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  2. block i: situation in der udssr 1986-89

1. Einleitung   Der Rüstungskonversionsprozeß in Rußland unterscheidet sich in zwei wesentlichen Gesichtspunkten von dem in westlichen Ländern. Zum einem findet er gleichzeitig mit der Systemtransformation statt und wird dadurch erheblich beeinflußt. Zum anderen ist das Gewicht des russischen Rüstungssektors wesentlich höher als in westlichen Ländern. In der UdSSR betrug der Anteil ca. 25% des BSP.

Die Ausgangslage für Konversion ist damit völlig anders als im Westen. Diese Problematik wird im vorliegenden Referat thematisiert. Zunächst werden die ersten Ansätze von Abrüstung und Konversion in den letzten Jahren der UdSSR dargestellt. Im Anschluß wird der Begriff der Systemtransformation theoretsich betrachtet und die Situation nach dem Ende der UdSSR aufgezeigt. Im dritten Abschnitt werden die jüngeren Entwicklungen unter besonderer Berücksichtigung der Privatisierungsdebatte diskutiert. Schließlich wird versucht, die Problematik anhand zweier Fallbeispiele zu veranschaulichen.

    2. Block I: Situation in der UdSSR 1986-89   2.1 Wirtschaftspolitischer Hintergrund 2.1.1 VersorgungskriseIm Frühjahr 1988 war zu erkennen, daß viele sowjetische Bürger von den praktischen Ergebnissen der Perestrojka-Politik zunehmend enttäuscht waren. Durch das Fehlen konkreter Veränderungen nach 3 Jahren Gorbatschowscher Politik sowie der großen Unterschiede zwischen offiziellen Versprechungen und der Realität des sowjetischen Alltags, der sich durch Versorgungsmängel und steigende Preise auszeichnete, wurde der Kurs der Perestrojka zunehmend unglaubwürdig.

Maßnahmen, die die Wirtschaft verbessern sollten, wie z.B. die Kampagne gegen den Alkoholkonsum oder die Einführung der staatlichen Qualitätskontrolle führten zu keiner Verbesserung der Verhältnisse. Bei der mangelnden Versorgung mit Konsumgütern, im Dienstleistungsbereich oder beim Wohnungsangebot erfuhren die sowjetischen Bürger am eigenen Leibe, daß keine Veränderungen eingetreten waren. Dieses führte zu einer zunehmenden Frustration und Mißstimmung in der Bevölkerung. Solche Stimmungen wurden durch Veröffentlichungen der Ergebnisse von Meinungsumfragen noch unterstrichen.

Sichtbar wurde auch, daß eine zunehmende Politisierung der Bevölkerung stattfand. Im Vordergrund stand dabei die Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz und der Arbeitsatmosphäre sowie die Angst vor Arbeitslosigkeit. Im Versorgungsbereich waren das der Warenmangel und die Inflation. Außerdem bereiteten vielen Bürgern die Formen sozialer Differenzierung Sorge. Eine Umfrage 1987 in 374 Betrieben ergab, daß über 60% der befragten Belegschaftsmitglieder nicht mit ihrem Arbeitsplatz zufrieden waren. Die Gründe dafür schienen in den niedrigen Löhnen und in der schlechten Arbeitsorganisation zu liegen.

Zum anderen jedoch auch in den schlechten Lebensbedingungen: 20% der Belegschaftsmitglieder warteten auf eine Wohnung (in der Verhüttungsindustrie mehr als 30%) und ähnlich schlecht waren die Bedingungen bei den Kindergartenplätzen und anderen sozialen Einrichtungen. Als undurchschaubar stellte sich das neu eingeführte Lohn- und Prämiensystem dar. Hier war die Vorgabe von Prämien in der Regel nicht von der Produktionsleistung abhängig. So erhielten 67% der Befragten eine Prämie, obwohl sie ihre Produktionsaufgabe nicht erfüllt hatten. Veränderungen in den Betrieben hatte es bis 1987 nicht gegeben, weder im Verhalten der Kollektive noch in der Einstellung der Mitarbeiter zum Betrieb. Während so einerseits verzerrte und entstellte Reformmaßnahmen bzw.

ihr völliges Fehlen zu Frustration und Unzufriedenheit führte, war auch die Durchsetzung von Reformschritten Auslöser für Konflikte. Die Einführung der staatlichen Qualitätskontrolle und die dadurch verschärften Inspektionen führten oft zu Zurückweisungen der Erzeugnisse und in der Folge zu Lohnkürzungen. Dieses und die Möglichkeit der “Freisetzung” von Arbeitskräften von der Belegschaft wurde als Bedrohung angesehen. Dazu kamen Prognosen von Ökonomen, die von einer Freisetzung von 14-16 Millionen Beschäftigten bis zum Jahre 2000 sprachen. Auch außerhalb der Betriebe setzten sich die Probleme und die Versorgungskrise fort. Zwischen 1986 und 1988 wuchsen die Geldeinkünfte der Bevölkerung um 16,7%, der Verkauf von Konsumgütern dagegen stieg nur um 13%.

Dadurch kam es zu einem Nachfrageüberschuß, den der Handel nicht befriedigen konnte. Die sowjetische Führung griff daraufhin zu dem Aushilfsmittel der Rationierung. Im Zuge dieser Entwicklung kam es zu einer Inflation nicht unter 4%. Die Ursachen für dieses Mißverhältnis von Kaufkraft und Konsumangebot muß man in der sowjetischen Geschichte suchen. Seit dem Ende der zwanziger Jahre hatte die Führung über Jahrzehnte hinweg Rüstung und Produktionsgütererzeugung favorisiert und die Konsumgüterproduktion vernachlässigt. Das Defizit von Lebensmitteln und die inflationäre Preisentwicklung riefen in der Bevölkerung wieder Unzufriedenheit und Sorge hervor.


Sogar 70% der Personen aus vergleichsweise privilegierten Gruppen gaben bei Befragungen an, daß sie mit materiellen Problemen zu kämpfen hätten. Also läßt sich zusammenfassend sagen, daß in weiten Bevölkerungskreisen der Eindruck vorherrschte, daß die seit 1985 Schritt für Schritt konzeptionell fortentwickelte Politik der Perestrojka bisher kaum fühlbare materielle Ergebnisse erbracht hatte.   2.1.2 Die XIX. Parteikonferenz (Juni 1988) Als Reaktion auf diese nicht vorhandenen Ergebnisse wurde eine politische Wende von Teilen der Partei- und Sowjetführung angestrebt, die auf der XIX.

Parteikonferenz durchgesetzt werden sollte. Als Vorbereitung für diese Wende suchten Gorbatschow-Administratoren schon im Vorfeld ein günstiges Klima für Veränderungen zu schaffen. Dazu dienten wohl die Veröffentlichungen von Meinungsumfragen, die die Situation alles andere als positiv aussehen ließen. Der Gesellschaft und der Partei sollte ein ungeschminktes Bild der Lage vermittelt werden, um so die Notwendigkeit zu tiefgreifenden Änderungen zu verdeutlichen und Unterstützung zu mobilisieren. “In seinem Bericht vor der Konferenz skizzierte der Generalsekretär der KPDSU Gorbatschow die Reform des politischen Systems, die in den nächsten Jahren Schritt für Schritt verwirklicht werden sollte. Diese politische Reform mußte aber auf dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Gesundung stattfinden.

” Eine Durchsetzung der radikalen Reform des ökonomischen Mechanismus und der Wende der Wirtschaftspolitik maß Gorbatschow deshalb große Dringlichkeit zu. Das Eingeständnis, daß sich die sowjetische Volkswirtschaft in einer schweren Krise befindet, war der Ausgangspunkt Gorbatschows Argumentation. Zur Verbesserung dieser Situation wollte er auch den Rüstungssektor in die Pflicht nehmen, der seinen Beitrag bei der Erzeugung und Lieferung von Konsumgütern entschieden vergrößern sollte. Im Mittelpunkt der Ausführungen zur Wirtschaftsentwicklung stand der desolate Zustand der Staatsfinanzen und die Versorgungskrise. Es sollte eine sogenannte “soziale Reorientierung der Ökonomie” stattfinden, also eine Neuverteilung der Ressourcen, die den Rüstungssektor mit einzubeziehen habe. Eine Wende müßte es ebenfalls in der Außenpolitik geben.

Die negativen Folgen für die soziale und ökonomische Entwicklung des Landes, die der Rüstungswettlauf mit sich gebracht hatte, müsse durch eine realistischere Außenpolitik beseitigt werden. Diese “Ökonomisierung der Außenpolitik” beinhaltet dabei die Beschränkung der militärischen und Rüstungsaktivitäten. Sicherheit sollte nun im Rahmen einer stärker defensiv orientierten Struktur und mit geringeren Mitteln gesichert werden. Die Konferenz gab hier den politischen Rahmen vor, der im Laufe des Jahres 1989 mit Truppenabbau und Kürzung der Rüstungsausgaben dann praktische gefüllt wurde. 2.1.

3 Staatshaushaltdefizit Im Herbst 1988 legten Finanzministerium und Staatsplankomitee den Jahresplan und das Staatsbudget für 1989 vor. Dabei wurde die Einschätzung der Wirtschaftslage, wie sie bereits bei der XIX. Parteikonferenz gezeigt wurde, noch einmal unterstrichen. Gorbatschow hatte ja bereits darauf hingewiesen, daß die Staatsausgaben die Einnahmen seit längerer Zeit überstiegen hatten. Im Oktober nannte Finanzminister B. J.

Gostev konkrete Zahlen. Abb. 2-1: Staatshaushalt UdSSR 1989 in Mrd.Rbl. in Prozent 1. Einnahmen Insgesamt 458,4 100,0 a.

aus der Wirtschaft 355,6 77,6 darunter - aus Gewinnen 121,2 26,4 - Umsatzsteuer 104,1 22,7 - aus der Außenwirtschaft 60,0 13,1 - im Rahmen der sozialen Sicherung 31,4 6,8 b. aus Steuern und anderen Abgaben aus der Bevölkerung 39,4 8,6 c. aus Staatskrediten 63,4 13,8   2. Ausgaben Insgesamt 494,7 100,0 a. für Sozial-kulturelle Maßnahmen 163,5 33,1 darunter - für Wissenschaft und Forschung 21,5 4,3 b. für Budgetsubventionen für Lebens- mittel und andere soziale Belange 103,0 20,8 c.

für zentrale Aufgaben der Zweige der Volkswirtschaft 172,7 34,9 d. für die Außenwirtschaft 28,6 5,8 e. für Verteidigung 20,2 4,1 f. für die Staatsverwaltung 2,9 0,6 g. Finanzreserven 3,7 0,7   3. Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben 36,3 Quelle: Hans-Henning Schröder, “Versorgungskrise, Rüstungsabbau und Konversion in der UdSSR”, Heft I, in Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Nr.

56-1989, Seite2 6   Dieses entspricht jedoch nicht ganz der Wahrheit. Gostev setzte sowohl die Staatskredite als auch die Ausgaben für die Verteidigung zu niedrig an. Die tatsächliche Höhe des im Plan vorgesehenen Defizits betrug anderen Angaben zufolge 100 Mrd. Rubel und das war auch die Zahl, die in der Presse am häufigsten genannte wurde. Die sowjetische Finanzpolitik befand sich also in einer kritischen Situation, zu deren Beseitigung einschneidende Maßnahmen erforderlich waren. Der Führung wurde bewußt, welche Bedeutung eine gesunde Finanzpolitik für die Durchsetzung der Wirtschaftsreform hat und arbeitete ein Sanierungsprogramm aus, das den Geldumlauf stabilisieren und auf eine Steigerung der Einnahmen und Senkung der Ausgaben hinwirken sollte.

In diesem Zusammenhang standen auch die Militärausgaben zu Diskussion, so daß es zur Rüstungslastdebatte kommt. 2.2 Rüstungslastdebatte Die neue Politik der Offenheit im Zusammenhang mit der Politisierung der Gesellschaft schufen schon im Vorfeld der Parteikonferenz die Grundlage dafür, daß die Frage der sowjetischen Rüstungsausgaben öffentlich diskutiert werden kann. Die wichtigsten Elemente der Diskussion, die sich nun entwickelt, sind die folgenden:   Kritik an der Überrüstung der letzten Jahrzehnte ;Beschränkung der Rüstungsanstrengungen auf den durch die defensive Doktrin vorgegebenen Rahmen Unklarer Nutzen des sowjetischen Raumfahrtprogramms Öffentliche Kontrolle von Betrieben, Militär und Rüstungsindustrie   1. Kritik an der Überrüstung Der niedrige Lebensstandard wurde mit den hohen Rüstungsaufwendungen verknüpft. Dabei wurden Stimmen laut, die von einer Rüstungslast von 10-15% des Bruttosozialproduktes sprachen.

In der Moskauer Öffentlichkeit wurden gerüchteweise sogar 30-40% des BSP erörtert. Demgegenüber steht die USA mit einer Rüstungslast von 6% des BSP und Europa mit 3% des BSP. Die Zahlen über die sowjetische Rüstungslast waren zwar nur Schätzungen, aber sie machten der Bevölkerung die hohe Last, die die Volkswirtschaft zu tragen hat, klar. Hier liegt auch die Bedeutung der Rüstungslastdebatte, die seit Mitte 1988 in den sowjetischen Medien geführt wird. Eben in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der Schaffung eines Klimas, in dem die bisherige Priorität des Rüstungssektors zu Debatte steht.   2.

Kritik am sowjetischen Raumfahrtprogramm “Ein Nebenaspekt der Debatte über die Belastung der sowjetischen Volkswirtschaft durch die Rüstung war die öffentliche Kritik an den Ausgaben für das sowjetische Weltraumprogramm.” Diese Kritik bestand schon seit längerer Zeit und viele Stimmen beklagten, daß ungeheure Gelder und Arbeitsressourcen für Raumschiffe und Satelliten aufgebracht wurden, während es an Wohnraum, Schulen, Krankenhäusern etc. mangelte. Ein weiterer Kritikpunkt war die Geheimhaltungspolitik, die die Raumfahrtbehörde vor wirksamer Kontrolle durch die Öffentlichkeit schützte und so zu einer Reihe von Fehlentwicklungen führte. Die Kritiker forderten, daß die in diesem Sektor entwickelten Technologien dem Rest der Wirtschaft weitergegeben werden und somit eine kommerzielle Nutzung der Raumfahrt möglich werde.   3.

Kritik an der Geheimhaltung der Rüstungsdaten Die Kritik an der Geheimhaltungspolitik betraf nicht nur den Raumfahrtsektor sondern den gesamten Rüstungssektor. Angesichts der Vorstellung von einer “Informationsgesellschaft”, wie sie infolge der Entwicklung von Kommunikationstechnologie und elektronischer Datenverarbeitung nun auch in der Sowjetunion Platz griff, erschienen insbesondere Wissenschaftlern die geltenden Geheimhaltungsbestimmungen irrational. Eine Gruppe von Akademiemitgliedern wandte sich gegen das “Krebsgeschwür” Bürokratie, das sowohl die Entwicklung in der Wirtschaft als auch den technologischen Fortschritt behinderte.Auf einen anderen Aspekt der Geheimhaltung wies der Außenminister Schewardnadse hin. Er wandte sich gegen die Praxis des Verteidigungsministeriums, militärische Daten auch vor dem Außenministerium geheim zu halten. Ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Geheimhaltung war, daß ohne Informationen eine Konversion nicht verwirklicht werden könne.

Vor dem Hintergrund solcher Überlegungen - konkreter Forderungen des Außenministeriums und von seiten der Zivilwirtschaft - sind die Beschlüsse der XIX. Parteikonferenz zu sehen. Die Konferenz forderte eine Vertiefung der Politik der “Glasnost” und ihre staatliche Absicherung. Der Anspruch der Bürger auf Informationen sollte festgeschrieben werden und die Grenzen der notwendigen Geheimhaltung sorgfältig abgesteckt werden. 2.3 Die sowjetischen Rüstungsausgaben Bis zum 30.

Mai 1989, als Generalsekretär Gorbatschow die Höhe des sowjetischen Verteidigungshaushaltes mit 77,3 Mrd. Rubel bezifferte, gab es von sowjetischer Seite keine ernstzunehmenden Daten über die Aufwendungen für die Rüstungs- und Sicherheitspolitik. Dieses führte dazu, daß von westlicher Seite eine Reihe von Institutionen Schätzungen vornahmen, die sich jedoch erheblich voneinander unterschieden. Sowohl die sowjetischen Angaben als auch die westlichen Schätzungen, die ebenso wie die sowjetischen Daten nicht befriedigen können, werden in der nachfolgenden Grafik dargestellt. Abb. 2-2: Sowjetische Militärausgaben 1985 - 1991 (Mrd.

Rbl., lfd. Preise) Jahr: Offiziell, vor Preisreform 1991 Offiziell, nach Preisreform 1991 Deputierten- gruppe des Ob. Sowjets NATO- Schätzungen 1985 --- --- --- --- 1986 --- --- --- --- 1987 --- --- --- (ca. 130,00) 1988 82,50 --- --- --- 1989 77,30 --- --- (ca. 145,00) 1990 70,10 (ca.

105,60) (ca. 200,00) --- 1991 (ca. 64,50) 96,56 --- ---   Quelle: Hans-Henning Schröder, “Konflikt um Konversion: Rüstungssektor versus Wirtschaftsreform”   “Den offiziellen Angaben zufolge sanken die Militärausgaben 1988-90 von 82,5 auf 70,1 Mrd. Rubel. Real sollten sie im Staatshaushalt für 1991 um weitere 8,5% gekürzt werden. Da jedoch die Waffenpreise um 25-65% angehoben wurden, stiegen die Militärausgaben nominal um 36% an.

Eine Gruppe Deputierter des Obersten Sowjet kam Anfang 1990 aufgrund eigener Berechnungen zu dem Ergebnis, daß die Militärausgaben über 200 Mrd. Rubel ausmachten. Westliche Schätzungen dagegen bewegen sich in der Höhe von 130 - 145 Mrd. Rubel. Dabei gehen westliche Regierungsstellen davon aus, daß die sowjetischen Militärausgaben 1989 und 1990 zurückgegangen sind.” Welche der o.

g. Angaben der Wahrheit am nächsten kommen, ist schwer auszumachen. Man kann wohl davon ausgehen, daß die offiziellen Angaben bisher zu niedrig lagen. Gleichgültig welche der Angaben letztlich zutrifft, bezogen auf das BSP ist die Rüstungslast auf jeden Fall beträchtlich: nach offiziellen Angaben macht sie etwa 9,4% des BSP aus. Greift man auf westliche Schätzungen zurück, macht sie ca. 15% aus, nach denen der Deputiertengruppe beläuft sie sich auf über 20%.

  Abb. 2-3: Haushalt der UdSSR 1950-1989 in Mrd. Rbl. (lfd. Preise)   Abb. 2-4: Offzielles Wehrbudget der UdSSR Anteil am Gesamthaushalt in Prozent     Quelle: Hans-Henning Schröder, “Versorgungskrise, Rüstungsabbau und Konversion in der UdSSR”, Heft II, in Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Nr.

57-1989, Seite 21 Hier kann man sehen, daß die sowjetischen Angaben doch sehr unrealistisch sind. Wenigstens bis zur ersten Hälfte der 60er Jahre scheint es so, daß die offiziellen Angaben einen gewissen Zusammengang mit der realen Entwicklung der Rüstungsausgaben haben. “Das relative Absinken des Wehrbudgets im Laufe der 50er Jahre ließe sich dann mit der Truppenreduzierung jener Jahre erklären. Spätestens ab Mitte der 60er Jahre haben die offiziellen Angaben jedoch offentsichtlich keinen Realitätsbezug mehr. Die Vorstellung, daß die Verteidigungsausgaben über 25 Jahre hinweg im wesentlichen stagnierten, während sich der Gesamthaushalt verzehnfachte, und dies in einer Phase, in der die UdSSR nuklear aufrüstete mit dem Ziel, die Parität mit den USA zu erreichen, entbehrt nicht der Lächerlichkeit.” Dennoch fanden sich in der Sowjetunion Autoren, die die Stirn hatten zu behaupten die offiziell genannte Zahl decke tatsächlich die gesamten Verteidigungsaufwendungen der UdSSR ab.

Etwa seit 1987 zeichnete sich jedoch eine Wende ab. Sprecher des sowjetischen Außenministeriums gestanden ein, daß die Rüstungsausgaben der UdSSR über den bisher veröffentlichten Zahlen lagen. Genaue Angaben wurden aber nicht gemacht. Anfang 1989 begann die Führung Teildaten zu veröffentlichen: Gorbatschow bezifferte dabei, wie bereits genannt, den Umfang der sowjetischen Verteidigungsausgaben auf 77,3 Mrd. Rubel und gab folgende Aufgliederung: Abb. 2-5: Aufgliederung der sowjetischen Verteidigungsausgaben 1989 nach sowjetischen Angaben   Betriebsausgaben: Personal, Materialerhaltung, Betrieb Rente für ehemalige Militärangehörige   20,2 Mrd.

Rbl 2,3 Mrd. Rbl. Investive Ausgaben: Militärische Anlagen Beschaffung von Waffen und militärischem Gerät Forschung, Entwicklung, Erprobung   4,6 Mrd. Rbl.   32,6 Mrd. Rbl.

15,3 Mrd. Rbl: Sonstige Ausgaben 2,3 Mrd. Rbl. Militärausgaben insgesamt 77,3 Mrd. Rbl. Abb.

2-6: Aufgliederung der sowjetischen Verteidigungsausgaben 1989 nach NATO Angaben   Personal Renten für ehemalige Militärangehörige Materialerhaltung, Betrieb, militärische Anlagen Beschaffung von Waffen und militärischem Gerät Forschung, Entwicklung, Erprobung ca. 20 Mrd. Rbl. ? Mrd. Rbl.   50 Mrd.

Rbl.   60 Mrd. Rbl. ? Mrd. Rbl. Militärausgaben insgesamt 130 Mrd.

Rbl.   Quelle: Hans-Henning Schröder, “Versorgungskrise, Rüstungsabbau und Konversion in der UdSSR”, Heft II, in Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Nr. 57-1989, Seite 31   Eine Besonderheit der Aufgliederung ist, daß das Konzept von Militärausgaben formal schon in etwa international üblichen Vorstellungen entsprach. Für 1989 bezifferte die NATO die sowjetischen Militärausgaben (nominal) auf insgesamt 135-145 Mrd. Rubel. Insgesamt gesehen haben sowjetische Angaben also keinen besonders hohen Aussagewert, so daß man auf westliche Schätzungen zurück greifen muß - so unzulänglich diese Angaben auch sind.

Bei aller Kritik muß man jedoch die politische Bedeutung der Angaben beachten. Erstmals seit den frühen 50er Jahren hat die UdSSR Teildaten veröffentlicht, die wenigstens die Grundlage von öffentlichen Diskussionen sein können 2.4 Rüstungsabbau und Konversion 2.4.1 Truppenreduzierung Trotz großen öffentlichen Drucks läßt sich die sowjetische Führung nur langsam dazu bringen präzise Angaben über den Umfang der geplanten Kürzungen zu machen. Es sind jedoch erste konkrete Schritte zum Rüstungsabbau eingeleitet worden.

Nach dem Abkommen über den Abbau der Mittelstreckenraketen war es vor allem die einseitige Truppenreduzierung, die dem sowjetischen Abrüstungswillen im Westen Glaubwürdigkeit verlieh. Am 7.12.1988 hatte Gorbatschow diesen Schritt vor der UNO angekündigt und die praktische Umsetzung begann im Frühjahr 1989. Die Realisierung dieser Abrüstungsmaßnahmen stellten allerdings zunächst keine unmittelbare Erleichterung für die Volkswirtschaft dar, sondern bürdeten ihr neue Lasten auf. 2.

4.1.1 Vernichtung und Umrüstung militärischen Geräts Rüstungsgüter, die vernichtet werden mußten oder einer zivilen Nutzung zugeführt werden konnten, fielen zum einen durch das INF- Abkommen zum anderen durch die einseitige Reduzierung konventioneller Streitkräfte an. Die Zahl der Systeme die im Rahmen des INF- Abkommens vernichtet werden sollten und auch die Verfahren mit denen das geschehen sollte, waren festgelegt. Es handelte sich dabei auf sowjetischer Seite um 826 Mittelstreckenraketen und um 926 Kurzstreckenraketen. Sie sollten entweder gesprengt oder ausgebrannt werden und eine bestimmte Anzahl von Kurzstreckenraketen konnte auch durch Abschuß beseitigt werden.

“Die Gefechtsköpfe sollten ebenfalls vernichtet werden, das enthaltene Waffenuran konnte anderweitig genutzt werden. Die Startgeräte und Hilfseinrichtungen sollten so umgebaut werden, daß sie nicht mehr militärisch Nutzbar waren und die Raketentransportfahrzeuge durften für zivile Zwecke umgebaut werden.” Die Möglichkeiten einer zivilen Nutzung militärischen Geräts waren im Abkommen also einige Grenzen gesetzt. Die Vernichtung der Raketen begann im Laufe des Jahres 1988; Anfang August 1989 war die Vernichtung der sowjetischen Kurzstreckenrakete OTR-22 (SS-12) zu 76% abgeschlossen. Edelmetalle waren aus dem Demontierten zurückgewonnen worden und die Raketentransportfahrzeuge waren zu 110 Schwerlastkraftwagen umgebaut worden; u.a.

waren 2 Raketen als Wassertürme in einer gärtnerischen Produktionsgemeinschaft aufgestellt worden, Teile einer anderen Rakete erhielt ein Bildhauer als Material für eine Skulptur. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Raketenvernichtung ist also augenscheinlich gering. Die großen Mittel, die in den Bau dieser Waffensysteme investiert worden waren, lassen sich hier kaum zurückgewinnen. Aus diesem Grunde wurden auch Stimmen laut, die sich gegen die Vernichtung aussprachen und die Raketenbrennstoffe zivil nutzen oder die Raketen für geophysikalische Forschungen einsetzen wollten. Zugleich befürchteten einige Kritiker, die Sprengungen der RDS-10 (SS-20) könnten die Umwelt vergiften. Diese Sorgen wurden jedoch von offiziellen Stellen als Unfug abgetan.

Die Vernichtung der Raketen war jedoch nur ein Probelauf für die zivile Umwandlung militärischen Geräts. Die Reduzierung der konventionellen Truppen um 500.000 Mann erweist sich als sehr viel schwieriger. Im Rahmen dieser Aktion sollten 10.000 Panzer, 8500 Geschütze und Werfer sowie Pionierfahrzeuge und das übrige Großgerät abgebaut werden. Von den 10.

000 Panzern sollten 5.000 verschrottet werden. Dafür wurde ein Vertrag mit dem schwedischen Unternehmen “Ovako Steel” über die Lieferung von 5.000t und langfristig 50.000t geschlossen. Dieses entspricht 25% der 5.

000 zu verschrottenden Fahrzeugen. Die restlichen 5.000 Panzer sollten für Ausbildungszwecke oder nach Umbau für den Zivilbereich genutzt werden. Wie das geschehen sollte und wie die Verteilung des übrigen Geräts der in Auflösung befindlichen Verbände stattfinden sollte, gab es keine präzisen Angaben. 1989 wurden dann konkrete Angaben gemacht. Danach sollte nur ein geringer Teil der Geräte in die Verfügung der Wirtschaft gelangen.

Vorerst wurden die Geräte dazu eingesetzt, um Lücken zu stopfen, die bereits existierten oder durch die Kürzungen der Rüstungsausgaben entstanden sind. Im März 1989 wurde dann überschüssiges Gerät der Bevölkerung zum Kauf angeboten. Auf der Liste waren u.a. 20.000 Kraftfahrzeuge, Versorgungsschiffe der Kriegsmarine mit neuesten Navigationsgerät, Transistoren, Dioden.

Sinn dieser Aktion war es wohl, veraltetes und unsinnig gehortetes Gerät einer volkswirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Insgesamt gesehen scheint es, daß die Zivilwirtschaft aus der Truppenreduzierung keinen wesentlichen Nutzen ziehen kann. Nur ein geringer Teil des freiwerdenden Geräts kann mit Gewinn genutzt werden und obendrein sind beträchtliche Investitionen notwendig, um die Vernichtung sachgerecht durchzuführen. Man kann also sagen, daß Abrüstung erst einmal die Vernichtung großer Werte bedeutet, die vorher unsinnigerweise aufgehäuft wurden. Die UdSSR zahlt hier also für die falsche Politik der letzten 25 Jahre. 2.

4.1.2 Entlassung von Militärpersonal Eine Fortsetzung der Probleme ergibt sich bei der Umsetzung und Entlassung von Miltärpersonal. “Erste Erfahrungen konnte das Verteidigungsministerium im Zusammenhang mit dem Mittelstreckenabkommen sammeln, als zusammen mit der Vernichtung der Raketen die dazugehörigen Truppenteile umgeleitet werden mußten.” Die erste Belastungsprobe stand jedoch in den Jahren 1989 und 1990 an, als die Reduzierung der sowjetischen Truppen um 500.000 Mann durchgeführt werden mußte.

Probleme ergaben sich dabei weniger bei den Wehrpflichtigen und Unteroffizieren . Diese Zahl konnte man steuern, indem man die Anzahl der Einberufung verringerte. Anders stellt sich die Lage bei den Berufssoldaten dar. Davon betroffen waren ca. 160.000 Mann, deren Entlassung von einem umfangreichen Sozialprogramm begleitet werden mußte, das regelmäßige Einkommen, Wohnung und Einbindung in den zivilen Arbeitsprozeß sicherstellt.

Gedanken zu Entlassungen wurden bereits 18 Monate vor der Truppenreduzierung angestellt. Damit sollte eine Verjüngung des Führungsbestandes der Streitkräfte erreicht werden. Die Truppenreduzierung gab den Anstoß im Rahmen einer Umstrukturierung der Verbände sich von überalterten und unfähigen Truppenführern zu trennen. So sehr eine Verjüngung des Führungskorps der Hebung der Effizienz dienen konnte, so hatten diese Maßnahmen auch negative Auswirkungen. Bereits das Mittelstreckenabkommen und die Ankündigung des einseitigen Truppenabbaus hatten bei den Führern und Unterführern erhebliche Unruhe ausgelöst. Die Verunsicherung über den weiteren Berufsweg nahm in dem Maße zu, in dem reale Kürzungen wahrscheinlicher wurden.

Um einem Vertrauensverlust vorzubeugen wurde versichert, planvoll und unter Berücksichtigung von Einzelfällen vorzugehen. Dabei machten die Vertreter der politischen Hauptverwaltung in ihren Äußerungen die Richtungen der Entlassung deutlich: Reserveoffiziere, die ihren Reservedienstgrad in der Regel im Laufe ihres Studiums in der begleitenden Wehrausbildung erwarben und nach dem Examen, statt in den Beruf zu gehen, für zwei bis drei Jahre in die Truppe einberufen wurden. Diese Gruppe war in der Regel schlecht ausgebildet und wenig motiviert, ihr Zivilleben wies verhältnismäßig geringe Schwierigkeiten auf, da sie über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügten. Offiziere und Unteroffiziere, die die Altersgrenze ihres Dienstgrades erreicht und einen Pensionsanspruch erworben hatten. Diese Gruppe verfügten über eine soziale Grundversorgung, doch bedurften sie beim Übergang in das Zivilleben teilweise der Unterstützung bei der Versorgung mit Wohnraum etc. Offiziere und Unteroffiziere, die den Wunsch hatten, ins Zivilleben zurückzukehren.

Dadurch befreiten sich die Streitkräfte von gering motiviertem Personal. Offiziere und Unteroffiziere, die von ihren Vorgesetzten moralisch und intellektuell für ungeeignet gehalten wurden. Um diese Offiziere zu ermitteln, wurde eine Beurteilungsaktion durchgeführt. Von dem Ergebnis hing ab, ob ein Offizier befördert, versetzt, auf eine Militärhochschule überwiesen oder entlassen wurde. Ziel der Entlassung dieser vier Gruppen war offenbar, im Rahmen der Reduzierung das Führer- und Unterführerkorps stärker zu professionalisieren und das Qualitätsniveau deutlich anzuheben. Mit der Umsetzung der Truppenreduzierung stellten sich eine Reihe sozialer Probleme ein.

Ein besonderes Problem stellte die Arbeitsbeschaffung dar. Zwar wurde der Volkswirtschaft ein Potential an Arbeitskraft zur Verfügung gestellt, aber die entsprechenden Arbeitsplätze mußten bereitgestellt werden und gegebenenfalls Umqualifikationen stattfinden. Ein anderes Problem war die Bereitstellung von Wohnraum. Dieses stellte sich dadurch besonders schwierig dar, daß schon vor den Massenentlassungen die Situation im Wohnungsbereich katastrophal waren. Lösungen für diese sozialen und ökonomischen Probleme waren vorerst nicht in Sicht.   2.

4.2 Konversionsbeitrag der Streitkräfte Der Einsatz von Truppen für zivile Zwecke kann auf eine langjährige Tradition zurückgreifen, wobei jedoch nun diese Einsätze stark herausgehoben wurden. Das ist jedoch ganz verständlich, da mit dem Wegfall der Bedrohung von außen, der Druck vorhanden ist, sich vor der Gesellschaft neu zu legitimieren. Die Hilfseinsätze des Militärs z.B. in Tschernobyl oder bei Erdbebenkatastrophen in Armenien werden deshalb immer wieder herausgestellt.

Es gibt aber auch banalere Einsätze. So wurden beispielsweise alljährlich Altmetallsammlungen durchgeführt und Einheiten zur Erntehilfe eingesetzt. Weiterhin ist es offenbar an der Tagesordnung, daß reguläre militärische Einheiten eigene “Nebenerwerbswirtschaften” betrieben. Dazu werden Soldaten für Ausbauarbeiten in der Kaserne eingesetzt oder als “freie Künstler” an zivile Betriebe ausgeliehen. Als Gegenleistung erhielten die Einheiten dafür Baumaterialien oder andere Werte, die dazu genutzt werden, den Mangel an Ersatzteilen und Baumaterialien wettzumachen, um die Kasernen und Maschinen in einem halbwegs intakten Zustand zu erhalten. Durch die Nebenerwerbswirtschaften leisten die Streitkräfte einen großen, wenngleich halbillegalen und schwierig meßbaren Beitrag zur sowjetischen Volkswirtschaft.

Allerdings befindet sich das Verteidigungsministerium hier in einem politischen Dilemma. Einerseits muß es Wirtschaftsarbeiten im Zivilsektor einschränken, um die Ausbildung der Truppe zu verbessern, andererseits muß es im Rahmen von Abrüstung und Truppenreduzierung den Nutzen der Streitkräfte nach außen darstellen. Im Jahre 1988 bezifferte der Verteidigungsminister zum ersten Mal den Beitrag der Streitkräfte zum Investbau - 4 Mrd. Rubel bei einem Gesamtaufkommen der Bauwirtschaft von 215,3 Mrd. Rubel. Das wies auf drei Bereich hin, in denen das Militär einen besonderen Beitrag erbrachte: die Lebensmittelproduktion der Militärsowchosen, der Einsatz militärischer Transportflugzeuge für zivile Transporte und den Wegebau.

Im April 1989 erklärte das Verteidigungsministerium, saß von nun an Teile der Lufttransportflotte für zivile Zwecke genutzt werden sollten. Von den ca. 600 vorhandenen Maschinen sollten ca. 60 Großflugzeuge mit einem Transportvolumen von 50.000t eingesetzt werden. Das sollte in Zusammenarbeit mit der zivilen Luftfahrtgesellschaft “Aeroflot” geschehen.

Seit langem bestanden schon die Landwirtschaftsbetriebe der Streitkräfte. Diese umfaßten 83 Militärsowchosen, 80 spezialisierte Milchviehbetriebe und 2 landwirtschaftliche Nebenwirtschaften, die kommerziell geführt wurden. Daneben gab es bei anderen militärischen Einrichtungen noch 9000 weitere Nebenwirtschaften. Damit konnte das Verteidigungsministerium zwar nicht zur Lebensmittelversorgung der Bevölkerung beitragen, doch war es in der Lage den Bedarf der Streitkräfte teilweise abzudecken und somit die zivile Landwirtschaft ein wenig zu entlasten. Insgesamt gesehen sind die zivilen Leistungen der Streitkräfte wenig beeindruckend, wobei sich aus Mangel an Informationen auch schlecht sagen läßt, in welchem Maße der Militärbeitrag für zivilwirtschaftliche Entwicklung zugenommen hat und wie groß er tatsächlich ist. 2.

4.3 Ansätze zur Konversion der Rüstungsindustrie Der politische Druck in Richtung auf Senkung der Rüstungsaufwendungen betraf auch die Rüstungsindustrie. Die Herstellung von Waren für den zivilen Bedarf war für den sowjetischen Rüstungskomplex allerdings nichts Neues. Schon seit langem erzeugte er neben Waffensystemen und anderen Rüstungsgütern auch zivile Investitions- und Konsumgüter. Im März 1971 wurde der Anteil der zivilen Produktion am Gesamtumfang auf 42% beziffert. So wie damals wurden auch 1988 wieder zwei Gesichtspunkte in den Vordergrund gestellt.

Zum einen die Rolle der Rüstungsministerien als unmittelbare Produzenten von Konsumgütern und zum anderen die Tatsache, daß sie über fortgeschrittene Technologie verfügen, die an die zivilen Industriezweige weitergegeben werden sollten. Der Druck der Öffentlichkeit wuchs 1988 wieder an, so daß seit 1971 1988 erstmals wieder Daten über den zivilen Anteil an der Produktion gemacht wurden. Insgesamt machte dieser Anteil 1988 40% seiner gesamten Erzeugung aus und sollte 1990 auf 46% und 1995 auf 60% gesteigert werden. Bei diesen Zahlen muß man jedoch beachten, daß die Rüstungsproduktion verringert werden sollte und deshalb die Steigerung der Zivilproduktion nicht in dem Grade anwuchs, wie es die Prozentanteile auf den ersten Blick darstellten. Im August 1989 wurden folgende Angaben über die Entwicklung von Zivil- und militärischer Produktion im Rüstungssektor gemacht: Abb. 2-7: Jährlicher Zuwachs von ziviler und militärischer Erzeugung im Rüstungssektor (jeweils im Verhältnid zum Vorjahr)   Jahr: Zivilproduktion: militärische Produktion: 1988 105,7% 105,5% 1989 108,9% 95,5% 1990 113,1% 95,3%   Quelle: Hans-Henning Schröder, “Versorgungskrise, Rüstungsabbau und Konversion in der UdSSR”, Heft III, in Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Nr.

58-1989, Seite 9   “1988 waren danach Rüstungs- und Zivilproduktion etwa im gleichen Maße gestiegen. Erst 1989 setzte ein Umbruch ein. Anscheinend übernahm die Rüstungsindustrie jetzt in der Tat verstärkt nicht militärische Aufgaben. 1989 waren 345 Produktionsbetriebe und 200 Forschungsinstitute und Konstruktionsbüros des Rüstungssektors in die zivile Erzeugung einbezogen.” Für den Zeitraum vor 1988 liegen keine Angaben vor. Einer der Schwerpunkte der Konversion sollte die Unterstützung des Agrarindustriellen Komplexes sein.

Die Rüstungsministerien sollten die Ausrüstung für die Betriebe der Nahrungsmittelindustrie bereitstellen und Anlagen und Maschinen für diese Branche entwickeln und produzieren. Der Druck auf die Erhöhung des Anteils ziviler Produkte führte gleichzeitig zu einer starken Diversifizierung der Produktpalette des Rüstungssektor. So produzierte das Ministerium für Flugzeugindustrie das in erster Linie Militärflugzeuge, Raketen und andere Rüstungsgüter herstellte, inzwischen auch Kühlschränke, Waschmaschinen, Staubsauger, Möbel etc. Die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Produktion bringt jedoch eine Reihe technischer, ökonomischer und sozialer Probleme mit sich. Ein technisches Problem ist, in wieweit sich Anlagen zur Produktion von Rüstungsgütern auf zivile Erzeugnisse technisch umstellen lassen. Dann gibt es noch die ökonomischen Probleme, die Frage nach der Finanzierung von Übergangsmaßnahmen, nach der Belieferung mit Rohmaterialien und Energie unter den neuen Bedingungen und nach der Vermarktung der neuen zivilen Produktion.

Weitere Probleme ergeben sich aus der nötig werdenden Umqualifizierung von Arbeitern; das bisherige Niveau der Entlohnung und der materiellen Versorgung ist in Gefahr und im Extremfall müssen Arbeitskräfte ganz entlassen werden. Darüber hinaus gibt es in der UdSSR Städte und Regionen, in denen die Rüstungsproduktion ökonomisch dominiert, so daß sich die Kürzung der Rüstungsausgaben direkt auf den Lebensstandard ganzer Bezirke auswirkt. Abb. 2-8: Arbeitskräfte in der sowjetischen Rüstungsindustrie 1985 : Rußland   (Bild einkleben)     Alle diese Probleme müssen in einer vorausschauenden Konversionsplanung erfaßt und Lösungen müssen ausgearbeitet werden, wenn die politische Führung nicht riskieren will, in Teilen der Gesellschaft die Unterstützung für ihre Abrüstungs- und Konversionspolitik zu verlieren. Nachdem diese Fragen über Jahrzehnte hinweg außer acht gelassen wurden, muß das jetzt in aller Eile nachgeholt werden. Ein wesentliches Element einer Konversionspolitik muß jedoch die Verbesserung der Wirtschaftsinformation sein.

Bisher läßt sich weder das tatsächliche Ausmaß der sowjetischen Rüstungsausgaben, noch der Umfang der Kürzungen übersehen. Demgemäß ist auch das Ausmaß der Probleme, die für die UdSSR aus der Konversion erwachsen, schwer einzuschätzen. 3. Block II: Transformation und Konversion nach dem Ende der UdSSR   3.1 Systemtransformation In Kapitel 3.1 soll der Begriff Systemtransformation definiert und die verschiedene Varianten exemplarisch dargestellt werden.

Weiter sollen die Bedingungen für eine erfolgreiche Systemtransformation sowie der Zusammenhang zwischen Systemtransformation und Konversion dargestellt werden.   3.1.1 Definition und Varianten Ein System ist eine “Menge von geordneten Elementen mit Eigenschaften, die durch Relationen verknüpft sind. Die Menge der Relationen zwischen den Elementen eines Systems ist seine Struktur. Unter Element versteht man einen Bestandteil eines Systems, der innerhalb dieser Gesamtheit nicht weiter zerlegt werden kann.

Die Ordnung bzw, die Struktur der Elemente eines Systems ist im Sinne der Systemtheorie seine Organisation. Die Begriffe der Organisation und der Struktur sind also identisch.” Transformation bedeutet Überleiten von einem ursprünglichen in einen neuen Zustand. Systemtransformation bedeutet, daß die Eigenschaften aller Elemente im System und ihre Relationen zueinander verändert werden. Das Ergebnis dieser Veränderung ist dann eine neue Ordnung. Wenn diese theoretische Definition auf Rußland angewendet wird, bedeutet Systemtransformation konkret, daß in Rußland ein Prozeß im Gange ist, in dem alle Elemente des System, also die Unternehmen, Institutionen, Ordnungsrahmen sowie die Bürger selber, sich verändern, auflösen oder neu entstehen und ihre Verhältnisse zueinander, also informelle, funktionelle, eventuell persönliche, neu ordnen, verändern, auflösen oder neu knüpfen.

Das Ergenbis dieses Prozesses kann niemand voraussehen. Fest steht nur, daß der monentane Prozeß eine “richtige” Systemtransformation ist, die “neben marktwirtschaftlichen Reformen und demokratischen Veränderungen in der Staatsordnung auch die die Transformation des Rechts, der Außen- und Innenpolitik, der Streitkräfte, der Kultur, der Medien, der Ausbildung usw. einschließt.” Im Zuge des Systemtransformationsprozesses werden viele verschiedene Varianten diskutiert, die alle eine andere Zielrichtung aufweisen. Eine Entwicklung hin zur Marktwirtschaft ist dabei nicht selbstverständlich. Es können aber drei Varianten genannt werden, die sich hauptsächlich in der Diskussion befinden.

  Der frühere Wirtschaftsminister Lobow und der Vize-Ministerpräsident Soskowez setzen sich für eine wirtschaftliche Stabilisierung und Wiederbelebung durch die Wiederherstellung der staatlichen Lenkung ein. Sie denken dabei an einen staatsmonopolistischen Kapitalismus, der sich durch die Bildung von “Techno-industriellen Komplexen” oder “technischen Kooperationen” auszeichnet. In diesem Modell werden kleine und mittlere Betriebe der Bedingungen der Marktwirtschaft ausgesetzt und große Unternehmen in Konzernen zusammengefaßt. Diese Konzerne wären formell selbständig, unterstehen aber einer starken staatlichen Wirtschaftslenkung. Der ehmalige Ministerpräsident Gaidar neigt hingegen zu einem amerikanischen Modell des Markts, in dem der Markt alle Regulierungen vornimmt. Der derzeitige Ministerpräsident Cernomyrdin strebt ein Modell der sozialen Marktwirtschaft nach westeuropäischen (sogar: deutschen) Vorbild an.

Cernomyrdin muß dabei aber gegen den Widerstand der Industrie-Direktoren, die die Selbstverantwortung scheuen, und deren Vertreter Lobow und Soskowez ankämpfen.   Welche Variante sich in Zukunft durchsetzten kann und welche für die russischen Betriebe am besten geeignet ist, kann heute sicher noch nicht gesagt werden. 3.1.2 Bedingungen für Systemtransformation, Konversion, Privatisierung und ausländische Investitionen Die Bedingung für die Schaffung einer günstigen Lage für Systemtransformation, Konversion, Privatisierung und ausländischen Investitionen sind nach Höhmann und Meier die Lösung von fünf komplexen Aufgaben.   Diese Aufgaben sind: Die makroökonomische Stabilisierung als Notwendigkeit für eine positive Entwicklung der Gesamtwirtschaft.

Dazu gehört auch die Stärkung der Binnennachfrage, denn ein großes Problem der russichen Wirtschaft ist die Geringschätzung des eigenen Binnenmarkts Der Aufbau eines marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmens, der privaten Investoren Sicherheit gibt und die Verhältnisse zwischen Staat und Privatwirtschaft regelt. Ein wirtschaftlicher Strukturwandel, der die vorhandenen Ressourcen zugungsten einer zukunftsorientierten und zivilen Produktion verteilt und auch Anreize für eine Investition im Standort Rußland liefert. Eine soziale Flankierung der Folgen von Systemwechsel und Strukturwandel, die den Beschäftigten die Angst vor Veränderung und Selbstverantwortung nimmt. Eine Neuordnung der Außenwirtschaft, die die russische Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten stärkt. Die Wettbewerbsfähigkeit sollte sich vor allem auf den zivilen Sektor verbessern.   Neben dem “Aufgaben-Modell” von Höhman/ Meier gibt es einen Ansatz von Ulrich Albrecht, der “systemische Erfordernisse” angibt.

Albrecht schreibt, daß im in einem erfolgreichen Transformationsprozeß folgende Erfordernisse erfüllt werden müssen: Es geht um Fragen nach:   Restriktionen der Transformations- und Konversionsvorgänge: Wenn unterstellt wird, daß Marktwirtschaften das Vorbild für den Transformationsprozeß sind, so sind die Budgetristriktionen das ausschlaggebende Moment der Entscheidungen der öknomischen Akteure, den Abrüstung und Konversion verursachen Kosten. Also hängen die Erfolge der Konversion und der Transformation von den finanziellen Möglichkeiten ab, die in Rußland beschränkt sind. Um die finanziellen Möglichkeiten zu verbessern, ist Rußland auf private ausländische Investitionen angewiesen bzw. auf Hilfen aus dem Ausland. Ein Beispiel für Hilfe aus dem Ausland ist das “Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States”-Programm (TACIS) der Europäischen Union (vgl. Abb.

: 3-1 TACIS Budget...). “Die Hauptursache für die ungünstige Lage für westliche Investoren sind politische und wirtschaftliche Instabilität, sowie das Fehlen stabiler Gesetze und Verordnungen, also stabile Regeln des Wirtschaftens.” Erst wen diese Forderungen erfüllt sind, werden (können) ausländische Investitionen im stärkeren Umfang erfolgen.

  Bedingungen der Kohärenz dieser Vorgänge: Kohärenz meint, daß alle am Transformationsprozeß beteiligten und die Prozesse selber untereinander und in sich stimmig sein müssen. Albrecht meint damit, daß zur Aufrechterhaltung der Reproduktionsfähigkeit der Gesellschaft alle Beteiligten “an einem Strang” ziehen müssen. Der Transformationsprozeß kann keinen Erfolg haben, wenn jeder seinen “eigenen Weg” geht.   Interferenzen der am Transformationsprozeß beteiligten Elemente: Die Frage lautet: “Wie beeinflussen sich die Elemente gegenseitig?” und “was sind die ‘systemfremden Komponenten’, die zu Störungen der Systemlogig führen?” (z.B. Ausnahme der Rüstungsindustrie aus dem Privatisierungsprozeß).

  Regulationsformen: Damit das “System”, das das Ergebnis des Transformationsprozesses sein wird, stabil bleibt, müssen neue soziale Institutionen und Organisationen dafür sorgen, daß die Akteure die neuen “systemischen Anforderungen” auch einhalten. Abb. 3-1: TACIS-Budget: Darstellung nach Sektoren, 1991 - 1993   Millionen ECU   1: Nukleare Sicherheit 2: Neustrukturierung von staatlichen Unternehmen und Privatsektor-Entwicklung 3: Verwaltungsreform, Sozialwesen-Ausbildung 4: Landwirtschaft 5: Energie 6: Transportwesen 7: politische Beratung 8: Telekommunikation 9: andere Sektoren 10: Residuum Quelle: Frank Borstelmann, “Multilateral and bilateral economics promotion programs for the CIS” BICC Report 3, Bonn April 1995, Seite 82, eigene Darstellung  Beide o.g. Ansätze stellen eine Reihe von Anforderungen an den Transformationsprozeß. In den ersten zwei, drei Jahren nach der Auflösung der UdSSR konnte noch nicht gesagt werden, ob die Aufgaben und Anforderungen überhaupt bzw.

in welchen Umfang erfüllt werden können. Egal wie ein Transformationsansatz auch formuliert wird, eine große Aufgabe bzw. Herausforderung muß immer genannt werden. Diese Herausforderung ist die hochmilitarisierte Wirtschaft Rußlands in eine zivile zu transformieren, also Konversion zu verwirklichen. “Ein Mißlingen der Rüstungskonversion im Osten würde die Dynamik des gesamten Transformationsprozesses abbremsen.” Deshalb ist es wichtig den elementaren Zusammenhang zwischen Systemtransformation und Konversion zu erkennen.

  3.1.3 Zusammenhang zwischen Systemtransformation und Konversion Der Konversionsprozeß in Rußland weist zwar in mancher Hinsicht die gleiche Struktur wie Konversionsprozesse in westlichen Staaten auf. Gemeinsamkeiten zwischen Konversion in Rußland und in westlichen Staaten gibt es beim Rückgang der militärischen Beschaffung sowie der Reaktionen der Rüstungsunternehmen. Er hat aber durch die gleichzeitig stattfindene Systemtransformation, deren Ergebnis heute noch nicht absehbar ist, eine andere Qualität. Hinzu kommt, daß das Ausmaß der Rüstungsproduktion in der UdSSR viel höher war als anderswo.

  Deswegen ist dem Gelingen der Konversion in Rußland eine viel höhere Bedeutung zuzumessen. “Konversion und Transformation haben die gleiche Aufgabe zu lösen: die strukturellen Defizite und Deformationen der Wirtschaft sowjetischer Prägung zu beseitigen sowie die dafür notwendigen marktkonformen ökonomischen Mechanismen und Organisations- und Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Insofern sind sie hinsichtlich ihres Erfolgs unmittelbar miteinander verknüpft.” 3.2 Veränderung der Struktur der Rüstungsausgaben und Produktion Das Ende der UdSSR markierte einen großen Einschnitt in die wirtschaftliche Struktur. Die Absatzgrantien gewohnte russische Rüstungsindustrie mußte feststellen, daß ihre Produkte sich nicht mehr von alleine verkauften, weil der Staat seine Nachfrage nach Rüstungsgütern wegen des Ende des kalten Kriegs und der desulaten Haushaltslage stark einschränkte.

Ein geplantes Gesetz der Russischen Förderation “Über den staatlichen Rüstungsauftrag”, das die militärische Beschaffung neu regeln soll, ist nocht nicht vom Gesetzgeber verabschiedet worden. Das im März 1992 verabschiedete Konversionsgesetz, das einen Ordnungsrahmen für die Rüstungskonversion herstellen soll, bewirkt in der Praxis wenig, weil es der Entwicklung nicht Schritt hält. Insgesamt wurden die Ausgaben für die militärische Beschaffung 1992 gegenüber 1991 um 68% gekürzt. Die Kürzung fiel drastischer aus, als von vielen Rüstungsbetrieben erwartet. Dieser unvorbereitete Auftragsrückgang, z.T.

wurden komplette Aufträge storniert, hatte dramatsiche Folgen. Die leichte Erhöhung der Rüstungsausgaben von 1992 auf 1993 konnte die Situation für die Betriebe nicht verbessern. Erschwerend kam hinzu, daß die russische Regierung bei den Rüstungsunternehmen mit ca. 400 Milliarden Rubel verschuldet ist. Eine Stabilisierung der Auftragslage konnte nur für im “dual-use”-Bereich tätige Unternehmen realisiert werden. Der Anteil für militärische Beschaffung innerhalb der Verteidigungshaushalts wurde stärker als die anderen Bereiche gekürzt.

Der Anteil Beschaffung am Haushalt lag 1991 bei 37,3% und 1992 bei 16,1%. Der Anteil für Unterhalt und Betrieb hingegen stieg von 1991 33,4% auf 1992 54,7%. Aber auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung wurden verringert. 1991 hatten sie einen Anteil von 16,7% am Verteidigungshaushalt. 1992 betrug der Anteil nur noch 10,6%.   Aber nicht nur für die Rüstungsindustrie hat sich die Lage geändert, auch zivile Unternehmen haben Schwierigkeiten sich den neuen Bedingungen anzupassen.

Die frühere Mangelwirtschaft verwandelt sich zunehmend in eine Wirtschaft der Absatzkrise. Vorallem im Investitionsgüterbereich hat das Ausbleiben von staatlichen Aufträgen, der Rückgang der Investitionsrate sowie die Konfrontation mit konkurrierenden Angeboten von westlichen Firmen zu großen Schwierigkeiten geführt. Abb. 3-2: Ausgabenstruktur des Wehrbudgets 1989-1994 (in %)   Ausgabenart: 1989 1990 1991 1992 1993 1994 Unterhalt, Betrieb 26,13 27,20 33,40 54,70 49,95 54,41 Beschaffung   42,17 43,70 37,30 16,10 18,28 20,78 Rüstungs- forschung 19,79 18,60 16,70 10,60 7,22 5,99 Residuum   11,91 10,50 12,60 18,60 24,55 18,82 Zusammen 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00     Quelle: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Aktuelle Analysen, Nr. 46/ 1994, Seite 4, eigene Darstellung   3.3 Anpassung und Umstellung der Rüstungsindustrie auf die geänderten gesamtwirtschaftlichen Bedingungen In diesem Kapitel sollen die Reaktionen der Unternehmen auf die geänderten gesamtwirtschaftlichen Bedingungen und die daraus resultierenden Strategien aufgezeigt werden.

Die Auswirkungen auf die Beschäftigung wird auch untersucht.   3.3.1 Strategien der Rüstungsunternehmen Die geänderten gesamtwirtschaftlichen Bedingungen nach dem Ende der UdSSR verursachten verschiedene Reaktionsmuster und Strategien bei den Rüstungsunternehmen in Rußland. Die entwickelten Strategien ähneln denen der westlichen Rüstungsunternehmen. Die Situation der Rüstungsunternehmen in Rußland stellt sich aber wesentlich schlechter dar.

Zu einem weil “ziviles Marketing-Know-How” aufgrund der schlechten Finanzlage nicht einfach eingekauft werden kann, was auch für das Stichwort “Diversifikation” gilt. Zum anderen weil ein großer Teil der Betriebe ausschließlich Rüstungsgüter hergestellt haben. Und wenn zivile Produktion in einem Rüstungsbetrieb vorhanden war, betrug der Anteil selten mehr als fünf Prozent. Es können nun zwei wesentliche “Strategie-Blöcke” unterschieden werden. Der erste Block beinhaltet die “Strategie des Überwinterns” und der zweite die “Strategie der Ausweitung der zivilen Produktion” Unternehmen, die der Strategie des Überwinterns anhängen, gehen davon aus, das die Rüstungsproduktion langfristig fortgesetzt wird. Im Vordergrund steht dabei der Export von Rüstungsgütern.

Der Rüstungsexport war einer der wenigen Wirtschaftszweige in der UdSSR, der wirklich dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt war. Und für einige Unternehmen könnte diese Strategie aufgehen. Der Konversionsberater von Präsident Jelzin Maley forderte im Februar 1992, daß der russische militärisch-industrielle-Komplex zu einer Waffenexportindustrie umgewandelt werden soll. Diese Forderung kann aber langfristig die Lösung der wirtschaftlichen Probleme verhindern. Reformen werden hinausgeschoben. Hinzu kommt, daß durch den Export der nationale Auftragseinbruch nicht ausgeglichen werden kann.

Einige Rüstungsunternehmen glauben an eine baldige Fortsetzung der nationalen Rüstung. Die ablehnende Haltung gegenüber Konversion und Veränderungen im allgemeinen hat ihre Wurzeln nicht nur in den schlechten Zukunftsaussichten sondern auch in der Realitätsferne und Inflexibilität des Managements. Die Hoffnungen der Unternehmen richten sich auf staatliche Subventionen, mit denen das monentane “Produktions-Tal” überbrückt werden soll. Einschneidene Produktions- und Strukturveränderungen stehen für die Unternehmen, die der Strategie des Überwinters anhängen, nicht zu Debatte. Die Ablehnung von Veränderungen hängt zum einem mit (fragwürdigem) Prestige zusammen und zum anderen mit der Angst, wenn im “Ernstfall” ihre Produktion gebraucht werden sollte, nicht in der Lage zu sein, Rüstungsproduktion zu betreiben. Andere Rüstungsunternehmen setzen auf die Ausweitung der zivilen Produktion.

Zu einem versuchen “High-Tech”-Rüstungsunternehmen sowie im “Dual-use”-Bereich tätige Unternehmen, ihre technische Erfahrung in zivile Produkte einzubringen. Es handelt sich hauptsächlich um Unternehmen, die in den Bereichen Nachrichtentechnik, Luft- und Raumfahrt und Schiffbau tätig sind. Schiffbauunternehmen können häufig westliche Aufträge bekommen, weil eine arbeitsintensive “Großschiff-Fertigung” wegen der niedrigen Löhne in Rußland aktraktiv ist. Zum anderen gibt es Unternehmen, die ihre bisherigen Produktionspotentiale nicht ohne weiteres für eine zivile Produktion nutzen können. Sie haben Schwierigkeiten mit einer Umstellung aud zivile Produkte. Zwar werden Konsumgüterproduktionen ausgebaut, die in der Vergangenheit schon vorhanden waren, weil der Staat den Rüstungsunternehmen schon zur Zeit der UdSSR “zivile Produktion verordnete”, jedoch ist die Produktivität dieser zivilen Bereiche im Vergleich zu traditionell zivilen Unternehmen gering.

Die geringe Produktivität liegt an der Geringschätzung von zivilen Produktionsalternativen sowie dem Prestigedenken der Rüstungsfirmen. Aber auch an der Notwendigkeit des Einsatzes anderer Technologien. So wurde versucht, in einem ehemalige Geschoß-Unternehmen Schuhe herstellen zu lassen oder Kaffemühlen bei einer Firma des Schwermaschinenbaus zu fertigen. Bessere Aussichten auf Erfolg haben zivile Alternativen, wenn sie von den betroffenen Unternehmen selber vorgeschlagen worden sind. Ein Beispiel ist die Werft “Baltiskij Zavod”, die den Innenausbau ihrer Kriegsschiffe selber vorgenommen hatte und nun dieses Wissen für den Bau von Möbeln gebrauchen kann. Aber auch kleine Kontruktionsbüros haben gute und auch marktfähige Produktideen.

Ihr Manko ist, daß sie nur über einen kleinen Musterbau verfügen und nicht über Kapazitäten zur Serienfertigung. Aufgrund der oben dargestellten Sachverhalte bezüglich der Möglichkeiten der Produktionumstellung kommt Petra Opitz zu folgendem Fazit: “Eine direkte Ausrichtung der vorhandenen Potentiale auf zivilen Bedarf ist nur in den seltensten Fällen möglich, ansosnten unsinnig. Notwendig ist die grundsätzliche Umgruppierung vorhandenen Wissens und konzentrierte Ausrichtung auf neue zivile Zielsetzungen. (...

) In der fehlenden Bereitschaft zur Produktionsaufnahme (Serienfertigung) spiegelt sich ein weiterer hemmender Effekt wider - die Geringschätzung des entstehenden russischen Binnenmarkts”   3.3.2 Auswirkung auf die Beschäftigung Aussagen über die Auswirkung der Auftragsrückgänge im Rüstungssektor sowie der ansatzweisen Umstellung auf zivile Produktion zeichnen ein zum Teil widersprüchliches Bild der Beschäftigungslage. Petra Opitz schreibt, daß obwohl nur für 2/3 der Beschäftigten Arbeit vorhanden ist, kaum Entlassungen stattfinden. Viele Mitarbeiter bleiben als Kurzarbeiter in den Betrieben. Entlassungen hat es nur bei Leuten im Vorruhestandsalter sowie bei Frauen gegeben.

Rentable Betreibszweige “füttern” die Kurzarbeiter mit durch. Auf Massenentlassungen wurde wegen der Angst vor politischer Instabilität sowie der geringen Vorbereitung der Bevölkerung auf dieses Phänomen verzeichtet. Die Folge davon ist, daß der Durchschnittsverdienst in der Rüstungsindustrie sich inzwischen am unteren Ende des allgemeinen Durchschnittsverdients bewegt. Das BICC hingegen berichtet von einem starken Rückgang der Beschäftigung im Rüstungssektor. Der Rückgang ist aber unterproportional zu dem Rückgang der Rüstungsproduktion. Die Beschäftigung im Rüstungssektor sank von 1991 auf 1992 um 9% während die Produktion um 37% zurückging.

Von 1992 auf 1993 sank die Beschäftigung um 12% und die Produktion um 30%.   Abb. 3-3: Rückgang der Produktion und Beschäftigung Quelle: BICC Report 3, April 1995, Seite 57, zitiert nach “Center for Economic Forecasting”   Das Diagramm macht aber einen Trend deutlich: Während der Rückgang der Produktion abnimmt, nimmt der Rückgang der Beschäftigung zu.   Ein weiteres Problem der Rüstungsindustrie ist das Abwandern der Fachleute in andere Branchen, was von der Rüstungsindustrie z.T. mit Unverständnis quittiert wird.

Man erkennt nicht, daß die Qualifikation der Mitarbeiter dann zerstört ist, wenn sie nicht mehr gebraucht wird.   3.4 Exemplarische Darstellung der Situation nach dem Ende der UdSSR   Beispiel für “gelungene Konversion” und wie Kooperation mit dem Westen zu stande kommt:   Eine deutsche Absolventin einer Kunsthochschule übernahm in St. Petersburg einen Design-Auftrag für die Ausgestaltung einer neuen deutschen Kneipe. Dort lernte sie russiche Rüstungsfachleute kennen, die ihr von ihren Problemen berichteten. Die Absolventin erzählte den Russen von deutschen Sozialwissenschaftlern, die sich schon längere Zeit mit der Konversionsproblematik befaßten.

So kam der Kontakt mit deutschen Hochschulen zustande. Deutsche Studenten arbeiteten als Ersatz für teuere Consulting-Firmen in Rußland.   Das erste konkrete Projekt wurde mit den Kirow-Werken in Angriff genommen. Dort sollte von der Panzer- auf die Staubsaugerproduktion umgestellt werden. Doch dort hatte man große Probleme, weil die großen Hallen mit den schweren Kränen nicht gut für den Staubsaugerbau geeignet waren. Auch fehlte das Know How.

Der erste Satubsauger-Prototyp wurde im Design einem Panzer nachempfunden. Dieser Staubsauger war aus mehrere Millimeter dickem Stahl, zu schwer zum Tragen und äußerlich wenig attraktiv. Um die Attraktivität des Saugers zu steigern, schlugen die deutschen Berater vor, den Staubsauger zu emaillieren. Die Rüstungsmanager erwarben den dazu notwendigen Ofen und die Fli

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