1. War die Außenpolitik der DDR auf die Ereignisse vorbereitet, und
2. Wie ging sie mit den internationalen Folgen um?
Die Antwort auf die erste Frage fällt negativ aus. Zwar wurden die Vorbereitungen auf den Mauerbau minutiös vollzogen. Jedoch spielten Überlegungen über das künftige Vorgehen der DDR-Außenpolitik keine Rolle. Die Leitung des Außenministeriums war nicht eingeweiht, sie hatte keine Direktiven, keine Aufträge.
Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand die Absicherung des Vorgangs selbst. Den Verantwortlichen in Berlin und Moskau kam es vor allem darauf an, die Grenzsicherung ohne internationale Zwischenfälle über die Bühne gehen zu lassen. Man war sich der Tatsache bewußt, daß alles unterlassen werden müsse, die USA und die anderen Westmächte zu provozieren; und das gelang ja auch.
Beim Wiener Gipfel zwischen Chruschtschow und Kennedy (Siehe in diesem Band das Editorial und das Protokoll von Wilfriede Otto, Anhang) im Juni 1961 hatte die amerikanische Seite deutlich die Grenzen des Handelns für die UdSSR abgesteckt. Kennedy hatte die sowjetische Seite eindringlich vor einseitigen Schritten - etwa durch den Abschluß eines separaten Friedensvertrages mit der DDR - gewarnt, durch welche die Rechte der Westmächte in Westberlin und ihr freier Zugang in die Stadt bedroht werden würden. Chruschtschow hatte die Warnung verstanden und zog es vor, durch den Mauerbau eine Art Ersatzhandlung zum Friedensvertrag zu vollziehen.
Anders als bei einem Separatfrieden wurden die Rechte der Westmächte in Berlin und der Zugang dorthin nicht angetastet. Als Ergebnis trat längerfristig eine Beruhigung der Lage um Westberlin ein.
Damit waren auch die Koordinaten für die Außenpolitik der DDR abgesteckt. Sie begann nach längerem Anlauf in zweierlei Richtungen aktiv zu werden. Zum einen bestand Anlaß, Schritte zur Rechtfertigung des eigenen Vorgehens einzuleiten. Zum anderen sollte überall dort, wo es möglich erschien, für eine Verbesserung der internationalen Positionen der DDR geworben werden.
Es galt mit dem Argument aufzutreten, daß mit der klaren Abgrenzung der DDR von ihrem westlichen Nachbarn endgültig unter Beweis gestellt wurde, daß in Deutschland auf Dauer zwei Staaten bestehen werden, mit denen gleichberechtigte Beziehungen aufgenommen werden sollten.
Doch blicken wir zunächst auf das Vorgehen der DDR gegenüber den Staaten Westeuropas und den USA. Hier stand nach dem Mauerbau zunächst eindeutig der Rechtfertigungszwang im Vordergrund. Zugleich wurde alles getan, damit die vorsichtigen Ansätze in Richtung auf zwischenstaatliche Beziehungen nicht in Frage gestellt wurden. Das war schwierig genug.
Man muß bedenken, daß die DDR seit ihrer Gründung einem starken internationalen Druck ausgesetzt war.
Die Bundesregierung nahm für sich in Anspruch, alleiniger Vertreter des ganzen deutschen Volkes zu sein. Sie hatte mit der Hallstein-Doktrin eine diplomatische Blockade gegen die DDR errichtet, sprach der DDR das Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am internationalen Leben ab. Diese Politik zeitigte vor allem bei den Verbündeten der BRD ihre Wirkung. Nur mühsam war es der DDR bisher gelungen, in den westeuropäischen Ländern Fuß zu fassen. Sie mußte nunmehr damit rechnen, daß die BRD die Verbündeten aufrufen würde, den Druck auf die DDR zu verstärken. Und so geschah es auch.
Die DDR hoffte, die negativen internationalen Konsequenzen in Grenzen halten zu können. Sie vertraute darauf, daß sich aus einer wachsenden Stabilität des eigenen Staates längerfristig günstigere Voraussetzungen für die Durchsetzung des Anspruchs auf internationale Gleichberechtigung ergeben werden. Aber zunächst war sie gezwungen, für die Bewahrung des errungenen Terrains zu kämpfen.
Die Verbündeten der Bundesrepublik übernahmen von dieser den Vorwurf, daß das DDR-Regime gegen das eigene Volk handele, die Menschenrechte mit Füßen trete und somit aller Grund bestehe, sie weiter zu isolieren. Sie folgten auch der Bonner Diktion, daß die Handhabung der Hallstein-Doktrin gegen die DDR noch unnachgiebiger erfolgen müsse. Schon Schritte zur Aufwertung der internationalen Positionen der DDR sollten unterbleiben.
Eine Anerkennung der DDR wurde völlig ausgeschlossen.
Die DDR konnte nicht verhindern, daß sich die Bedingungen für ihre internationale Präsenz vor allem in Westeuropa und den USA zeitweilig erheblich verschlechterten. Die semistaatlichen Beziehungen auf den Gebieten des Handels oder des Verkehrswesens stagnierten. Die Tätigkeit der in West- und Nordeuropa eingerichteten Vertretungen der Kammer für Außenhandel und des Verkehrsministeriums wurde eingeschränkt. Politische Kontakte, z. B.
der Parlamente oder von Parteien wurden eingefroren.
Doch nahm eine Reihe von Ereignissen in den Folgejahren dieser strikten Haltung die zunächst demonstrierte Schärfe. In dem Maße, wie sich zeigte, daß die DDR sich nach dem Mauerbau festigte, wie die Erkenntnis wuchs, daß sich an der Zweistaatlichkeit Deutschland lange nichts ändern würde, unternahmen die westeuropäischen Staaten vorsichtige Schritte, um die Beziehungen zur DDR zu politisieren. Die DDR-Vertretungen in diesen Ländern begannen, gesamtstaatliche Aufgaben wahrzunehmen. Die Verbündeten der DDR hielten sich zwar an die von Bonn ausgehende Auflage, die DDR nicht völkerrechtlich anzuerkennen. Aber unterhalb dieses Limits wurden intensive Diskussionen über eine De-facto-Anerkennung geführt.
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