Der 1. weltkrieg und die situation in deutschland
Die vorhergehenden Tatsachen:
- Fuer die Politik der euop. Maechte vor
1914 waren Imperialismus und Nationalismus kennzeichnend. Die Mittelmaechte (=>die in
der Zeit "uebliche" Bezeichnung fuer das Dt. Reich und Oesterr.-Ungarn aufgrund
ihrer geograph. Lage zwischen den gegner.
Ententemaechten.) fuehlten sich durch die
vermeintliche Einkreisung immer mehr in die Isolierung gedraengt.
- Seit 1871 bestand der dt.-franz.
Gegensatz um Elsass-Lothringen, seit der Jahrhundertwende die dt.-engl.
Rivalitaet durch
die Flottenvorlagen.
- Zusaetzlich zu diesen Spannungen kam
jetzt das immer groesser werdende Nationalgefuehl. Die "Gier" nach der Macht
artete in enormen Ausgaben fuer die Aufruestung aus. (Im Deutschen Reich waren es 1913,
2100 Mio. Goldmark, verglichen mit 1065 Mio. Goldmark in 1905, welche auch durch den
Reichstag immer wieder bewilligt wurden).
Ein Buendnis mit England wurde aus
"Nationalen Ehrengefuehlen" nicht mal in Erwaegung gezogen. So geriet
Deutschland allmaehlich in die Isolierung.
"In Deutschland verbreitete sich das
Gefuehl, eingekreist zu sein, vobei die Angst vor der staendig wachsenden Staerke
Russlands besondere Beklemmungen verursachte. Insbesondere fuer Deutschland, fuer
Oesterreich und Russland wuchs die Versuchung, sich aus einer scheinbar misslichen Lage
durch einen im rechten Moment ausgeloesten Krieg zu befreien."
Der Kriegsausbruch:
- Die Ermordung des Oesterreichischen
Thronfolgerehepaare am 28.Juni 1914 durch eine serbisch Untergrungbewegung hatte eine
direkte lokale Auseinandersetzung Oesterr.
-Ungarns mit Serbien zur Folge. Der am 28.7.1914
begonnene Krieg weitete sich durch die dt. Kriegserklaerungen an Russland und Frankreich
zum europ. Krieg aus.
Es war eine willkommene Gelegenheit fuer die deutsche Regierung,
einen seit Jahren erwogenen und vorbereiteten Krieg um die Erweiterung der deutschen
Grossmachtstellung in Europa auszuloesen. In den Augen von Deutschland war der Rueckstand
der franzoesischen und russischen Ruestung zur deutschen Ruestung relativ gross. Durch die
Buendnisgarantie an Oesterreich konnte Deutschland mit einem plausiblen Grund
"mitmachen". Durch Englands Eingreifen mit seinen Uebersee. Besitzungen artete
dann der Krieg zum Weltkrieg aus.
Das deutsche Konzept:
Der "Schlieffenplan" (entworfen
durch den ehemaligen Generalstabschef Graf Schlieffen) sollte die erfolgreiche Fuehrung
eines Zweifrontenkrieges (gegen Russland und Frankreich) ermoeglichen.
Die Deutschen
sollten mit ueberlegenen Kraeften Frankreich angreifen und in kuerzester Zeit
niederwerfen. Waehrend im Osten in der Hauptsache eine Verteidigungsposition gegenueber
Russland eingenommen werden sollte. Erst nach dem erfolgreichen Abschluss des
Westfeldzuges sollten alle verfuegbaren Kraefte im Osten eingesetztwerden. Ein heitler
Punkt dieses Planes war die Verletztung der Neutralitaet von Belgien. Denn das Land sollte
als Aufmarschgebiet fuer die deutschen Truppen dienen. Die war ein
Fehler:
In politischer Hinsicht, weil diese
Aktion das Deutsche Reich von vornherein ins Unrecht setzte.
Diese Rechtsverletzung war ein
"praktischer wie psychologischer Hemmschuh" aller Friedensinitiativen
auf deutscher wie gegnerischer Seite.
In militärischer Hinsicht, weil es damit
Großbritannien automatisch auf die Seite der Gegner trieb. Für den Krieg mit
Großbritannien war noch keine Strategie entwickelt.
und die Situation in Deutschland:
Wilhelm II. verhängte am 1. August 1914
die allg.
Mobilmachung ueber das Reich. Die deutsche Bevoelkerung ueberzeugt, dass der
Krieg von den Feinden aufgezwungen sei. Der Kaiser staerkte diese Ueberzeugung zusammen
mit der Propaganda. Allg. herrschte Kriegsbegeisterung. Sogar Arbeiterschaft wird von der
Begeisterung erfasst, die wenige Tage vorher noch gegen einen Krieg protestiert hatten.
Willhelm II. verkuendet vom Balkon des Berliner Schlosses herab, dass er keine Parteien
mehr, sondern nur noch Deutsche kenne =>die Arbeiter fuehlen sich als vollwertige
Buerger. Es entstand ein Kriegstaumel, der bis zur Hysterie ausartete: Misshandlungen von
Fremden und Jagd nach vermeintlichen Spionen. Der Belagerungszustand wurde ausgerufen: in
Preussen wurden wesentliche Artikel der Verfassung von 1850, die die Grundrechte der
Bevoelkerung betrafen, ausser Kraft gesetzt und die vollziehende Gewalt auf die
Militaerbehoerden uebertragen. Andere Bundeslaender verfuhren ebenso. Die von den
Militaerbehoerden geuebte Zensurpraxis -militaerische Angelegenheiten unterlagen der
Zensur- , sowie die zunehmende Einschraenkung des Versammlungsrechtes und der Freiheit der
Berichterstattung, fuehrten zu einer Quelle andauernder "Reibereien".
Doch zu
Kriegsausbruch gab es hier noch keine Probleme.
Die Bevoelkerung war zu grossen Opfern
bereit: wenige verweigerten, Mobilmachung und Ausmarsch der Truppen erfolgte unter
begeisterter Anteilnahme. Ein Hoehepunkt der Einigkeit wurde erreicht, als die Rede des
Reichskanzlers Bethmann Hollweg und die Zustimmung aller Fraktionen zur
Kriegskreditvorlage (!) bekannt wurde. Es entstand eine gewisse Siegesbegeisterung, die
quer durch alle Schichten ging und durch die ersten Meldungen von erfolgreichen
Operationen im Westen, immer staerker versicherte, dass der Sieg in diesem gerechten
"Verteidigungskrieg" Deutschland zufallen werde.
Die Gesellschaft und Stimmung im Naehrem:
Der Zustand des
"Zusammenhoerigskeitsgefuehl", das die politischen Gegensaetzte und die
gesellschaftlichen Widersprueche in den Hintergrund traten liess, hielt an, solang mit
einer kurzen Dauer des Krieges gerechnet wurde. => Als sich deutlich wurde, dass die
Dauer des Krieges nicht absehbar sei und dazu auch noch eine Verschlechterung der
Lebensbedingungen einsetzte, begannen alte politische Gegensaetze wieder aufzubluehen.
Schon Anfang 1915 gab es den ersten
Stimmungsabschwung: es setzte eine Preissteigerung und Lebensmittelverknappung ein. Die
sozial Schwachen waren die ersten, die von der Realitaet ihrer wirtschaftlichen Lage
eingeholt wurden:
- Einfuehrung der Rationierung von Brot
i) "Brotkarten" werden
eingefuehrt. Brotmarken => jede
Person zwei Kilogramm Brot pro Woche. Bei
Missbrauch oder Faelschung gibt es eine Maximalstrafevon 1500 Deutsche Mark oder sechs Monate Gefaengnis.
- Juni 1915: Margarine ist knapper und
teurer geworden. Immer weniger Fleisch.
Trockenheit sorgt fuer eine
schlechte Ernte. Petroleummangel, Milchmangel. Durch Gewoehnung wird der
Zustand ohne viel Murren getragen. Doch es entstehen schon Stimmen
fuer den Frieden.
- Die Regierung setzt Grund- u.
Hoechstpreise fest.
Beschlagnamen Nahrungsmittel. Es werden
Verbrauchsbeschraenkungen und Fastentage eingefuehrt. Oeffentliche und private
Wohltaetigkeiten werden in Bewegung gesetzt. Doch nach Meinung der
sozialdemokratisch-orientierten Gruppen sind diese Massnahmen nicht ausreichend.
Sie fordern:
i) eine einheitliche Regelung der
Lebensmittlerversorgung
ii) einheitliche Grundpreise im ganzen
Reich, Preise
abhaengig von der Steuerklasse des
Verbrauchers
iii) allg. Beschlagnahme saemtlicher
Lebensmittel im
ganzen Reich
iiii) Ausbau der kommunalen Fuersorge
November 1915 stellt das Volk fest:
"Im Kriege sind alle Lebensmittel und
Gebrauchsgegenstaende&127
teurer geworden.
..manchmal sogar um den
dreifachen Preis", "Mit
knapper Not reichen uns die
Brotmarken.", "Das Leder ist teuer,
daher tragen viele Kinder
Kriegsschuhe.".
Die Arbeiterbewegung:
Schon vor Kriegsausbruch hatte es
Diskussionen in der SPD daueber gegeben, ob eine Veraenderung der herrschenden
Gesellschaftsordunung nur auf dem Wege einer gewaltsamen Revolution moeglich sei, oder ob
der Staat auf dem Wege innerer Reformen und sozialer Verbesserungen zu veraendern sei.
In
der Entscheidung fuer
oder gegen die Kriegskredite, die am 4.
August 1914 fallen sollte, lag auch die Entscheidung darueber, ob die SPD in Zukunft eine
revolutionaere oder eine reformistische Partei sein wuerde. Trotz Bedenken und Widerstand
einer Minderheit in den eigenen Reihen entschied sich der Parteivorstand fuer die
Zustimmung der Kriegskredieten. Damit waren innerparteilicher Streit und schliesslich
Spaltung der Partei bereitsvorprogrammiert. In der Erklaerung vor dem Reichstag stellte es
die Reichstagsfraktion so da, als ob der Krieg aufgezwungen sei und Deutschland keine
andere Wahl mehr habe als zu kaempfen. Die Mehrheit der SPD stand auch hinter der
Entscheidung, es gab aber wohl Parteimitglieder, bei denen Empoerung herrschte, sie
wollten nicht den Kriegskrediten zu stimmen.
Diese "Minderheit" begann sich
allmaehlich als Parteiopposition zu formieren. Daraus resultierte letztendlich die
"Spartakus-Gruppe". Ihr gehoerte u.a. auch Karl Liebknecht an. Er nutzte alle
Chancen, um die Bevoelkerung und die Truppen darauf aufmerksam zu machen, dass es eine
Gruppe gab, die radikale sozialistische Positionen vertrat.
Als SPD-Abgeordneter im
Bundesreichstag z. B. hatte er am 2. December gegen die Kriegskredite gestimmt. Dieses
Votum wurde von der Presse bekanntgemacht und wirkte innerhalb und ausserhalb Deutschlands
als Anti-Kriegs-Signal. Liebknecht machte auch bis zu seiner Verhaftung im Mai 1916 durch
seine "Kleinen Anfragen" im Reichstag immer wieder zum Aerger der Mehrheit des
Reichtages auf seinen und seiner Freunde Ueberzeugung aufmerksam.
(=> April 1917
Spaltung der SPD Entstehung USPD (inklusiv "Spartakus-Gruppe") und MSPD)
Zensur:
Von Anfang an, hatte die
"Minderheit" gegen die Zensurbehoerde der "Mehrheit" zu kaempfen:
Post wurde ueberwacht
Zeitungen wurden zensiert oder verboten
Haussuchungen nach Flugblaettern und
Druchkschriften wurden abgehalten
Redeverbote erteilt
bekannte Persoenlichkeiten wurden
entweder in Schutzhaft genommen oder wegen "Landesverrats" angeklagt
Trotz intensiver Bemuehung der
Zensurbehoerde gelang es nicht, die Aktivitaeten der Minderheit zu verhindern. die
Bevoelkerung wurde davon unterrichtet, dass es unterschiedliche politische Positionen in
den verschiednen Richtungen der Arbeiterbewegung gab, womit teilweise das Einheitsgefuehl
gebrochen wurde.
Der Stimmungswechsel:
Aus einem Flugblatt an die
wuerttembergische Staatsregierung und die Stadtverwaltung: [...] "Darum erwarten wir
von der koenig.
Staatsregierung und von der Gemeindeverwaltung, dass sie alles tun, um bei
den massgebenden Stellen keinen Zweifel ueber den Friedenswillen des Volkes aufkommen zu
lassen."
1916 setzte ein deutlicher Abschwung der
Stimmung ein:
Karl Liebknecht demonstriert mit seinen Anhaenger am 1.Mai trotz eines Verbotes in Berlin gegen den Krieg
Es kam in Industriestaedten zu
Hungerkrawallen.
Die Gewerkschaften sahen sich genoetigt,
in einem Aufruf die Arbeiter vor Streiks zu warnen. => es gab trotzdem Ende August 1916
die ersten Lohnstreiks.
Unterschiede zwischen Arm und Reich
werden so krass, dass die Vermoegenden aufgerufen werden, auf Lebensmittel auszuweichen,
die die Minderbemittelten nicht kaufen konnten.
Gegen Ende des Winters hatte die Stimmung
ihren Tiefpunkterreicht. Die Bevoelkerung hatte ihn mit Hilfe der Kohlruebe"
ueberstanden. (zu der Zeit auch: der Ausbruch der russischen Revolution: Das Militaer
beobachtete negative Auswirkungen auf die Truppe und fuerchtete aehnliches fuer die
Heimat. Deshalb forderte man schaerfste Massnahmen gegen jede Veroeffentlichung ueber
dieses Ereignis.=> Zensur). April 1917 traten die Arbeiter mit konkreten Foderungen an
die Regierung heran => Aprilstreiks.
Behoerden sind gewillt mit allen gesetzlichen
Mitteln neue Streiks zu verhindern. Regierung und Militaer sind sich darin einig, dass man
jede "Propaganda, die den Durchhaltewillen von Bevoelkerung und Truppe zu
unterhoehlen und die Arbeiterschaft der nationalen Sache und der Monarchie abspenstig zu
machen suchte" zu unterbinden sei, egal ob sie von Links oder aus pazifistischen
Gruppen des Buergertums kam.=> Foerderung der eigenen Propaganda. Anfang August 1917
kommt es zu Meutereien bei der Marine. (Die Matrosen, die durch die USPD kontaktiert
worden waren und fuer "Frieden ohne Annexionen" und eine Verbesserung der
Zustaende in der Hochseeflotte gemeutert hatten, wurden sehr hart bestraft.) Die Stimmung
sank weiter.
=> enttaeuschte Friedenshoffungen und Misstrauen gegenueber der politischen
Fuehrung. Anfang Januar 1918 bereiten die USPD und radikale Gruppen einen neuen Streik
vor. Er brach am 28.Januar 1918 aus. Er dauerte eine Woche und hatte politischen, aber
nicht revolutionaeren Charakter. Der Streit wurde niedergeschlagen und man ging hart gegen
die Teilnehmer vor.
Der Drang nach Frieden war uebermaechtig und selbst die MSPD begann
einzusehen, dass man mit der Vorstellung, Deutschland koenne seine Gegner noch besiegen,
den Kontakt mit den Arbeiter verlieren wuerde. Als sich dann aber die grosse Westoffensive
zusammengezogen hatte, machten sich viele Menschen doch wieder Hoffunungen: Es kam bis zum
Kriegsende zu keinen grossen Arbeitsniederlegungen mehr, aber es setzte nun auch unter
Angestellten eine langsame Radikalisierung ein.
Als schliesslich das Scheitern der
Westoffensive zur Gewissheit zu werden begann, war der Anfang vom Ende erreicht. Die
Versuche, mit Hilfe gesteigerter "vaterlaendischer Propaganda", die das
"Durchhalten" propagierte, die Stimmung von Heer und Bevoelkerung wieder
aufzubauen, scheiterten. Gegen dem Ende verloren die Institutionen ihre Autoritaet und die
Revolution brach aus:
"Die Bevoelkerung war genug getaeuscht
worden, sie hatte gelitten und erduldet".
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