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  Die philosophie der stoa

Der Name "Stoa" ist hergeleitet von dem der Halle, in der sich die Anhänger dieser Schule versammelten. Die Philosophen werden in ältere, mittlere und jüngere Stoa unterteilt. Die Schule wurde um 300 v.u.Z. durch Zenon aus Kition auf Kypern ge-gründet, der ein Schüler des Kynikers Krates, des Megarikers Stilpon und des Akademikers Xenokrates war.

Er wurde aufgrund seines Charak-ters hoch verehrt, und nachdem er 262 v.u.Z. Selbstmord begangen hat-te, wurde Kleanthes aus Assos zu seinem Nachfolger, der sich ebenfalls durch seine seltene Bedürfnislosigkeit, Willensstärke, Sittenstrenge und Religiosität auszeichnete. Er verfaßte die ersten erhaltenen, für die Stoa typischen, religiösen Zeushymnen. Nachdem er im Jahre 233 v.

u.Z. seinen Tod durch freiwilliges Fasten gefunden hatte, schrieb einer seiner zahlreichen Schüler, Arat aus Soloi in Kilikien, folgen-den Zeushymnus, der später auch von Paulus zitiert wird: "So haben denn einige von euren Dichtern gesagt, wir sind von seinem Geschlecht.". Der aufgrund seiner vielen Schriften wohl bedeutendste Vertreter der älteren Stoa, der auch als zweiter Gründer bezeichnet wird, ist Chrysipp aus Soloi (gestorben ca. 208 v.

u.Z.). Die mittlere Stoa mit ihren Hauptvertretern Panaitios und Poseidoni-os füllt in das zweite und erste Jahrhundert v.u.Z.

Panaitios (gestor-ben 110 v.u.Z.) leitete seit 129 die Schule in Athen, nachdem er sich lange Zeit in Rom aufgehalten hatte, wo er u.a. Scipio Africanus Mi-nor, Laelius und den Oberpriester Mucius Scaevola kennengelernt hatte.

Seitdem gehört in Rom Philosophie erst zu den Erfordernissen der höhe-ren Bildung. Dabei war die Stoa den Römern buchstäblich wie auf den Leib geschnitten. Cicero verwendete weitgehend die Schriften des Pa-naitios über Tun und Lassen, Gemütsruhe und Vorsehung sowie vor allem seine Schrift über die Pflichten (in "De officiis"). Der auf Rhodos lebende Poseidonios von Apamea (gestorben 51 v.u.Z.

), unter dessen Hö-rern sich u.a. Cicero und Pompeius befanden, ist nach Demokrit und Aristoteles der letzte Polyhistor (Universalgelehrte) des Griechen-tums. Sein Einfluß auf die Nachwelt ist groß, so daß er z.B. von Juli-an Apostata und dem Bischof Nemesios zitiert wird.

In der jüngeren Stoa befinden sich drei bedeutende Männer. So Sene-ca, der sich im Jahre 65 auf Verlangen seines Schülers Nero selbst den Tod gibt. Unter seinen Schriften befinden sich die "Naturales Questio-nes" ("Naturwissenschaftliche Fragen"), Abhandlungen über Milde, Wohl-tun und Zorn, sowie die 20 Bücher der Moralbriefe. Als zweiter ist der freigelassene Sklave Epiktet zu nennen (gestorben 138), von dem das "Handbüchlein der Moral" stammt und als dritter Marc Aurel (gestorben 180), von dem die "Selbstbetrachtungen", Aphorismen und Tagebuchblät-ter, die z.T. im Feld geschrieben worden sind, erhalten sind, in denen seine hohe, edle Gesinnung zum Ausdruck kommt, die für die Stoa über-haupt markant ist.

Die Stoiker definieren die Philosophie als Wissenschaft von göttli-chen und menschlichen Dingen, und sie nehmen eine Einteilung in Logik, Physik und Ethik vor. Die Logik Die Logik ist nicht nur eine formale Wissenschaft, sondern sie erör-tert auch erkenntnistheoretische Probleme, wobei an erster Stelle nun die Frage nach dem Ursprung der Erkenntnis steht. Die Stoa hängt hier wie der Kynismus dem Sensualismus an; d.h., daß die Seele nicht als von vornherein ("a priori") beschrieben zu sehen ist, sondern als eine Art leere Tafel, die erst durch die Inhalte der Sinneswahrnehmung an-gefüllt wird. Was in den Geist eingeht, sind lediglich Vorstellungen, und auch der Intellekt besitzt keine immateriellen Inhalte, sondern ändert nur seine Vorstellungen, erweitert sie und fügt sie zusammen.

Der Sinn der Vorstellung und des Erkennens liegt in der Abbildung, wo-bei Subjekt und Objekt vorausgesetzt werden, so daß der Erkenntnisge-genstand sich in seinem Selbst abbilden lt, sich sozusagen der Seele als ein Abdruck einprägt. Um die šbereinstimmung des Urbildes mit dem Abbild zu gewährleisten, findet eine Wahrheitssicherung statt. Ein Wahrheitskriterium ist die Katalepsis, d.h. jene Qualität der Vorstellungen, der man sich nicht mehr widersetzen kann. Die stoische Erkenntnislehre besagt, daß kata-leptische Vorstellungen Evidenz besitzen.

Dieser Begriff taucht sowohl in der stoischen wie auch in der epikurischen Erkenntnislehre auf und liegt unter folgenden Bedingungen vor: Man muß sich überzeugt haben, daß die Sinnesorgane sich in einem normalen Zustand befinden, daß der räumliche und zeitliche Abstand des Wahrnehmungsgegenstandes vom wahr-nehmenden Subjekt nicht zu groß ist, daß der Wahrnehmungsakt lange ge-nug gedauert hat und gründlich genug erfolgt ist, daß sich kein stö-rendes Medium zwischen Subjekt und Objekt geschoben hat und daß wie-derholte eigene und fremde Wahrnehmungen zum selben Ergebnis gekommen sind. So kann man einer Vorstellung die Zustimmung nicht mehr versa-gen, woraus erkennbar ist, daß die Stoa auch im Bereich des Wissens noch den Willen kennt. Der Mensch ist kein rein denkendes, vollkommen sachliches Wesen, sondern es muß berücksichtigt werden, daß auch das Wollen und Wünschen zur Geltung kommt. Die Physik Die Physik der Stoa behandelt die großen metaphysischen Fragen, wo-für z.B. der Materialismus und der Pantheismus charakteristisch sind.


Der Materialismus kommt dabei in der Sinndeutung des Seins zum Aus-druck. Das Wesen des Seins ist soviel wie die Körperlichkeit, wobei das Ausgedehnte das allem Sein zugrunde liegende Wesen ist. Die zweite Seite des Seins ist die Kraft, die sich als lebendige Kraft dort fin-den lt, wo Atem, Wärme und Feuer ist. Dort ist das Leben noch nicht, wie im toten Körper, erschöpft, sondern es besitzt noch seine Span-nung. Dieser hylozoistischen Interpretation des Seins liegt eine ein-fache Beobachtung des Lebendigen zugrunde, wo die Kraft immer durch Atem, Wärme und Spannung gegeben ist. Die Stoa macht durch den Kraft-begriff im Sinn des Lebens keine wesenhafte Zäsur durch das Sein, da es keine Schichten des Seins gibt, die nebeneinander liegen, sondern die Kraft findet sich überall, so daß sich die Bereiche des Seins nur graduell voneinander unterscheiden: In der anorganischen Natur ist das Pneuma lediglich vorhanden, in der Pflanzenwelt erreicht es die Stufe des Wachstums, in der Tierwelt tritt es bereits als Seele auf und im Menschen schließlich als Vernunft.

Im Grunde aber ist das Pneuma über-all vorhanden und stellt nur eine andere Seite des Körperlichen dar, womit das Sein einen monoistischen Charakter erhält. Alles ist demnach Materie, auch die sogenannte Lebenskraft. Der Pantheismus stellt sich in der Frage nach dem letzten Grund des Seins dar. Der Stoiker kennt diese Frage sehr wohl, lehnt es aber ab, die Suche nach einem solchen Grund zu transzendieren; Zitat Plinius: "Vollkommener Wahnsinn ist es, sich aus der Welt hinausversetzen zu wollen und den Kosmos von außen zu studieren, gleich als ob alles In-nere schon hinreichend bekannt wäre.". Der Grund der Welt liegt also in ihr selbst, da die Welt ewig ist, unermeßlich und so unendlich, daß sie reich genug ist, sich selbst zu erklären.

Deshalb haben die Stoi-ker auch ein immanentes Erklärungsprinzip für Welt und Weltprozeß. Ih-re Urkraft, auch Urfeuer, Urpneuma und Weltseele genannt, ist zugleich Weltvernunft ("Logos"), Weltgesetz ("Nomos", "Lex naturalis"), Vorse-hung ("Pronoia", "Providentia") und Schicksal ("Heimarmene", "Fatum"). Dadurch wird nach Normen und Gesetzen der Stoff geformt und die Bewe-gung in Gang gebracht. Die Weltvernunft enthält die ewigen Gedanken für alles Kommende, so da ihre Ideen die Grundlage der Zukunft sind, wodurch das ganze Ge-schehen in eine strenge Ordnung kommt, sogar in der überspitzten Form einer Wiederkehr aller Dinge, da das Geschehen in großen Zyklen ab-läuft. Nach dem Ablauf einer Periode des Geschehens wird ein Weltbrand alles Gewordene wieder auslöschen und es in einer ungeheuren Masse feurigen Dunstes dem Urfeuer wieder zurückgeben, das es dann wieder aus sich entläßt; Zitat: "Dann wird es bei gleichem Stand der Gestirne wieder einen Sokrates und einen Platon geben, und jeder einzelne Mensch wird mit denselben Freunden und Bürgern neu entstehen..

.". Die-se Wiederherstellung erfolgt aber nicht nur einmal, sondern unendlich viele Male. Weltvernunft und Vorsehung sind aber nicht die Gedanken und das Wollen eines freien, persönlichen Geistes, sondern nur die Ge-staltungs- und Bewegungsordung des Stoffes selbst, die unendliche Ur-sachenreihe ("Series implexa causarum"). Der Stoff ist das Letzte, und somit bleibt es beim Materialismus. Auch die "Rationes seminales" sind materielle Ursachen, keine Ideen.

Echte Ideen schweben als fernes Ziel und in der Zukunft stehend der Entwicklung vor, und diese eilt ihnen entgegen. Die stoischen "Ratio-nes seminales" dagegen stehen am Anfang der Entwicklung und bilden kein ideelles Telos, sondern sind physische Ursachen materieller Art innerhalb der allgemeinen Ursachenreihe; auch eine Anlage im biologi-schen Sinn ist eine physische Ursache. Alle Ursachen der Stoiker sind materiell körperlicher Art. Die Urkraft wird als Zeus bezeichnet und heißt göttlich, da Gott, Vernunft, Fatum und Natur ein und dasselbe sind, denn wenn die Welt sich selbst begründet, dann füllt sie den Platz Gottes aus und ist selbst Gott. Trotz dieser Umdeutung des "Fanum" in ein "Profanum" gibt es eine stoische Religiosität; Zitat: "Es gebührt sich, den Kosmos und das, was wir mit einem anderen Namen Himmel nennen, durch dessen Umdrehung das All seine lebendige Existenz hat, für Gott zu halten, für ewig, heilig, unermeßlich, niemals entstanden, niemals vergehend..

.". Die vielen persönlichen Termini, die in diesen Hymnen für die Gottheit verwendet werden und hauptsächlich aus der Mythologie Homers stammen, sind jedoch bloße Metaphern und können nicht darüber hinwegtäuschen, daß das religiöse Gefühl des Stoikers ein Naturgefühl ist, da sein Gott das All bleibt. Ethik Die Ethik der Stoiker, durch die diese wohl am bekanntesten geworden sind, setzt eine Reihe von Ansichten über das Seelenleben des Menschen voraus, die eigentlich nicht der Psychologie zuzuordnen sind, sondern die eher den anthropologisch-dogmatischen Unterbau der stoischen Moral darstellen. Demnach ist es nun zunächst eine grundlegende Feststel-lung, daß der Mensch außer einem Leib auch eine Seele hat. Diese Seele ist es, die zum einen dem Menschen Selbstbewegung und damit überhaupt Leben verleiht.

Sie kann auch ein Teil der Dreiteilung Körper-Seele-Vernunft sein, oder nur den "führenden Seelenteil", nämlich die Ver-nunft, meinen. Außerdem gilt sie als Sammelname für diese Funktionen in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenspiel. Auf jeden Fall aber bedeutet die Seele immer "Pneuma" und soll als solches eine Zusammen-setzung aus Luft und Feuer sein, womit sie ein Körper ist, obwohl sie nicht in einem bestimmten Teil des Körpers lokalisiert wird, sondern den ganzen Körper durchdringen soll; nur ausnahmsweise wird sie in das Herz, oder soweit sie Vernunftseele ist in den Kopf verlegt. Damit herrscht bezüglich der Seele ein gewisses Schwanken in der Stoa, da diese einerseits etwas Materielles ist, andererseits aber auch wieder nicht; zum einen soll sie Sinnlichkeit sein, zum anderen Geist; einmal zerfällt sie in Teile, während sie an anderer Stelle eine Einheit ist; sie ist vom Körper wesenhaft verschieden, soll ihm aber dennoch das Leben und somit eine lebendige Einheit geben. Grundlegend für die Mo-ral der Stoa ist aber auch, daß die Vernunftseele im Menschen herr-schen soll, weshalb ihr Name "führende Seele" ist. Den Kern der stoischen Anthropologie bildet die Lehre von den Trie-ben ("impetus").

Am Trieb, der eigentlich zur Sinnesseele gehört, wir-ken Körper, Sinnlichkeit und Vernunft zusammen. Durch die Empfindung empfängt der Mensch vom Körper her Vorstellungen, die automatisch und spontan Triebe auslösen, weshalb der Trieb ein Erleiden ist, ein "Af-fekt". Er wird übermäßig, wenn er nicht mehr von der Vernunft beglei-tet und beherrscht wird. Die Vernunft ist also ebenfalls am Trieb be-teiligt, die Affekte werden von den Stoikern zuweilen sogar für Urtei-le gehalten; so ließ Zenon die Affekte auf die Urteile hin erfolgen, Chrysipp identifizierte sie gar damit. Beherrscht nun die Vernunft den Trieb, so daß die Bewegungen der Seele geordnet sind und der Mensch damit ein Abbild der Makrokosmos ist, dann wird von "Willen" gespro-chen, der demnach ein vernunftmäßiger Trieb ist. Wenn jedoch der füh-rende Seelenteil versagt und der Trieb sich selbst überlassen bleibt, entsteht das Gegenteil von Vernunft, nämlich der Wahn.

Ein solcher Wahn , wie z.B. Schmerz, Furcht, Begierde oder Lust, ist immer eine falsche Vorstellung und eine Unwahrheit, wobei gerade ein frischer, unüberlegter Eindruck zu diesen falschen Urteilen führt, weshalb die Leidenschaft auch als "frischer Wahn" bezeichnet wird. So ist Schmerz ein frischer Wahn über die Anwesenheit eines šbels, Lust ein frischer Wahn über die Anwesenheit eines Guten. Es muß also die Enge des Augen-blickes gesprengt werden, um die objektive Wahrheit zu erkennen. Die Vernunft kann diese Aufgabe auf zwei verschiedene Arten bewältigen.

Zum einen muß sie Zeit gewinnen, um den frischen Wahn abklingen zu lassen und ihm somit seine Kraft zu nehmen, wie es auch Seneca in sei-ner Schrift "De ira" ("šber den Zorn") darlegt: "Das beste Heilmittel gegen den Zorn ist die Zeit.". Darauf muß begonnen werden, die fal-schen Vorstellungen auszulöschen, um nach der Beseitigung dieser Af-fekturteile den wahren Sachverhalt herauszustellen. So fordert Marc Aurel wörtlich: "Lösche die Vorstellung aus.", denn nur so kann die Ruhe des Herzens wiedergefunden werden, da es nur Vorurteile und Ein-bildungen sein können, die die Ruhe des Gemütes rauben. Auf diese Wei-se ist auch Epiktet zu verstehen, der geschrieben hat: "Nicht die Din-ge selbst verwirren den Menschen, sondern seine Meinungen über die Dinge.

Nicht der Tod selbst ist schrecklich, erschien der doch Sokra-tes auch nicht so, sondern die Vorstellung von dem Tode ist es.". Der Weise ist über diese Dinge erhaben, denn ihn regiert ausschließlich die Vernunft, die den Menschen unabhängig, frei, sachlich und wahr macht. Den Affekten im Sinn der Leidenschaft stehen die edlen Affekte ge-genüber: der Begierde der rechte Wille, der entweder Wohlwollen oder Zufriedenheit ist; der Furcht die Vorsicht, die sich in Ehrfurcht und Keuschheit gliedert; der Lust die reine Freude, die aus dem Bewußtsein des tugendhaften Lebens erwächst. Hier wird besonders deutlich, wie sehr die stoische Psychologie von ethischen Interessen geleitet wird, zumal diese förmlich als Tugendlehre auftritt. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach der Unsterblichkeit der Seele erörtert, da zumindest der vernünftige Seelenanteil immer als etwas Ewiges und Göttliches erschien.

Aufgrund ihrer Bekennung zum Materialismus muß die Stoa hier jedoch andere Wege gehen. Nach Zenon ist der gröbere Teil der Seelenmaterie vergänglich, wogegen die Ver-nunft als feinste Materie unsterblich sein soll. Nebenbei gibt es bei Epiktet und Marc Aurel keine individuelle Unsterblichkeit, wogegen Po-seidonios die platonischen Beweise für die Unsterblichkeit aufnimmt, was für den in der Stoa teilweise vorliegenden Synkretismus typisch ist, und bei Seneca wiederum die Unsterblichkeit geradezu ein Grund-dogma seiner Lehre darstellt: "Nachdem die Seele, sich reinigend und die anhaftenden Fehler und den Schmerz des sterblichen Lebens abschüt-telnd, kurze Zeit über uns geweilt hat, erhebt sie sich zu den Höhen des Weltalls und schwebt unter den seligen Geistern. Es hat sie eine heilige Schar aufgenommen.". Besonders beachtenswert ist in der stoischen Ethik der Naturrechts-begriff und das damit zusammenhängende Humanitätsideal.

Dabei ist das positive Recht, das durch Staaten und Regierungen gesetzt wird, weder das einzige noch das allmächtige Recht. Es beruht in seiner Gültigkeit vielmehr auf einem ungeschriebenen Recht, das ewig ist und das zu-gleich ein Richtmaß für alles positive Denken überhaupt darstellt, dem Naturrecht, das nichts anderes ist als das allgemeine, mit der Welt-vernunft identische Weltgesetz. Die šberzeugung hiervon gehört zu den unerschütterlichen Dogmen der Stoa. Noch Cicero und Philodem sprachen im gleichen Sinn nach, was schon die Gründer der Schule festgelegt hatten: "Das Naturgesetz ist ein göttliches Gesetz und besitzt als solches die Macht, zu regeln, was Recht ist und was Unrecht."; ähnlich äußert sich auch Chrysipp: "Ein und dasselbe nennen wir Zeus, die ge-meinsame Natur von allem, Schicksal, Notwendigkeit; und das ist auch die Gerechtigkeit und das Recht, die Einheit und der Friede.", sowie Heraklit: "Es nähren sich alle menschlichen Gesetze von dem einen göttlichen.

", und ebenso gehören Platon mit seiner Ideenwelt und Ari-stoteles in diese Reihe. Dabei ist der Stoiker der Ansicht, daß das Naturrecht von selbst einleuchtet, weil es mit der Vernunft als sol-cher gegeben ist. Wer diese nur hat, hat damit auch schon ein Wissen bzw. Gewissen über das, was recht ist und was nicht; "Wem von Natur aus Vernunft zuteil wurde, dem wurde auch die rechte Vernunft zuteil; darum auch das Gesetz...

und wenn das Gesetz, dann auch das Recht.". Weiterhin beruht das Naturrecht im wesentlichen auf dem Begriff der All-Vernunft. Daß alle Menschen daran teilhaben, ergibt sich, da alle Menschen einander gleich sind, alle die gleichen Rechte haben und sich darum auch entsprechend verhalten sollen; Epiktet: "Wir sind alle Brü-der und haben in gleicher Weise Gott zum Vater.". Als Kosmopolit ist das Vaterland des Stoikers die ganze Welt, weshalb ihre Anhänger zur allgemeinen Menschenliebe, Wohltätigkeit, Milde und Sanftmut aufrufen.

Auch gegenüber anderen Völkern, den Sklaven, den Frauen und den unmün-digen Kindern, die ursprünglich durch das römische Recht stark benach-teiligt waren, wird die Forderung der Rechtsgleichheit erhoben. Das Naturrecht wird die Grundlage für das Völkerrecht. Dann ziehen eine Reihe von stoisch denkenden Kaisern aus dem stoischen Rechtsdenken konkrete Konsequenzen. Während die Frauen im römischen Recht zuvor überhaupt nicht rechtsfähig waren, hebt Augustus wenigstens für die Witwen mit mehreren Kindern die Vormundschaft auf, und unter Nero wur-den Polizeigesetze erlassen, um die Sklaven, die früher nur als Werk-zeuge angesehen wurden, gegen die Unmenschlichkeit ihrer Herren zu schätzen. Hadrian schließlich stellte die Ermordung eines Sklaven durch seinen Herrn unter Strafe. Antonius Pius gab ihnen das Recht, an die Altäre der Götter zu fliehen, während Marc Aurel die Gladiatoren-spiele verbot.

Im dritten Jahrhundert können die Staatssklaven über die Hälfte ihres Vermögens testamentarisch verfügen, und ab dem vier-ten Jahrhundert kann ein Sklave gegen seinen Herrn klagen. Aufgrund des Gedankens eines allgemeinen, mit der Menschennatur selbst gegebe-nen Rechtes kann man das Naturrecht der Stoa humanistisch nennen. Kon-sequenterweise rechnete man auch das Verhältnis des Menschen zur Gott-heit zu den Naturrechtsvorschriften, da es derselbe All-Logos ist, der sie verbindet, während das Tier kein Rechtssubjekt ist, weil es nicht am Logos teilhat. Da die Stoa sich bewußt ist, daß die Theorie allein nicht genügt, verweilt sie nicht bei der ethischen Prinzipienfrage, sondern legt die Betonung auf die praktische Tugendlehre. Die erste Forderung richtet sich dabei auf ein Leben der Tat, denn der Stoiker ist ein Willensmensch, der die Anstrengung, die straffe Spannung, den Kampf, die "sokratische Stärke" und den Ponos der Kyni-ker liebt. Obwohl der Stoiker in der Tugendlehre die Sprache des In-tellektualismus spricht, interessiert er sich dennoch weniger für das Wesen und die Schau geistvoller Ideale und Hintergründe, so daß man auch hier wieder zwischen Wort und Sprache unterscheiden muß.

Trotz der intellektualisierten Sprache wird die Tugend selbst nicht intel-lektualisiert. Der Stoiker ist ein Realist und weiß als solcher, daß es im Leben auf das kraftvolle Zugreifen und auf entschlossenes Han-deln ankommt; "sustine et abstine" ("Ertrage und entsage") lautet des-halb das Motto der gesamten Tugendlehre, die hauptsächlich auf den Willen ausgerichtet ist. Die Philosophie besteht nicht aus Worten und Theoremen, sondern aus Leben und Tun, wie es auch Epiktet formuliert: "Du sollst nicht sagen, daß du ein Philosoph bist, noch unter deinen Bekannten viel reden über Probleme, sondern tue, was aus deinen Ein-sichten sich ergibt. Beim Essen z.B. rede nicht, wie man essen soll, sondern i, wie es sich gehört!", und Seneca pflichtet ihm bei: "Wer ordentlich beschäftigt ist, hat keine Zeit zu Dummheiten; Arbeiten ist das sicherste Mittel, die Laster des Müßiggangs zu vertreiben.

". Der Stoiker betrachtet als Willensmensch und Charakter die Konse-quenz des eigenen Handelns überall als eine der obersten Pflichten, weshalb er auch die Reue ablehnt. Seneca sagt dazu: "Der Weise bereut nie sein Tun, er ändert nie, was er getan hat, er wechselt nie seinen Entschluß.". Die besten Möglichkeiten eines solchen Lebens der Tat bestehen nun in der Beteiligung am öffentlichen Leben. Somit darf der Stoiker, wenn er tugendhaft sein will, nicht in der Einsamkeit bleiben, sondern muß sich für die "Vita activa" entscheiden.

Er weiß, daß er ein geselliges Wesen ist, daß er, wenn er sich selbst sucht, zugleich die anderen su-chen muß, da es immer derselbe Logos ist, der ihm und seinen Mitmen-schen zugleich anhaftet, weshalb er kein gemächliches Privatdasein führt, sondern in das öffentliche Leben eingreift, um seine Pflicht zu tun. Die zweite ständig wiederkehrende Forderung der stoischen Tugendleh-re ist die Mahnung zur Apathie, die Voraussetzung für die erste ist. Damit der Weg der Tugend und des naturgemäßen Handelns nicht gestört wird, müssen die Affekte zum Schweigen gebracht werden. Der Stoiker ist zwar auch ein fühlendes Wesen, aber er läßt sich von den Gefühlen keinesfalls überwältigen. Marc Aurel beschreibt dies mit dem Ausspruch "Du mußt sein wie ein Fels, an dem alle Wogen sich brechen. Er steht, die Brandung aber wird müde.

". Begierde, Zorn und Furcht dürfen einen nicht rühren; "Erstes Gebot: Laß dich durch nichts erschüttern.", denn "Es geht ja doch alles so, wie es in der Natur des Alls vorgesehen ist." Horaz beschreibt dies mit den Worten: "Si fractus illabatur or-bis, impavidum ferient ruinae: Und wenn eine zerbrochene Welt auf ihn stürzt, einen Unerschrockenen nur treffen ihre Trümmer.". Der die ganze Tugendlehre zusammenfassende Begriff ist das Ideal des Weisen.

Der Sophos wird überschwenglich gepriesen, da er alle Tugenden besitzt und immer richtig handelt; er ist wahrhaft unerschütterlich und wahrhaft glücklich; er allein ist reich, frei und schön; von Zeus unterscheidet er sich nur dadurch, daß sein Leben nicht ewig ist. Daß der Weise der wahrhaft freie Mensch ist, ist ein merkwürdiges Paradoxon der Stoa, denn auf der einen Seite wird an der Freiheit in aller Form festgehalten, wobei die Freiheit des Vernunftmenschen ge-meint ist. Alles, was mit der Außenwelt zusammenhängt sowie mit dem Körper und den Affekten, bedeutet eine Fessel für den Menschen. Auf der anderen Seite dagegen steht das Schicksal, denn der Stoiker ist auch Fatalist, so daß die Allmacht des Schicksals sehr stark herausge-stellt wird. Es ist "das Gesetz des Kosmos, nach dem alles Geschehene geschah, alles Geschehende geschieht und alles noch Kommende kommen wird". Es ist die unbesiegbare, unaufhaltsame, unabwendbare Ursache, die Ursachenreihe selbst, die Weltvernunft, der All-Logos.

Es ist ja immer dasselbe, ob von ewiger Ursachenreihe oder Weltgesetz oder Na-turgesetz oder Fatum oder Vorsehung oder Zeus die Rede ist. Dieser Konflikt wird dahingehend gelöst, daß der Weise die Gesetzlichkeit des Geschehens als seine eigene Gesetzlichkeit sieht, nichts anderes erwartet und das Schicksal bejaht. Er leidet nicht an der Not-wendigkeit des Fatums, sondern er begrüßt sie, so daß er die Schickungen des Fatums als selbstverständlich annimmt. Aber auch diese Lösung ist nur eine Scheinlösung, denn nur eine idealer Wille deckt sich mit der Notwendigkeit des Weltgesetzes. So ist denn auch von Seneca zu hören: "Wenn du einwilligst, führt dich das Schicksal, wenn nicht, zwingt es dich.".

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