Judenverfolgung und -ermordung 1938-1945
Judenverfolgung und -Ermordung 1938-1945
I. Die Nürnberger Gesetzte und ihre Anwendung
Die NS-Staatsführung plante umfassende Maßnahmen, um den Juden die
Existenzgrundlage systematisch zu entziehen. Da der Staat seine
Maßnahmen gerne juristisch begründet, schuf man mit den sogenannten
"Nürnberger Gesetzen" die rechtliche Grundlage der Judenverfolgung.
Das Reichsbürgergesetz stellte u.a. fest:
. Reichsbürger kann nur der Staatsangehörige deutschen oder
artverwandten Blutes sein, der durch sein Verhalten beweist, dass er
gewillt und geeignet ist, in Treue dem deutschen Volk und Reich zu
dienen;
. der Reichsbürger ist der alleinige Träger der vollen politischen
Rechte
Das am selben Tag erlassene "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes
und der deutschen Ehre" sollte durch folgende Bestimmungen die
"Voraussetzung für den Fortbestand des deutschen Volkes" schaffen und
"die deutsche Nation für alle Zukunft sichern":
. Eheschließung zwischen Juden und "Staatsangehörigen deutschen oder
artverwandten Blutes" sind verboten;
. Derartige Ehen werden aufgelöst;
. Außerehelicher Geschlechtsverkehr zwischen Juden und
Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes ist verboten;
. Juden ist das Hissen und Zeigen der Reichsflagge verboten
Insgesamt 250 Gesetze, Verordnungen, Verfügungen, Erlässe und
Anordnungen erweiterten die Nürnberger Gesetze.
II. Freiheits- und Lebensraum der Juden wird drastisch beschränkt
Seit 1938 ging die NS-Führung daran, den Freiheits- und Lebensraum
der Juden drastisch zu beschränken. Eine Fülle von Maßnahmen betraf
sowohl die wirtschaftliche Existenz als auch die Privatsphäre der
Juden. Hierzu gehörten:
. Berufsverbot für Ärzte, Rechtsanwälte, Geschäftsführer, Kaufleute,
Handwerker;
. Besitzverbote, d.h. Juden durften weder Geschäfte noch Wertmetalle
(Gold, Platin, Silber), Edelsteine, Perlen, Rundfunkgeräte,
Schreibmaschinen, Fahrräder, Autos, Motorräder, Kameras, elektrische
und optische Geräte, Pelze besitzen;
. Diskriminierende Maßnahmen: Alle Juden müssen den Vornamen Israel
oder Sara tragen, sie dürfen weder Theater, Kino, Konzerte, Vorträge,
Ausstellungen kultureller Art besuchen; sie müssen um 20 Uhr zu Hause
sein, dürfen sich in Sperrgebieten nicht aufhalten, kein
Fernsprecher, Fahrkartenautomaten benutzen, keine Wälder und
Grünanlagen betreten, keine Zeitungen oder Zeitschriften beziehen.
Jeder Jude muss einen Judenstern tragen. Sie erhalten keine Fisch-
und Fleischwaren, keine Weizenerzeugnisse, keine Vollmilch, keine
Süßwaren.
Einen ersten Höhepunkt des brutalen Vorgehens gegen Juden brachte die
von Goebbels inszenierte "Reichskristallnacht".
III. Die Reichskristallnacht
Als am 7. November 1938 der 17jährige polnische Jude Herschel
Grynszpan den Legationssekretär Ernst vom Rath in der neuen Botschaft
in Paris mit mehreren Revolverschüssen niederstreckte und so schwer
verletzte, dass mit seinem Ableben gerechnet werden musste, nahmen
die Nationalsozialisten dies zum willkommenen Anlass, einen schon
lange vorbereiteten vernichtenden Schlag gegen das verhasste Judentum
in die Wege zu leiten.
Sofort nach der Tat wurde die
gleichgeschaltete deutsche Presse bis ins Detail angewiesen, wie sie
das Attentat als "Anschlag des Weltjudentums" groß herausstellen
sollte. Ernst vom Rath erlag am 9. November seinen Verletzungen. Zum
Zeitpunkt seines Todes feierten gerade die "Alten Kämpfer" in München
mit Hitler die Erinnerung an den traditionellen Marsch zur
Feldherrnhalle im Jahr 1923. Hitler erfuhr vom Tod des Pariser
Botschaftsmitgliedes, sprach längere Zeit mit Goebbels und verließ
dann die Versammlung. Goebbels teilte den Anwesenden mit, vom Rath
sei der Kugel des "jüdischen Mordbuben" erlegen.
In einer Rede
forderte er Vergeltung und Rache. Die Rede wurde, wie beabsichtigt,
als indirekte Aufforderung zum Handeln verstanden. Die Partei- und
SA- Funktionäre wiesen alle an den Progrom in die Wege zu leiten.
Wohlvorbereitet durch bereits zuvor erstellte Listen von jüdischen
Einrichtungen und Geschäften und angeheizt durch die Pressekampagnen
der vorangegangenen Tage brachten nun in der Nacht zum 10. November
die NS-Banden über die jüdischen Synagogen und Geschäfte herein,
Juden wurden misshandelt, ermordet und zu Tausenden in
Konzentrationslager eingeliefert. Synagogen wurden in Brand gesteckt,
Versuch die Brände zu löschen, von den Brandstiftern verhindert.
In
der Presse hieß es dann anderntags: "Des Volkes Zorn nahm Vergeltung
an den jüdischen Ladengeschäften, denen größtenteils sämtliche
Fenster eingeworfen wurden" (daher Reichskristallnacht). Rastlos war
inzwischen die Gestapo tätig. Schon in der Nacht hatte ihr Chef
Heinrich Müller die Festnahme von 20000-30000 vermögenden Juden
angeordnet. Sie wurden ausnahmslos in KZ überstellt, um sie zur
Auswanderung zu zwingen. Einen Tag danach, am 10. November, teilte
Goebbels das Ende des Progroms mit.
Er lobte die Bevölkerung für ihre
Disziplin und nahm die Täter mit dem Hinweis auf die "berechtigte und
verständliche Empörung über den feigen jüdischen Meuchelmord" in
Schutz. Göring sagte zu allem: "Es wäre mir lieber gewesen, man hätte
200 Juden erschlagen und nicht solche Werte vernichtet." Alleine der
Glasschaden betrug zwischen 6 und 10 Millionen RM. Da dieses ersetzt
werden musste, gingen wertvolle Devisen für die Rüstung verloren.
Doch da wusste Goebbels Abhilfe, die Juden sollten für den Schaden
aufkommen. In der "Verordnung über eine Sühneleistung der Juden
deutscher Staatsangehörigkeit" forderte er von ihnen 1 Milliarde RM,
zahlbar bis zum 15.
August 1939.
Der Novemberprogrom von 1938 raubte den Juden endgültig jeden
gesetzlichen Schutz. Sie wurden zu Volksschädlingen deklariert und
waren vogelfrei. Der Weg zu ihrer physischen Vernichtung war offen.
Viele Juden wanderten nach diesen Geschehnissen aus, doch auch das
sollte ihnen bald verboten sein.
IV.
Die nächste Stufe der Verfolgung
Die Ereignisse des 9. und 10. November bildeten den Ausgangspunkt für
die nächste Stufe der Verfolgungsmaßnahmen: Unter der Leitung von
Hermann Göring besprachen verschiedene Minister, Verwaltungsspitzen
und Vertreter der Wirtschaft am 12. November 1938 in Berlin das
weitere Vorgehen gegen die deutschen Juden. In nur zwei Monaten
erschienen zahlreiche Verordnungen, die Juden aus dem
Wirtschaftsleben völlig ausschalteten, ihnen die Besuche öffentlicher
Schulen und Hochschulen untersagten und auch die Teilnahme an
öffentlichen Veranstaltungen verboten. Am 24.
Januar 1939 ordnete
Göring an, dass "die Judenfrage" durch "Auswanderung und Evakuierung
gelöst" werden solle.
In der Folgezeit wurden immer Juden in Konzentrationslager
eingewiesen. Dort wurden sie wie politischen Gegnern härtesten
Arbeits- und Lebensbedingungen unterworfen und starben häufig an
Erschöpfung, extremer Ausbeutung oder bestialischen Misshandlungen.
Hierbei erlangten die seit 1936 der SS unterstehenden
Konzentrationslager Dachau, Sachsenhausen, Bergen-Belsen, Buchenwald,
Flossenbürg, Ravensbrück und Mauthausen traurige Berühmtheit. Mehr
dazu später. Am 1.
10.1941 war ein Auswanderungsverbot für Juden in
Kraft getreten.
V. Die "Endlösung" der Judenfrage
Bis zum Kriegsende überspannte ein dichtes Netz von etwa 10000
Konzentrations- und Arbeitslagern das Reich und die ihm
angeschlossenen Gebiete. 1942 wurden diese Lager einem neuen
Funktionswandel unterworfen: Die SS gestaltete sie zu Zentren der
planmäßigen Tötung ihrer Insassen um. In Buchenwald diente eine
eigene Genickschussanlage zur Ermordung von 8500 russischen
Kriegsgefangenen, in Sachsenhausen waren es 13000.
Im September 1941
wurde in Auschwitz das Giftgas Zyklon B an 600 Kriegsgefangenen
erprobt, dann setzte man die Exekutionsanweisungen aus, um die
Gefangenen durch Arbeit zu töten.
Das Schicksal der in Deutschland verbliebenen Juden war zunächst
ungewiss. Viele waren ins Ausland geflohen, noch mehr aber waren
geblieben, sie nahmen Hitlers Worte vom 30. Januar 1939, er wolle das
europäische Judentum vernichten, nicht ernst.
Als am 20. Januar 1942 in einem Kripogebäude am Großen Wannsee in
Berlin SD-Chef Heydrich, Vertreter von Ministerien,
Parteidienststellen und SS-Ämtern die "Endlösung der europäischen
Judenfrage" diskutieren, liefen die Vernichtungsmaßnahmen gegen Juden
bereits auf vollen Touren.
Schon im Juni 1941 hatte Himmler unter
Berufung auf Hitler die Anweisung gegeben, im Lager
Auschwitz-Birkenau eine Massenvergasungsanlage für das Gift Zyklon B
zu bauen, mit der Absicht, hier die Juden zu ermorden.
Der Angriff auf die Sowjetunion verlagerte vorerst die geplanten
Mordaktionen in die von der deutschen Wehrmacht besetzten Ostgebiete.
Hier wurden in 26 Lagern über 590.000 Menschen erschossen oder in zu
Gaskammern umgebauten Lastkraftwagen oder Autobussen vergiftet. In
weiteren 22 Konzentrationshauptlagern mit 1202 Außenkommandos kam
eine unbekannte Zahl von Häftlingen durch unmenschliche
Arbeitsbedingungen ums Leben. Allein für männliche und weibliche
jüdische Häftlinge waren 941 Zwangsarbeitslager eingerichtet.
Quelle:
Am 31.3.42 werden aus dem Bezirk der Staatspolizeistelle Hannover
1000 Juden nach dem Osten evakuiert. Aus dem ehemaligen Bezirk der
Staatspolizeistelle Bielefeld sind für den Abtransport 325 Juden zu
stellen. Die zu stellenden Juden aus den einzelnen
Kreispolizeileitbezirken sind in dem beigefügten Verzeichnis
aufgeführt. Die Kreispolizeibehörden haben Folgendes zu veranlassen:
1.
Die zur Abschiebung bestimmten Juden sind am 30.3.42 in ihren
Wohnungen abzuholen und am gleichen Tage bis spätestens 12.00 Uhr
nach Bielefeld zum Kyffhäuser ( Am Kesselbrink), Großer Saal, zu
überführen. Die begleitenden Exekutivbeamten haben die Überführung in
Zivilkleidung vorzunehmen. Die Transporte sind möglichst mit der
Eisenbahn durchzuführen.
2. Vor dem Verlassen der Wohnungen der Juden hat ein Beamter das
vorhandene Bargeld, Wertgegenstände (Schmuckstücke, Gold- und
Silbersachen, auch goldene Uhren) - außer den Eheringen -
einzuziehen. In der Wohnung des betreffenden Juden ist dann eine der
beigefügten Quittungen von einem Beamten auszustellen, die von zwei
Beamten und dem betreffenden Juden, bei dem die Sicherstellung
erfolgte, zu unterschreiben ist. Das Bargeld und die Wertsachen sind
mit der Quittung in einem Umschlag zu versiegeln und im Auffanglager
in Bielefeld (Kyffhäuser) dem aufsichtsführenden Stapobeamten
abzugeben.
3. Vor dem Verlassen der Judenwohnung ist darauf zu achten, dass das
Gas und Wasser abgestellt und das Licht ausgeschaltet ist
(Verdunkelung!).
Lebendes Inventar ist von dort aus unterzubringen.
Kosten dürfen nicht entstehen.
4. Unmittelbar nach dem Verlassen der Wohnungen sind die
Judenwohnungen zu versiegeln. Hierfür sind Siegelmarken zu verwenden.
Die Schlüssel der Wohnungen sind von der OPB einzuziehen und auf dem
Amt zu hinterlegen.
Sie sind zusammenzubinden und mit einem Zettel,
auf dem der Name und der Name des Juden aufgeführt sind, zu
versehen.
VI. Einrichtung von Ghettos
Die Juden sollen in den Städten in Ghettos zusammengeführt werden, wo
man sie leichter kontrollieren und von wo man sie später wegführen
kann. Die dringendste Aufgabe ist es, darauf hinzuwirken, dass die
jüdischen Händler vom platten Land verschwinden. Diese Aufgabe muss
innerhalb der nächsten 3-4 Wochen erledigt worden sein. Solange die
Juden als Händler auf dem Lande sind, muss mit der Wehrmacht
abgeklärt werden, welche Juden am Ort bleiben dürfen, um die
Lebensmittelversorgung der Truppe zu sichern.
Folgende Anordnung
wurde gegeben:
1. Die Juden in die Städte so schnell wie möglich.
2. Die Juden raus aus dem Deutschen Reich und nach Polen.
3. Die übrig gebliebenden Zigeuner auch nach Polen.
4. Systematische Verbringung der Juden aus deutschen Territorium mit
Güterzügen.
(Sicherheitspolizei- und SD- Chef Heydrichs Anordnung vom
27.September 1939, wie die Juden zusammengeführt werden sollen!)
Nach der Entfesselung des 2. Weltkrieges am 1. September 1939 zwang
die deutsche Besatzungsmacht die polnischen Juden, ihre Wohnstätten
zu verlassen und in bestimmte Stadtteile zu ziehen.
Die ersten neuen
Ghettos entstanden Anfang 1940, bald gab es hunderte kleinerer und
größerer Ghettos überall in Polen. Diese Ghettoisierung bildete den
Beginn eines Konzentrations- und Sammlungsvorgangs, der später die
Ermordung organisatorisch erleichterte. Deutsche Besatzungsbehörden
fassten in vielen dieser Ghettos nicht nur die jüdische Bevölkerung
aus der Region zusammen, sondern auch hierher deportierte Juden und
"Zigeuner" aus Deutschland wie Österreich. Die Lebensumstände in
diesen Quartieren waren unerträglich. Die deutschen Behörden
verhinderten bewusst, dass normale Regeln einer Gesellschaft in den
Ghettos verwirklicht werden konnten: Die Ghettos waren Todesfallen.
Ein wichtiges Element bildete die absichtlich herbeigeführte extreme
Enge.
So mussten beispielsweise im Warschauer Ghetto über 400000
Menschen hausen: Für eine Person nur etwa siebeneinhalb Quadratmeter
Platz! Familien lebten mit 15 und mehr Menschen in einem einzigen
Raum. Die Schwierigkeiten, Lebensmittel zu erhalten, bedeuteten für
Ghettoinsassen einen täglichen Kampf ums Überleben. Deutsche Behörden
teilten im Warschauer Ghetto ungefähr 200 Kalorien pro Tag zu. Zum
Vergleich: Diätkost zum Abnehmen in einem Krankenhaus liegt heute bei
etwa 1000 Kalorien. Deshalb waren die Ghettobewohner auf das
Schmuggeln von Nahrungsmitteln angewiesen. Wen sie aber mit
versteckten Lebensmitteln ertappten, den erschossen deutsche Wachen
oft unmittelbar.
Diese unvorstellbaren Lebensverhältnisse im Ghetto
führten unausweichlich zu Krankheiten und schweren Epidemien, vor
allem Typhus. Die so erzeugte "natürliche" Sterblichkeitsrate stieg
mit der Zeit dramatisch an: Im Jahr 1941 starb einer von 10 Bewohnern
des Warschauer Ghettos an Hunger und Krankheiten. Krankenfürsorge war
kaum möglich, weil jüdische Arzte und Krankenschwestern über keinen
Zugang zu Medikamenten verfügten und auch stärkende Nahrung oder
geeignete Krankenlager waren nicht vorhanden. Ein Arzt notierte
:"Aktive, engagierte und energische Menschen verwandeln sich in
traumwandlerische Lebewesen. Sie liegen ständig auf ihrer
Schlafstätte und schaffen es kaum, aufzustehen, um etwas zu essen
oder auf die Toilette zu gehen. Sie sterben bei körperlichen
Anstrengungen, wie der Suche nach Nahrung, manchmal sogar mit einem
Stück Brot in der Hand.
" - Es gab nicht einmal Möglichkeiten, den
ungezählten abgemagerten und elternlosen Kindern zu helfen, die im
Ghetto lebten. Tote lagen auf den Straßen, überdeckt mit
Zeitungspapier - so lange, bis sie in eines der Massengräber
verfrachtet wurden.
Dem körperlichen Tod folgte der kulturelle: Die deutschen Besatzer
raubten private und öffentliche jüdische Bibliotheken. Auch die
reichen und mehrere Jahrhunderte alten jüdischen Archive Osteuropas
wurden geraubt und zerstört. Als 1942 die Deportationen aus den
Ghettos einsetzten, benutzte man zurückgebliebene Bücher und
Manuskripte als Brennstoff.
Trotz dieser Umstände versuchten die Ghettobewohner einigermaßen
"normal" zu leben.
Schulunterricht war verboten; es gab ihn dennoch:
Im Ghetto von Lodz bestanden allein 63 Schulen mit 22330 Schülern.
Junge Menschen versuchten sich trotz allem zu bilden. So auch David
Sierakowiak in Lodz. Am 25. März 1942 schrieb er in sein Tagebuch:
"Ich fühle mich sehr krank. Ich lese, aber kann gar nicht richtig
arbeiten, deshalb übe ich englische Vokabeln.
Unter anderem lese ich
Schopenhauer. Philosophie und Hunger, das ist eine Mischung!" Obwohl
Deutsche hunderte Synagogen in Polen niedergebrannt hatten, setzten
gläubige Juden ihr religiöses Leben im Ghetto fort. Das war meist
verboten. Wenn die Gestapo oder die SS jüdische Gottesdienste
entdeckte, folgten Verhöhnung und Mord: Wurden die Betenden nicht
sofort erschossen, so schnitt man ihnen zum Beispiel die Bärte ab
oder zwang sie, auf die Gebetbücher und Thorarollen zu urinieren.
Auch andere kulturelle Aktivitäten, wie Musik, Kunst und Theater,
entfalteten die Ghettoinsassen, um die "Moral" aufrechtzuerhalten,
nämlich um als Mensch zu überleben. In Lodz beispielsweise bestand
ein Puppentheater für Kinder und in Warschau ein Kinderchor.
Es gab
Konzerte und Theateraufführungen in den Ghettos - so lange, bis die
Musiker und Schauspieler deportiert waren.
Historiker haben solche Aktivitäten als eine Form des Widerstandes
bezeichnet. In den Ghettos gab es auch Menschen, die erkannten, wie
wichtig es für die Zukunft wäre, alles, was geschieht aufzuzeichnen.
Einige führten Tagebuch. Andere organisierten Gruppen, die
systematisch Zeugenaussagen und Dokumente über das Leben im Ghetto,
die deutsche Politik und deren Verbrechen im Einzelnen sammelten. Zu
ihnen zählten Historiker wie Emmanuel Ringelblum, der Lehrer Chaim
Kaplan in Warschau und der Jurist Abraham Tory in Kovno (Kaunas).
"Hörte, wie der Rabiner aus Wengrow an Jom Kippur (Versöhnungstag)
getötet wurde, Ihm wurde befohlen die Straße zu reinigen. Dann wurde
ihm befohlen, den Abfall aufzunehmen und in seine Pelzmütze zu
stecken; als er sich nach vorn beugte, wurde er dreimal von einem
Bajonett durchbohrt. Er setzte die Arbeit fort und starb arbeitend."
(Aus Emmanuel Ringelblums Aufzeichnungen aus dem Warschauer Ghetto,
26. April 1941)
Deutschland beutete die Ghettobewohner als billige Sklaven aus. So
spielten viele Ghettos in der deutschen Kriegswirtschaft eine
wichtige Rolle: In den Ghettos in Warschau, Lodz, Bialystok und
Sosnowiec war beinahe die ganze Produktion darauf ausgerichtet.
Oft
nutzten auch einzelne Deutsche die jüdische Arbeit, um sich selbst zu
bereichern. Viele Opfer glaubten deshalb, dass Arbeit ihre einzige
Chance zum Überleben wäre. Aber es zeigte sich stets früher oder
später, dass der Wille der Nationalsozialisten, die Juden zu
ermorden, noch wichtiger war, als Nutzen aus ihnen zu ziehen.
VII. Ausweglose Entscheidungen
Ein zentraler Punkt der nationalsozialistischen Judenpolitik war es
die Opfer zu zwingen, die Ghettos selbst zu verwalten. Deshalb
schufen die deutschen sogenannte "Judenräte".
Die Männer im Rat waren
unter Todesandrohung verpflichtet, deutsche Befehle auszuführen: Es
war der Judenrat, der die Namenlisten derjenigen Menschen aufstellen
musste, die deportiert werden sollten. Der jüdische "Ordnungsdienst"
musste die Todgeweihten zusammentreiben und zu wartenden Zügen oder
Lastkraftwagen bringen. Die Frage, ob man gegen diesen Zwang
Widerstand leisten sollte, war stets auf der Tagesordnung. Aber
grausame gemeinschaftliche Bestrafungen machten die Entscheidung sehr
schwer. In einigen Ghettos unternahm deshalb die Leitung des
Judenrates alles, um Widerstandsversuchen entgegenzuwirken. Ein
Beispiel dafür ist Jakob Gens, der Vorsitzende des Judenrates in
Wilna (Litauen).
Am 15. Mai 1943 berichtete er vor einigen Ältesten
im Ghetto, dass die Gestapo einen Juden ergriffen habe, der einen
Revolver besaß. Gens warnte: "Noch weiß ich nicht, wie dieser Fall
weitergehen wird. Zunächst endete er für das Ghetto glücklich. Aber
ich kann sagen, dass, wenn dergleichen noch einmal passiert, wir hart
bestraft werden. Vielleicht führen sie dann alle über sechzig oder
alle Kinder fort.
Überdenkt nun, ob dies das Risiko wert ist!!! Es
gibt für den, der vernünftig und klug denkt, nur eine Antwort darauf:
Es ist das Risiko nicht wert!!!!!"
In anderen Ghettos versuchten Judenräte dagegen mit jenen, die
Widerstand organisierten, zusammenzuarbeiten. - Auf Dauer aber
spielte es für das Schicksal der allermeisten keine Rolle, welche
Entscheidung sie trafen. Die deutsche Herrschaft war so übermächtig
und die Isolierung und Entrechtung der Juden so vollständig, dass -
egal, ob man die Anpassung an die deutschen Forderungen oder den
Widerstand wählte - das Ergebnis immer dasselbe war: der gewaltsame
Tod.
VIII. Deportation
Die Deportation von Millionen jüdischer Europäer bildeten eine
organisatorische Voraussetzung für den Holocaust. Aus mehreren
Gründen hatten die Nationalsozialisten beschlossen, dass viele Juden
nicht in ihren Heimatgebieten ermordet werden sollten, sondern in
eigens errichteten Tötungslagern in Polen.
Vor allem war es Hitler
und den anderen NS-Führern klar, dass die Morde in gewisser
Heimlichkeit durchgeführt werden müssten. So konnte man die Juden in
West-, Mittel- und Südeuropa nicht in ihren Heimatländern ermorden,
weil die deutschen Besatzer auf Zusammenarbeit mit der dortigen
Zivilbevölkerung angewiesen waren. In Teilen Polens, in der
Sowjetunion und den baltischen Ländern dagegen wurden viele Juden
öffentlich und in der Nähe ihrer Wohnstätten massenhaft erschossen.
Auch hier aber erschien es den Verwaltern des Völkermordes bald
praktischer, die Opfer in Tötungslager zu deportieren: Der Massenmord
in den Lagern war industrieller, schneller und unpersönlicher als das
direkte Erschießen, das die mordenden Polizisten und SS-Angehörigen
stärker belasten konnte.
Das gut ausgebaute europäische Straßennetz machte es möglich,
Transporte aus allen Ecken Europas nach Polen durchzuführen. Wenn man
die Mehrzahl der über eine Million Juden, die allein nach
Auschwitz-Birkenau transportiert wurden, dort nicht ermordet hätte,
dann wäre dieser kleine Ort eine der größten Städte Europas geworden.
In der neben einigen Ghettos gab es einen "Umschlagplatz", meist ein
Marktplatz oder eine größere freie Fläche. In kleineren Ghettos
nutzte man den Platz für "Selektionen", bei denen entschieden wurde,
welche Menschen zur Ermordung fortgeschafft werden sollten und welche
weiterhin für Sklavenarbeit "nutzbar" schienen. In den größeren
Ghettos lag dieser Platz oft an Eisenbahnlinien. Um Deportationen aus
Warschau zu erleichtern, wurde sogar extra ein Eisenbahngleis zum
Umschlagplatz des Ghettos gelegt.
Die Massendeportationen aus dem Warschauer Ghetto nach Treblinka
begannen am 23. Juli 1942.
Jeden Tag trieb man im Ghetto tausende
Juden zusammen, eine Aufgabe, die der jüdische "Ordnungsdienst"
zusammen mit der SS und deren lettischen, ukrainischen und
litauischen Hilfstruppen ausführen musste. Die täglich zu erfüllende
Anzahl lag bei 6000 bis 7000 Menschen. Es gab Razzien und ganze
Häuser und Straßenzüge wurden deportiert. Andere Opfer wurden zum
Umschlagplatz gelockt, indem man ihnen versprach, sie würden dort
Brot bekommen.
Am 5. oder 6.
August 1942 wird der Arzt und Pädagoge Janusz Korczak
zusammen mit 200 elternlosen Kindern aus seinem Kinderheim im Ghetto
nach Treblinka deportiert. Korczak hat das Angebot, sich selbst
durch Übertritt auf die "arische" Seite zu retten, abgelehnt. Er geht
an der Spitze der Kolonne mit einem Kind an der Hand durch das
gesamte Ghetto zum Umschlagplatz.
Auf dem Umschlagplatz mussten die Menschen mitunter mehrere Tage
warten, bis leere Güterwagen zur Verfügung standen. Es gibt viele
erhaltene Zeugenaussagen über die fürchterlichen Zustände in diesem
Warteraum des Todes. Bis Mitte September 1942 wurden allein von
diesem Platz am Warschauer Ghetto mehr als 260000 Menschen in die
Tötungslager deportiert.
Die letzten Transporte nach Treblinka und in
andere Lager fanden im Zusammenhang mit dem Ghettoaufstand im April
und Mai 1943 statt.
Quelle:
Halina Birenbaum hat den Holocaust überlebt. Sie gibt uns eine
Augenzeugenschilderung vom Umschlagplatz:
"Wir wurden zum Umschlagplatz geführt. Zu diesem hundertmal
verfluchten Platz, der mit Blut und Tränen getränkt war und erfüllt
vom Kreischen der Lokomotiven, die hunderttausende Juden von hier aus
zur Endstation ihres Lebens brachten. Die verzweifelte und bis zum
Äußeren erregte Menge drängte sich auf dem weiten Platz. Die Grenze
des Platzes bildete ein großes Gebäude, das vor dem Krieg eine Schule
beherbergt hatte.
Die hierher getriebenen Menschen waren zum größten
Teil Arbeiter aus den Baracken und von auswärtigen Arbeitsplätzen auf
der arischen Seite, alle Inhaber von Ausweisen, die bis vor kurzem
noch das "Lebensrecht" garantiert hatten. Als sie heute zur gleichen
Zeit, wie immer unter SS-Bewachung, in ihre Wohnungen zurückkehrten,
aus denen schon vorher ihre Angehörigen und ihr Hab und Gut
verschleppt worden waren, gerieten sie in die Falle. Eine hohe mauer
und eine lebende Sperre von Polizisten und Nazis, die nicht einmal so
zahlreich, dafür aber bis an die Zähne bewaffnet waren, trennten uns
vom Ghetto und seinen Schlupfwinkeln. Dort waren mein ältester Bruder
und meine Tante mit ihrer Tochter zurückgeblieben, sie hatten heute
nicht mit uns hinaus auf die Straße gehen wollen. Angespannt warteten
wir, was passieren würde, und hielten Ausschau nach einem möglichen
Fluchtweg. Mein Vater drückte uns an sich und küsste meine Mutter,
meinen Bruder und mich.
Er hielt uns krampfhaft mit der Hand fest und
ließ uns keinen Schritt von ihm weichen, vor allem meine Mutter
nicht, die sich unentwegt hin- und herwand, weil sie versuchen
wollte, uns irgendwie aus diesem Gedränge herauszuschaffen und ins
Innere des Schulgebäudes zu schmuggeln , wo die Ambulanz und ein
Posten der jüdischen Polizei untergebracht waren. Dort wollte sie uns
verstecken und auf keinen Fall zulassen, dass wir in die Wagons
getrieben würden. Mein Vater war so aufgeregt und bestürzt, dass er
an Rettung nicht einmal denken konnte. Er war nur noch dazu im
Stande, den Nazis seinen Passierschein vorzuzeigen; bis zum letzten
Moment glaubte er daran, dass dieser Schein uns allen die Rettung
bringen würde. Er hatte Angst. Er meinte, dass Ungehorsam gegenüber
den SS-Leuten unseren Untergang nur beschleunigen würde.
Meine Mutter
war anders. Deshalb hielt ich mich immer an sie, fest davon
überzeugt, dass sie einen Ausweg aus jeder schlimmen Situation finden
würde. In der Gegenwart meines Vaters empfand ich genau das
Gegenteil. Und hier auf dem Umschlagplatz erging es mir eben so. Um
diese Zeit standen die Wagons bereit. Wir glaubten, die ganze Nacht
dort zubringen zu müssen, bis in der Frühe ein Zug eintreffen würde.
Das bot gewisse Chancen zur Flucht, zur Rückkehr ins Ghetto, auf
unseren Dachboden...
Plötzlich bemerkten wir, dass sich die Nazis mitten auf dem Platz vor
uns aufgestellt hatten und Maschinengewehre auf diese riesigen, dicht
zusammendrängte Menschenmenge gerichtet hielten, die mit einem
schreckerfüllten Raunen darauf reagierte. Allen war klar, was das zu
bedeuten hatte, doch keiner wagte aufzuschreien oder in lautes Weinen
auszubrechen. Wieder herrschte diese unruhige, spannungsgeladene
Stille.
Wir umarmten uns; jeder wollte das Bild derer, die ihm am
nächsten waren, mit in die völlige Finsternis nehmen. Alles andere,
alles, was wir bisher erlebt und um das wir gekämpft hatten, war
nicht mehr wichtig. Während mein Vater nur halb bei Besinnung war,
wirkte meine Mutter ruhig wie immer. Sie lächelte mich sogar an.
"Hab' keine Angst!", flüsterte sie mir zu. "man stirbt nur einmal".
..
und wir sterben jetzt alle miteinander, hab keine Angst, es wird
nicht so schlimm (S.69 Erzählt es euren Kindern)!
IX. Das Leben im KZ am Beispiel Auschwitz Birkenau
In das Stammlager führte ein Tor mit der zynischen Aufschrift:"Arbeit
macht frei", durch das die Häftlinge täglich auszogen und abends
zurückkehrten. In 28 Baracken wohnten durchschnittlich 13000 bis16000
Häftlinge.
Im Jahre 1942 erreichte die Zahl über 20000. Das KZ
Auschwitz war das größte der Nazi Konzentrations- und
Vernichtungslager. Es ist deshalb so schwierig abzuschätzen, wie
viele Menschen dort umgekommen sind, weil der größte Teil der
Häftlinge in Auschwitz Birkenau gleich nach dem Eintreffen in den
Gaskammern umgekommen ist. Sie wurden weder registriert noch
irgendwo vermerkt. Die Massenvernichtungsaktion der Juden begann in
den ersten Monaten des Jahres 1942. Der Reichsführer der SS, Heinrich
Himmler, bestimmte 1941, dass Auschwitz wegen der guten
Verkehrsanbindung Zentrum der Vernichtung sein würde.
Den meisten
Juden, die zur Vernichtung ins Lager kamen, wurde versprochen, dass
sie in den Osten umgesiedelt werden. Vor der Deportation mussten die
Juden alle Wertsachen und Gepäck abgeben, was die SS- Leute später
sortierten und brauchbare Dinge wie Schmuck oder Kleidung
konfesziert. Die wenigen Häftlinge, die ins Lager geleitet wurden,
waren durch die SS- Ärzte bei der Selektion als arbeitsfähig
bezeichnet worden. Anfangs wurden diese Häftlinge von allen drei
Seiten fotografiert und seit 1943 tätowiert. Da gab es keine Namen
mehr, sondern nur Nummern. Jeder musste seine Kleidung abgeben und
Häftlingskleidung tragen, die mit der eigenen Nummer und dem Winkel
mit dem Verhaftungsgrund benäht wurden.
Die sogenannten Zebraanzüge
schützten nicht vor Kälte und wurden im Abständen von vielen Wochen
oder sogar Monaten gewechselt. Waschen konnten die Häftlinge sie
nicht, dies trug zur Verbreitung von Krankheiten bei.
Es wurden Appelle und Strafappelle durchgeführt, die manchmal mehrere
Stunden dauern konnten, der längste Appell dauerte 19 Stunden. Dabei
wurden die Häftlinge gezählt, die Menschen wurden gezwungen kniend
oder in der Hocke auszuharren und mussten manchmal auch die Hände in
die Höhe gestreckt halten. Dies war sehr quälend genau wie der
Hunger. Die Ernährung war viel zu gering, 1300- 1700 Kalorien am Tag
(normal sind schwerarbeitende 3600-4200 Kalorien).
Der Hunger und die
viel zu harte Arbeit waren Auslöser für die Erschöpfung und den Tod.
Erwachsene Häftlinge wogen meist nur noch 20- 30 Kilo, Kinder wurden
nicht anders behandelt. Sie bekamen kaum mehr zu essen und wohnten in
den gleichen Baracken, die meist total überfüllt waren. In
Schlafsälen, in denen mit Mühe nur 40- 60 Personen untergebracht
werden konnten, wurden bis zu 200 Leute eingepfercht. Durch diese
ganzen furchtbaren Umstände, gab es viele Epidemien die zur
Überfüllen des Krankenbaus führten. Deshalb mussten wieder
Selektionen durchgeführt werden.
Und die schwachen Patienten, bei
denen keine Hoffnung auf baldige Genesung bestand, wurden durch
Vergasung oder Phenolinjektionen direkt ins Herz umgebracht. Ärzte
wie Dr. Joseph Mengele führten ihre Verbrecherischen Experimente an
den Häftlingen durch. Als Auschwitz Birkenau errichtet worden war,
wurde er dort 1943 Lagerarzt, 1944 wurde er Lagerarzt im Frauenlager.
Häftlinge, die krank wurden, schickte er in die Gaskammer, wenn sie
nicht schnell genug gesund wurden. Mengele schickte 600- 1000
Menschen in die Gaskammer und ließ das Gebäude reinigen.
Außerdem
bekam er Interesse an Zwillingen und Menschen mit zwergenhaftem Wuchs
oder anderen Anomalien. Er nahm medizinwissenschaftliche Experimente
an Menschen vor. Und dies noch nicht einmal im Auftrag der SS,
sondern aus eigenständigem Forschungsinteresse. So bot Auschwitz
Mengele die Gelegenheit, Zwillinge gleichzeitig zu obduzieren. Wenn
ein Zwilling an Krankheit starb wurde eben auch der andere getötet,
um eine vergleichende Sektion durchzuführen. So wurden auch viele
Zwillinge den Blutaustauschexperimenten unterzogen, die nicht selten
tödlich endeten.
An Zwillingen wurden auch Injektionen,
Rückenmarkspunktionen und operative Eingriffe vorgenommen. Diese
Versuche wurden sogar ohne Betäubung durchgeführt. Für ihn waren die
Zwillinge nur Versuchskaninchen, die nach der Untersuchung und den
Experimenten ausgedient hatten und durch Phenolspritzen getötet
wurden. Mengele hat auch männliche und weibliche Zwillinge gepaart,
um zu schauen, ob ebenfalls Zwillinge entstehen. Alltag für ihn war
die Selektion an der Bahnrampe. Einmal soll ihn ein Mädchen mit den
Worten "Onkel Doktor" angesprochen haben.
Da dieses Mädchen nicht von
ihm weggehen wollte gab Mengele einen beistehenden deutschen SS-Mann
einen Wink, der das Mädchen an den Beinen ergriff und es gegen das
Rad eines Lastwagens schleuderte sodass der Schädel zertrümmert
wurde. Solche Grausamkeiten prägten das Bild von Dr. Joseph Mengele,
den Todesarzt von Auschwitz. Doch er wurde bei der Verurteilung
derer, die im Vernichtungslager mitgewirkt hatten nicht angeklagt. Er
floh kurz vor der Befreiung der Häftlinge nach Argentinien und wurde
somit nie für seine Straftaten verurteilt. Er hätte die Höchststrafe
bekommen müssen, den Tod.
Erst 1981 hat man seine Knochen gefunden
und festgestellt, das er 1979 gestorben ist. Solange hatte man nach
ihm gesucht.
Das Strafsystem der SS diente zur Vernichtung der Häftlinge. Die
Strafen wurden für die kleinsten Vergehen verhängt, so reichte es
z.B. aus, einen Apfel vom Baum abzureißen, um getötet zu werden.
Im
Untergeschoß des Blocks 11 dem Todesblock fanden die schlimmsten
Strafen statt. Der Hungertod, Erstickungstod, Stehzellen, in denen
man zu viert in einer 90x90 cm großen Zelle ein paar Tage stehend
ausharren musste
Bestrafungen in den verschiedenen Lagern
Eine weitere Methode der Bestrafungen wegen angeblicher! Faulheit,
Schwänzen oder Diebstahls von Essen, war Strafarbeit an den Sonntagen
oder Schläge oder auch das sogenannte Pfostenhängen, bei dem die
Häftlinge mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen stundenlang an
Pfosten hängen mussten, wobei ihnen die Arme ausgerenkt wurden. Es
gab endlos viele Methoden, um die Gefangenen zu quälen, z.B. wurde
ihnen Wasser in die Nase geschüttet oder Nadeln unter die Nägel
gestochen. Viele Verbote waren mit Absicht so vage gehalten, dass die
Aufseher willkürlich Regelverstöße definieren konnten.
Eine weitere
Methode bestand darin, unerfüllbare Anforderungen zu stellen, so zum
Beispiel war es unmöglich beim Bettenbau den Bezug des Strohsacks
bügelglatt herzurichten. Eine besondere Schikane war die, dass 2
widersprüchliche Regeln aufgestellt wurden, sodass dem Opfer alles,
was es tat, zum Nachteil ausgelegt werden konnte. Beispielsweise
stand auf verdreckte Schuhe eine Strafe, weil dies gegen die
Vorschriften der Sauberkeit verstieß. Andererseits waren saubere
Schuhe aber ein Indiz dafür, dass sich einer vor der Arbeit gedrückt
und die allgemeine Arbeitspflicht verletzt hatte. Eine weitere
Bestrafungsart war der Prügelbock, die Durchführung sah wie folgt
aus: die Beine des Opfers wurden festgeklemmt, während 2 Häftlinge
den zu Bestrafenden an den Armen festhielten. Ein SS-Mann schlug auf
den Häftling mit einem Knüppel oder einer Peitsche ein und der
Geprügelte musste die Schläge laut mitzählen.
Erschießung und Vergasung
Es gab auch Massenerschießungen (aus welchem Grund auch immer), bei
denen bis zu 700 Juden erschossen wurden und später in Massengräbern
verscharrt worden sind. Doch diese Vergrabungen konnten nach einiger
Zeit nicht mehr stattfinden, da z.B. bei hohen Sommertemperaturen die
stark verwesenden Toten die Gruben aufquellen ließen, Leichenwasser
abgaben, Ungeziefer anlockten, unerträglichen Gestank verbreiteten
und die Trinkwasserversorgung aus den Tiefbrunnen der Lager zu
vergiften drohten. Mit einem Greifbagger wurden die verwesten Leichen
in gruben befördert und auf Eisenbahnschienen über Betonfundamenten
verbrannt. Seit dieser Zeit verbrannte man auch die soeben durch Gas
Getöteten sofort.
Die daraus entstandene Asche hat man teilweise auf
Feldern usw. gestreut, damit nicht mehr nachgewiesen werden konnte,
dass so viele Juden getötet worden sind.
Quelle:
Ein Jude aus Siebenbürgen, der Arzt war, wurde von dem SS-Arzt dazu
ausersehen eine Art Assistentenrolle für ihn zu spielen. Diesem
Umstand verdankte er sein Leben. Alle anderen Häftlinge, die den für
die Arbeit in den Krematorien zugeteilten "Sonderkommandos"
angehörten wurden später umgebracht. Nach der Befreiung konnte dieser
Mann den folgenden Bericht über den Verlauf der Vergasungsaktion
verfassen:
"Ein langgezogener Lokomotivpfiff gellt von der Rampe her zu mir
herüber.
Ich trete ans Fenster und sehe, dass ein neuer Zug
angekommen ist. Die Türen werden geöffnet. Juden steigen aus den
Waggons. Aufstellen und Selektieren nehmen keine halbe Stunde in
Anspruch. Langsam setzt sich die linke Gruppe in Bewegung. In mein
Zimmer dringen laute Kommandos und schnelle Schritte.
Der Lärm kommt
aus dem Heizungsraum des Krematoriums. Es werden alle Vorbereitungen
zum Empfang des neuen Transportes getroffen. Ich höre das Summen von
Elektromotoren. Später erfahre ich: Man hat die riesigen Ventilatoren
eingeschaltet, die das Feuer in den Öfen auf den erforderlichen
Hitzegrad bringen. Inzwischen hat auch der Transport das Tor zum
Krematoriumsgelände erreicht. Weit öffnen sich seine Flügel.
In den
üblichen Fünferreihen betreten die Menschen den Hof. Langsam und müde
schreiten die Juden auf das Krematoriumsgebäude zu. Die Kinder hängen
schläfrig an den Röcken ihrer Mütter, die Säuglinge werden meist von
den Vätern getragen oder in Kinderwagen geschoben. In
Sekundenschnelle entdecken die Durstigen die Wasserhähne auf dem
Rasen. Sofort holen sie ihr Geschirr heraus und drängen aus der
Reihe zum Wasser. Das sie jede Angst vergessen, ist nur zu
verständlich.
Seit 5 Tagen bekamen sie nur brackes Wasser, das den
Durst nicht stillte. Die Wache, die den Transport im Krematorium
empfängt, ist an solche Szenen gewöhnt. Sie wartet, bis alle ihren
Durst gelöscht haben. Solange sie nicht getrunken haben, ist an eine
Aufstellung in Reih und Glied ohnehin nicht zu denken. Nach wieder
eingefundener Ordnung gelangen sie über einige Stufen in eine große
unterirdische Halle, die bis zu 3000 Menschen fast. Am Eingang steht
eine Tafel mit deutscher, französischer, griechischer und ungarischer
Aufschrift: Bade- und Desinfizierungsraum.
Dies klingt beruhigend und
beschwichtigt das Misstrauen und die Ängste auch derer, die den
stärksten Verdacht hegen. Sie gehen beinahe fröhlich die Stufen
hinunter. In dem rund 200m langen und grell erleuchteten Raum sind
ein gutes Dutzend Bankreihen aufgestellt. Über den Bänken sind Haken
angebracht, von denen jeder eine Nummer trägt. Zahlreiche Tafeln
verkünden in allen Sprachen, dass Kleidungsstücke und Schuhe
zusammengebunden an die Haken zu hängen sind. Man habe sich die
Nummer seines Hakens zu merken, damit nach der Rückkehr aus dem Bad
kein Durcheinander entsteht.
"Typisch deutsche Ordnung" sagen viele.
Sie haben recht. All dies dient tatsächlich der Ordnung, sodass die
tausende Paare von Schuhen, die das dritte Reich so dringend braucht,
nicht durcheinander geraten. Das gleiche gilt für die Kleider, damit
die Bevölkerung der ausgebombten Städte sie wirklich noch brauchen
kann. Den fast 3000 Männern, Frauen und Kindern wird nun befohlen
sich nackt auszuziehen. Erstarrt stehen sie da.
Großmütter und
Großväter, Ehefrauen und Ehemänner, Kinder und Jugendliche. Keusche
Frauen und Mädchen sehen sich ratlos an. Vielleicht haben sie die
deutschen Worte nicht richtig verstanden? Aber schon wird der Befehl
wiederholt. Die Stimmen der SS-Leute klingen ungeduldig und drohend.
Die Menschen beginnen zu ahnen, dass ihnen etwas Furchtbares
bevorsteht. Ihr Schamgefühl empört sich.
Aber schließlich sagen sie
sich mit jüdischer Resignation, dass man mit ihnen ja alles tun kann.
Schwerfällig beginnen sie, sich zu entkleiden. Den Alten, Lahmen und
Geisteskranken helfen die dafür bereitstehenden Leute des
Sonderkommandos. Innerhalb von 10 min. sind alle nackt. Ihre Kleider
und die zusammengebundenen Schuhe hängen an den Haken.
Und jeder
prägt sich seine Nummer ein....
Jetzt öffnet die SS-Wache die 2 Flügel der Eichentür am Ende des
Saales. Die Menge drängt in den nächsten Raum, der ebenfalls hell
erleuchtet ist.
Er ist genauso groß wie der Auskleideraum, nur die
Bänke und Haken fehlen. In der Mitte des Saales stehen im Abstand von
jeweils 30 m Säulen. Sie reichen vom Boden bis zur Decke. Keine
Stützsäulen, sondern Eisenblechrohre, die überall durchlöchert sind.
Die Deportierten sind jetzt im Saal. Ein scharfer Befehl: "SS und
Sonderkommandos raus!" Sie gehen hinaus.
Nachdem draußen festgestellt
ist, dass niemand fehlt, werden die Türen verschlossen, wird das
Licht von außen gelöscht. Im gleichen Augenblick hört man ein Auto
vorfahren. Der Wagen mit dem Roten Kreuz bremst. Ein SS-Offizier und
ein SDG- Scharführer steigen aus. Der Scharführer hat 4 grüne
Blechdosen in der Hand. Die beiden betreten die Rasenfläche über der
Halle, auf deren Abstand von 30m Betonsockel stehen.
Beim ersten
Sockel legen sie Gasmasken an. Dann heben sie den Deckel ab und
schütten den Inhalt, eine violette, bröckelige Masse, in die Öffnung:
Zyklon. Das Zyklon entwickelt Gas, sobald es mit Luft in Berührung
kommt. Das Gas entweicht sofort durch die Löcher der Säulen und füllt
den Raum unten in Sekundenschnelle. Zyklon tötet zuverlässig
innerhalb von 5 min. .
Die Gas- Scharfrichter warten noch weitere
5min., um ihrer Sache ganz sicher zu sein. Sie zünden sich Zigaretten
an und steigen dann wieder in ihr Auto. Fast 3000 unschuldige
Menschen haben sie innerhalb von wenigen min. umgebracht..
.. Nach
20min. werden die elektrischen Entlüftungsapparate eingeschaltet, um
die giftigen Gase zu vertreiben. Die modernen Saugventilatoren haben
das Gas bald aus dem Raum gepumpt. Nur zwischen den Toten ist es noch
in kleinen Mengen vorhanden.
Die Leichen liegen nicht im Raum
verstreut, sondern türmen sich hoch übereinander. Das ist leicht zu
erklären. Das von draußen eingeworfene Zyklon entwickelt seine
tödlichen Gase zunächst in Bodenhöhe. Die oberen Luftschichten
erfasst es erst nach und nach. Deshalb trampeln die Unglücklichen
sich gegenseitig nieder, einer klettert über den anderen. Je hoher
sie sind, desto später erreicht sie das Gas.
Welch furchtbarer Kampf
um 2 min. Lebensverlängerung. Wenn sie in ihrer verzweifelten
Todesangst noch einen Gedanken fassen könnten, müssten sie erkennen,
das sie vergebens auf ihre Eltern, Gatten und Kinder treten. Aber sie
konnten nicht denken. Ich sehe, dass Säuglinge, Kinder und Greise
ganz unten liegen, darüber dann die kräftigeren Männer. Ineinander
verkrallt, mit zerkratzten Leibern, aus Nase und Mund blutend, liegen
sie da.
Ihre Köpfe sind blau angeschwollen und bis zur
Unkenntlichkeit entstellt. Trotzdem erkennen die Männer des
Sonderkommandos häufig unter den Leichen ihre Angehörigen. Eigentlich
habe ich hier unten nichts zu suchen. Ich bin zu den Toten nur
hinuntergegangen, weil ich mich meinem Volk und der Welt gegenüber
verpflichtet fühle, als Augenzeuge die ganze grauenvolle Wahrheit
über das KZ Auschwitz und seine Krematorien berichten zu können. -
Wenn ein unvorhergesehener Zufall dazu führen sollte, dass ich
gerettet werde. Das Sonderkommando in seinen Gummistiefeln stellt
sich ringsum den Leichenberg auf und bespritzt ihn mit einem starken
Wasserstrahl.
Das muss sein, weil sich beim Gastod als letzte
Reflexbewegung der Darm entleert. Jeder Tote ist beschmutzt. Nach dem
"Baden" der Toten werden die verkrampften Leiber voneinander gelöst.
Eine furchtbare Aufgabe, die das Sonderkommando nur in einem Zustand
durchführen kann, der einer freiwilligen Aufgabe der eigenen
Persönlichkeit gleichkommt und gleichzeitig von tiefster Verzweiflung
begleitet ist. Um die im Todeskampf zusammengeballten Fäuste werden
Riemen geschnallt, an denen man die vom Wasser glitschigen Toten zum
Fahrstuhl schleift. Man schleift die Toten auf der eigens dafür
eingerichteten Bahn den Betonboden entlang und lädt sie vor den Öfen
ab.
Lange Reihen von Leichen: Alte, Junge und Kinder. Aus Nase, Mund
und den Wunden, die während des Schleppens entstanden sind, fließt
Blut. Nun folgt die "Auswertung". Menschenhaar ist ein wertvolles
Material, da es sich gleichmäßig und unabhängig vom
Feuchtigkeitsgehalt der Luft ausdehnt und wieder zusammenzieht. Es
wurde wegen dieser Eigenschaft häufig für den Auslösemechanismus von
Zeitzünderbomben verwendet. Das aus 8 Mann bestehende Kommando der
Zahnzieher wartet vor den Öfen.
In einer Hand ein Brecheisen, in der
anderen eine Zange zum Zahnziehen. Man dreht die Toten mit dem
Gesicht nach oben, öffnet ihren Mund und entfernt Goldzähne und
Brücken. Die Goldzähne werden in ein Salzsäurebad gelegt, um die
daran haftenden Fleisch- und Knochenreste wegzuätzen. Nachdem der
letzte Goldzahn herausgebrochen ist, kommen die Leichen zum
Einäscherungskommando. Innerhalb von 20 min. sind die Leichen
verbrannt.
In einem Krematorium stehen 15 Öfen, und es gab 4 von
diesen. Das bedeutet, dass täglich einige 1000 Menschen verbrannt
werden können. Der Abfall ist gering; ein Haufen Asche im Hof der
Krematorien. Die Asche wird mit Lastautos zu der 2km entfernten
Weichsel gefahren und dem Wasser übergeben. Nach so viel Elend und
Schrecken fanden nicht einmal die Toten eine stille Ruhestätte."
X.
Widerstand in den Konzentrationslagern
Das von der SS entwickelte Terrorsystem sollte nicht nur Widerstand,
sondern bereits jeden Gedanken daran unmöglich machen. Immer wieder
wurde den Häftlingen auf drastische Weise vor Augen geführt, wie
ohnmächtig sie und wie allmächtig die SS- Männer waren. Trotzdem gab
es Akte der Auflehnung gegen die Autoritäten des Lagers. Das
Widerstandsverhalten der Häftlinge war unterschiedlich. Es gab:
spontane und individuelle Handlungen offen wie verdeckt,
organisierten Widerstand und Aufstandsversuche. Als eine Form des
organisierten Widerstandes sind die bildlichen Aufnahmen von
Mitgliedern des Sonderkommandos und die schriftliche Dokumentation
des unvorstellbaren Grauens hervorzuheben.
Unter allen Widerstandsversuchen waren die Aufstände in den
Todeslagern die mutigsten und zugleich die aussichtslosesten. Die
jüdischen Gefangenen wussten, dass die Deutschen sie nicht am Leben
lassen würden. Sie konnten jederzeit ermordet werden. Jeder gelungene
Fluchtversuch führte zu intensiven Hetzjagden. Trotzdem wurden 3
Aufstände unternommen. In Treblinka im August 1943, in Sobibor im
Oktober desselben Jahres und in Auschwitz Birkenau im Oktober 1944.
In Treblinka begann der Aufstand am Nachmittag des 2. August. Einige
Gefangene hatten es geschafft, an Waffen zu kommen, andere griffen
die Wächter mit Äxten, Spaten oder bloßen Händen an. Mehrere der
Lagergebäude wurden in Brand gesetzt. Im allgemeinen Durcheinander
konnten viele der 700 Gefangenen fliehen. Die meisten wurden aber
schon bald wieder ergriffen und getötet, weniger als 100 überlebten
den Aufstand und dann den Krieg.
Die Gaskammern waren noch 2 Wochen
nach dem Aufstand in Betrieb, dann wurde das Lager geschlossen.
Der Aufstand in Sobibor war der am besten organisierte. Viele
SS-Männer und ukrainische Helfer wurden dabei getötet. 320 der 550
Gefangenen, die sich an diesem Tag im Lager befanden, flohen. 170 von
ihnen wurden bald wieder ergriffen und erschossen, nur 48 überlebten
bis zum Kriegsende. Nach dem Aufstand wurde das Lager abgerissen.
Eine der größten, wenn nicht sogar die größte Widerstandsaktion fand
am 7. Oktober 1944 im KZ Auschwitz Birkenau statt. Häftlinge zweier
Krematoriumssonderkommandos (mehr als 400, vorwiegend ungarische und
griechische Juden) sprengten das Krematorium 4, griffen mit
selbstgebauten Handgranaten SS-Wachtposten an und versuchten zu
fliehen. Der Aufstand wurde von der SS niedergeschlagen und alle
Beteiligten erschossen. Die SS verlor 3 Mann, das Krematorium blieb
jedoch unbenutzbar. Eine Gruppe junger jüdischer Frauen, die in der
Munitionsfabrik Union in Auschwitz Zwangsarbeit leistete, lieferte
der Widerstandsorganisation Schießpulver, das sie über den Zeitraum
eines halben Jahres unter schwierigen Bedingungen aus der Fabrik
herausschmuggelten.
Das Pulver wurde an ein Mitglied der
Widerstandsgruppe, dass in der Bekleidungskammer beschäftigt war,
geliefert und weiter an das Sonderkommando. Dieses Schießpulver
ermöglichte den Männern des Sonderkommandos den Aufstand
durchzuführen. Nach umfangreichen Nachforschungen fand die politische
Abteilung des Lagers heraus, dass das Schießpulver aus der Union
Fabrik stammte. Die beteiligten Frauen wurden mehrer Tage gefoltert,
verrieten aber die anderen Mitglieder der geheimen Organisation
nicht. Die 4 Jüdinnen wurden am 6. Januar 1945, 3 Wochen vor der
Befreiung des Lagers Auschwitz, durch erhängen hingerichtet.
Diese
Liquidation war die letzte ihrer Art vor der Befreiung durch Soldaten
der sowjetischen Armee.
Eine der vorrangigsten Ziele des Lagerwiderstandes war es, das
Geschehen im Lager und die Grausamkeiten der SS in schriftlichen
Aufzeichnungen festzuhalten. Diese Berichte wurden meist von
polnischen Häftlingen angefertigt und konnten durch Kontakte mit
Landsleuten außerhalb der Lagerzäune nach außen gelangen. Sie
versorgten die Außenwelt mit Informationen über die Zahl der
Deportationen, die Nationalitäten der Häftlinge, die Bedingungen im
Lager und über den Massenmord an den Juden und identifizierten die
meisten SS- Männer. Ein Bericht mit dem Titel "Auschwitz- Henker" vom
16. September 1944 gibt Namen und Identitäten des SS- Personals an,
beginnend mit dem Lagerkommandanten Rudolf Höss: wir überbringen eine
grobe Aufzählung der Henker von Auschwitz.
Alle Daten sind ohne
Zweifel authentisch. London sollte für diese Mörder so bald wie
möglich die Todesstrafe aussprechen.
Spontaner, individueller Widerstand konnte unterschiedlich aussehen.
Er bestand bereits darin, dass Funktionshäftlinge Essen, Medikamente
und andere lebensnotwendige Dinge ins Lager schmuggelten um
schlechter gestellten Häftlingen helfen zu können. Häftlinge, die an
der Rampe arbeiteten, gaben den Ankommenden Ratschläge, wie sie sich
zu verhalten hätten, um eine kleine Chance zum Überleben zu haben.
Ein Häftling, der für die Kleidung von leicht kranken SS-Männern
zuständig war, setzte mit Fleckfieber infizierte Leute unter den
Rockkragen.
Einige erkrankten an Fleckfieber und starben. Es gab
wenige Fälle von offenem Widerstand, z.B. schlug eine französische
Gefangene zurück, als sie von einem Kapo geprügelt wurde. Sie
überlebte ihre Gegenwehr nicht. Jeder Versuch, aus der Passivität
auszubrechen, wurde streng, für alle sichtbar und sofort bestraft.
Auch außerhalb der KZs gab es Widerstandsgruppen wie z.B. die
Mittwochsgesellschaft, vertreten durch Wissenschaftler, Roter
Stoßtrupp, vertreten durch Arbeiter, Angestellte und Studenten, Rote
Kapelle, die die SU mit Spionagematerial versorgte oder Weiße Rose,
die Flugblätter verteilten und die Wiederherstellung
rechtsstaatlicher Prinzipien forderte. Der Kern dieser Gruppe waren
Geschwister Scholl, die umgebracht worden sind, als man sie beim
Flugblätter verteilen erwischte. Dazu gab es auch militärischen
Widerstand, bei dem Pläne für Staatsstreiche und Attentate entworfen
worden sind. Form des Widerstandes waren: Verweigerung von Befehlen,
Sabotage, Flugblätter, Wandparolen, Geistiger Widerstand, d.
h. der
Versuch, politische, juristische, gesellschaftliche Modelle für die
Zeit nach Hitler zu entwickeln. Eine weitere Form waren
Attentatsversuche.
XI. Das Ende des "Holocaust"
Der Holocaust wurde bis zum Herannahen der Roten Armee Ende 1944
betrieben und erst am 2. November 1944 auf Himmlers Befehl gestoppt.
Man machte nun schnell die meisten Vernichtungslager dem Erdboden
gleich und verbrannte die Leichen, soweit noch nicht geschehen. Als
die Feinde des Regimes die Überreste noch bestehender
Konzentrationslager und die Überlebenden fanden , bot sich ihnen ein
grausiges Bild von Leid, Hunger und Tod.
Die Sowjetischen Einheiten fanden beim Eindringen in das Lager
Auschwitz 600 tote Häftlinge, die die Deutschen einige Stunden vorher
umgebracht hatten und 7650 lebende, aber gehunfähige Gefangene. 10
Tage vorher waren noch 66.020 Häftlinge gezählt worden, von denen
alle, die noch gehen konnten, auf einen Todesmarsch nach Westen
geschickt worden waren, den nur wenige überlebten. Die sowjetischen
Soldaten fanden außerdem 350.
000 Herrenanzüge, 537.000
Frauenkleidungsstücke, 10.000 Paare von Schuhen und fast 8t
Menschenhaare in Säcken.
Nach und nach wurden alle KZs befreit, doch jedes Mal gab es nur
wenig Überlebende.
Vieles hinsichtlich der Verantwortung für den Massenmord blieb
bislang ungeklärt, weil kaum schriftliche Befehle erteilt bzw. diese
von den Verantwortlichen vernichtet wurden.
So behaupten einige
rechtsextreme Personen und Splittergruppen etwa bis heute, Hitler
habe nichts von der ganzen Aktion gewusst, oder leugnen den Holocaust
insgesamt. Auf einer anderen, methodisch ernsthaften Ebene stritten
sich Gelehrte und interessierte Politiker und Zeitgenossen, ob das
NS- Regime und seine Vernichtungspolitik insgesamt einzigartig in der
Menschheitsgeschichte ist. Diese Frage ist letztlich müßig und sehr
stark vom Standpunkt des Betrachters abhängig. Allgemein genügt es zu
erkennen, dass der Diktator durch seine fortgesetzten und
weltanschaulichen Forderungen und seine skrupellose Politik dieses
Werk zustande gebracht hat- mit oder ohne letztes Wissen und dessen
praktischen Vollzugs und die damit verbundenen Details. Dabei nahm er
die materiellen und mentalen Ressourcen Deutschlands zu Hilfe, einer
der fortschrittlichsten Industrienationen der Welt.
XII.
Nürnberger Prozesse
Bereits nach Kriegsende gingen alliierte Militärgerichte auf lokaler
Ebene gegen deutsche Kriegsverbrecher und Wachmannschaften aus
Konzentrationslagern vor. Dabei verhängten sie zahlreiche
Todesurteile, die auch vollstreckt wurden. Neben der Vertreibung der
Deutschen, aus dem Osten wurde in Potsdam auch beschlossen, ein
großes alliiertes Militärtribunal gegen die Nazi- Größen abzuhalten,
derer man habhaft werden konnte. Am 20. November 1945 begannen dann
in Nürnberg die Verhandlungen gegen die als Hauptkriegsverbrecher
Angeklagten. Ihnen wurde eine Verschwörung zur Erringung der
Weltherrschaft, Verbrechen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschlichkeit vorgeworfen.
Angeklagt waren insgesamt 24 Personen,
darunter Hermann Göring, Rudolf Hess, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm
Keitel, Ernst Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Franz von Papen,
Alfred Jodl, Hans Frank, Wilhelm Frick, Hjalmar Schacht, Karl Dönitz,
Erich Raeder, Arthur Seyß- Inquart, Albert Speer, Konstantin von
Neurath und Gustav Krupp von Bohlen und Hallbach. Zu Prozessbeginn
erklärten sich alle Angeklagten in allen Anklagepunkten für nicht
schuldig. Bei Görings Zeugenaussage im März 1946 verteidigte der
ehemalige Reichsmarschall die Politik und die Vorgehensweise der
Nationalsozialisten. Er übernahm die persönliche Verantwortung für
die deutsche Beteiligung am spanischen Bürgerkrieg den Anschluss
Österreichs und die Besetzung Norwegens. Im Hinblick auf die
Kriegsverbrechen erklärte er die Genfer Konventionen angesichts der
modernen Kriegsführung für überholt. Zudem versuchte er einige der
Mitangeklagten zu entlasten, indem er sie als reine "Jasager"
bezeichnete.
Am ersten Oktober ergingen dann die Urteile: Göring,
Ribbentrop, Keitel, Kaltenbrunner, Rosenberg, Frank und Frick wurden
zum Tode durch den Strang verurteilt, Hess, Funk und Raeder zu
lebenslänglichem Zuchthaus. Die anderen Angeklagten erhielten
Zuchthausstrafen von bis zu 20 Jahren bei insgesamt 3 Freisprüchen.
Außerdem erklärt der Gerichtshof, dass Führerkorps der NSDAP, die
Gestapo, den SD und die Verbände der SS zu verbrecherischen
Organisationen. Die Todesurteile wurden am 16. Oktober vollstreckt,
allerdings gelang es Göring sich vorher zu vergiften. Die
Freigesprochenen waren von Papen, Schacht und Fritzsche.
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