperaturwerkstätten, aber auch Hersteller von arbeitsintensiven
Produkten wie Papierblumen und Textilien. Diese Betriebe brachten ihren Besitzern große
Gewinne, da die Lohnkosten äußerst gering waren. Nachdem die Volksrepublik China wegen
des Koreakrieges durch die Vereinten Nationen boykottiert wurde, war der Zwischenhandel
mit dem Nachbarstaat weggefallen. Durch die Konkurrenz der vielen, nun arbeitslosen
Hafenarbeiter mit den Flüchtlingen sanken die Löhne auf ein Minimum.
Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitszeitbeschränkungen gab es in der Praxis nicht.
Die Flüchtlingsbewegung von 1949 war bislang die letzte, die
Hong Kong vor so große Probleme stellte. Zwar nahm die Bevölkerung seit dem pro
Jahrzehnt um bis zu einer Million Menschen zu, aber der Steigerungsprozess ist nun
gleichmäßiger. Die Gründe für den Rückgang des Flüchtlingsaufkommens in
Hong Kong sind die verhältnismäßig große politische Stabilität in der VR China
die heute weltweite Ausweitung des Beziehungsnetzes der Überseechinesen. Bis zur zweiten
Hälfte dieses Jahrhunderts kam für Flüchtlinge aus China nur eine Auswanderung nach
Hong Kong oder Taiwan in Frage. Im übrigen südostasiatischen Ausland war es immer
wieder zu anti-chinesischen Pogromen gekommen und die USA sperrten sich gegen asiatische
Einwanderer, weil sie auf dem Arbeitsmarkt keine Billiglohn-Konkurrenz für ihre Bürger
wollten. Die Einwanderungsbeschränkungen wurden jedoch von vielen Chinesen untergangen
und nach und nach gelang der Aufbau von chinesischen Kolonien in den Großstädten
Nordamerikas, insbesondere an der Pazifikküste.
Da einige dieser Auswanderer später die
staatliche Anerkennung erreichten, ist es heute mit Hilfe des Gesetzes zur
Familienzusammenführung leicht, nach Kanada oder den USA zu emigrieren. Diese Länder
sind somit zur Alternative für Hong Kong geworden. Noch immer macht Zuwanderung den
größten Teil des Bevölkerungswachstums aus. So gab es im Zeitraum von Mitte 1995 bis
Mitte 1996 einen Geburtenüberschuß von 35.600 Menschen, während in der gleichen Zeit
119.300 neue Einwanderer kamen.
Weiterhin bleibt für Hong Kong der Umstand
charakteristisch, daß mehr als die Hälfte seiner Einwohner im Ausland geboren wurden.
Aber das Ausmaß der Zuwanderung und ist nicht mehr so groß wie während den Krisenjahren
im benachbarten China und kann deswegen besser verkraftet werden.
Den Generationen nach den 50er Jahren gelang der
wirtschaftliche Aufstieg, ihre verstärkte Kaufkraft machte wiederum das Entstehen neuer
Dienstleistungsbetriebe möglich, wodurch sich dieser Prozeß von selbst beschleunigt. Das
Ende des UN-Boykotts der Volksrepublik verbesserte Hong Kongs Wirtschaftslage
zusätzlich. Die aktuellen demographischen Werte in Bezug auf Einkommen und
Lebenserwartung sind mit den westlichen Industrieländern zu vergleichen.
Demographische Daten Hong Kongs für 1995 und
1996
Durchschnittsalter:
34 Jahre
Beschäftigte:
3,2 Millionen
Hochschulabsolventen:
10%
Durchschnittseinkommen pro Haushalt:
17.
500 $
Lebenserwartung:
80 Jahre; Männer 76, Frauen 83
Alphabetisierungsgrad:
77%; Männer 90%, Frauen 64%
Geburtenrate:
12 pro 1000 EW
2.2.2. Wohnprobleme,
Wohnungspolitik und Veränderung der Bevölkerungstruktur
Hong Kongs größtes Problem war von jeher seine geringe Größe. Teilt man die
gesamte Landfläche der Kolonie von 1.040 km2 durch die Zahl ihrer Einwohner, ergibt sich
für Ende 1996 ein Durchschnittswert von 5.
820 Personen pro Quadratkilometer. Verglichen
mit dem Wert für München von circa 4.000 EW/km2 erscheint dieser Wert nicht sehr
ungewöhnlich für ein modernes Stadtgebiet. Doch muß diese Zahl relativiert werden, da
große Teile des Territoriums sehr bergig sind und darum auf vielen Flächen keine
Bebauung möglich ist. Außerdem können die über 200 sehr kleinen Inseln nicht zur
relevanten Fläche gezählt werden. Aus diesen Umständen ergibt sich in den meisten
Stadtgebieten Hong Kongs eine tatsächliche Wohndichte von 15.
000 EW/km2. Der
Höchstwert im Staatsgebiet liegt sogar bei 165.000 EW/km2 und stellt damit gleichzeitig
den Weltspitzenwert dar.
Um die Wohnungssituation zu verbessern finanziert die
Kolonialregierung seit den 60er Jahren ein Bauprogramm bei dem jährlich 50.000 Wohnungen
erstellt werden. Erklärtes Ziel der Wohnungspolitik ist es, sämtliche
"Squatter"-Siedlungen aus illegal errichteten Hütten zu beseitigen, da diese
einstöckigen Unterkünfte viel Fläche verbrauchen und die Seuchengefahr in den Slums
groß ist.
Ihre Bewohner werden in staatlich subventionierten Hochhäuser umgesiedelt.
Erstes Ziel sind die "wilden" Siedlungen im städtischen Bereich, anschließend
sollen die Randgebiete folgen. Dieser Prozeß ist bereits weit fortgeschritten. Auch die
früher für Hong Kong typischen "schwimmenden Städte" der
"Boatpeople" sind zum größten Teil verschwunden, und ganze Dörfer im Norden
des Landes wurden zu Großstädten umstrukturiert.
Generell kann eine Bevölkerungsverlagerung von Kowloon in
die neuen Städte der New Territories festgestellt werden. Die Bevölkerungszahl von
Hong Kong Island bleibt nahezu unverändert, da sich hier hauptsächlich
Geschäftsgebäude und große Häuser der Mittel- und Oberschicht befinden.
Mittlerweile leben mit rund 3,1 Millionen Menschen beinahe
die Hälfte der Einwohner Hong Kongs in vom Staat errichteten Wohnungen. Doch trotz
des erheblichen finanziellen Aufwandes besteht das Wohnungsproblem weiter und neue
illegale Siedlungen entstehen. In der Regel kostet das Bauland mehr Geld als für die
eigentlichen Baukosten verbraucht wird. Aus Platzmangel wurden bereits Hütten auf den
Dächern von Bürohochhäusern gebaut.
Neben dem ständigen Wachstum steht Hong Kong vor einem
weiterem Bevölkerungsproblem. Die nahende Übergabe an die VR China beginnt sich
auszuwirken.
Zwar nimmt die Einwohnerzahl auch weiterhin zu, aber die Zusammensetzung
ändert sich. Die finanzstarken, gut ausgebildeten und jungen Teile der Bevölkerung
wandern ab. Eine Folge ist das von 1986 bis 1996 um sechs Jahre gestiegene
Durschnittsalter. Von offizieller Seite wird diese statistische Veränderung durch höhere
Lebenserwartung als Erfolg des Gesundheitssystems erklärt, aber eine entscheidende
Ursache ist sicherlich auch, daß vor allem junge und männliche Hong Kong - Chinesen
in der Lage sind auszuwandern. Dies würde nämlich auch erklären, warum der vor zehn
Jahren noch überproportionale Männeranteil an der Gesamtbevölkerung bis 1996
verschwunden ist.
2.
3. Kultur
Staatliche Verordnungen sind nicht die alleinige Ursache des Trends zum Verschwindens der
Hüttensiedlungen. Hier spielt auch der allmählich steigende Wohlstand der Bevölkerung
eine Rolle. Seit 1986 stieg das Durschnittseinkommen um 269% auf 9.500 $ im Jahr. Unter
Berücksichtigung der Teuerrungsrate entspricht das einer tatsächlichen Steigerung von
125%.
Diese Werte bedeuten eine positive Tendenz, aber die Gegensätze innerhalb der
Bevölkerung bleiben bestehen - nicht nur finanziell.
2.3.1. Religion und
Philosophie
Die Gründe für große kulturelle Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen in
Hong Kong liegen in der typisch britischen Kolonialpolitik und in dem Umstand, daß
die Hälfte der Bewohner im Ausland und die übrigen in den Grenzen der Kolonie geboren
wurden.
Im Unterschied zu den US-Amerikanern verstanden sich die
Briten nicht als Missionare der westlichen Kultur.
Ähnlich wie in ihrer Kolonie Indien
beseitigten sie in Hong Kong nur das, was der Durchsetzung ihrer
Herrschaftsinteressen hinderlich war. Alles übrige beließen sie beim alten, so daß dem
Kolonialvolk die Fremdherrschaft weniger bewußt wurde. Auf diese Weise konnten Unruhen
meist vermieden werden. Aus diesem Grund ist Hong Kong auch noch nach über 150
Jahren als britische Kronkolonie tief in der chinesischen Kultur verwurzelt. Die
Bevölkerung gehört überwiegend zu den Anhänger einer Mischform des Buddhismus und des
Taoismus, während die Minderheit der Christen häufig westlicher Abstammung ist oder
zumindest in Europa und Nordamerika studiert hat. Stark verbreitet ist auch der Glauben an
"Feng-Shui".
Es handelt es sich dabei um eine Art der Naturreligion, die den
Glauben an Kräfteströme, Geister und Drachen beinhaltet. Als Gelehrte über diese
Kräfte haben "Feng-Shui-men" einen Starken Einfluß auf die Bauweise in
Hong Kong. Sie sind nach dem Glauben ihrer Anhänger dazu in der Lage, den Bauplatz
und die Anlage der Fenster, Eingänge usw. so zu bestimmen, daß die örtlichen Drachen
nicht verärgert und Kräfteströme in günstige Richtungen gelenkt werden. Das 1894 von
dem für die Kolonien zuständigen Lord Rippon gefällte Urteil, daß Hong Kong unter
britischer Regierung chinesisch geworden sei, wird durch die besondere Bauweise der Bank
of China bestätigt. Die Kanten dieses Gebäudes weisen genau in Richtung des
Gouverneurspalastes und leiten dadurch, nach Feng-Shui, negative Kräfte dorthin.
Weil der
Gouverneur später für längere Zeit erkrankte, wurden am Palast Spiegel angebracht, um
diese abzuwehren. Das bemerkenswerte an der Sache ist, daß sich die Bank of China im
Besitz der Volksrepublik befindet. Deshalb darf der Leiter der Bank, genau wie der
Gouverneur, offiziell nicht an Feng-Shui glauben. Diese Begebenheit ist ein Beispiel
dafür, daß die chinesische Tradition und nicht der Einfluß Britanniens den Alltag in
Hong Kong bestimmen.
2.3.
2. Sprache
Neben dem Bereich der Religion ist das chinesische Element auch sprachlich klar an erster
Stelle. Nur 3% der Einwohner Hong Kongs sprechen zu Hause englisch, 32% gebrauchen es
als Geschäftssprache. Der Rest spricht ausschließlich asiatische Sprachen und Dialekte.
Hier ist Kantonesisch vorherrschend, das für 89% der Einwohner die gängige Sprache zu
Hause ist. Obwohl während der vielen Krisen Chinas Flüchtlinge aus allen Teilen dieses
Landes nach Hong Kong kamen, beherrscht kaum jemand die Hochsprache Mandarin, die in
der Kolonie lange Zeit verpönt war.
Auch in der Schriftsprache gibt es Unterschiede zur
Volksrepublik. Während dort in einer Reform Kurzzeichen eingeführt wurden, um das
Schrifttum schneller verbreiten zu können, gibt es in Hong Kong weiterhin die alten
Langzeichen. Wegen des baldigen Anschlusses an China und wegen der ausgedehnten
Geschäftsbeziehungen wird heute das Mandarin in Firmen- und Schulprogrammen gefördert.
Die neuen Schriftzeichen werden wohl nicht erlernt werden müssen, denn in der
angrenzenden Sonderwirtschaftszone Shenzen haben sich die alten Langzeichen wieder
eingebürgert.
2.3.
3. Bildung und
finanzielle Verhältnisse
Während die südchinesische Lebensweise also durch Religion und Sprache das Privatleben
beherrscht, dominiert die britische Kultur Geschäftsleben und höhere Bildung. Englisch
ist die Muttersprache der wichtigen pazifischen Handelspartner USA, Kanada, Australien und
Neuseeland. Außerdem ist sie die Unterrichtssprache der weiterführenden Schulen.
Neben den Gegensätzen von westlicher und asiatischer Kultur
gibt es in Hong Kong auch bedeutende wirtschaftliche Differenzen. Das stark
gestiegene Durchschnittseinkommen, die hohe Lebenserwartung und gerade die mit heute unter
zwei Prozent liegende Arbeitslosenrate könnten einen allgemeinen Wohlstand vermuten
lassen, aber die finanziellen Unterschiede sind groß.
Von dem Gesamteinkommen der
Bewohner Hong Kongs entfällt 30% auf ein Zehntel der Bevölkerung, während vier
Zehntel lediglich einen Anteil von 14% erreichen. Im internationalen Vergleich steht zum
Beispiel Taiwan wesentlich besser da.
Einkommensverteilung in ausgewählten Staaten
Südostasiens (1989) in Prozent
vom
Gesamteinkommen entfallen auf:
Staat
meistverdienende
10% der EW
geringstverdienende
40% der EW
Hong Kong
30
14
Philippinen
37
14
Malaysia
36
19
Indonesien
38
18
Sri Lanka
35
16
Thailand
34
15
Taiwan
27
21
Daß das Einkommen der Wirtschaftsführer in
Hong Kong allerdings um einiges höher liegt als in Taiwan, muß bei der
Interpretation der Tabelle jedoch berücksichtigt werden.
Die meisten Einwohner Hong Kongs sind gut mit
technischen Konsumgütern versorgt, doch sinkt die Lebensqualität der
Durchschnittsbevölkerung sehr durch die hohen Preise des Wohnraums. In den vom Staat
gebauten Wohnungen, in denen etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt, stehen pro Person nur
4m2 zur Verfügung. Die traditionell starke Bindung zur Familie und der wenig ausgeprägte
Individualismus lassen den Hong Kong - Chinesen diese beengten Verhältnisse aber
weniger problematisch erscheinen, als sie auf Europäer wirken.
Die Lebenssituation der illegal in der Kolonie lebenden
Flüchtlinge ist wesentlich schlechter. Entweder leben sie in versteckten Unterkünften
oder sie sind in sehr einfachen staatlichen Camps unter Verwahrung. Auslöser einer
Revolte im Mai 1996 in einem Lager für Vietnamesen war unter anderem die schlechte
Unterbringung.
Ein deutliches Indiz für die Differenz zwischen arm und
reich auch innerhalb der Gruppe der Chinesen ist der Bildungsstand. Zwar ist der Anteil an
qualifizierten Berufen groß und nimmt die Zahl der weiterführenden Schulabschlüsse zu,
doch ist die Analphabetenrate mit 13% in einem Land mit hohem technologischem Standard
hoch. Gerade weil im Konfuzianismus der Bildung ein hoher Wert beigemessen wird, ist diese
Quote ein Anzeichen dafür, daß vielen Bewohnern Hong Kongs die Zeit und das Geld
für schulische Ausbildung fehlt.
Dies scheint insbesondere bei den Frauen der Fall zu
sein. Bei ihnen ist der Anteil von Analphabeten mit 36% besonders groß.
Die in Hong Kong stark ausgeprägte Kriminalität hat
ihre Ursachen jedoch nicht in einem zu geringen Einkommen seiner Bürger. Es ist auch
heute noch um ein vielfaches größer als in der angrenzenden Sonderwirtschaftszone
Shenzen. Der weit verbreitete Schmuggel und der ausgeweitete Konsum von Rauschgift hat
seine Ursprünge in der geographischen Grenzlage und in dem historisch bedingten Einfluß
der Triaden.
2.
3.4. Mentalität und
ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft
Wirtschaftlicher Erfolg aber auch zu erwartende Zukunftsprobleme Hong Kongs sind
nicht zuletzt in der Mentalität seiner Einwohner begründet. Sie wurde durch den
britischen Kolonialstil, die chinesische Kulturtradition und die politischen Ereignisse
des 20. Jahrhunderts geprägt.
Verglichen mit dem eigentlichen China ist die Kolonie sehr
jung.
Wegen ihrer sehr kurzen Geschichte und des immer neuen Zustroms von Bewohnern der
benachbarten Volksrepublik ist die Bindung der Bevölkerung zur Tradition trotz der
technischen Modernität noch sehr stark. Besonders der Metakonfuzianismus, eine
vereinfachte, vor allem auf dem Land verbreitete und praxisorientierte Form dieser
Philosophie, spielt im Verhalten der Hong Kong-Chinesen eine große Rolle. Er ist die
Ursache des starken Bedürfnisses nach Familienbindung, Hierarchie, Harmonie und
Überschaubarkeit.
In der Praxis ergeben sich daraus einige charakteristische
Eigenarten des Geschäftslebens und des Verhältnisses zum Staat. Die meisten Betriebe
sind durch Verwandschaftsbeziehungen organisiert und relativ klein. Das Bestreben nach
Harmonie führt zu einem fairen Konkurenzverhältniss, hat aber auch durch den
verbreiteten Konformismus eine hemmende Wirkung auf technische Innovationen.
Dieses
Problem der mangelnden Fähigkeit zur eigenständigen Entwicklung hat seine Ursprünge
auch in der Eigentümlichkeit der chinesischen Schulen. Im Konfuzianismus hat Lernen einen
hohen Stellenwert, da es eine der wenigen gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten in
diesem hierarchisch geprägten System darstellt. Dieser Umstand hat sich zunächst positiv
auf die Wirtschaftsentwicklung Hong Kongs ausgewirkt. Durchschnittlich gibt ein
Haushalt 15-20% seines Einkommens für Schulbildung aus. Die gute Ausbildung seiner
Bewohner ist für die Kolonie ein wichtiger Standortsvorteil. Weil sich das Lernen in den
Schulen jedoch weitgehend auf ein Auswendiglernen beschränkt, kommt es auf dem
Bildungsgebiet zur Stagnation.
Religion und die Herkunft vieler Familie als Flüchtlinge
wirkten sich ebenfalls auf die Wirtschaft aus. Kostspielige Ahnenverehrung zwang die
Bewohner Hong Kongs regelrecht zum Anhäufen von Vermögen. Das Sicherheitsbedürfnis
der Neuankömmlinge führte zu einer Sparsamkeit, durch die viel Kapital zur Investition
bereit steht.
Am bemerkenswertesten ist allerdings das weiterleben der
bäuerlichen Denkweise in diesem urbanisierten Land. Sie ist durch ein Autarkiebestreben,
Loyalität und gegenseitige Verpflichtung innerhalb des Clans und einer starken Abgrenzung
nach außen gekennzeichnet. Die einzelnen Sippen haben ein distanziertes Verhältnis zum
Staat und versuchen stets, ihre belange selbständig zu Regeln.
In der Zeit der großen
Flüchtlingswellen gab es zahlreiche Selbsthilfeorganisationen. Die bekannten asiatischen
Triaden sind aus solchen Gesellschaften hervorgegangen. Der größte Teil des
"Wohlfahrtsprogrammes" wird privat finanziert. Hierbei beteiligen sich auch
führende Geschäftsmänner, da gesellschaftliches Prestige in dieser Kultur nicht über
Besitz sondern über Bildung und Großzügigkeit gesteigert wird.
Die ausgedehnte Selbstorganisation der
Hong Kong-Chinesen harmonierte sehr gut mit dem Regierungsstil der Briten, die sich
aus den wirtschaftlichen Belangen weitestgehend heraushalten. Aus diesem Grund wird in
Hong Kong wie in Großbritannien nicht der Staat für die eigene finanzielle
Situation in Verantwortung gebracht.
Wirtschaftliche Krisenzeiten führen deshalb nicht zu
politischer Polarisierung. Dieser Umstand und das bereits erwähnte Sicherheitsdenken
führten zu Stabilität. Nicht zuletzt darum hatte die Kulturrevolution im Nachbarland
geringe Auswirkungen in Hong Kong.
Mit zunehmendem Wohlstand und Verstädterung folgte eine
Änderung der Denkweise. Japanischen Frauen, deren Rückzug aus dem Arbeitsleben mit etwa
25 Jahren als selbstverständlich gilt, ist in Hong Kong eine lebenslange
Beschäftigung möglich. Dies ist eine Folge der Modernisierung in einer ländlich und
patriarchalisch orientierten Gesellschaft.
Die meisten Folgen sind jedoch negativ.
Urbanisierung hatte die Auflösung der alten Clanstrukturen
zur Folge. Da die Selbsthilfe nun meistens nicht mehr funktioniert, ist der Staat zu
ausgaben im Sozialbereich und zu Eingriffen in die Wirtschaft gezwungen. Ein ebenso
ernstes Problem hat sich paradoxerweise mit dem steigenden Wohlstand ergeben. Triaden
waren ursprünglich Geheimgesellschaften zur Beseitigung der Fremdherrschaft der
Quing-Dynastie und später Teil der Selbsthilfeorganisationen. Nach dem Sturz des Kaisers
und der mit Hong Kongs Aufschwung an Bedeutung verlierenden gegenseitigen Sippenhilfe
suchten sie sich eine neue Aufgabe und fanden sie in der Kriminalität.
Der große
Einfluß dieser heutigen Mafia-Organisation macht sich in der Heroinabhängigkeit von
geschätzten 2-3% der männlichen Bevölkerung Hong Kongs bemerkbar.
Das Abnehmen des Sicherheitsbedürfnisses nach der
wirtschaftlichen Etablierung der ehemaligen Flüchtlinge brachte der Kolonie Vor- und
Nachteile. Die jetzt enorm hohe Risikofreudigkeit führte einerseits zu zahlreichen
Konkursen, brachte dem Staat aber pro Saison bis zu 7.000.000.000 US$ Wetteinnahmen auf
der Rennbahn.
Auf diese Weise steht der Regierung so viel Geld zur Verfügung, daß die
Wirtschaft nicht durch hohe Steuern belastet werden braucht.
2.4. Verhandlungen
Thatcher - Deng Xiao Ping
2.4.1.
Machtverhältnisse zum
Zeitpunkt der Verhandlungen
Die ersten Verhandlungen über die Zeit nach dem Ablauf des "Pachtvertrages"
fanden im September 1982 statt. Ursprünglich plante die britische Regierung, die laut
Vertrag für ewig von China abgetretenen Teile der Kolonie, Hong Kong Island und
Kowloon, unter ihrer Herrschaft zu behalten. Zwar würde damit nur ein Zehntel des
Territoriums bei der Krone verbleiben und die Kolonie die wichtigste Grundlage ihrer
Existenz verlieren, aber Großbritannien hätte so zumindest kurzfristig ein
Einwandererproblem gelöst. Von den Bewohnern Hong Kongs wurden nämlich 3,1
Millionen in der Kolonie geboren und hätten somit das Recht gehabt, ins
"Mutterland" auszuwandern. Durch den Erhalt wenigstens eines Teils der Kolonie
hoffte man, einige der Hong Kong-Chinesen zum bleiben zu bewegen. Die VR China
beansprucht jedoch alle Teile "Xiangangs" für sich, da sie die Ungleichen
Verträge nicht mehr anerkenn
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