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  Aufklärung

Die Aufklärung Ist die Bezeichnung für eine geistesgeschichtliche Epoche, beginnend am Ende des 17. Jh., das Aufklärungszeitalter. Zugleich die sie prägende Richtung des Denkens, die von England ("enlightenment") und Frankreich ("lumières") ausgehend das europäische Geistesleben bestimmte und bis ins 19. Jh. war und einen Einschnitt in der Geschichte des Denkens markierte, dessen Bedeutung auch in der Gegenwart noch zu erkennen ist.

Charakteristisch für das Denken der Aufklärung ist ein Erkenntnisprozess, der traditions- und institutionskritisch dem Grundanliegen verpflichtet ist, dem Menschen mit Hilfe der Vernunft zum "Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" (Immanuel Kant) zu verhelfen. Grundzüge und Entwicklung:Grundlagen der verschiedenen Richtungen der Aufklärung ist die Vorstellung, dass die Vernunft das Wesen des Menschen darstelle, wodurch alle Menschen gleich seien (Egalitarismus) und die Vernunft als einzige und letzte Instanz befähigt sei, über Wahrheit und Falschheit vor Erkenntnissen zu entscheiden und die in ihrer Gesamtheit vernünftig angelegte Welt zu erkennen (Vernunftoptimismus). Hieraus folgt eine am Modell naturwissenschaftliche Erkenntnis orientierte Kritik an alle autoritätsbezogenen, irrational bestimmten Denkweisen, besonders am Weltbild des christlichen Offenbarungsglaubens, jeder Metaphysik und allem Aberglauben. Die Loslösung der seiner Natur nach als gut gedachten und nur durch Entfernung von dieser Natur "depravierten" (verderbten) Menschen aus seinen Abhängigkeiten soll durch Anleitung zum freiheitlichen, autonomen Vernunftgebrauch möglich werden. Durch diese Rückkehr zu seiner Natur werde die stete Vervollkommnung und Verwirklichung eines freiheitlichen, menschenwürdigen und glücklichen Daseins in einer neuen Gesellschaft möglich (Fortschrittsoptimismus).Die Anfänge der Aufklärung finden sich in Ansätzen schon in Renaissance, Humanismus und der Reformation.

Sie entwickelte sich philosophisch hauptsächlich in den Systemen des Rationalismus, Empirismus, Skeptizismus und Materialismus. Unter dem Einfluss der Naturrechtslehre (H. Grotius) und des ethischen Rationalismus (B. de Spinoza) verbreitete sie sich von Holland ausgehend, in ihrer ersten Phase in England. Hauptausprägungen waren der Empirismus (T. Hobbes, J.

Locke, D. Hume) im weiteren Zusammenhang die Wissenschaftsmethodik von Isaac Newton.Mitte des 18. Jh. Verbreitete sich die Aufklärung in Frankreich, wobei sie zugleich eine starke Politisierung und z. T.

polem. Radikalisierung erfuhr. Voltaire und einige andere Enzyklopädisten, besonders P. H. von Holbach, J. O.

de Lamettrie u. a. schritten teils zu skeptischen, teils zu atheistischen und materialistischen fort. Gewisse Gegentendenzen kamen im Sensualismus E. B. de Condillacs und im Naturalismus von J.

J. Rousseau zum Ausdruck, der die seelisch-gefühlsmäßigen Momente stärker hervorhob, welche in England für A. Shaftesbury zur tragenden Erkenntnisgrundlage wurden. In Deutschland waren v. a. C.

Thomasius, C. Wolff und G. E. Lessing Wegbereiter, z. T. im popularisiertem Verständnis, besonders bei M.

Mendelssohn. In erster Linie hat Kant die Philosophie der Aufklärung kritisch verarbeitet und weitergebildet. Hauptbereiche:Im Zusammenhang mit dem Fortschrittsgedanken der Aufklärung kam es zu einer eingehenden Beschäftigung mit der Geschichte: Bayle begründete die Quellenkritik, umfassende Werke der Geschichtsschreibung (Hume, E. Gibbon, Voltaire) und Geschichtsphilosophie (Montesquieu, M. J. A.

Condorect, J. G. Herder) entstanden. Zum besonderen Problem wurde für Gibbon und Montesquieu der Kulturverfall.Die Hauptleistungen der Aufklärung liegen in dem Bereich der Rechts- und Staatslehre. Sie gründet auf dem von der Stoa und Scholastik überlieferten Gedanken des Naturrechts, der in der Frühphase im 177.

Jh. mit der analytisch-synthetischen Methode der exakten Naturwissenschaften (Galileo Galilei) und des neuzeitlichen Rationalismus (R. Descartes) verknüpft wurde. Die Aufklärung bemühte sich, den Staat gesetzmäßig aus den Elementen der menschlichen Natur aufzubauen (Hobbes, s. von Pufendorf). Die "Naturgesetze" des sozialen Lebens sollten im Prinzip von konfessionellen, nationalen und traditionellen Bestimmungen frei sein.

Sie bildeten die gemeinsame Basis für die Beendigung der konfessionellen Bürgerkriege und erhielten die Prinzipien des modernen Völkerrechts (Grotius). An die Stelle der konstruktiven Naturrechtsbegründung des 17. Jh. setzte das 18. Jh. im Anschluss an Locke die Berufung auf den "gesunden Menschenverstand" (sensus communis), so besonders Thomasius.

Beiden Stufen war die Überzeugung gemeinsam, dass die Naturrechtsätze von gleicher allgemeiner Gültigkeit und Erkennbarkeit seien wie die naturwissenschaftlichen und die mathematischen Sätze und daher ebenso unabhängig von göttlicher Offenbarung wie von staatlicher Festlegung.Auf dieser Grundlage entwickelte die Aufklärung Rechtsprinzipien, die für die amerikanische Unabhängigkeitserklärung und die Französische Revolution, in der Folgezeit auch für den Liberalismus des 19. Jh. von entscheidender Bedeutung wurden und die ihre Fruchtbarkeit bis heute bewahrt haben: Jeder Mensch ist frei geboren (Pufendorf, Rousseau). Herrschaftsverhältnisse können nur durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Konsens der Betroffenen begründet werden. Der Staat beruht auf einem ursprünglichem Gesellschaftsvertrag (Vertragslehre).


Es gibt angeborene Menschenrechte jedes einzelnen auf Leben, Freiheit, Eigentum, Streben nach Glück, die der Staat zu schützen hat. Sie fanden ihren Niederschlag in den amerikanischen und französischen Menschenrechtserklärungen von 1776 und 1789. Die Verfassungslehre betont besonders die Rechte des einzelnen und die sich aus ihnen ergebenden Grenzen der Staatsgewalt sowie den Gedanken der Gewaltenteilung (Locke, Montesquieu). Der Staat müsse religiöse Toleranz üben (J. Milton, Pufendorf, Locke). Die Hexenprozesse und die Folter wurden abgeschafft (Thomasius, Friedrich der Große).

Das übermäßig harte Strafsystem wurde nach dem Grundsatz der Verhältnisgleichheit von Verbrechen und Strafe gemildert (Montesquieu, Voltaire), die Humanisierung des Strafvollzugs eingeleitet, die Berechtigung der Todesstrafe bestritten (C. Baccaria) und die Verhängung der Strafe von ihrer vorherigen Androhung durch ein geschriebenes Gesetz abhängig gemacht (Montesquieu, A. von Feuerbach). Dies lockerte das feste Gefüge des absolutistischen Staates auf und führte einige Monarchen zu Reformen ((aufgeklärter Absolutismus).Die Theologie der Aufklärung suchte die Religion aus den Bindungen der Tradition zu lösen und das Verhältnis von Vernunft und Offenbarung neu zu bestimmen. Wesentlich war ihr die Toleranz und die Vorstellung einer vernunftgemäßen "natürlichen" Religion, in der die konfessionellen Grenzen bedeutungslos wurden.

Voltaire schließlich forderte als Folge seiner Religionskritik den allgemeinen Kampf gegen die Kirche. In der katholischen Kirche selbst wurde die Strömung der Aufklärung vom Modernismus und mit unterschiedlichen Zielrichtungen von J. A. Möhler und J. M. Sailer aufgenommen.

Aus der Suche nach den neuen Formen des Glaubens entwickelten sich jedoch auch Tendenzen zu einer auf individuelle "Wiedergeburt" zielenden Frömmigkeit (Pietismus, Erweckungsbewegungen), das sich von den Grundanliegen der Aufklärung entfernten.Das Erziehungswesen stellte im Rahmen der volksbildenden Grundtendenzen ein Hauptanliegen der Aufklärung dar. Sie erforderte die Erziehung zu naturgemäßer, nicht von Überlieferungen, sondern von der Vernunft bestimmter sittlicher Lebensweise, die Anwendung wissenschaftlicher Verfahrensweisen auch auf die Unterrichtung in weltlichen Stoffen (Realien) und für praktische Tätigkeiten (Realbildung, landwirtschaftl. und gewerbl. Erziehung), Ausdehnung der Erziehungsbestrebungen auf alle Volksschichten, auch auf die Frauen, sowie Weiterbildung der Erwachsenen. Diese Gedanken wurden von Rousseau, J.

B. Basedow, J. H. Campe und J. H. Pestalozzi vertieft und im höheren und Volksschulwesen, z.

T. in neuen Schulreformen, verwirklicht. Diese Bedeutung von Hygiene und Fürsorge wurde hervorgehoben, der Ausbau des Gesundheitswesens, speziell einer Leib und Seele umspannenden Gesundheitsfürsorge (Diätetik), gefordert.Im gesellschaftlichen Leben trat neben der höfischen Kultur die bürgerliche stärker hervor. Gegen den heiteren Lebensfluss des Rokoko, der auch in manchen bürgerlichen Kreisen Eingang gefunden hatte (Leipzig als "Kleinparis"), wandte sich ein betonter bürgerlicher Moralismus. Starken Einfluss gewannen aufklärerische Geheimgesellschaften (Freimauer, Rosenkreuzer, Illumination).

Neue Inhalte und Formen fand die Literatur der Aufklärung. Sie war vorwiegend erzieherisch, kritisch und satirisch. Bezeichnend war rationell regelhaft konstruierte und lehrhaft oder humanitär-empfindsame Dichtungen (moral. Wochenschriften, bürgerl. Trauerspiel, Rührstück, Idylle, Robinsonade, Fabel, Satire, in Frankreich besonders die "galante Literatur").Von einer Musik der Aufklärung wird kaum gesprochen.

Gleichwohl sind es Ideen der Aufklärung, v. a. Begriffe wie Vernunft, Natur, Geschmack, die in den musiktheoretischen Erörterungen um die Mitte des 18. Jh. der "Gekünsteltheit", "Gelahrtheit" und "Verworrenheit" barocker Musik entgegengestellt werden. In kompositionsgeschichtlichen, musikerzieherischen und kirchenmusikalischen Traditionsbrüchen, in den vorklassischen Erscheinungen wie empfindsamer Stil und galanter Stil sowie in der ästhetischen Orientierung und Autonomisierung einer für die Öffentlichkeit bestimmten Musik wurden in der Aufklärung die Grundsteine einer neuen, bürgerl.

Musikkultur gelegt.In der bildenden Kunst vollzog sich zunächst der Übergang vom Barock zum Rokoko: Helle Farben, heiter schwingende Linien, weltliche Inhalte und Verweltlichung religiöser Darstellungen waren kennzeichnend. Seit der Mitte des 18. Jh. Wurde das Rokoko allmählich abgelöst durch den strengen, klare einfache Formen wählenden Klassizismus, dessen oberstes künstl. Ziel die Nachahmung antiker Kunst war.

Wie das Religiöse suchte man auch das Künstlerische verstandesmäßig zu erfassen. So entstanden eine systematische Kunstkritik als ein neuer Zweig der Philosophie eine systematische und selbständige Ästhetik. Auswirkungen:Seit den letzten Jahrzehnten des 18. Jh. entwickelten sich aus der Aufklärung neue Geistesbewegungen (Neuhumanismus, Sturm und Drang, Romantik). Darin kam der Gedanke zum Ausdruck, die Aufklärung habe die Vernunft überbewertet, Religion, Seele und Gefühl aber zu wenig Bedeutung gegeben.

Der Vernunfts- und Fortschrittsoptimismus wirkte im 19. Jh. fort, erfuhr aber im 20. Jh. durch die Zeugnisse der Unmenschlichkeit in beiden Weltkriegen entscheidenden Abbruch. Das rationalistische Menschenbild wurde spätestens seit der Entdeckung des Unbewussten in der Psychoanalyse in Frage gestellt.

Kritik fanden daneben hauptsächlich die Unterwerfung der Tradition und die Herrschaft eines rein positiven Wissenschaftsbegriffs. Als bleibende Leistungen werden v. a. die Verdienste um die Entwicklung der Wissenschaft, die Förderung neuer Forschungszweige (Volkswirtschaftslehre, Statistik, Soziologie, empir. Psychologie, vergleichende Kulturwissenschaft), die Humanisierung des sozialen und kulturellen Lebens, die Achtung der Menschenwürde und der Gleichheit aller Menschen gesehen, die zur geistesgeschichtlichen Voraussetzung für eine Reihe gesellschaftspolitischer Entwicklungen der Gegenwart (Emanzipation, Gleichberechtigung, Mündigkeit) wurden.Unter den in neuerer Zeit entstandenen mannigfaltigen Bezugnahmen auf aufklärerischen Tendenzen ragt besonders das im Rahmen der kritischen Theorie der Frankfurter Schule entwickelte Programm einer "Zweiten Aufklärung" heraus, da seinen Bezug zur Aufklärung vor allem aus der Absicht herleitet, den einzelnen aus heteronomen Zwängen zu befreien.

       

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