Der faschismus in rom
DefinitionPolitische Bewegung in Italien,
die 1919 von Mussolini organisiert wurde. Der Faschismus lehnte die Demokratie, den
Parlamentarismus und die Freiheit der Wirtschaft ab. Seine Gegnerschaft galt dem
Kommunismus. Er verkündete die Allmacht des Staates, die vollkommene Unterordnung des
einzelnen unter die Zwecke des Staates und unter den Willen eines Führer (ital.: duce).
Als Sinnbild wählte er das Beil mit den Rutenbündeln (ital.
: fasces), das im alten Rom
den Konsulen vorangetragen wurde als Zeichen ihrer Gewalt über Leben und Tod.
Roma Fascista "Entweder man vertraut uns
die Regierungsgewalt an, oder wir werden sie uns nehmen, indem wir nach Rom
maschieren!". Diese tollkühne Drohung wurde auf dem Parteitag der italienischen
Faschisten ausgestoßen, der gegen Ende 1922 in NEAPEL stattfand, und von den 40 000
Besuchern und Delegierten mit dem vielstimmigen Schrei "Roma! Roma! Roma!"
beantwortet. Der Redner war Benito Mussolini, ein neunundzwanigjähriger Ex-Sozialist, der
aus seiner Partei ausgestoßen worden war, weil er als Redakteur einer einflußreichen
sozialistischen Zeitung vehement für ein Eingreifen Italiens in den Ersten Weltkrieg
eingetreten war. Er hatte nach dem Kriegseintritt Italiens in den Reihen der bersaglieri
gekämpft, war verwundet worden und danach zum Journalismus zurückgekehrt. Vom Februar
1918 an hatte er die Einsetzung eines Diktators über Italien gefordert, eines Mannes,
"der rücksichtslos und tatkräftig genug ist, um klar Schiff zu machen".
Drei
Monate später deutete er in einer weithin publizierten Rede, die er in Bologna hielt, an,
daß er sich selbst für fähig hielt, diese Rolle zu spielen.
Seine Anhängerschaft war ein seltsames
Konglomerat aus abtrünnig gewordenen Sozialisten und Syndikalisten, Republikanern und
Anarchisten, revolutionären Wirrköpfen, konservativen Monarchisten und aufmüpfigen
Soldaten, darunter viele ehemalige Angehörige der arditi, der wagemutigen Sondereinheiten
der italienischen Streitkräfte, und schließlich fanden sich unter ihnen auch etliche
polizeilich Gesuchte. Sie organisierten sich zu sogenannten fascii di combattimenti,
Kampfgruppen, die durch ebenso straffe Bande zusammengehalten wurden wie die Bündel der
Liktoren, die Symbole der altrömischen Staatsmacht. An den Wahlurnen waren die Faschisten
anfänglich erfolglos gewesen: 1919 hatten sie bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer nicht
mehr als 4795 Stimmen bekommen, Aber als es in der Folge mehreren einander ablösenden
Regierungen nicht gelang, die zahlreichen wirtschaftlichen und sozialen Probleme Italiens
in den Griff zu bekommen, gab sie den Faschisten Gelegenheit, sich als Erretter ihres
Landes darzustellen, als die einzige Kraft, die in der Lage war, den Bolschewismus in
Schach zu halten und niederzukämpfen. Getreu ihrer Parole, daß man gegen Gewalt nur mit
überlegener Gewalt etwas ausrichten könne, attackierten Gruppen bewaffneter Faschisten,
sogenannte squadristi, Repräsentanten sozialistischer Gewerkschaften, Büros
rivalisierender Parteien, Zeitungsredaktionen und alle möglichen anderen Personen und
Institutionen, die sie für Anhänger des Bolschewismus hielten; sie gingen dabei mit
einer Systematik und einer Brutalität vor, die geeignet schien, das Land in einen
Bürgerkrieg zu stürzen. Mit patriotischen Parolen und nationalistischen Liedern und mit
ihren schwarzen Hemden, die ursprünglich die Arbeiter der Marche und der Emilia zur
Tracht der anarchistischen Bewegung erkoren hatten, eroberten sich die squadristi eine
großer Anhängerschaft, da offenbar Zehntausende von Italienern bereit waren, ihre
gewalttätigen Methoden - beispielsweise ihre gern geübte Praxis, politische Gegner zu
überfallen und ihnen Rizinusöl einzuflößen - gutzuheißen, in der Überzeugung , daß
nur mit solchen Mitteln der Bolschewismus ausgemerzt und die Ordnung wiederhergestellt
werden könnte.
Im Laufe des Jahres 1922 ergriffen die Faschisten die Macht in RAVENNE,
FERRARA und BOLOGNA; zusammen mit der Erfahrung, daß manche Regierungsstellen insgeheim
mit ihnen kooperierten, daß die Polizei ihnen sogar häufig Unterstützung gewährte, gab
dies ihnen Mut, den Marsch nach Rom und den Griff nach der Staatsmacht zu wagen, um so
mehr , als sie die begründete Hoffnung hatten, das Haus Savoy, dem Mussolini zugesichert
hatte, es könne weiterhin eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Nation zu spielen,
werde sich neutral verhalten.
In vier Kolonnen aufgeteilt, marschieren 26
000 Faschisten sternförmig auf ROM zu und erreichten die Stadt am 28. Oktober. Die
Regierung wollte das Kriegsrecht verhängen, doch der König weigerte sich, die Verordnung
zu unterzeichnen. Als sich herumsprach, daß er bereit war, Mussolini zu akzeptieren,
legten Polizei und Armee die Hände in den Schoß und ließen die Schwarzhemden, die mit
Zügen, Bussen und teilweise auch zu Fuß in die Stadt strömten, gewähren. Mussolini
selbst, ein Opportunist ersten Ranges, blieb vorerst in Mailand und betätigte sich aus
der Ferne als Agitator.
Er war bereits mit der Bildung einer Regierung beauftragt worden,
so daß der Marsch auf ROM eigentlich unnötig gewesen wäre. Für die faschistische
Legendenbildung war der Marsch aber nützlich. ebenso wie die fiktiven 3000 Märtyrer, die
angeblich bei dem Aufstand, der Mussolini an die Macht brachte, ihr Leben gelassen hatten.
Der neue Regierungschef traf am Morgen des 30. Oktober 1922 mit dem Zug in ROM ein.
Nachdem er sein Amt angetreten hatte - als
jüngster Premierminister in der Geschichte Italiens -, entpuppte er sich als höchst
geschickter Politiker.
Obwohl er von Anfang an entschlossen war, sich zum Diktator
aufzuschwingen und, sobald er sich des Polizeiapparats sicher wußte, alle seine
ernstzunehmenden politischen Widersacher festsetzen zu lassen, präsentierte er dem König
eine Kabinettsliste, die demonstrieren sollte, daß er sich nicht als Parteimann, sondern
als national denkender Führer verstand. Und das war er auch, was die Italiener zu
akzeptieren bereit waren, ja wünschten: eine nationale Führerfigur. Sie waren der
Streiks und Unruhen überdrüssig und fanden Gefallen an dem bombastischen und
mittelalterlichen Auftreten der Faschisten. So ist es zu erklären, daß es im Anschluß
an den Marsch nach ROM zu spontanen Beifallsbekundungen für den Faschismus kam und daß
die immense Popularität Mussolinis sowohl die vereinzelten unschönen Gewalttaten
überlebte, zu denen es in der Nacht nach dem triumphalen Einzug der Faschisten kam, als
auch die zweifellos manipulierte Wahl von 1924 und den aufsehenerregenden Mord an dem
aufrechten und begabten Sozialistenführer Giacomo Matteotti, zu dessen Drahtziehern nach
Überzeugung vieler auch Mussolini gehörte. Mussolini ging mit großer Begeisterung und
Entschlossenheit ans Werk.
Ihm schwebte eine Megalopolis vor, eine
sowohl flächenmäßig als auch der Einwohnerzahl nach wesentlich größere Stadt,
gekrönt von jenen Hochbauten und Wolkenkratzern, die ihn so faszinierten.
Über dem Forum
sollte ein riesiger Palast des Faschismus aufragen; es sollte eines der größten und
eindrucksvollsten Bauwerke auf der Welt werden. Diesem neuen ROM, das vor allem Platz
brauchte, sollte alles "Schmutzige und Pittoreske" weichen müssen, alles was
nach Mittelalter roch und nicht groß und erhaben war.
Zu dem drohenden völligen Verschwinden des
mittelalterlichen ROM kam es aber nicht, aber ein guter Teil der Abrißpläne wurde
verwirklicht. So wurden beispielsweise fünfzehn antike Kirchen beseitigt; an ihrer Stelle
wuchsen Bauten der faschistischen Monumentalarchitektur empor, der es in vielen, wenn auch
in keineswegs in allen Fällen mehr um Zurschaustellung bloßer Größe und Wucht zu gehen
schien als um hohe künstlerische und geschmackliche Ansprüche. Allein, zum Glück für
Italien setzten die Faschisten sowohl in ROM, als auch anderswo im Lande nur einen Teil
dessen in die Tat um, was sie in ihren bombastischen Proklamationen ankündigten.
Zugleich verbesserten sich unter dem
faschistischen Regime die Arbeitsbedingungen und die rechtliche Lage der Arbeiter.
Die
Statistiker Mussolinis verkündeten stolz, daß zwischen 1922 und 1942 zu keiner Zeit mehr
als 100.000 Arbeitskräfte bei staatlichen Großprojekten im Einsatz gewesen seien und
daß die Regierung in diesem Zeitraum nicht weniger als 33.634 Millionen Lire für diese
Projekte ausgegeben habe. Die tatsächlichen Leistungen, die sich hinter diesen Zahl
verbargen, blieben indes sowohl hinter den ursprünglichen Absichten als auch hinter den
hochtönenden Erfolgsmeldungen weit zurück.
Es wurde gewiß eine Menge getan und
erreicht, aber doch nur ein Bruchteil dessen, was geplant und angekündigt war. Begonnen
Projekte kamen häufig zum Erliegen und riesige Geldsummen versickerten in irgendwelchen
grandiosen Projekten, die sich am Ende als undurchführbar erwiesen, oder flossen in die
Taschen korrupter Beamter und hochrangiger Faschisten.
, die ihr Schäfchen ins Trockene
bringen wollten, solange noch Zeit war. Auf den Reißbrettern entstand beispielsweise ein
riesiges Forum des Mussolini, das eine ausgedehnte Fläche zwischen dem Tiber und dem
Monte Mario bedecken sollte. Es sollte sowohl das Ensemble aus Petersplatz und Petersdom
als auch das Kolosseum in den Schatten stellen und in seinem Zentrum von einem 36 Meter
hohen und fast 800 Tonnen schweren Obelisken überragt werden, dem "größten
Monolithen der Welt". Dann setzte sich jedoch die Auffassung durch, daß diese
Lösung nicht imposant genug sei. Statt dessen wurde eine 80 Meter hohe Statue des
Herkules in Erwägungen gezogen, die ihren Arm zum faschistischen Gruß heben und deren
Gesichtszüge denen Mussolinis gleichen sollten. Als bereits 100 Tonnen Metall verarbeitet
und ein Teil des gigantischen Kopfes sowie ein Fuß in Elefantengröße gegossen waren,
wurde die Arbeit zu dem Projekt eingestellt.
Der Duce wurde für die Pannen und
Fehlleistungen seines Regimes fast nie persönlich verantwortliche gemacht. Es gab in ROM
viele Antifaschisten, aber nur wenige Mussolini-Gegner. Er war nicht nur Diktator, er war
auch ein Idol. In zahllosen italienischen Wohnzimmern hing sein Bild, und auf den Straßen
erblickte man auf Schritt und Tritt, mit weißer Farbe auf Mauern und Wände gepinselt,
Lobsprüche auf ihn - "Duce! Duce! Il Duce ha sempre ragione." Gegenstände die
er berührt hatte, wurden quasi als Reliquien gehütet. Die Vorstellung, er sei der von
der Vorsehung erkorene Führer des italienischen Volkes, nistete sich, von Mussolini
selbst und seinen Managern geschickt und beharrlich propagiert, allmählich in den Köpfen
der meisten Italiener ein.
Allein der Duce befand sich zu diesem
Zeitpunkt bereits auf dem abschüssigen Weg, der ihn in den Untergang führen sollte.
Opfer seiner eigenen Propaganda, überzeugt von seiner Unfehlbarkeit und blind gegenüber
Tatsachen, die sich nicht mit seinen Wunschvorstellungen vertrugen, gab er sich dem
Glauben hin, das Bündnis mit Hitler, die sogenannte Achse ROMBERLIN, werde Italien zu
jener "wahren Größe verhelfen, zu der der Faschismus es prädestiniert hat",
und ließ sich in einen Krieg hineinziehen, für den das italienische Heer absolut nicht
gerüstet war. Am 10. Juni 1940 erklärte Mussolini nach langem Zögern und vielem
Nachdenken England den Krieg. Die Kapitulation Belgiens hatte ihn zu der Überzeugung
gebracht, daß er nicht länger abwarten konnte.
Der Krieg nahm einen katastrophalen Verlauf -
katastrophal für Italien im allgemeinen und für Mussolini im besonderen.
Im Sommer 1943
war es soweit, daß man in ROM sogar bis weit in die Reihe der Faschisten diskutierte, wie
man sich am besten des Duce entledigen könnte. Der König, der sich fast täglich mit
Vertretern verschiedener oppositioneller Gruppen beriet, hatte mit tiefer Betroffenheit
reagiert, als am 19. Juli bei einem verheerenden Luftangriff der Alliierten auf ROM,
Hunderte von Menschen ums Lebens gekommen waren und zahlreiche Gebäude beschädigt worden
waren. Nach Wochen des Zögerns hatte er sich übereden lassen, die Verhaftung Mussolinis
anzuordnen, wenn dieser ihn das nächste Mal zu einer Audienz aufsuchte. Obwohl Mussolini
im vorhinein die Warnung erhielt, betrat dieser in gewohnter selbstsicherer Pose und ohne
die mutmaßlichen Frondeure eines Blickes zu würdigen, die Sitzung. In dieser Sitzung
wurde er mit 19 von 28 Ratsstimmen abgesetzt.
Die Neuigkeit versetzte ganz Italien in
höchste Aufregung, und selbst die gleich anschließende Erklärung, daß der Krieg
weitergeführt werde, vermochte die Gemüter nicht abzukühlen, zumal die meisten hierin
ein bloßes Lippenbekenntnis sahen, mit dem die neue Regierung Zeit und Spielraum für die
Friedensverhandlungen mit den Alliierten hinter dem Rükken der Deutschen gewinnen wollte.
Durch die Straßen ROMS zogen die Menschen haufenweise und verkündeten in Sprechchören
das Ende des Krieges. Sie drangen in die Redaktionsräume der faschistischen Zeitung 'Il
Messaggero' ein und warfen Möbel, Akten, Telefone und riesige Porträtbilder des
gestürzten Duce aus dem Fenster. Faschistische Symbole wurden von Gebäudefassaden
heruntergeschlagen oder -gerissen, faschistische Parteizeichen abgerissen. Über Nacht
waren, so schien es, die Römer allesamt zu Antifaschisten geworden. Kampflos war der
Faschismus in ROM zusammengebrochen.
Selbst Mussolinis Zeitung nahm dessen Absetzung
stillschweigend hin.
Nach einmonatigen Geheimverhandlungen wurde
am 3. September in einem militärischen Biwakzelt bei Syrakus auf Sizilien die Urkunde
über die Kapitulation unterzeichnet. Am selben Tag versicherte Italien, es werde "an
der Seite seines Bündnispartners Deutschland bis zu Ende kämpfen". Am Abend des 5.
September sickerte, nachdem die Alliierten bereits bei Salerno gelandet waren, die
Nachricht von der italienischen Kapitulation durch.
Daraufhin wie das Oberkommando der
Deutschen Wehrmacht alle seine in der Umgebung ROMS stationierten Truppen an, sich der
Hauptstadt zu bemächtigen. Nach kurzen, tapfer geführten, Widerstandskampf brachen die
Stellungen der Verteidiger ROMS zusammen; für ROM begann die Zeit der NS-Besatzung.
Die Deutschen ließen von Anfang an keinen
Zweifel daran, daß sie ROM mit starker und nötigenfalls strafender Hand zu regieren
gedachten. Über Radio ROM, dessen sie sich bemächtigt hatten, wurde eine Proklamation
verlesen, der zufolge alle Italiener ihre Waffen abzuliefern hatten; auf Nichtbefolgung
stand die Todesstrafe. Eine Sperrstunde wurde verfügt; jeder der sich nach 5 Uhr
nachmittags auf der Straße zeige, werde ohne Anruf erschossen. Daher zogen es tagtäglich
Hunderte junger Römer vor, von zu Hause zu verschwinden.
Von den 1,5 Millionen
Einwohnern, die ROM zu dieser Zeit hatte, hielten sich nach Schätzungen rund 200.000
verborgen, viele von ihnen in Kirchen und anderen kirchlichen Einrichtungen und Gebäuden.
Gegen Ende 1944 begannen die Deutschen mit
der Räumung der Stadt. In den Außenbezirken ROMS versuchten deutsche Nachhutkommandos,
von amerikanischen Granaten und Tieffliegern gehetzt, den feindlichen Vormarsch zu hemmen;
doch schon am Nachmittag erreichten die ersten alliierten Truppenteile die Kirche S. Paolo
fuori le mura. Überall wo alliierte Soldaten erschienen, traten die Römer auf ihre
Balkone oder liefen auf die Straße, jubelten und klatschten Beifall, winkten mit Blumen
und vollgeschenkten Weinkrügen.
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