Bodenkundewissenschaften
BODENKUNDEWISSENSCHAFTEN
IN
ENTWICKLUNGSLÄNDERN
Seminar 1991/92
Thema:
Ökologische, technische und soziale Vorraussetzungen
der mittelamerikanischen Bewässerungskulturen
EHLERS Désirée H 069 , 89 40 632
ANTREICH Evelyne H 069 , 89 40 095
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Mittelamerika = das Land der Mayas und Azteken
- eines der Ursprungsländer des Ackerbaus
Die mit dem Ackerbau verbundene Seßhaftigkeit veränderte das
soziale Gefüge der Menschengruppen, die vorher als
nomadisierende Jäger und Sammler gelebt hatten.
Der geschützte Raum der Dorfgemeinschaft, das Wegfallen der
oft lebensgefährlichen Jagd (man betrieb bereits einfache
Viehzucht - die Entwicklung des Ackerbaus ist untrennbar mit
dieser verknüpft !) und die vielseitige Ernährung ließen die
Bevölkerung merklich anwachsen - und damit verbunden den
Bedarf an ackerbaulicher Fläche.
Der Mensch begann in immer stärkerem Maße seine Umwelt zu
verändern; er erkannte Möglichkeiten Gebiete, die mit den
damals herkömmlichen Methoden nicht zu bewirtschaften waren,
zu nutzen.
Im Falle Mittelamerikas galt es unwegiges Bergland,
dichte Wälder und weite Sumpfgebiete zu kultivieren :
- man legte Terrassen an,
- rodete mit Hilfe des Feuers (milpa = span. Maisfeld) und
- baute inselförmige Beete.
Das wichtigste Gerät des mittelamerikanischen Bauers blieb
aber weiterhin der (relativ einfache) Grabstock.
1) Zentralyucatan
Das Gebiet -
befindet sich bei 19 Nord an der nördlichen Grenze der
Passatzone, und ist von Nordamerikanischen Kontinentalströmen
beeinflußt.
Es handelt sich um ein Karstgebiet, das heißt, es gibt kaum
Oberflächenwasser dafür aber ausgedehnte unterirdische Ströme.
Die Trockenzeit dauert von Dezember bis Mai,
die Regenzeit von Mai bis Dezember.
Die extreme Variabilität der Niederschläge (z.B. Oxkutzcab :
1000 - 1200 mm/Jahr) bewirkt im langfristigen Durchschnitt
höhere Niederschläge als nördlich des Puuc (- Region :
künstliche Regensammlung angewendet), diese können während
vieler Jahre unter diesem Wert liegen.
Wo im Süden die Niederschläge noch weiter steigen,
gibt es keine Besiedlung mehr.
Die Tagestemperaturen liegen bei über 40C.
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Die prähispanischen Bewohner von Yucatan -
waren die Maya, von denen aber so gut wie nichts bekannt ist :
Als 1542 Mittelamerika von den Spaniern unter Cortez erobert
wurde, lag die klassische Periode des Volkes schon circa
300 Jahre zurück.
Auf Grund von archäologischen Forschungen ist aber bewiesen,
daß Wasserversorgungssysteme von großer Bedeutung waren und
das Wasser das ganze Leben der Maya bestimmte.
Wasserversorgung :
* Idee = Jeder trägt Verantwortung für das System,
daß heißt für sich selbst und die Umwelt -
die Mitlebewesen und ihren Lebensraum.
" Wenig Wasser kann durch effizienten Einsatz
in seiner Wirkung vervielfacht werden.
" (*)
Dies erreicht man durch Konzentration des Wassers
und Schutz vor Verdunstung.
Verschiedene Nutzungs- und Sammelmöglichkeiten helfen
Überschüsse zu regulieren und zu verwenden.
" Effiziente Regenwasserbewirtschaftung ist nur im Rahmen
eines umfassenden integrierten Nutzungskonzept möglich." (*)
Denken in gemeinschaftlichen Kategorien ist angesagt;
die hohe Verantwortung liegt aber bei jedem einzelnen Bauern.
* System :
Während im Norden des Gebietes natürliche Dolinen (= cenotes)
weitverbreitet sind, die zur Regensammlung genutz werden
konnten (es gab bei den Mayas überhaupt wenige künstlich
angelegte Brunnen), mußte man im Süden, je nach
naturräumlichen Gegebenheiten Sammelvorrichtungen schaffen,
um auch in der Trockenzeit Wasser zur Verfügung zu haben.
In Hanglagen kam es zur Kombination von Regenwasserzisternen
und künstlichen Seen.
(siehe Speicherung + Hang-Tal-Bewirtschaftungsverfahren)
Das "Rückgrat" des Systems waren kommunale Regelmachanismen
und Organisationsformen - jeder wurde in den Sammelprozeß
einbezogen.
Es gab kaum Wasserkontamination - das "waste water" wurde
wieder in den Versorgungscyklus eingespeist, die Minerale und
organischen Stoffe dem Boden rückgeführt.
Da die Zufuhr von organischem Material auch die
Wasserspeicherkapazität des Bodens erhöhte, konnte der
Wasserverbrauch pro landwirtschaftlicher Einheit gesenkt
werden.
(*) Vogl, Christian R. Diplomarbeit 1990
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* Speicherung :
Der Grundgedanke des Speicherns ist, daß Wasser,
über längere Zeiträume verteilt, besser und effektiver nutzbar
ist, als eine große Menge in kurzer Zeit.
a) aguada (span.
Wasserstelle) = künstliche Seen
Eine durchschnittliche aguada hat einen Durchmesser von 100 m und eine Tiefe von 10 m.
In der feuchten Jahreszeit wird der See durch viele
oberflächliche Kanäle gefüllt; seine Kapazität beträgt
10 000 000 - 150 000 000 l.
Die gesamte Trockenzeit über stehen große Wasservorräte zur
Verfügung; Verlust treten nur durch Evaporation auf.
Um eine problemlose Wasserspeicherung zu gewährleisten,
müssen die natürlichen Zuflußwege und die aguada selbst von
gröberem organischen Material gesäubert werden.
Die Ufer sind reich an Vegetation und das ganze Gebiet dient
als Faunareservat und Überlebenschance für Wildtiere, deren
Bestand von den traditionell jagenden Tabaos reguliert wird.
Heute ist die Mehrzahl der aguadas ausgetrocknet und die
darunter befindlichen Grundwasserreservoire (Buute) sind die
letzte Wasserreserven dieser Gebiete.
b) chultun = künstliche unterirdische Zisternen
Sie werden in einer Anzahl von 50 Stück pro km2 angelegt.
Innen ist es vollkommen finster und die kleine Öffnung
an der Bodenoberfläche wird mit einem Holzstöpsel dicht
verschlossen.
Rund um die Öffnung befindet sich ein zum Sammelgefäß hin
geneigtes Auffangbecken in der Größe eines mittleren
Schwimmbeckens.
Ein chultun liefert hochqualitatives Wasser,
das frei von Algen und Wasserfauna ist.
Dieses kann mit einem Baumrindenbeutel geschöpft werden.
Der ausschlaggebende Faktor für die Entwicklung des chultun
war die Variabilität des Jahresniederschlages.
Das Fassungsvermögen ist auf den Jahresniederschlag abgestimmt
und beträgt 20 000 - 45 000 l.
Eine Familie mit circa 12 Personen kann täglich mit 200 l
Wasser versorgt werden.
Von Jänner bis März ist die Wasserbilanz negativ,
im Mai ist der chultun entleert.
Bei einem Überangebot an Niederschlägen (=Überflutungswasser)
wird das Wasser zu anderen Speicherräumen (aguadas) geleitet.
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c) haltun = halbnatürliche oberflächliche Gesteinsausgrabung
Ursprünglich waren sie durch schmale oberflächliche Kanäle
verbunden.
Sie haben eine Kapazität von 100 - 20 000 l und liefern -
da sie oben offen sind - Trinkwasser von minderer Qualität.
Durch Evaporation geht Wasser verloren.
d) pila (span. Wassertrog; Batterie) =
ausgehöhlter bewegbarer Felsen
Die Kapazität beträgt 5 - 20 l;
das Wasser ist für den raschen Verbrauch bestimmt.
Hang-Tal-Bewirtschaftungsverfahren :
Terrassen dienen zur Wasserregulation und zur Konservierung
der Niederschläge im Boden.
Ihr Schwemmwasser wird am Weg nach unten in aguandas oder
chultunes aufgefangen.
Mäandrierende Kanäle führen es einige hundert Meter den Hügel
hinunter zu den Feldern und überwinden dabei einen
Höhenunterschied von circa 5 m.
Die vom Schwemmwasser mitgeführten Sedimente bewirken eine
Zunahme und eine Verbesserung der Qualität des kultivierten
Talbodens (Kacab-Erde = ungewöhnlich dunkle und sehr
fruchtbare Erde).
Die gesamte Wasserquantität für die Tallandwirtschaft
entspricht dem zweifachen durchschnittlichen Regenfall -
es kann zweimal so viel Biomasse produziert werden.
2) Küste Yukatans und Tal von Mexiko
Chinampas
Über die chinampas im Gebiet der Mayas ist so gut wie nichts
bekannt, aber im Tal von Mexico haben sich die "Schwimmenden Gärten" - die chinampas der Azteken - zum Teil bis heute
erhalten :
* Das Ende :
" Und dann sahen wir all diese Städte und Ortschaften
die im Wasser gebaut waren und andere große Städte
auf trockenem Land und dieser schnurgerade Damm
der bis Mexico führt;
wir waren verblüfft ... einige unserer Soldaten fragten,
ob das nicht nur ein Traum sei.
"
(Bernal Diaz del Castillo -
Mitglied der Expedition /
Eroberung Mexicos)
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Den v.a. an relativ trockene Landschaften gewöhnten Spaniern
mußte ein Land, in dem ein großes Sumpfgebiet Nahrung und
Wohnraum für 1.5 Millionen Menschen lieferte, wie Garten Eden
erscheinen.
Ein Garten den man besitzen wollte, zu dessen richtiger Pflege
einem aber die nötige Erfahrung und das Interesse fehlte.
Das Teichsystem wurde zum größten Teil trockengelegt und die
"neugewonnene" Fläche als Weideland für riesige Viehherden und
für Trockenfeldbau verwendet - so wie man es aus dem
Mutterland Spanien gewohnt war.
Durch diesen extremen Eingriff in das bestehende System von
Kanälen und Inseln wurde die Wasserzufuhr für die Inselbeete
abgeschnitten; Krankheiten, die für die Eroberer relativ
harmlos waren, aber die Ureinwohner bis zum Ende des
17. Jahrhunderts auf 70 000 reduzierten und der Zusammenbruch
des zum Teil schon überbürokratisierten Machtgefüges
bedeuteten das Aus für die Schwimmenden Gärten.
* Eine Idee :
Chinampas sind der Versuch, in einem heiß-feuchten Klima,
wie es in dem von hohen Bergen umschlossenen Tal von Mexico
vorherrscht, einen neuen Lebensraum für Menschen zu schaffen
und ertragreiche Landwirtschaft zu betreiben.
Da das spärliche Regenwasser keinen natürlichen Abfluß findet,
sammelt es sich in mehreren seichten Teichen (bzw Sümpfen),
die einen Großteil des Talbodens ausmachen.
In den weichen schlammigen Boden werden - in Form eines
Rechteckes - Pfähle geschlagen und mit Flechtwerk verbunden
[chinampa ist von dem nahuatl Wort chinamitl abgeleitet,
das "Einzäunung" aus Rohr" bedeutet].
Diese Rohrrahmen werden in Wechsellagen von Wasserkraut,
Schlamm vom Seeboden und Erde gefüllt.
Die fertigen "Inseln" sind 30 - 100 m lang, 3 - 8 m breit und
etwa 1 m und 3 handbreit hoch, wo von circa 1 m unter dem
Wasserspiegel gelegen ist.
An den Ufern der Beete werden Ahuejote-Bäume (Weidenart)
gepflanzt, die den Inseln eine größere Festigkeit verleihen
(Wurzel = lebendiger Zaun) und Schatten spenden.
Durch die geringe Höhe der Beete kann das Wasser der
angelegten Kanäle im Wurzelbereich diffundieren -
die ständige Feuchtigkeit bewirkt eine Zersetzung der
organischen Massen im Boden, wodurch die Versorgung der
Pflanzen mit Nährstoffen und Wasser gewährleistet ist.
Die große Anzahl von Früchten im Fruchtwechsel und die
regelmäßige Auflage von Schlamm, Wasserpflanzen und
natürlichem Dünger führen dem System neue Umsatzstoffe zu.
Viermal im Jahr kann bei hohen Erträgen geerntet werden;
die Haupterzeugnisse sind Mais und Bohnen, dicht gefolgt von
verschiedenen Gemüsesorten, Blumen und Früchten kleinerer
Bäume und Sträucher.
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Ein besonderer Aspekt dieser Bewirtschaftungsform ist,
daß nicht nur die Inseln selbst, sondern auch die Kanäle genutzt werden.
Dieses viele Kilometer lange, 1 - 3 m breite Geflechte von
Wasserwegen dient nicht nur zur Bewässerung der Beete, sondern
auch für die Haltung von Fischen, Salamandern, Schildkröten
und Geflügel, als Transportweg und zur Verteidigung des
Landes.
Die chinampas sind also ein abgeschlossenes und langlebiges
System - alles, was nicht als Nahrungsmittel oder Werkzeug
verwendet werden kann, wird wieder dem Stoffkreislauf
zugeführt und kann für das System genutzt werden.
Bei wenig Materialeintrag und daher hoher Arbeitsintensität
(z.B. Freihalten der Kanäle und Ausbringung des
Aushubmaterials auf die Beete, Anbau und Ernte v.a.
händisch)
kann ein Stück bestes chinampa-Land 15 - 20 Menschen ernähren
- und war damit die wirtschaftliche Grundlage des Reiches
Tenochtitlán-Tlatelolco rund um die Hauptstadt Tenochtitlán.
* Die Situation :
Die Hauptstadt war 1325 auf ehemaligen chinampas am Südende
des Texcoco Sees errichtet worden, die miteinander
verschmolzen und große ebene Flächen bildeten, die durch
Kanäle von einander getrennt waren.
Die starke Bevölkerungszunahme und die zwangsläufig damit
verbundene Vergrößerung der Stadt ging zu Lasten der älteren
landwirtschaftlichen Flächen, die aber an der Peripherie der
Stadt durch neue ersetzt wurden.
Nur durch eine straffe, fast schon als totalitär zu
bezeichnende Organisation war es überhaupt möglich in relativ
kurzer Zeit - circa 200 Jahre - ein System aufzubauen, das
einer rasch wachsenden Bevölkerung sowohl Nahrung als auch
Schutz bot, was bedeutete, daß das Leben der Azteken durch
eine Vielzahl bürokratischer Maßnahmen bestimmt war.
In der Landwirtschaft bedeutete dies z.B.
eine genaue
Einteilung der Besitzverhältnisse, der Fruchtfolge und
verschiedene Kontrolleinrichtungen zur Regelung des
Wasserhaushaltes im chinampas-System.
(z.B. : Ein 15 Kilometer langer Erde-Stein-Damm regulierte den
Wasserspiegel und verhinderte den Ausgleich der
Salzkonzentration zwischen Nord- und Südteil des
Texcoco Sees.)
Mit der "Eroberung" Mittelamerikas durch die Spanier brach
dieser "Beamtenstaat", der vor allem bei den von den Azteken
unterworfenen Völkern Anlaß fortwährender Unruhen war,
vollständig in sich zusammen.
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Bis 1900 gab es noch einen Verbindungskanal, der es den
chinamperos - den Bauern der chinampas - ermöglichte ihre
Erzeugnisse auf direktem Weg zum Zentralmarkt in Mexico City
(dem ehemaligen Tenochtitlán) zu bringen; durch weitere
Trockenlegungen und die Umleitung der unzähligen natürlichen
Quellen für die städtischen Wasserversorgung in gemauerten
Aquädukten versiegte der Kanal.
An seine Stelle trat eine Asphaltstraße, wodurch die
chinamperos gezwungen wurden, ihre Waren Marktmittelsmännern
anzuvertrauen, die sich einen LKW leisten konnten.
Noch 1930 berichtete die deutsche Geographin Elisabeth
Schilling, daß von den chinampas :
Kraut, Spinat, Salat, Gurken, Zeller, Jitomates, Bohnen, Mais,
Zwiebel, Lilien, Mohn, Tulpen, Vergißmeinnicht, Nelken,
alcatraces, Chrysanthemen, Gänseblümchen, nardos und pansies
frisch auf den Markt geliefert wurden.
Heute sind 2/3 der damaligen Beete für den Haus-und Straßenbau
trockengelegt, das "überflüssige" Wasser wird in den Pazifik geleitet. Das restliche Drittel wird mit wenig-belastetem
Abwasser gedüngt; die Kanäle stagnieren und sind Lagerplatz
für alle Arten von Müll - die Fauna ist verschwunden und die Ahuejote sterben langsam ab.
Trotzdem waren und sind die "Gärten" weiterhin die
Hauptlieferanten für Gemüse und Blumen; und das - obwohl sie
im Sinne der Politik der Grünen Revolution, die mit großer
Akribie in Mittel- und Südamerika verfolgt wurde (mehr
Maschinen, weniger Handarbeit !) - wohl kaum als rationell
bezeichnet werden können.
* "Eine alte Antwort für die Zukunft" *
Um die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu verbessern, beschloß
der INI (Instituto Nacional Indigenista = offizielle Stelle
der Indianerhilfe) im Jahre 1978 sich auf die Suche nach
Alternativen zu machen.
Eine der Grundideen war es dabei "eine alte Antwort für die
Zukunft" zu finden und so die Tradition, daß heißt,
das Selbstbewußtsein, v.a. der Indianer, wiederherzustellen.
Projekt 1 / CHONTAL - Tabasco (SO-Küste)
Nach einigen fehlgeschlagenen Trockenlegungsprojekten in den
Sümpfen rund um die Ortschaften Tucta, La Cruz und Olcuatitán
fanden Archäologen in Tabasco prä-hispanische Beete.
Man kam überein - im Sinne der Idee der INI - in diesem
Sumpfgebiet mit modernen Methoden solche Beete (=chinampas)
zu errichten.
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Unter der Leitung der INIREB (Instituto Nacional de
Investigacionenes sobre los Recursos Bióticos) und mit
der hohen finanziellen Unterstützung der Regierung und
der Weltbank begann man mit der Planung.
* Zielsetzung :
1) permanent Arbeit für landlose Chontales
2) Nahrungsmittelversorgung für das Gebiet
3) Sicherstellung einer konstanten Produktion
für den Markt in Villahermosa
4) Stärkung der kulturellen Indentität
5) Schaffung einer wirklichen Alternative für die Umwandlung
von Sumpfgebiet in produktive Nutzflächen
* Ausführung :
Zur Arbeitsbeschleunigung wurden große aquatische Bagger
eingesetzt, um Sumpfboden auszuheben und 65 circa 30 m breite
und 100 - 300 m lange Haufen aufzuschütten.
Diese hatten zwar das Aussehen von chinampas,
waren aber nicht so fruchtbar und wasserdurchlässig :
Der Schlamm war nicht nach seiner natürlichen Schichtenfolge
gelagert worden; der nährstoffreichere Anteil war in der
untersten Schichte, die oberste Lage war unfruchtbar und durch
den Einfluß der Luft hart wie Zement, und man hatte keine
organische Masse eingebracht.
Im Bett der Kanäle waren 1 - 5 m tiefe Rillen, die durch das
wiederholte Rangieren der Bagger entstanden waren und es den
Chontales unmöglich machten, die ihnen vertraute Form des
Fischfanges mit Schleppnetzen zu betreiben.
* weitere Probleme :
Den Chontales war das Arbeiten in kollektiven Gruppen
vollkommen fremd, wodurch es zu wiederholten Verzögerungen
und Unstimmigkeiten kam.
Die ursprüngliche Erwerbsquelle der Dorfbewohner war die
Jagd und der Handel - vor dem Projektbeginn waren nur 10 %
der Dorfbewohner aktive Landwirte gewesen, mit Feldgrößen
zwischen 51 und 1/2 Hektar - es fehlte an Erfahrung und oft
auch an Begeisterungsfähigkeit einen nicht traditionellen
"Beruf" zu ergreifen.
Die Berater - chinamperos aus dem Tal von Mexico -
waren weder mit der Menge und dem Artenreichtum der Insekten
des Gebietes noch mit seinen Wachstumsperioden vertraut.
Außerdem hatte man Pflanzgut aus Gebieten mit anderen
räumlichen und zum Teil auch klimatischen Bedingungen
geholt; die Folge waren Mißernten und immer stärker werdende
Zweifel an der Funktionstüchtigkeit der chinampas in der
Gegenwart.
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Die Beete waren vom Dorf aus nur schwer zu erreichen;
vom Dorf in Richtung Villahermosa und in den Rest des
Gebietes fehlte es an Transportmöglichkeiten, so daß ein
Teil der Ware schon vor Erreichen des Bestimmungsortes
verdarb.
Als das Transportproblem teilweise gelöst war, zeigte sich,
daß man vergessen hatte, vor dem Projektbeginn ausreichende
Marktforschung zu betreiben und man Mengen und Waren
produziert hatte, für die nur eingeschränkt Bedarf bestand.
* Lösungsversuche :
Es kam zur Aufteilung der Beete auf einzelne Familien -
wie es sowohl im Tal von Mexico als auch hier im Gebiet
der Chontales Tradition war - und ging dazu über traditionelle
Sorten und Arten (Mais, Bohnen, Bananen) anzubauen, die eine
größere Resistenz gegen Krankheiten und Insekten haben.
Da die chinampas in dieser Form weder besonders arbeits-
noch kapitalintensiv sind, werden sie im Nebenerwerb
bewirtschaftet.
Projekt 2 / CHONTALES - El Castillo
Auf Betreiben der INIREB und eines privaten Grundbesitzers
wurde 1979 ein neues Projekt gestartet - um eine Verbindung
zwischen moderner und prä-hispanischer Technologie zu
schaffen.
Man plante die Zucht von Schweinen, Hühnern und Fischen,
die Errichtung einer Biogasanlage und die Anlage von vier
chinampas.
Die chinampas sollten in der Ausführung den prä-hispanischen
Beeten im Tal von Mexico entsprechen, ja man hatte sogar aus
den Problemen mit den kollektiven Arbeitsgruppen aus dem
ersten Projekt gelernt und ortsansäßige Arbeiter angestellt,
die von Studenten der technischen Landwirtschaftsschule in
Veracruz und einem chinampero aus dem Tal von Mexico
unterstützt wurden.
Trotzdem scheiterte auch dieses Projekt :
Man hatte wieder die Insekten und die unterschiedlichen
Wachstumsperioden der Gebiete unterschätzt.
Der See war für die Anlage von chinampas - mit Ausnahme
eines schmalen Sumpfstreifens - zu tief, wodurch die
Vergrößerung der Anlage in der Zukunft unmöglich gemacht
wurde.
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Das Gemüse konnte nicht als "cash-crop" mit den
Kaffeepflanzungen konkurrenzieren und war daher vom
Finanziellen her unattraktiv.
Die Interessen der Projektmanager und die Bauern ließen sich
nicht miteinander verknüpfen.
Die technischen Berater waren vor allem an der
Verwirklichung der modersten technischen Ideen
interesssiert, ohne auf die lokalen Gegebenheiten,
daß heißt, auf den sozialen, ökonomischen und politischen
Context in dem die Bauern lebten, besondere Rücksicht
zu nehmen.
Nachdem der Grundbesitzer plötzlich verstarb und sein Bruder
wenig Interesse an den Pläne zeigte, wurde das Projekt
fallengelassen.
Warum aber hatte das System im Tal von Mexico circa 200 Jahre
lang funktioniert und scheiterte im hochtechnisierten
20.Jahrhundert bereits nach wenigen Monaten ?
Die Idee der chinampas im Tal von Mexico waren nicht von
irgendwoher importiert worden, sondern ein genau auf die
naturräumlichen und sozialen Bedingungen abgestimmtes Modell.
Die Azteken hatten, wahrscheinlich durch genaue Beobachtung
und die Weitergabe von Information über Generationen
(sowohl mündlich als auch schriftlich), ein erstaunliches
Wissen über den Nährstoffbedarf der Pflanzen, den Wasserbau,
die Bevölkerungsentwicklung, die Bedeutung einer guten
Organisation - und die Fähigkeit die Natur als Ganzes zu sehen und Zusammenhänge zu erkennen.
Die Projekte 1 und 2 scheiterten daran, daß in der Planung
immer wieder gewisse Details übersehen wurden;
sei es die Erforschung der Marktlage, die richtige Schichtung
des Schlammes in den Inselbeeten, die Tradition der
Gebietsbevölkerung oder die komplexen ökologischen und
sozioökologischen Zusammenhänge - daß heißt, die teilweise
Unfähigkeit Dinge in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen.
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