Die sahelzone
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Der Sahel
Todesstreifen am Rande der Sahara
Einleitung
Was versteht man unter Sahel?
Die Hungersnot – Folgen und Ursachen
Bodenerosion und Desertifikation – Hauptprobleme im Sahel
Lösungsansätze in der Vergangenheit
Zukunftsperspektiven und Besserungschancen
1. Einleitung
„Fast regelmäßig kam der Regen. Die ganze Natur atmete neues Leben und die Tierwelt entwickelte ihre geselligen Eigenschaften in der ganzen Kraft neuerwachender Triebe. Die dichtkronigen Bäume schwirrten von dem fröhlichen Gezwitscher der Ammern und Finken und dem Gegirre der Tauben. Affen stiegen in die kleine Einsenkung hinter unserem Gezelte herunter, um einen Trunk Wasser zu erlangen, während dann und wann der ferne Ruf eines Löwen erschallte.“
So beschrieb der deutsche Geograph und Afrika-Forscher Heinrich Barth 1850 während seiner Expedition einen Landstrich im Sahel, am südlichen Rand der Sahara.
Man könnte meinen, er spräche vom tropischen Regenwald.
Heute ist von dem, was Heinrich Barth vor 140 Jahren erlebte und in seinen zahlreichen Zeichnungen und Tagebucheinträgen festhielt, nichts mehr zu sehen. In weiten Teilen des Sahels erstreckt sich eine kahle Einöde. Die Erde ist müde, unfruchtbar und ausgedorrt. Auf die sperrliche Vegetation prallt die glühende Hitze, macht Wasserstellen zu einer Seltenheit.
2.
Was versteht man unter „Sahel“?
Viele denken die Wüstenrandstaaten Mali und Senegal sowie Mauretanien, Niger, Obervolta, Tschad und Sudan seien deckungsgleich mit der Landschaft, die von den Arabern seit jeher als Sahel bezeichnet wird. Geht man der ursprünglichen Bedeutung des arabischen Wortes nach, Sahel bedeutet nämlich Ufer und Küste der Sahara, so ergibt sich, daß es sich um einen mehr schmalen als breiten Saum handeln muß. Infolge der Schwierigkeit seiner Abgrenzung und weil die Sahara an einigen Plätzen bereits über ihre Ufer tritt, ist dieser Grenzsaum in seiner Breite nicht exakt anzugeben.
Angaben schwanken zwischen 100 und 200 km Breitenausdehnung, bei einer Längenausdehnung von 6000 km. Der Begriff Sahel bezieht sich also nicht auf die Ländergrenzen, sondern auf pflanzen- und klimageographische Merkmale.
3.
Die Hungersnot – Folgen und Ursachen
1968 war das Jahr, in dem alles begann. Es regnete einfach nicht mehr. Man hatte zwar schon Dürren erlebt, doch keiner wollte an die Endgültigkeit des Zustandes glauben: „Allah hat uns die Dürre gegeben, er wird es auch wieder regnen lassen.“ Doch die einst fruchtbaren Böden trockneten ohne Wasser rasch aus. Kamele, Kühe, Schafe und Ziegen siechten dahin und und mit ihnen auch die Hoffnung auf Besserung der Zustände.
Aber erst die Bilder des Elends und der Armut, in den zahlreichen Berichten über den Sahel ließen die restliche Welt aufhorchen.
Ganz Europa war erschüttert.
In den Zeitungen las man folgendes:
„Nomaden und Hirten lassen die Kadaver ihrer Tiere zurück und scharen sich in den Slums der Städte zusammen, in zeltähnlichen Behausungen aus Lumpen. […] Zum Betteln verdammt, oder zum Sterben.“
Ein Nomade berichtet: „Der Morgen leuchtet. Rieselnder Sand flüstert mit der Luft. Noch hat die Sonne den Himmel nicht geschmolzen.
Nur der Horizont zieht eine vibrierende Linie über das Schweigen. Mir graut’s vor der Stunde, wenn die Glut jede Erinnerung an das sanfte Morgenlicht aus unseren Augen brennen wird. Jeder Tag ist unser Feind.“
Ein weiterer Zeitungsausschnitt: „Keine Statistik zählt die Kinder, die an Unterernährung sterben: Sie verschwinden lautlos.“
Die Hungersnot dauerte bis 1973, was aber nicht heißt, daß die Nahrungsmittelversorgung der Sahel-Bewohner nun gesichert sei:
Einst wohlhabende Nomaden und Bauern wurden durch das Sterben der Viehherden bzw. durch die sich wiederholenden Mißernten bettelarm und mußten in die Großstädte ziehen, wo sie das Leid erhöhten.
Besonders betroffen waren die Touareg, ein stolzes Volk, welches im Südwesten der Sahara lebt.
Hunger besteht noch immer, nicht nur für die Großstädter, sondern auch für die Bauern und Nomaden: Frauen müssen täglich Dutzende von Kilometern zurücklegen um die Tiefbrunnen zu erreichen, wo sie etwas Wasser erhoffen. Die Suche nach Brennholz verläuft ebenso. Die von der Sonne versengten Felder bringen keine Ernte mehr, sie gleichen Betonflächen. Kaum zu glauben, daß Karl Barth diese Region als besonders fruchtbar beschrieb, mit einer so artenreichen Flora und Fauna.
4.
Bodenerosion und Desertifikation – Hauptprobleme im Sahel
Der Hungergürtel in Afrika besteht noch immer. Und der Hunger bereitet den Sahelländern nicht einmal die größten Sorgen; Bodenerosion und Desertifikation sind das größte Problem im Sahel: Den Energiebedarf decken so gut wie alle Bewohner mit Brennholz. Doch nicht nur wegen des Brennholzbedarfs, sondern auch durch den Wanderfeldbau werden vielerorts Bäume gerodet, um Ackerland zu gewinnen. Durch den Mangel an Bäumen kann der Wind ungehindert über den Boden fegen. Regen und Wind tragen fruchtbares Land ab, bringen Sand heran.
Wenn es regnet, dann nur kurz und sehr heftig.
Diese Regengüsse schaden jedoch mehr, als daß sie nützen. Das Wasser kann so schnell nicht versickern. Deshalb bilden sich nach den Regenfällen an vielen Orten reißende Bäche, die den fruchtbaren Boden, sofern solcher überhaupt noch vorhanden ist, abtragen. Die Ströme legen die Wurzeln der ohnehin wenigen Bäume frei, so daß diese absterben. Die glühende Sonne scheint auf die nassen Flächen und macht sie hart wie Stein. Jetzt kann noch weniger Wasser versickern.
Der selbe Prozeß wiederholt sich.
Der Baumbestand wird immer geringer und die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen immer kleiner. Allein in den letzten zwanzig Jahren sank das „gute“ Land um 50%. Und deshalb nimmt der Raubbau immer weiter zu. Es handelt sich wahrlich um einen Teufelskreis. Täglich breitet sich die Wüste auf Kosten der Graslandschaften aus, gewinnt unaufhörlich an Boden.
Auch soziale Konflikte sind im Laufe der Zeit entstanden. Nomaden ziehen seit jeher von Weidegrund zu Weidegrund und führen noch heute ein naturverbundenes und flexibles Leben. Sie nutzen heute sowie damals die Sahelregion als ihren Lebensraum. Früher begrüßten es die Bauern, wenn die Nomaden ihr Vieh auf die abgeernteten Felder trieben. Die Tiere übernahmen das Düngen und die Nomaden erhielten als Gegenleistung dafür von den Bauern Hirse. Mittlerweile haben die Bauern ihr eigenes Vieh und sind durch den Mangel an fruchtbarem Boden gezwungen immer weiter nach Norden vorzudringen, wo es immer wieder zum Streit mit den Nomaden kommt.
Warum packte man das Problem also nicht bei der Wurzel an und pflanzte mehr Bäume?
Ein Beispiel: Im Sultanat von Zinda lebte einst ein Sultan, der von seinem Volk verlangte, daß jeder sich für mindestens 50 Bäume und Büsche verantwortlich fühlte. Fällte jemand einen Baum, so wurde er auf dessen Stumpf enthauptet; Bäume wurden geachtet. Doch mit der Kolonialisierung und den Europäern zogen die Plagen auf: Frankreich machte alle unbebauten Stellen zum Eigentum des Staates. Darunter fielen auch die Bäume und Sträucher.
Wenn das Land ihnen nicht mehr gehörte, dachten die enteigneten Bauern, warum sollten sie sich dann noch mühevoll um die Bäume kümmern. Sie pflanzten also einfach keine mehr: ein verheerender Fehler.
Heute sehen wir die Folgen: Ohne Bäume kann man nicht leben!
Ein weiteres Beispiel: Hilfsverbände ließen zur Bekämpfung der Bodenerosion kahle Flächen bepflanzen. Dazu stellten sie eine große Zahl von Bäumen zur Verfügung. Man wollte der Desertifikation einen Srich durch die Rechnung machen. Die Pflege der Bäume wurde nicht berücksichtigt. Bauern hatten zu wenig Ahnung von solch großen Baumzuchten und so starb das Grün rasch ab.
5.
Lösungsansätze in der Vergangenheit
Während und nach der Hungersnot starteten die Industriestaaten und eingenständige Organisationen Programme, um längerfristige Hilfe zu erbringen. Diese Projekte hatten jedoch zweifelhafte Ergebnisse. Gerade heute spitzen ausländische Spenden die Lage eher zu, als daß sie wesentliche Hilfe bringen: Oft arbeiten die Menschen nach dem „Food-for-work-Prinzip“. Sie helfen beim Bau von Tiefbrunnen, Straßen usw. und erhalten – wie der Name sagt – dafür Lebensmittel. Manche Dörfer erhalten außerdem regelmäßig Hilfe in Form von Nahrung.
Die Folge: Bauern können ihre eigenen Lebensmittel nicht mehr verkaufen. Zudem stellen sie sich immer mehr auf die regelmäßigen Lieferungen aus Europa und den USA ein, gewöhnen sich daran. Sie vernachlässigen ihre Felder, bemühen sich nicht mehr um den eigenständigen Anbau von Getreide. Die Menschen werden abhängig von den Spenden. Wenn diese schließlich eingestellt werden, ist das Problem meistens um so erheblicher.
Aber auch allgemein bekommen Bauern für ihr Getreide nur sehr wenig Geld.
In vielen Sahel-Ländern werden die Preise für die Produkte von der Regierung diktiert, niedrig gehalten, weil zu hohe Preise Unzufriedenheit in den Städten auslösen würden. Dies wiederum würde die Machtstellung der jeweiligen Regierung, welche sich in vielen Sahel-Ländern in die Kategorie „Diktatur“ einordnen läßt, gefährden.
Ein weiteres Beispiel:
Während der Dürrezeit waren enorme Zahlen an Rindern gestorben. Als die schlimmste Phase der Dürrezeit vorbei war und die Weiden sich gerade erholt hatten, stockte man die Rinderherden wieder auf – oft auf viel zu hohe Zahlen. Die jungen Tiere zerstörten die Junge Grasnarbe so sehr, daß sich diese nun nicht mehr erholen konnte. Die Folge: Erneut mußten zahlreiche Tiere sterben.
Großprojekte, welche wie alles andere von Spendengeldern finanziert wurden, schafften oft ökologische Probleme. Bewässerungsanlagen wurden gebaut, doch das Budget reichte nicht für das Bewässerungssystem, d.h. für die Rohrleitungen. Für den Bau eines Staudammes wurden oft ganze Bevölkerungsteile aus ihrem zu Hause vertrieben. Der Damm sollte Energie und fruchtbaren Boden erbringen.
Jedoch reichte die Energie nur für die reichen Einwohner der Großstadt und das Land rund um den Stausee fing an zu versalzen. Profit trugen meistens nur die europäischen Großfirmen, die den Damm bauten oder die Materialien lieferten.
6. Punkt: Zukunftsperspektiven – Besserungschancen
Die Sahelländer und die Industriestaaten stellten 1977 während einer UN-Konferenz zur Bekämpfung der Desertifikation in Nairobi einen Aktionsplan auf. Man erkannte die Probleme im Sahel nicht nur als ökologische und geographische. Die mangelnde Organisation, die großen Lücken im sozialen Gefüge der Sahelländer und die fehlende Kultur und Bildung in vielen Fachbereichen tragen maßgeblich zu diesem Teufelskreis bei.
In Nairobi aber auch in anderen Konferenzen beschloß man die Probleme gemeinsam mit den Bauern anzugehen, da schon viele Beratungen und Pläne ohne ihre Teilnahme keinen Erfolg erbracht hatten. Nun hat jedes Land seinen eigenen Plan, zur Bekämpfung der Desertifikation gemeinsam mit den Bauern und Nomaden.
Mit finanzieller Unterstützung der Industriestaaten wurde ein Projekt gestartet, bei dem es darum geht, Felder vor der Verwüstung zu schützen. Zum Schutz vor Regen und Wind werden Steinwälle aufgetragen, welche von ausgebildeten Fachkräfte so angelegt werden, daß sie die bestmögliche Wirkung erlangen. Anfangs wurde jeder Stein noch auf dem Kopf getragen, doch jetzt haben die Spendengelder den Kauf von Lastwagen ermöglicht, die die Arbeit selbstverständlich enorm erleichtern.
Allerdings sind viele Dörfer verlassen worden.
Häuser verfallen, hinterlassen Ruinen. Die Menschen ziehen nach den Großstädten. Vielerorts kann der Konferenzbeschluß von Nairobi nicht mehr in die Tat umgesetzt werden, da kein Mensch mehr da ist…
Jan Schmitt, Bad Vilbel im Juni 1998
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