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  Selbstdarstellungen - ceija und karl stojka-zwei überlebende roma des holocaust

     Selbstdarstellungen: Ceija und Karl Stojka- zwei überlebende Roma des Holocaust            Proseminar: Neuere deutsche Literatur – I 133   Titel: Minderheiten und ihre Literaturen in Österreich   Leiter: Dr. Norbert Griesmayer   Verfasserinnen: GARTNER Judith (Matr. Nr.: 9600684) Ufergasse 23 7142 Illmitz Studienkennzahl: 333 (LA) Germanistik   JOVETI’C Gordana (Matr. Nr.: 9308271) Alserstraße 33/6 1180 Wien Studienkennzahl: 332 Germanistik   SCHALLING Ulrike (Matr.

Nr.: 9601458) Schillerstraße 45 2340 Mödling Studienkennzahl: 333 (LA) Germanistik    Inhalt  1. Einleitung von Judith Gartner, Gordana Joveti’c und Ulrike Schalling S. 5     2. Die Verfolgung der Roma in der NS- Zeit von Ulrike Schalling S. 6     3.

Die Biographie der Ceija Stojka von Gordana Joveti´c S. 8   1. Versuch einer tabellarischen Biographie von Ceija Stojka S. 9 3. 2. Unterschiede zur tabellarischen Biographie S.

9 3. 2. 1. Vertextung der Zeit im Werk S. 10 3. 2.

2. Vertextung des Raumes im Werk S. 13 2. 3. Die Einschränkung der Identität S. 16 3.

3. Beweggründe, warum Ceija Stojka ihre Lebensgeschichte aufzeichnete S. 18 3. 4. Die Art und Weise wie Ceija Stojka ihre Erlebnisse darstellt S. 20     4.

Ceija Stojka “Wir leben im Verborgenen” von Judith Gartner 1. Entstehungszeit S. 23 4. 2. Entstehungsbedingungen S. 25 3.

Textsorte: Autobiographie S. 27 4. 4. Handlungs- und Erzählzusammenhänge S. 30 5. Eigenarten ihres Schreibens S.

31 4. 6. Figurendarstellungen: 4. 6. 1. Darstellung der Mutter S.

35 4. 6. 2. Darstellung des Vaters S. 37 4. 6.

3. Darstellung der SS - Männer und Frauen S. 38 4. 6. 4. Darstellung zwischenmenschlicher Beziehung S.

39 4. 7. Funktion ihres Schreibens und Adressatenbezug S. 41     5. Ceija Stojka: “Weihnachten” und “Mit Roß und Wagen” von Judith Gartner S. 43     6.

Ceijas Bruder Karl Stojka von Ulrike Schalling S. 46     7. Ceija Stojkas “Wir leben im Verborgenen” im Vergleich mit Karl Stojkas “Auf der ganzen Welt zu Hause” von Ulrike Schalling   7. 1. Funktion des Schreibens- Schreibbeginn S. 48 7.

2. Handlungs- und Erzählzusammenhang S. 49 7. 3. Eigenart der Sprache S. 51 7.

4. Darstellung der eigenen Person S. 54 7. 5. Darstellung der Mutter S. 56 7.

6. Darstellung des Vaters S. 58 7. 7. Darstellung der NS- Männer und Frauen S. 59 7.

8. Beschreibung der Situation im KZ S. 61     8. Exkurs: Vergleich mit “ ...

und dann zogen wir weiter” von Miso Nikolic von Gordana Joveti’c S. 64     9. Interview mit Ceija Stojka von Judith Gartner, Gordana Joveti’c und Ulrike Schalling S. 69     10. Zusammenfassung und Schlußbemerkung von Judith Gartner, Gordana Joveti’c und Ulrike Schalling S. 91     11.


Literaturverzeichnis S. 92                                                         Einleitung     Über Roma - Angehörige weiß man heute eigentlich nur relativ wenig, ebenso über ihre authentische Literatur, in der sie ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit und ihre heutige Situation festhalten. Selbst Ceija Stojka erzählt in ihrem Interview mit uns: “Es ist die Zigeunerwelt sehr klein, sehr jung mit dem Schreiben und überhaupt mit Aussagen. Bis jetzt waren sie ja im Verborgenen und die meisten sind es heute noch.” Ceija Stojka und ihr Bruder Karl zählen zu dem kleinen Kreis der Volksgruppe, der sich mit ihren Erzählungen sowohl literarisch als auch musikalisch und künstlerisch an die Öffentlichkeit wendet. Anhand dieser Roma - Schriftsteller sieht man sehr gut wie zwei Geschwister ihre gemeinsamen Erfahrungen unterschiedlich erleben, verarbeiten und in ihren Werken wiedergegeben haben.

In Laufe unserer Literatursuche konnten wir feststellen, daß Werke der Roma - Schriftsteller nur sehr spärlich vorhanden sind und teilweise kaum in der Sekundärliteratur erwähnt werden. Einige zaghafte Schritte findet man nur in analytischen Sammelwerken, in denen die Werke zwar kurz erwähnt und angeschnitten werden, jedoch nicht ausführlich verglichen und interpretiert werden. Daher haben wir beschlossen “Feldsuche” auf eigener Faust zu betreiben, um ungeklärte Fragen der Zigeunerin Ceija Stojka selbst zu stellen. Wenn wir in unserer Arbeit von “Zigeunern” sprechen, dann verwenden wir diesen Begriff ohne negative Assoziation, da die beiden Autoren sich bereits auf den Titeln ihrer Werke als Zigeuner deklarieren ( “Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom - Zigeunerin.”, “Reisende auf dieser Welt.

Aus dem Leben einer Rom - Zigeunerin.”, “Auf der ganzen Welt zu Hause. Das Leben und Wandern des Zigeuner Karl Stojka.” ). In unserer Arbeit wollen wir die Werke dieser beiden Geschwister näher betrachten, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausfinden und besonders Ceija Stojka mit “Ein Teller voller Dukaten” von Miro NikolitC vergleichen.              2.

Die Verfolgung der Roma in der NS- Zeit     Die Verfolgung und Diskriminierung der Roma ist nicht eine Erfindung der Nationalsozialisten: Ihre Geschichte zeigt, daß sie schon sehr lange vor Hitler eine Art “Sündenbockfunktion” darstellten. Nach und nach wurden ihnen negative Verhaltensweisen zugeschrieben, die zu tiefsitzenden Vorurteilen und somit zu zahlreichen Diskriminierungen und Verfolgungen führten. Während der NS- Zeit, in der ihre Verfolgung einen grausamen Höhepunkt erreichte, wurde jedoch auf pseudowissenschaftlicher Ebene gegen Roma vorgegangen: Bereits seit 1931 begann die SS mit der Erfassung und Registrierung der Zigeuner in Deutschland. 1936 folgte dann die Gründung des “Rassenhygiene- Instituts” in Berlin unter der Leitung des “Humangenetikers” Dr. Robert Ritter, in dem auf völlig unwissenschaftlicher Ebene Erbwissenschaftsforschung betrieben wurde. Aber auch in Österreich wurden bereits vor der NS- Zeit alle Zigeuner von Dr.

Robert Ritter und seiner Assistentin Eva Justin untersucht und photographiert. Auch Karl Stojka und seine Familie wurden auf diese Art und Weise von den beiden Pseudowissenschaftern in Wien registriert. Dr. Robert Ritter bezeichnete aufgrund dieser “Studie” die Burgenlandzigeuner als Mischlinge, mit den niedrigsten Elementen verschiedener Rassen ausgestattet sind. Seine Gutachten dienten als Grundlage für die Verfolgung der Zigeuner . So galten Roma bereits 1935 in den “Nürnberger Gesetzen” als “Träger artfremden Blutes”.

Die treibende Kraft bei den ersten Verfolgungsschritten von österreichischen Nationalsozialisten gegen diese Volksgruppe war Dr. Tobias Portschi- der damalige Gauleiter des Burgenlandes. Er verfaßte 1938 die Denkschrift “Die Zigeunerfrage”, in der er Roma- Angehörige den Juden gleichstellte und Vorschläge zur ihrer Ausmerzung einbrachte. Seit dem 17.10.1939 mußten Zigeuner aufgrund des “Festsetzungserlasses” ihr Wanderleben aufgeben und durften nicht mehr ihren Wohnort verlassen.

Dadurch wurde die Registrierung erleichtert, da alle Roma leichter geortet werden konnten. Danach folgte nach und nach die Deportation in Ghettos und Konzentrationslager, wo sie zu Zwangsarbeit gezwungen wurden. Der sogenannte “Auschwitzerlaß” vom 29.1.1943, der vom damaligen Reichsinnenminister Heinrich Himmler veranlaßt wurde, führte zur Deportation der restlichen Zigeuner aus Österreich und den besetzten Ländern Europas ins KZ Auschwitz- Birkenau. Dem grausamen Treiben der Nazis fielen rund eine halbe Million Zigeuner zum Opfer, die an Unterernährung, Seuchen, Mißhandlungen und Menschenversuche in den KZs ihr Leben lassen mußten.

Allein in Wien haben- laut Karl Stojka- von den rund 3500 verschleppten Roma nur circa dreißig überlebt- darunter ein großer Teil der Familie Stojka.                                                     3. Die Biographie von Ceija Stojka     Anhand der zwei Bücher ”Wir leben im Verborgenen” und ”Reisende auf dieser Welt”, versuchte ich eine chronologische Biographie von Ceija Stojka zu erarbeiten. Ich wollte ihr Leben in einer Art ”Lebenslauf” darstellen und ordnen, wie es in unserer ”westlichen” Kultur üblich ist. Diese tabellarische Biographie war nicht so leicht zu verfassen, weil es sich herausstellte, daß Ceija Stojka eine andere Auffassung von Zeit und Raum hat, als wir es gewohnt sind. Daher mache ich zuerst den Versuch einer tabellarischen Biographie und gehe dann auf die eigentliche Darstellung von Zeit und Raum im Werk genauer ein.

Auch im folgenden Gedicht berichtet sie über ihren Entschluß, die Erlebnisse schriftlich festzuhalten:   “Haustor ein alter Hut eine zerbrochene Feder eine verwelkte Blume eine zerwelkte Blume ein morscher Baum ein Kuß, der der letzte ist ein Haus ohne Dach 4 zerrissene Socken eine alte Teekanne eine Peitsche ein Strumpfband 5 Deka Butter große Gefühle es gefällt du mußt gehen Zahnschmerzen 4 Blätter durcheinander wenn du schon wieder da wärst solange es dich gibt und ich noch da bin wirst du immer so lieb sein und für mich schreiben ja Ceija, danke.”       3. 1. Versuch einer tabellarischen Biographie von Ceija Stojka   1933 in Kraubath bei Knittelfeld (Steiermark) als eines von sechs Kindern einer Roma-Familie (Romagruppe Lovara) geboren.   1939 wird das ”Herumzigeunern” in Österreich verboten. Die Familie zieht nach Wien und baut sich ein kleines Holzhaus.

  1941 wird Ceijas Vater von der Gestapo abgeholt und im Konzentrationslager Dachau ermordet. Im selben Jahr wird Ceija mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Auschwitz deportiert. Danach folgen noch Deportationen in das Frauenlager Ravensbrück und Bergen-Belsen, wo sie das Kriegsende erlebt.   Die teilweise überlebende Familie lebt eine zeitlang nach dem Krieg in verlassenen Nazi-Wohnungen. Ab 1947 sind sie wieder als reisende Roma unterwegs.   1949, als Ceija fünfzehn Jahre alt ist, bekommt sie ihr erstes Kind, ihren Sohn Willi.

Es war ihr letztes Reisejahr, so wie auch für viele andere Roma in dieser Zeit die Tradition des Reisens zu Ende ging.   1951 bekommt Ceija ihr zweites Kind, die Tochter Silvie und 1955 den Sohn Jano.   Ceija verdient ihr Lebensunterhalt mit Stoff- und Teppiche Verkauf.   1979 stirbt ihr Sohn Jano.   1988 erscheint ihr erstes Buch ”Wir leben im Verborgenen”, in dem sie als erste Romni in Österreich von den Erinnerungen aus dem KZ schreibt.   1992 schreibt Ceija ihr zweites Buch ”Reisende auf dieser Welt”.

Darin beschreibt sie ihr Leben nach den Lagern, von der Ausgrenzung und Einsamkeit, die sie durchleben muß. Außerdem gibt sie uns einen Einblick auf den Stellenwert der Musik und die Problematik des Reisens bei den Roma. Ceija schreibt auch Lieder und tritt in der Öffentlichkeit auf.   1988 beginnt sie zu malen, damit ihre Erinnerungen aus den Lagern nicht verlorengehen.       3. 2.

Unterschiede zur tabellarischen Biographie   In ihrem ersten Werk ”Wir leben im Verborgenen” schildert uns Ceija das Leben aus dem Konzentrationslager. Es wird aus der Perspektive eines Kindes beschrieben. Das Abgetrenntsein vom Rest der Welt, während der Zeit im KZ, wirkt sich auf Ceijas Wahrnehmung von Raum und Zeit aus. Aber auch später, nach dem Krieg, spürt Ceija eine Ausgrenzung und damit verbunden auch eine Einschränkung ihrer Person. Als eine Angehörige der Roma, und damit einer anderen Kultur, unterscheidet sich ihre Wahrnehmung der Zeit und des Raumes von jener ”unserer westlichen” Kultur, was in ihrem zweiten Buch ”Reisende auf dieser Welt” zum Ausdruck kommt.     3.

2. 1. Vertextung der Zeit im Werk   Der ”logische” Anfang einer tabellarischen Biographie stellt normalerweise die Nennung des Eigennamens und des Geburtsdatums dar. Ceija erwähnt diese Daten erst in ihrem zweiten Buch, als sie eine Situation beschreibt, in der eine Amtsperson ihre Personalien aufnehmen will.   “Also trug ich meine Bitte an dieses Amt vor: ”Ich heiße Margarete Stojka, geboren am 23. 5.

1933 in Kraubath, Bezirk Leoben in der Steiermark, und ich bitte Sie, mir einen Identitätsausweis auszustellen.”   Das Amt repräsentiert unsere Gesellschaft, in der man die Menschen nach Zahlen und nach bestimmten Schemata einordnen möchte. Ceija mußte sich damals einen Identitätsausweis besorgen, damit sie in die ”ordentliche und legale” Gesellschaft hineinpaßte. Wie sich Ceija dann mit ihrer ”neuen Identität” fühlte, sagt sie uns eine Seite weiter: ”Ein paar Zeilen und ein Stempel bestätigten meine Identität”. In Ceijas ersten Buch erfährt man von ihrer Zeitauffassung wenn sie von ihrer Zeit im Lager erzählt. Die Zeitorientierung passierte dort ohne Stütze eines Kalenders oder einer Uhr: ”Die Zeit verging ohne einen Kalender, so wußten wir auch nicht, ob es Montag oder ein anderer Tag war.

” Der Tagesablauf im Lager wird durch das ständige Apellstehen und durch Zählen gekennzeichnet:   “Die SS-Frauen mit den Hunden kamen in die Baracke und riefen: ‘Alles zum Apell antreten, Marsch, Marsch!’ Nun stand das ganze Lager. Es waren so viele Menschen. Sie standen in Fünferreihen mit je einem Meter Abstand voneinander. [...

] Die Zählung dauerte sehr lange, es wurde schon Abend, die Nacht zog langsam über das Lager.”   Die Zahl der Hiebe und weiterer strafender Mittel ist auch ein Anhaltspunkt:   “Wenn manche weniger als 25 Hiebe bekamen, so wurden die gleich in der Baracke ausgeteilt. Man legte die Häftlinge über den langen Schlauchofen, zwei SS-Männer gaben den zwei Kapos die Anweisung, wieviel derjenige bekommen sollte. [...

] und das wiederholte sich täglich.”   Woran Ceija im Lager noch ihre Zeitwahrnehmung mißt, ist der Wechsel der Jahreszeiten (Witterungsverhältnisse). Das heißt, daß sie eine zyklische Wahrnehmung der Zeit hat: ”Inzwischen war der Winter vorbei, Weihnachten und Neujahr gingen lautlos vorüber. Es war ein Tag wie jeder andere [...

]” Die einzige konkrete Zeitnennung aus dem Lager ist das Weihnachtsfest im Jahre 1944, als die Nazis die Kinder zu einer Feier einladen. Die Wahrnehmung der Zeit geschieht so in einer Umgebung, die nicht ”ihre” ist, sondern sie wird durch eine ”höhere Macht” präsent: ”Ein Kalender zeigte den 24. Dezember 1944.” In einem Interview berichtet uns Ceija nachträglich ihre Erinnerungen an die Zeit im Lager: ”Jeder Tag dort drinnen war ein Jahr, jede Stunde war eine Ewigkeit.” Das Leben während des Reisens nach den Lager wird auch zyklisch - nach dem Wechsel der Jahreszeiten und der Witterungsverhältnisse wahrgenommen: ”Die Sonne schien schon ziemlich warm, da konnte man keinen Rom mehr aufhalten. Unsere zwei Wagen rollten aus dem Gasthof.

” Die Feiertage sind auch als bedeutende Punkte zur Zeitmessung anzusehen. Es sind die Tage, an denen die Familie zusammenkommt. Auffallend ist vielleicht, daß Geburtstagsfeiern keine Relevanz in den Erzählungen haben, was wieder davon zeugt, daß das genaue Geburtsdatum keine große Wichtigkeit besitzt. Auf die Gesellschaft bezogen, bringt uns Ceija die Zeit mit dem Fortschritt in Verbindung. Der wirtschaftliche Fortschritt beendet die lange Tradition des Reisens der Roma und bedrohte somit ihre finanzielle Existenz. Ohne Arbeit und dem Leben mit der Natur verloren viele Roma einen Teil ihrer Identität:   “Die Zeit blieb nicht stehen, man merkte den Fortschritt.

Vereinzelt tauchten die Traktoren auf, und mit den Viehmärkten ging es immer mehr bergab. Unsere Reise mit Pferd und Wagen lohnte sich nicht mehr.”   Durch die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse beginnt damals ein neuer Zeitabschnitt für die Roma:   “Langsam und mit schwerem Herzen fuhren wir weiter. Das sollte unsere letzte Reise mit Pferd und Wagen sein. Unsere Rösser wurden in Wien zu einem Schlachthof gebracht und unsere Wagen kaufte ein alter Fiaker. Somit ging für uns eine sehr alte Zigeunertradition zu Ende.

”   Die einzige Stelle, wo Ceija Zeitangaben sehr ausführlich schildert, sind jene Tage und Minuten, in denen Ceija spürt, daß mit ihren Sohn Jano etwas nicht in Ordnung ist und er schlußendlich stirbt. Das Kapitel, in dem sie vom Tod ihres Sohnes erzählt, beginnt mit dem Satz: ”Es war am 10. November 1979.” An diesem Tag muß Ceija zu einem Jahresmarkt fahren und läßt ihren Sohn zurück. Von dem Zeitpunkt an quält sie eine gewisse Unruhe und gleichzeitig beginnt sie, die Zeit genau wahrzunehmen und zu schildern. Sie nennt das genaue Datum des nächsten Tages und beschreibt ihn folgendermaßen: ”Für mich war dieser Tag endlos und ruhelos.

” Zwei Seiten weiter erwähnt sie wieder die Zeit in Verbindung mit ihrer Aufregung:   “Ich dachte an meine Kinder, an Jano, um den ich ständig Angst hatte, und an meine kleine schwarze Puppe Silvia und ihre Tochter Simona. Die Gedanken an die Kinder und die Autobahn hielten mich in ihrem Bann. Meine Autouhr zeigte 22 Uhr.”   Anschließend an diese Szene spürt sie Janos Hand und hört seine Stimme, die sagt, daß er schon gestorben ist. Ihre Verzweiflung steigert sich zwei Stunden später: ”Die Uhr zeigte 24 Uhr. Ich lag im Bett und starrte durch das offene Fenster.

” Ceija versucht, sich zu beruhigen, indem sie zu stricken beginnt. ”Nach zwei Stunden war die schöne, kleine Weste fertig. Es war genau drei Uhr morgens.” Und dann doch die letzte Meldung: ”Es war entweder ein paar Minuten vor oder nach fünf, als das Telefon läutete.” Der Anruf teilt den Tod des Sohnes mit. Es ist interessant zu sehen, daß Ceija den Tod so wie das Leben als eine ”ewige Reise” bezeichnet: ”Nachdem sich mein Jano auf die ewige Reise gemacht hatte und dort drüben auf mich wartet, blieb ich mit meiner Tochter Silvia [.

..] zurück [...]” Ab dem Tod ihres Sohnes verändert sich für Ceija die Perspektive ihrer Zeitwahrnehmung: ”Die Jahre vergingen für mich mit einem anhaltenden, nie aufhörenden Entzug von meinem geliebten Kind.

”     3. 2. 2. Vertextung des Raumes im Werk   In ihrem ersten Werk ”Wir leben im Verborgenen” schildert uns Ceija kurz die Ereignisse aus ihrer glücklichen Kindheit, wo sie in der vertrauten Umgebung ihrer Familie das freie Leben der Reisenden genoß: ”1939 fuhren wir Rom noch mit Wagen und und Pferden frei in Österreich herum.” Im gleichen Jahr wird das ”Herumreisen” verboten. Das Verbot des Reisens beschneidet das Bedürfnis nach Freiheit, wodurch ein Gefühl der Beengung entsteht.

Ceija erzählt in einem Interview, wie diese Ereignisse über ihre Familie gekommen sind:   “Was man zum leben gebraucht hat, ist immer enger geworden, die Frauen durften keine Stoffe mehr verkaufen. Auch der Raum wurde immer beengter, obwohl wir im Freien waren. Wenn wir uns irgendwo hinstellten, wurde es uns verboten.”   Die Familie zieht dann nach Wien, wo sie sich ein kleines Holzhaus bauen muß, damit sie nicht auffällt. Das Leben beginnt für Ceija eine ”Ordnung” zu bekommen: ”Wir Kinder kamen wieder in die Schule, meine älteste Schwester Mitzi in eine Papierfabrik.” Man kann hier eine Einschränkung oder Beengung des Raumes erkennen.

Wie wichtig das naturverbundene Leben, weit weg von unserer ”schematischen” Welt, für die Roma ist, beschreibt Ceija in einer kurzen Geschichte:   ”Eine wahre Geschichte: Ein Pfarrer verurteilte einen armen, alten Zigeuner, denn er zahlte keine Steuer. Der Priester dachte so vor sich hin: ”Warte nur du böser Wicht, auch für dich wird das Stündlein schlagen, doch auf meinen Friedhof kommst du nicht!” Ja, wie gerecht war dieser Priester, es zu sagen, ist nur recht. Der Zigeuner ging zur Kirche, denn er war gewiß sehr fromm. Er bat um Gnade, denn sein Stündchen war sehr nah. Man begrub ihn außerhalb des Friedhofes, und so war es auch gerecht. Die Seele des Zigeuners freute sich so sehr, sie dachte: ”Ach, wie gut sind die lebende Priester zu mir, sie haben mich nicht am Friedhof eingekerkert, ich liege außerhalb des Friedhofes, ich bin selig und zufrieden, denn ich bin draußen und ich bin frei!”   Den Kindern wird später die Schule verboten und es ist gefährlich für sie, sich überhaupt im Freien zu befinden.

Die Beschränkung des Raumes für Ceija steigert sich immer mehr. Die Nazis legen ein spanisches Gitter um ihr Haus und somit ist jeder Versuch, sich außerhalb des Häuschen zu bewegen, eine Gefahr: ”Die Gestapo legte ein spanisches Gitter um unser kleines Holzhaus und verbot uns, uns außerhalb dieses Gitters aufzuhalten. Ja, wir spürten Auschwitz schon in der Freiheit.” Dann folgt die schlimme Zeit, die Ceija im KZ verbringen muß. Das Eingesperrtsein im Konzentrationslager ändert Ceijas Wahrnehmung von der Welt. Schon der Titel des ersten Kapitels ihres ersten Buches deutet auf die eingeschränkte Perspektive hin: ”Ist das die ganze Welt?” Für Ceija repräsentiert das Lager eine eigene Welt.

Erst ca. fünfzig Jahre später erfährt sie bei einem Besuch in Bergen-Belsen, daß es neben ihrer Abteilung auch andere gab:   “Obwohl der Abteil sehr groß war, wußte ich nicht, daß unmittelbar neben uns noch ein Abteil ist. Gell. Weil sagen wir diesen Abteil, den Du hier siehst, der war umrahmt von lauter Bäumen. Da gab es einen Zwischenraum von fünf Metern. Nachdem die nicht schreien durften und wir auch nicht, haben wir gar nicht gewußt, daß da noch ein Abteil ist, und noch einer, und noch einer.

.. Erst von oben, nach vierundfünfzig Jahren habe ich das Ausmaß der Größe gesehen, daß es noch ein Abteil gibt. Am Anfang als ich herausgekommen bin von dort hab’ ich geglaubt das ist alles, wo wir waren. Daweil war ein russisches Lager dort, dann waren Austauschjuden dort.”   In einem anderen Interview erwähnt sie noch einmal die Orientierungslosigkeit: ”Oft haben wir uns gefragt, wo sind die Menschen rundherum? Gibt es Österreich nicht mehr? Sind nur mehr wir da und das andere existiert nicht mehr?” Im Lager gibt es in den Baracken noch ”kleine Buchsen”, wo sie mit den vielen Menschen untergebracht sind: ”Wir krochen in die Buchse, sie war 2,40 x 2 m.

In der Baracke waren so viele Menschen und eine Buchse um die andere.” Im Lager hat Ceija keine Chance, sich von den anderen Menschen und erschütternden Ereignissen zurückzuziehen. Eine ”intime Sphäre” gibt es nicht, und wenn einem etwas passiert, haben gleich alle Angst um ihr Leben:   “Im ganzen Lager sah es schrecklich aus. Die langen Gräben und die vielen Toten und dazu der viele Regen. Es war grauenvoll. Wir hatten schon drei Tage keine Suppe bekommen.

Die Menschen konnten sich nicht mehr bewegen. Manche waren schon tot, aber man ließ sie noch in der Baracke.”   Nach der Befreiung wird die Frage nach der Herkunft für Ceija wieder aktuell. Sie berichtet von einer tragikomischen Situation, als ein Besatzungssoldat zu ihr sagt:   “Ich bin Engländer. Ihr seid jetzt alle frei. Von wo bist du?’ Ich sagte: ‘Ich bin von Austria’, meinte aber die Papierfabrik im 16.

Bezirk neben der Paletzgasse, die Austria hieß. Ich kannte ja sonst nichts.”   Die Raumwahrnehmung nach dem Lager ist auch eingeschränkt. Ceija fühlt sich fremd und einsam in der ”großen Welt” außerhalb des KZ, die nicht viel Verständnis für ihr Schicksal hatte:   “Und auch nach 1945 war das sehr schwer. Wir sind rausgekommen und jetzt kommst du rein in die Stadt, unter Menschen, die von dem Ganzen nichts wissen. Der kennt ja meine Gefühle nicht, der weiß nicht, was ich hinter mir hab, wo ich gewesen bin.

Das ist nicht leicht. Und trotzdem mußt du dich auf die Füße stellen, sonst verkommst du, du mußt ja leben.”   Das Gefühl der Freiheit hat Ceija trotz der räumlichen Einschränkung behalten, was von ihrer Positivität spricht:   “Im Wohnwagen hatten wir wenig Platz, und auch der Raum, den wir neben dem Wagen benützten, war beschränkt. Aber wir haben Augen gehabt, wir haben die Ferne gesehen und den Flug der Vögel und die Bäume, wenn sie getanzt haben.”     3. 2.

3. Die Einschränkung der Identität   Am Beispiel der Behandlung der Juden vor dem Zweiten Weltkrieg weist Ceija auf das ähnliche Schicksal der Roma hin: ”Der Jude war zuerst der ”schöne Nachbar”, dann nur ein ”Jud’”, und dann ein ”Nichts”, das im KZ vernichtet wurde:   “Am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es sogar noch Massengräber. So wie damals der Jude auch der schöne Nachbar im Haus war, ist das heute wieder Dein Nachbar. Er hat der armen Bürgerin Brot gegeben, ihr Schilling geborgt und plötzlich war’s der Jud. Man hat ihnen alles weggenommen.”   Das Leben im Konzentrationslager ist von der gewohnten Außenwelt völlig getrennt.

Die Identität im Lager kennzeichnet nur die Tätowierungsnummer: ”Am nächsten Tag mußten wir uns alle zu fünft aufstellen und in den Tätowierungsblock marschieren. Ich bekam die Nummer Z 6399.” Im Lager Ravensbrück bekommen die Häftlinge auch eine Nummer:   “Anschließend bekamen wir alle eine Registriernummer: ein weißer, länglicher Stoffstreifen mit einem schwarzen Winkel, das hieß arbeitsscheu. (Aber wie konnte ich arbeitsscheu sein, ich war ja noch ein Kind!) Den Streifen mußten wir uns auf die linke Seite nähen. Nun waren wir alle gekennzeichnet: der letzte Abschaum der Menschheit.”   Der zunehmende Identitätsverlust wird beim Aufenthalt in den verschiedenen Lagern sichtbar:   “Nein! Nicht mehr in Bergen-Belsen.

Da warst Du nichts mehr. Da warst Du kein Zigeuner, da warst Du ein Niemand. In Bergen-Belsen, da hast Du keine Registriernummer mehr gehabt. Da hast Du keinen Namen gehabt. Da warst du Nichts.”   Als sie aus dem KZ kommen ist, hat sie wieder mit der Einschränkung der Identität zu kämpfen.

Ausgegrenzt, weil sie eine Romni ist, spürt sie auch die Einengung bei der Erziehung ihrer Kinder. Ihren Sohn Jano holt man von zu Hause weg und steckt ihn in eine Erziehungsanstalt, weil er in der Schule schwänzt:   “Ich konnte es nicht fassen. Da plagte man sich für seine Kinder, und ein anderer nahm sie und machte mit ihnen was er wollte. Für mich ging alles unter, ohne meinen Jano konnte ich nicht mehr leben. In meinen Träumen sah ich sein Gesicht. [.

..] Es war mir unbegreiflich, wieso sie mein Kind in ein Heim steckten. Es war Winter 1968 und ich spürte die Kälte von Auschwitz.”     Auch jetzt versucht man die Roma-Identität zu leugnen. Ceija kritisiert, daß das Schicksal der Roma in der Öffentlichkeit zu wenig präsent ist:   “Es ist auch eine Behandlung, die ungerecht ist.

Es wird alles nur über die Juden gesprochen und die Zigeuner haben nichts erlebt. Wir werden unter den Minderheiten noch diskriminiert. [...] und als Frau.

”   Die geschlechtliche Diskriminierung der Frau ist ein wichtiger Punkt, besonders in der jungen ”Zigeuner-Literatur”. Ceija hat als Frau große Probleme mit ihren männlichen Verwandten, als sie zu schreiben beginnt:   “Und da ist aber der Machtkampf zwischen den Männern - jetzt sind wir wieder dort: Männer. Hätte er früher (zu schreiben begonnen), hätte ich keine Chance, überhaupt eine Aussage zu machen.”   Verwandtschaft spielt eine große Rolle in Ceijas Leben. Gerne erinnert sie sich an die schöne Zeit ihrer Kindheit, wo noch die gesamte Familie zusammen ist. Zugleich bereitet ihr die Erinnerung einen stetigen Schmerz, da mit ihr der Verlust der geliebten Personen verbunden ist.

In ihrem ersten Buch spricht Ceija von einem Haus im sechzehnten Bezirk, in dem die Familie vor der Deportation ins Lager gelebt hat. Am Haus befinden sich die ersten "Identitätsspuren" ihrer Kindheit, das "Gekritzel", das sie als Kinder an die Mauern geschrieben haben. Diese schriftlichen Zeugnisse sind für sie wichtige Anhaltspunkte für ihre Identität. Sie besucht oft diesen Platz, damit sie der Erinnerung freien Lauf geben kann.   “Es gibt eine Mauer, an der so viel Gekritzel von uns steht, unsere Namen, wer alles da war. Heute noch kann man viel davon lesen.

Es ist schon sehr blaß, aber man kann es noch sehen. Stundenlang sitz ich dort. Das lebt in mir. [...

] Manchmal denk ich, könnt ich die Zeit nur halten. Oder die Sekunde verwünschen, wo mein Vater gerade zu Hause war. Er war eh nur selten da, [...] Diese Sekunde, wo er zu Hause war und der Wagen gekommen ist, die könnt ich verfluchen.

”       3. 3. Beweggründe, warum Ceija Stojka ihre Lebensgeschichte aufzeichnete   Im Gegensatz zu vielen anderen KZ-Häftlingen ist Ceija Stojka bereit, über ihre Erlebnisse im KZ zu berichten und so das Schweigen zu brechen. Sie bringt zwei Bücher an die Öffentlichkeit. Vorerst hat sie nicht die Absicht, die Bücher einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wie sie selbst in einem Interview sagt, wollte sie ihre Lebensgeschichte ihren Kindern und Enkelkindern schriftlich überliefern.

Für sie selbst ist der Prozeß des Schreibens eine Art von ”Therapie”, um über die noch unausgesprochenen Erlebnisse im KZ hinwegzukommen.   “Als ich das Buch geschrieben habe - und das ist die Wahrheit - vor zehn Jahren, da hab’ ich mich gelöst, also den Druck aus meinem Bauch, wo man immer gesagt hat ”Auschwitzlüge” und ”das Gelogene”, wo dann mein Bruder..., also ich habe nicht geschrieben für die Öffentlichkeit, ich hab’ für mich geschrieben. Und wenn ich einmal meine Augen zumache: für meine Kinder.

Ich hab’ nie gedacht, daß es an die Öffentlichkeit kommt. Ich hab’ auch nicht gerechnet, daß es jemand nimmt und zu einem Verlag... Ich wär’ sowieso nie damit gegangen!”   Mit ihrer Geschichte illustriert sie nicht nur ihre individuelle Erfahrung, sondern viel weiter, die Geschichte eines ganzen Volkes. Sie will erreichen, daß man nichts vergißt oder verheimlicht, was damals geschehen ist.

Außerdem ist es ihr Ziel, die Roma-Tradition weiter leben zu lassen: “Es ist gut, daß es Menschen gibt, die wissen wollen, wer ich bin!” Ceija hat kein Interesse daran, ein hochliterarisches Werk zu verfassen. Ihr Werk lebt nicht von der Fiktion, sondern von der Geschichte, von den Greueltaten der Nazis, aber auch vom Reichtum der Roma-Kultur. Über ihr Volk sagt sie folgendes:   “Aber im Grunde ist auf uns nie etwas Gutes zugekommen. Wir Rom sind ein Volk, das sehr im Hintergrund lebt, seit Jahrhunderten. Wir haben uns nie gerühmt, wir können das und das, wir sind eine große Persönlichkeit, obwohl wir das vielleicht hätten sagen können. Wir haben uns immer, egal ob Rom oder Sinti, im Verborgenen gehalten und nur gewartet, was auf uns zukommt.

Leider Gottes ist auf uns nur Böses zugekommen, egal, ob vor dem KZ oder nachher.”   Die Diskriminierung der Zigeuner erklärt Ceija zum Teil als eine ”Eifersucht” der ”Gadje” ihrem Volk gegenüber. Der Rom lebt sein Leben viel unförmlicher und freier. Diese Unterschiede sieht man schon bei den Kindern:   “Vielleicht sind die Gadje heute, in dieser Zeit, wo wir fast zum 21. Jahrhundert gehen, auch schon ein biß´l lockerer geworden und lassen den Kindern ein biß´l mehr Freiheit. Aber im großen und ganzen werden sie darauf getrimmt: Das mußt du tun und das darfst du nicht.

”   Ceija schreibt auch Gedichte, in denen sie sich kritisch über die Vergangenheit und über zeitgenössische Probleme äußert. Sie schreibt sehr ehrlich und offen ihre Kommentare und Bemerkungen, ihre Kritik an der damaligen und heutigen Gesellschaft. Die bitteren Erfahrungen der Ausgrenzung sind für sie heute noch aktuell:   “Warum hat man nicht in Auschwitz geschrien: Ausländer raus und warum müssen erst 50 Jahre vergeh’n war es damals nicht erlaubt und jetzt ist es gestattet zu schrei’n: Ausländer raus, raus, raus...”     3.

4. Die Art und Weise wie Ceija Stojka ihre Erlebnisse darstellt   Ceija besitzt die Kunst, uns die einzelnen Situationen, von denen sie berichtet, äußerst lebhaft darzustellen. Sie läßt den Lesern an ihrer Gefühlswelt teilnehmen und damit durchbricht sie die Distanz zu den Geschehnissen der Vergangenheit und ruft eine gewisse Unmittelbarkeit hervor. Die Kunst, uns die Situationen so wahrheitsgetreu darzustellen, liegt auch vermutlich darin, daß Ceijas Hauptaugenmerk nicht am literarischen Stil liegt, sondern, daß ihr wichtig ist, natürlich zu erzählen. Sie verbindet die KZ-Welt mit ihrem bisherigen Leben. Und so können wir uns die ganzen Schilderungen sehr gut vorstellen.

Es ist eine Perspektive, die uns sehr ans Herz geht. Sie baut Antonyme auf, in dem sie trotz der Welt im KZ, die Schönheit der Außenwelt nicht vergißt. Es kommt so oft zu Situationen, die objektiv gesehen schrecklich sind, aber an denen Ceija doch etwas ”Positives” findet:   “Aber ihr kleiner dreijähriger Junge lag auf dem Totenhaufen. Er lag auf dem Rücken. Schöne schwarze Augen hatte er und schwarzes Haar. An seinem Körper trug er einen dunkelblauen Angorrapullover.

Er war ein schönes Kind gewesen, aber nun war er schon acht Tage tot.”   Selbst bei einem Besuch im KZ denkt sie nicht nur an die schreckliche Zeit, die sie darin verbringen mußte, sondern läßt die Natureindrücke auf sich wirken. Sie empfindet den Regen als einen Begleiter, der ihr Schicksal kennt und mit ihr weint und sie trotzdem positiv stimmt: ”Es hat furchtbar geregnet, wir waren patschnaß, aber es war herrlich, ein Empfang für uns, eine Begrüßung. Es war ein warmer Regen.” Ceija vermittelt uns sehr stark und bildhaft ihre Gefühle, ihre enge Verbundenheit mit der Natur und den Glauben an das Leben. Von der Mutter hat sie die Stärke bekommen, die ihr Selbstvertrauen und eine Persöhnlichkeit gaben.

Dieser Glaube an sich selbst rettete ihre Identität in der Zeit im KZ, wo man sie zu vernichten versuchte:   “Früher hat sie öfter zu mir gesagt: Du bist du, Ceija, du darfst keine andere sein, du mußt immer schau’n, daß du deine Art, die dir der liebe Gott gegeben hat, behältst, und daß du sagst: Ich bin ich, was willst du von mir? - Wenn man das nicht ist, wird man ein Mauerblümchen und kann aus seinem Leben nichts machen. Hätt ich mich immer verkrochen, wo wäre ich hingekommen? Wär ich wahrscheinlich in Auschwitz geblieben.”   Ceija glaubt auch an ein Weiterleben der Verstorbenen nach dem Tod. Hier finden wir eine ”archaische” Vorstellung , nämlich jene, daß sich die Seelen der Verstorbenen in Tiere verwandeln:   “Und in dem Moment rennen zwei Hasen vorbei, bleiben dort stehen, setzen sich auf und spielen miteinander. Ist denn so etwas möglich, hat der Karli gesagt, wenn du das jemandem erzählst, das glaubt dir kein Mensch, aber du siehst es mit deinen eigenen Augen. Mir kommt das so vor, als wären es der Kurti und unser Ossi.

[...] Ja du hast recht, sie haben uns gesehen, das sind ihre Seelen. Du glaubst, sie sind in die Tiere hineingeschlüpft, um uns diese Freude zu machen. [.

..] Ein Bodenwind ist gegangen, ein leichter. Kein normaler Wind. Für mich war das ein Wind der Begrüßung, von den Menschen, deren Seelen dort sind. Mit dem Wind hab ich gesprochen: Ich bin eh da, wir haben es geschaft.

”   Die Sinneswahrnehmungen spielen eine große Rolle in ihrem Werk; die Erinnerungen werden durch Gerüche oder Geräusche hervorgerufen. Die Empfindungen, die sie dann verspürt, sind stark wie damals:   “Sonne, Wind, bei einer Mauer, gell. Und plötzlich kam durch das Feuchte, durch die Wärme... kam der Geruch aus dem Stein raus, als wäre es jetzt genau wieder so, wie es damals war.

Ja, könnt ihr das verstehen?”   Ein wichtiger Punkt in Ceijas Werk sind ihre Träume. Meistens sind es Alpträume, die sie seit der Kindheit plagen, aber auch Visionen oder Voraußdeutungen die in wichtigen Situationen kommen. Durch ihre Träume erlöst sie sich vielleicht von den Ereignissen aus dem KZ und wandelt sie in etwas Erwünschtes und Gerechtes um:   “In dieser Nacht träumte ich. Ich erwachte und lachte über meinen Traum. [..

.] Ich sah das Lager Bergen-Belsen von damals und darin ein großes Grabmal. Ich sah, wie sich das größte Grab mit seinen Toten in die Luft hob. Es sah aus, als hätte es keine Kraft, ziemlich wackelig schwebte es in der Luft. Plötzlich schlossen sich die kleineren Gräber dem Rumpf an, und alle Gräber von Bergen-Belsen bildeten einen Riesenvogel. Er formte sich aus der Erde der Gräber, die unzähligen Leichen bildeten seine Federn, die Totenköpfe schauten überall aus dem Gefieder hervor.

Der jetzt kraftvolle Vogel schwebte über Bergen-Belsen. Doch er sah nicht traurig aus. Er flog zu jenen, die am Tod der vielen Menschen schuldig waren.”   Ceija verspürt keinen Haß gegen die Menschen, die ihr die Qualen im KZ angetan haben. Sie hat Mitleid mit ihnen und versucht sie auch zu verstehen:   “Wenn dieser junge Mann, der gerade eine Frau geheiratet hat und ein Baby kriegt und verliebt ist und der muß nach Auschwitz rein und den Wahnsinn dort miterleben muß, dann ist es ja ganz klar, daß er sagt: ”Diese Kreatur, wenn die nicht da wäre, dann wäre ich zu Hause.” Und so war es.

Und es ist so. Es waren nicht alle böse. Es hat Ausnahmen auch damals gegeben. Ein Nazi ist auch nur ein Mensch. ”Nazi” ist nur die Bezeichnung für das, was er tut in seinem Leben, wo er sich hinwendet, aber in Wirklichkeit ist er ein Mensch!”   Die Genugtuung für Ceija ist die, daß die Nazis die selbe Luft wie die Gefangenen einatmen mußten. Nach dem Leben im KZ versucht sie eine Erklärung für die Menschen mit Vorurteilen zu finden.

In ihrem Buch ”Reisende auf dieser Welt” beschreibt sie eine Situation, wo sie sich den Identitätsausweis holen mußt. Sie stößt auf einen Beamten, der sie erniedrigt. Kritisch, die Scheinmoral entdeckend, und doch voll Gefühl, erzählt sie uns diesen Vorfall:   [...] ”Aber höre jetzt gut zu, du Zigeunerin.

Daß du dir ja nich erlaubst, irgendwann einmal bei unserer Gemeinde zu betteln. Hast du mich verstanden? Ich will dich hier bei uns nie wieder sehen!” Dann fügte er noch hinzu: ”Mia san ka Bett’lamt und schon gor net für euch.” Mein Blick erreichte eine Zimmerecke, von wo mich der Gekreuzigte barmherzig ansah. Dann sah ich das Lächeln eines Mannes auf einem Bild: Der damalige österreichische Bundespräsident. Meine Beine versteiften sich. Nein, nicht aus Haß oder Angst, sondern aus reinem Stolz.

Es lag überhaupt nicht in meinen Gedanken, von dieser Gemeinde etwas zu erbetteln. Ich dachte so vor mich hin: ”Mein Gott, ist dieser Mensch arm, arm an seinem eigenen verbissenen Leben.” Ich war auch damals als Reisende zufrieden und glücklich, während dieser Bedienstete am Joiser Amt Angst hatte, daß ihn die Roma anbetteln könnten.”   Sie beschreibt, wie es im KZ unter den Gefangenen keine Diskriminierung gibt:   ”Wir waren alle zusammen an einem Platz. Aber für uns ist es ja nicht um die Grenzen gegangen. Für uns hat der Mensch gezählt.

” Ceija stellt sich nicht als eine leidende Heroin ins Bild, sie schildert ihr Leben nicht als eine riesige Heldentat, sondern erzählt über sich im Hinblick auf das Schicksal anderer Menschen.    4. Ceija Stojka “Wir leben im Verborgenen”     4.1. Entstehungszeit  Schriftliche Literaturen der Roma sind uns in Österreich erst seit wenigen Jahren bekannt. Sie zählen zu der Gruppe der Minderheiten, die aus Angst vor noch stärkerer Diskriminierung und Unterdrückung lange davor zurückschreckten, ihr Schicksal schriftlich festzuhalten.

Das Leben der Sinti und Roma ist von einer Geschichte der Verfolgung bestimmt. Seit Ankunft der Zigeuner im Mitteleuropa im 14.und 15. Jahrhundert war das Mißtrauen der seßhaften Bevölkerung gegenüber dieser Minderheit sehr groß. Im 15. Jahrhundert, zum Beispiel, wurden Zigeuner auf einem Reichstag für “vogelfrei” erklärt, was natürlich vollkommene Rechtlosigkeit bedeutete.

Später galten sie sogar als Schuldige bei Seuchen und standen in den Augen der abergläubischen Bevölkerung im Bund mit dem Teufel. Zweifelsohne erreichte ihre grausame Verfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus ihren Höhepunkt:   “Gemeinsam mit Juden, politischen Häftlingen, Behinderten und Homosexuellen werden die Zigeuner zu Opfer des totalitären Regimes. Der rassenideologische Blut und Boden Mythos des Dritten Reiches sowie darauf aufbauendes anthropologisches und biologische Schrifttum stempeln den Zigeuner zum Untermenschen, zum Parasiten des deutschen Volkes.”  Die Erinnerungen an diese Grausamkeit in den Konzentrations- und Vernichtungslagern und Träume, in denen ihre Erlebnisse bis zum heutigen Tag gegenwärtig bleiben, brachten Roma dazu, jahrelang ein Gespräch über diese Zeit zu verweigern. Vor allem der Verlust von Angehörigen und Freunden war groß und in den wenigen, die der Verfolgung entkommen waren, hat somit “das Schweigen alle Sätze aufgefressen. Andere haben niemals geredet - Ihr sprachliches Entsetzten hält an.

” Weil das Erzählen oft zu schmerzhaft war, sind uns viele Geschichten ihres Leidens und ihres Überlebenskampfes verlorengegangen .... Erst in den letzten Jahren, genauer gesagt seit Ende des Zweiten Weltkrieges, haben einige Zigeuner den Weg in die Öffentlichkeit gewagt. Auch wenn es kein leichter Schritt war, begannen sie erstmals schriftlich Zeugnis über ihre Unterdrückung im Nationalsozialismus zu geben.

Einerseits schreiben viele, um ihr Leben aus der Anonymität zu holen, aber auch um die schrecklichen Erfahrungen der Diskriminierung zu verarbeiten. Trotzdem ist an dieser Stelle zu erwähnen, daß heute ein nur recht geringer Prozentsatz unter den Zigeunern, dieses für sie neue Medium verwendet, um ihre Umwelt, Lebensweise, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beschreiben. Häufig findet nämlich eine solche Auseinandersetzung mit der jeweiligen Lebenssituation durch musikalische Ausdrucksmittel oder auch im Bereich der bildenden Kunst statt. Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom - Zigeunerin. zählt somit zu den ersten und wenigen Aufzeichnungen, in denen Roma und Sinti ihre Erinnerungen und Schrecken der Konzentrations- und Vernichtungslager schriftlich festhalten.

Genau gesagt ist Ceija Stojka die zweite Autorin, die über ihre Erlebnisse als Gefangene berichtet. Ihre Autobiographie erschien erst drei Jahre nach der Herausgabe des Werkes “Zwischen Liebe und Haß” von Philemona Franz. Laut Beate Eder war Stojka und ihrer Herausgeberin Karin Berger diese Autobiographie noch nicht bekannt. “So erklärt sich auch folgender Hinweis im Vorwort Bergers zu Wir leben im Verborgenen: Ihre Aufzeichnungen sind die bisher einzigen von Roma oder Sinti schriftlich festgehaltenen Erinnerungen an die Schrecken der Konzentrations- und Vernichtungslager. In einem weiteren Aufsatz erwähnt Beate Eder, daß Roma - Autoren in den meisten Fällen einander gar nicht kannten. Dadurch ließe sich auch die Gemeinsamkeit in der Auswahl der Themen unter den Roma - Autoren erklären.

Das Erscheinungsjahr des Werkes Wir leben im Verborgenen ( 1989 ) fällt genau mit der Gründung der ersten offiziellen Vertretung von Roma in Österreich, dem Verein “Roma und Sinti - Verein zur Förderung von Zigeunern”, zusammen. Dieser Verein hofft vor allem auf ein neues und integratives Zusammenleben von Roma und Nichtroma. Unter der Volksgruppe begann mit dieser Gründung ein Selbstbewußtsein, sie beginnt sich zur Romaidentität zu bekennen. Es kam natürlich sehr rasch zu Publikationen von Literaturen dieser “Minderheit” und engagierte Autoren und Autorinnen hatten nun die Gelegenheit mit zeitgenössischen Schriftstellern dieser Volksgruppe in Kontakt zu bleiben.   4. 2.

Entstehungsbedingungen   Roma und Sinti, die ihre Erlebnisse und Lebensweisen schriftlich festhalten, werden bei ihrer Arbeit mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. In erster Linie wollen sie mit ihren Verschriftlichungen ihrem jeweiligen Land als gleichberechtigte Bürger anerkannt und nicht als Minderheit an den Rand der Gesellschaft gerückt werden. (An dieser Stelle möchte ich auf das Interview mit Ceija Stojka hinweisen. Sie war in den letzten Jahren vergebens darum bemüht, das Wort Minderheit nicht länger für die Volksgruppe der Roma und Sinti zu verwenden. Ceija Stojka nennt Zuwanderer, Migranten, Flüchtlinge und Angehörige ethnischer Minderheiten Wenigerheiten, da sie ja eigentlich dem Merheitsvolk angehören. ) Zuerst stellt sich dem Schriftsteller aus einer Volksgruppe natürlich die essentielle Frage: In welcher Form soll das literarische Werk veröffentlicht werden? Die Angst vor Diskriminierung führt in vielen Fällen zur Verleugnung der Identität.

Dennoch wählen viele Roma - Schriftsteller aus Liebe zu ihrer Volksgruppe und aus Angst vor einem möglichen Aussterben bewußt ihre eigene Sprache, das Romanes. Diese indoeuropäische Sprache besteht aus einer Vielzahl von Dialekten und ist in ihrer schriftlichen Form bis heute noch nicht standardisiert. Natürlich kam es in Laufe der Zeit in allen Ländern, in denen das “wandernde Volk” gelebt hat, zur Aufnahme von Lehnwörtern. “Der Wortschatz der Romadialekte ist vergleichsweise gering: Er setzt sich aus durchschnittlich 1200 Wörtern zusammen, davon entfallen 400-600 auf indische Ursprungswörter, der Rest setzt sich aus Lehnwörter zusammen.” Heute wachsen Roma, wenn sie auch nicht mehr auf ständiger Reise sind, meist zweisprachig auf. Sie beherrschen neben ihrem Dialekt die jeweilige Landessprache.

Auch Ceija Stojka spricht in ihrem Interview mit Karin Berger über den Gebrauch ihrer Sprache. Auf die Frage, in welcher Sprache die Zigeuner untereinander reden, antwortet sie: “Das [ Romanes ] haben wir schon in der Wiege mitgekriegt. Wir haben Romanes gesprochen und wenn wir unter Gadje waren, Deutsch. ...

Es kommt auf meine Laune an.” Meist ergeben sich für die Gruppe, die ihrer Muttersprache bei der literarischen Verarbeitung treu bleibt, bei der Publikation eine Reihe von Problemen. Sie werden oft mit der Tatsache konfrontiert, daß nur wenige Verlage Bücher in Romanes veröffentlichen. Die Chancen steigen, wenn es sich um zweisprachige Texte handelt. Andere Autoren und Autorinnen wählen die jeweilige Landessprache, um ihre Anliegen Zigeunern sowie Nicht - Zigeunern näher zu bringen. Doch in diesem Fall ergeben sich wieder schwierige Umstände.

Wie sollen sie in der jeweiligen Landessprache epische Werke, Gedichte und Theaterstücke veröffentlichen, wenn doch ihr Leben vor der Gefangenschaft von mangelnder Schulbildung gekennzeichnet war? Die Autorin Ceija Stojka war nach dem Konzentrationslager selbst um den Erwerb von schulischen Grundkenntnissen bemüht, da sie ohne Schulbildung keine Chancen zum Überleben sah. In einem Interview mit Karin Berger erwähnt sie, daß sie nach ihrer Entlassung nicht einmal “gescheit” ihren Namen schreiben konnte. Auch wenn es für sie nicht einfach war im Alter von dreizehn Jahren gemeinsam mit Kindern aus der 2. Schulstufe den Unterricht zu besuchen, hat sie Lesen und Schreiben gelernt. Aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten bei der Textproduktion kommen dann viele Roma - Schriftsteller zu Herausgebern, mit denen sie gemeinsam das Werk nochmals durcharbeiten. Herausgeber sehen ihre Aufgabe darin, Autoren und Autorinnen, die Schwierigkeiten mit der Sprache haben, zu unterstützen, ihre Texte zu perfektionieren und womöglich die “richtigen Worte” zu finden.

Sie unterstützen sie vor allem darin, in der immer noch fremden Sprache das auszudrücken, was ihnen ein Anliegen ist. Auch Ceija Stojka erzählt im Gespräch mit uns, wie es zur Veröffentlichung ihrer Autobiographie gekommen ist:   “Ich hab´ einen lieben Menschen kennen gelernt - das ist Karin Berger. ( ... ) Sie hat sich bemüht, .

.. ist zu einem Verlag gegangen und der Verlag, der Verlag wollte die Originale haben. Die wollt ich nicht herausgeben, weil so viele Fehler drin sind, weil ich ja nicht lesen und schreiben ...

. Also ja, dann hat sie das also in einem ... also richtig getippt.”   Wir leben im Verborgenen erschien dann unter der Herausgabe von Karin Berger.

Stojkas literarischer Beitrag wurde auch noch durch ein Interview ergänzt, um so dem Leser mehr Eindruck in die Lebensgeschichte, Denkweisen und Anliegen der Minderheiten in Österreich zu geben. Durch gewisse Leitfragen die in den Gesprächen immer wieder präsent waren, wie zum Beispiel: “Woher kommen Sie?” “Wie wurden Sie in Österreich aufgenommen?” “In welchem Umfeld sind Sie aufgewachsen?” “Wie und warum haben Sie zu schreiben begonnen?” erfahren wir über die jeweilige Lebenssituation der Autoren. Der Schreibbeginn ist für viele Roma, die als Außenseiter und Unterdrückte im ganzen Land abgestempelt werden, eine schwierige Zeit des Durchhalten. Vor allem Frauen stehen während ihrer Arbeit am Manuskript vor weiteren Problemen. Von der Volksgruppe werden derartige schriftliche Verarbeitungen nicht als sinnvolle Beschäftigungen, denen eine Frau nach traditionellen Vorstellungen der Roma - Familien nachgehen soll, anerkannt. Auch Ceija Stojka, die ihre Biographie vor allem während ihrer Haushaltsarbeit geschrieben hat, erzählt in unserem Interview über die unterschiedlichen Reaktionen der Verwandten und nächsten Bekannten.

Anfangs wurde “das Geschreibe” von ihrem Bruder als Gekritzel abgewertet. Stojka reagierte auf solche und ähnliche Aussagen mit Antworten wie: “Ich muß geduldig sein und ich muß mir Zeit lassen, irgendwann einmal werden sie einsehen, daß es der richtige Weg ist, nicht.” ....

In ihrer Geduld hat sie sich dann auf den besten Weg einer Bestsellerautorin gemacht. In Deutschland ist die Autobiographie fast auf jedem Tisch - was Kultur anbelangt - zu finden und im Laufe der Jahre hat es Japan und Amerika erreicht. Natürlich sind die Geschwister ab einem gewissen Berühmtheitsgrad stolz auf Schriftstellern und Schriftstellerinnen in der Familie. Es kommen sich dann alle Angehörigen irrsinnig wichtig vor, wenn diese kleine Frau plötzlich mit der Welt zu tun hat, die Hand den Höchsten gibt und mit ihnen Gespräche führt.       4. 3.

Textsorte: Autobiographie   In Ceija Stojkas Autobiographie Wir leben im Verborgenen steht die bittere Zeit des Nationalsozialismus, der sich die Roma als erste Sündenböcke erwählt hat, im Mittelpunkt ihres Erzählens. Die schriftliche Fixierung ihrer Vergangenheit mag unter dem Volk der Roma und Sinti sehr wohl ein neues Ausdrucksmittel sein. In den vergangenen Jahren wurde die Lebensweise dieser Volksgruppe zwar durch Liedtexte, durch ihre Musik, in Legenden und Märchen ans Tageslicht gebracht, blieb aber vor allem auf die mündliche Form beschränkt. Daher stellt sich bei näherer Betrachtung von Stojkas Werken die Frage: Was hat Ceija Stojka bewegt, ihre Erinnerungen und Schrecken der Konzentrations- und Vernichtungslager in der Erscheinungsform einer Autobiographie schriftlich zu fixieren? Das Schaffen von Literatur erhält für Autoren und Autorinnen durchaus auch eine psychologische und therapeutische Funktion. Durch das “Aufschreiben” sollen die Erlebnisse aus der Vergangenheit bewältigt werden. Gerade in der schwierigen Situation der Zuwanderer, Migranten, Flüchtlingen und Angehörige ethnische “Wenigerheiten” kann Schreiben zur Überlebensstrategie werden.

In ihrer Identitätssuche bedeutet Schreiben zum einen ein Nachdenken über sich selbst und die Gesellschaft, aber für Angehörige des “Mehrheitsvolkes” auch ein Einblick in das Leben fremder Kulturen. Für Ceija Stojka war vor allem die Diskriminierung und Verfolgung unter dem Nationalsozialismus ein wichtiger Auslöser die Vergangenheit schriftlich zu fixieren. Sie selbst erzählt über ihren Schreibbeginn:   “Als ich das Buch geschrieben habe - und das ist die Wahrheit - vor zehn Jahren, da hab ich mich gelöst, also den Druck aus meinen Bauch, wo man immer gesagt hat “Ausschwitzlüge” und “das Gelogene”, wo dann mein Bruder ....

., also ich hab nicht geschrieben für die Öffentlichkeit, ich hab für mich geschrieben.”   In den Jahren nach dem Aufenthalt im Konzentrationslager gab es in ihrem Leben keine Bezugsperson, mit der sie Erfahrungen und Erlebnisse ihrer Verfolgung austauschen konnte oder die ihren Erzählungen zugehört hätte. All den Bekannten und Familienangehörige, die die Zeit in den Vernichtungslagern miterlebt haben, fiel es schwer, sich ihre Erinnerungen wieder ins Gedächtnis zu rufen. Es gibt zwar auch heute noch viele Menschen, vor allem Jugendliche, die über das Leben in den Konzentrationslagern erfahren wollen, doch meist können sie nicht konzentriert zuhören oder sich nur schwer in die Zeit der Verfolgung und Ausbeutung zurückversetzen. In ihrem Gespräch bedauert Ceija Stojka, daß sie eigentlich nie mit ihrer Mutter über die Verfolgung der Zigeuner gesprochen hatte.

Sie hatte ja ohnehin soviel Kummer gehabt und deshalb wollte sie Ceija nie damit belasten. Da sie auf ihrer Wanderung durch das weite Land mit ihrer Mutter auf engsten Raum zusammengelebt hatte, kam es natürlich immer wieder zum Austausch von Erinnerungen:   “... während ich mit meiner Mutter immer wieder - auch als ich schon Frau war ja, und schon Großmutter geworden bin - Erinnerungen ausgetauscht habe. Zum Beispiel von der Kartoffelschale, die eine Frau, also eine Weißrussin, verloren hat.

Und ja, da hab ich gesagt: “Mama kannst dich erinnern?” und sie hat immer gesagt: “Ja, wenn du schälst eine Kartoffel - dann schäl sie dick!” Das sind die Erinnerungen die in mir stark hochgekommen sind: “Mama, kannst du dich erinnern, wenn das noch stärker gewesen wäre, hätten wir noch mehr Kraft gehabt.”   Doch der Schmerz war immer zu groß. Es kam nie zu einer Fortsetzung der Gespräche oder zu einer Bewältigung der Vergangenheit. “Ja sie hat immer nur angedeutet, aber sie konnte nie etwas ganz zu Ende ...

- dann ist schon der Schmerz gekommen. Und dann waren ihre Augen schon ganz gläsrig gell, diese blauen Augen, und ich mußte schon mit meiner Stimme spielen...” Somit könnt diese Autobiographie auch als Ersatzmedium zur Konversation mit der Mutter betrachtet werden. Wieder an einer anderen Stelle in unserem Gespräch erzählt die Autoren: “Ich hab für mich geschrieben und wenn ich die Augen zumache: für meine Kinder.

” Musik und Gesang spielen im Leben der Roma und Sinti ja eine äußerst wichtige Rolle. In einem anderen Interview mit Karin Berger im Anschluß an das Werk Reisende auf dieser Welt erzählt sie:   “Der Wald rauscht, die Vögel fliegen über dich, die Sonne lacht, du spürst das Gras wachsen, zwischen den Zehen, da kann man nicht einfach nur stumm sein. Man muß, ob man will oder nicht, sich irgendwie ausdrücken, ob es in Liedform ist oder in Gedichten oder indem man Geschichten erzählt. Und der Rom singt. Er singt über alles, es gibt nichts, worüber er nicht singt.”   Durch Lieder werden Geschichten erzählt, Lebenserfahrungen ausgetauscht, Gesetzte vermittelt, Traditionen weitergegeben aber auch Gäste willkommen geheißen und geehrt.

Im Volk der Zigeuner war die Weitergabe traditioneller Romamelodien und Liedtexten vor allem den Frauen zugeschrieben. Ceija Stojka ließ sich diese Aufgabe und Stellung natürlich nicht nehmen. In ihren Augen mußte die Weitergabe von Traditionen eine lebendige sein und da auf Grund der geänderten Lebensumstände eine Weitergabe durch Musik kaum mehr vorhanden ist, hält sie ihre Lebenserfahrungen für die nachkommenden Generationen in schriftlicher Form fest. Es gibt unterschiedliche Gründe, die zur Produktion schriftlicher Literatur geführt haben. Sicher jedoch ist, daß Ceija Stojka in ihrer Autobiographie die schrecklichen Erlebnisse aus der Vergangenheit zu verarbeiten versucht. Andererseits holt sie mit ihren Werken die Volksgruppe der Roma und Sinti aus der Anonymität und dem Verborgenen und kämpft engagiert um deren Anerkennung unter dem “Mehrheitsvolk”.

4. 4. Handlungs- und Erzählzusammenhänge   In ihrer Autobiographie Wir leben im Verborgenen berichtet Ceija Stojka von den unfaßbaren Schrecken in den Lagern des Hitlerregimes. Es ist sehr schwierig anhand dieses Werkes eine chronoligische Biographie von dieser Roma - Schriftstellerin zu erstellen. In den Konzentrationslagern war ihr Zeit- und Raumgefühl komplett anders als in den übrigen Jahren ihres Lebens. In den Lagern konnte sie keine genauen Tage, Monate und Jahre wahrnehmen und fand

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