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  Alltag unterm hakenkreuz

0 HINFÜHRUNG ,,Schon eine oberflächliche Betrachtung entlarvt die Ideologie des Nationalsozialismus als eine wirre Mischung von Halbwahrheiten, bewußter Fälschung, nationalem Größenwahn und einer barbarischen Verherrlichung des Rechtes des Stärkeren. Außerdem fällt auf, daß nahezu alles Bestehende abgelehnt wird und man somit den Nationalsozialismus als Anti-Haltung bezeichnen kann (anti = gegen). Günstig für die Verbreitung der Rassenlehre und des Lebendraumgedankens wirkte sich überdies die Tatsache aus, daß das Selbstbewußtsein einer großen Anzahl von Menschen in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg außerordentlich geschwächt worden war. So waren unkritische Bürger nur zu gerne bereit, sich als Teil des von der Vorsehung auserwählten Herrenvolkes zu betrachten und die Juden als vermeintliche ,,Gegenrasse" zu Sündenböcken für alles und jedes zu erklären. Viele intelligente Menschen, auch im Ausland, glaubten jedoch überhaupt nicht an die Ernsthaftigkeit eines solch wahnwitzigen Programms.

Die 55 Millionen Toten des 2. Weltkrieges sowie die Gaskammern und Verbrennungsöfen in den Vernichtungslagern sollten der Welt jedoch in furchtbarer Weise verdeutlichen, wie ernst es Hitler mit seinem Programm war."1 ,,Seit 1919 stieg der Einfluß der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei), erhielt aber erst durch Hitler Auftrieb ... Nachdem er 1921 die Parteiführung in seine Hand gebracht hatte, verschaffte er sich mit der Einführung des ,,Führerprinzips" diktatorische Vollmachten.

Eine seiner ersten Maßnahmen war die Gründung der SA als Saalschutz und Propagandatruppe. Nachdem der ,,Hitlerputsch" vom November 1923 gescheitert war, geriet die Bewegung in eine Krise. Mit der Gründung der SSiiiiii1925, der Bildung der Hitlerjugend 1926 und der Errichtung einer Reihe berufsständischer Gliederungen wurde die Parteiorganisation in den nächsten Jahren immer weiter ausgebaut. Presse und Propaganda wurden 1929 J. Goebbels als Reichspropagandaleiter unterstellt. Doch konnte sich die Partei in den Wahlkämpfen dieser Jahre kaum durchsetzen.

"2 1 Die Errichtung der Diktatur 1.1 Was ist eine Diktatur ? Die Diktatur ist die gegensätzliche Regierungsform zur Demokratie. Sie zeichnet sich durch die Herrschaft eines einzelnen, einer Gruppe oder Partei aus. ,,Diese Regierung geht in der Regel nicht aus dem Volk hervor (keine freien Wahlen) und kann vom Volk weder kontrolliert noch rechtmäßig abgesetzt werden." Die heute am weitesten verbreitete Form der Diktatur ist die Parteidiktatur (vor allem in kommunistischen Länder), d.h.

eine Partei hat alle Macht im Staat. Eine Steigerungsform der Parteidiktatur ist der totalitäre Staat oder Totalitarismus (total = ganz, alles umfassend): ,,Der von der Staatspartei beherrschte Staat erfaßt und kontrolliert alle Bereiche des menschlichen Lebens: Politik, Wirtschaft, Kultur, Gemeinden, Vereine, sogar das Familienleben. Die Mittel des Staates bzw. der Partei zur Errichtung und Aufrechterhaltung der totalen (umfassenden) Macht sind Propaganda, Verbreitung von Angst und Schrecken und rücksichtslose Gewaltanwendung. (..

.)"3 1.2 Die Gleichschaltung ,,Die ,,Machtergreifung" vom 30. Januar 1933 bedeutete nicht nur das Ende der Weimarer Republik, sondern auch die Beseitigung der seit 1871 bestehenden bundesstaatlichen Ordnung des Deutschen Reiches. Das Gleiche gilt auch für die bisherigen Institutionen des politischen und gesellschaftlichen Lebens. Mit der ,,Gleichschaltung" der deutschen Länder, der Verwaltung und der Justiz, der Presse, der Künste und der Wissenschaft wird der zentralistische Einheitsstaat vorbereitet.

Die Auflösung der Parteien und die gewaltsame Ausschaltung der politischen Gegner, auch in den eigenen Reihen, sind weitere Stationen auf dem Weg zur Errichtung der Diktatur. Mit dem Tode Hindenburgs im August 1934 ist die innenpolitische Machtkonzentration abgeschlossen: Hitler ist Führer der Staatspartei, Chef der Regierung und Staatsoberhaupt. Als ,,Führer des Deutschen Reiches und Volkes" läßt er Beamte und Soldaten auf seine Person vereidigen. Die NS-Regierung nimmt den Brand des Reichstagsgebäudes am 27. Februar 1933 zum Anlaß, den Grundrechtskatalog der Weimarer Verfassung am darauffolgenden Tag mit Hilfe einer Notverordnung ,,Zum Schutz von Volk und Staat" durch den Reichspräsidenten außer Kraft setzen zu lassen. Damit beginnt die Verfolgung und Verhaftung der politischen Gegner, vor allem aus dem Lager der Linken.

Der Reichstagsauflösung folgen am 5. März Neuwahlen. Aber obwohl die NSDAP den Wahltag zum ,,Tag der erwachenden Nation" erklärt und obwohl seit dem Reichstagsbrand die Zeitungen der Linksparteien verboten sind und Kommunisten wie Sozialdemokraten verfolgt und behindert werden, erringen sie doch nur 43,9 % der Stimmen und verfügt damit nicht über eine parlamentarische Mehrheit. (...

) Er nimmt damit preußische Traditionen für sich und seine Partei in Anspruch, die an Stelle des ,,Geistes von Weimar" den ,,Aufbruch der Nation" tragen sollen. Am 23. März befreit sich Hitler mit dem ,,Ermächtigungsgesetz" von allen Bindungen an die Verfassung und von der parlamentarischen Kontrolle. Das Zentrum und die bürgerlichen Parteien stimmen dem Gesetz zu. Nachdem die KPD ausgeschaltet ist, votieren die Sozialdemokraten als einzige Partei nach einer mutigen Rede ihres Vorsitzenden Otto Wels mit ,,nein". Das Gesetz macht den Reichstag überflüssig.


Legislative und Exekutive sind ,,gleichgeschaltet". Die Regierung selbst kann nun die Gesetze erlassen. Am 31. März wird die Selbständigkeit der Länder und die Selbstverwaltung der Gemeinden beseitigt. Die Länderparlamente werden entsprechend den Reichstagswahlen vom März neu zusammengesetzt. ,,Reichsstatthalter" überwachen die Einhaltung ,,der vom Reichskanzler aufgestellten Richtlinien der Politik".

Nichtnationalsozialistisch gesinnte Beamte können nach dem ,,Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April, jüdische Beamte aufgrund eines besonderen ,,Arierparagraghen" entlassen werden. Auch Länder und Beamtenschaft sind damit ,,gleichgeschaltet". Der 1. Mai, der traditionelle Kampftag der Arbeiterbewegung, wird von der Reichsregierung zum ,,Tag der nationalen Arbeit" erklärt. Hunderttausende folgen dem Aufruf des Regimes.

Die Gewerkschaftsführung schließt sich an, um wenigstens die Organisation zu retten. Ungeachtet dessen werden schon am darauffolgenden Tag, dem 2. Mai, die führenden Gewerkschaftsfunktionäre festgenommen und in Konzentrationslager eingeliefert. Auch die Einrichtungen der Gewerkschaften sind ,,gleichgeschaltet". Die ,,schaffenden Deutschen der Stirn und der Faust" werden in der ,,Deutschen Arbeitsfront" zusammengeschlossen. Mit der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz hatten die meisten Parteien schon im März auf ihre entscheidende Rolle im politischen Leben, die sie 1918 nach vielen vergeblichen Anläufen endlich errungen hatten, verzichtet.

Unter dem verschärften Druck der NSDAP lösen sie sich im Verlauf des Jahres 1933 entweder selbst auf oder werden verboten. Ein Gesetz vom 14. Juli ,,gegen die Neubildung von Parteien" schließt den Prozeß ab und sichert der NSDAP zugleich die Rolle der Staatspartei im Einheitsstaat. Nach dem Tode Hindenburgs ist die innenpolitische Machtkonzentration abgeschlossen. Ein Symbol dieser Machtkonzentration ist die Eidesformel, mit der Hitler am 2. August 1934 die Reichswehr vereidigen läßt: ,,Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit mein Leben einzusetzen".

"4 1 Leben unter nationalsozialistischer Herrschaft 2.1 Alltag der Zivilbevölkerung ,,Hitlers totalitärer Staat begnügte sich nicht mit der Besitzergreifung der offiziellen Machtpositionen, sondern verlangte von jedem zu jeder Zeit Gefolgschaft und aktive Mitarbeit. Freizeit und Freiheit, wie wir sie verstehen, gab es zwischen 1933 und 1945 kaum. Wenn die Menschen von der Arbeit nach Hause kamen, konnten sie nicht immer tun und lassen, was sie wollten. Eine Fülle von Parteiveranstaltungen, Unterhaltungsangeboten, Grippe- und Schulungsabenden ,,organisierten" den Feierabend und die Wochenenden. Der totalitäre Staat nahm nicht nur von dem politischen Bürger Besitz.

Er kontrollierte, so weit als möglich, auch das Privatleben jedes einzelnen. Natürlich vermochte es auch dieser Staat nicht, jede Lebenssphäre des Bürgers zu organisieren und gar zu überwachen. Das war aber auch gar nicht nötig, denn die Mehrheit der Deutschen war für Hitler und für den Nationalsozialismus. Nur die politisch Andersdenkenden, die gläubigen Christen und die verfolgten Minderheiten lebten in der ,,ständigen Furcht vor dem Klopfen an der Tür in den frühen Morgenstunden", der bevorzugten Einsatzzeit der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Für die überwiegende Mehrzahl der Menschen blieb zumindest bis zum Ausbruch des Krieges das Leben innerhalb ihrer vier Wände im wesentlichen unverändert. Das Freizeit- und Konsumangebot war vielfältig und der Nachfrage des Marktes unterworfen.

Kühlschränke und Personenwagen, Kosmetika und Fotoapparate wurden bis zum Kriegsausbruch in ausreichender Zahl produziert; die Angebotspalette der Unterhaltungsindustrie vergrößerte sich ständig. Ausländische Tanzorchester gastierten in vielen Großstädten, und wer Streifen mit der offiziell Verfemten Marlene Dietrich, mit Gerta Gabo oder Clark Gable sehen wollte, konnte dies tun. Coca-Cola und die Swing-Musik Teddy Stauffers gehörten ebenso zum Alltag der Deutschen wie der Bestseller ,,Vom Winde Verweht". Stark vereinfacht können wir fünf Phasen des ,,Alltagslebens im Dritten Reich" unterscheiden: 1. Die Zeit von der Machtergreifung am 30. Januar 1933 bis zur Gleichschaltung aller politischen Organisationen, die im wesentlichen mit dem Gesetz vom 14.

Juli 1933, in dem die Nationalsozialistische Arbeiterpartei zur einzigen politischen Partei erklärt und jede Wieder- und Neugründung von Parteien verboten wurde, abgeschlossen war. In diesen nicht ganz sechs Monaten veränderte sich für die politisch engagierten Deutschen das Leben fundamental. Viele wurden verhaftet, in Zuchthäuser gebracht und ab März 1933 in Konzentrationslager festgesetzt. Das NS-Regime hatte seit der Machtübernahme ganze Arbeit geleistet. Schon am 4. Februar wurden die ersten ,,Notverordnungen" erlassen und Grundrechte der Weimarer Verfassung aufgehoben.

Bis 23. März, an dem das ,,Ermächtigungsgesetzt" beschlossen wurde, gelang es Hitler, eine Diktatur zu errichten, die nun praktisch mit unbegrenzten Vollmachten ausgestattet war. Den Alltag der meisten Deutschen berührte indes der NS-Terror in den Großstädten und die Abrechnung mit dem verhaßten politischen Gegner nur wenig. Erst als die Gleichschaltungspraxis auch die Gewerkschaften und andere politische und gesellschaftliche Organisationen ausgedehnt wurde, bekam der einzelne die ,,Kraft der Bewegung" sowie die Entschlossenheit und Brutalität der Nazis zu spüren. Gewaltige Aufmärsche, erhabene Feiern und kultische Begegnungen waren die Begleitmusik dieser neuen Ordnung. Als einige Deutsche, die der ,,Bewegung" zunächst abwartend-positiv gegenüberstanden, merkten, in welche Richtung, Hitlers Terrorsystem steuerte, war es zu spät.

2. Die Jahre von Mitte 1933 bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, am 1. September 1939, sehen einen NS-Staat, der innenpolitische äußerst stabil und außenpolitische Erfolge vorweisen kann, die allerdings konsequent - auch auf Kosten eines möglichen Krieges - erkämpft werden. Für diejenigen, die nicht hinter die Kulissen schauen konnten oder wollten, waren es die ,,Golden Thirties". Es ging wirtschaftlich bergauf, die Arbeitslosigkeit nahm rapide ab, und bald konnte in Deutschland wieder von Vollbeschäftigung gesprochen werden, ab Ende 1938 gab es sogar einen Arbeitskräfte- mangel. Vor allem diese Erfolge auf dem Gebiet der Wirtschaft waren es, die dem Nationalsozialismus breite Anerkennung verschafften.

Nach den mageren Jahren, die gleichzeitig auch das Enden der Weimarer Republik markierten, kam mit den neuen Machthabern wieder Arbeit und Brot. Diese ,,fetten Jahre" des NS-Regimes hatten auch ihre Schattenseiten: Tausende von politischen Gegnern des Regimes wanderten in die Gefängnisse und Konzentrationslager, viele wurden dort ermordet; Zehntausende von Juden emigrierten ins Ausland oder wurden als Menschen zweiter Klasse verfolgt. Ihre Situation spitzte sich mit dem ,,Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" sowie mit der ,,Reichskristallnacht" vom 8. Bis 10. November 1938 dramatisch zu. Rund 7500 jüdische Geschäftshäuser wurden in diesen Tagen demoliert und geplündert, 190 Synagogen in Brand gesteckt und über 25 000 Juden verhaftet.

Das Massenprogrom 1938 markierte den Beginn der ,,großen Abrechnung", die Göring angekündigt hatte und die ab Sommer1941 den ,,Holocaust" von Millionen von Juden bedeuten sollte. In diesen Sechs Jahren werden aber nicht nur Menschen verfolgt, gefoltert und getötet. Es wird auch der Grundstein für das gelegt, was die Nationalsozialisten als den ,,Aufbruch in eine neue Zeit" bezeichneten. Eine ganze Jugend wird - meist freiwillig - auf das System eingeschworen. Bis zu 95 Prozent eines Jahrgangs werden in der Hitlerjugend oder im ,,Bund Deutscher Mädel" mit den Zielen des Nationalsozialismus vertraut gemacht und paramilitärisch für den Ernstfall vorbereitet. Den Erwachsenen geht es nicht anders.

Vielen Bleibt nur die ,,Innere Emigration". 3. Als Hitlers Truppen am 1. September 1939 in Polen einmarschierten, war das zugleich der Beginn des Zweiten Weltkrieges, der sechs Jahre danach mit dem völligen Zusammenbruch Deutschlands enden sollte. Während der ,,Blitzsiege" über Polen und Frankreich, der Besetzung Norwegens, Dänemarks und des Balkans lief das Alltagsleben verhältnismäßig normal weiter. Erst mit dem Angriff auf die Sowjetunion und den seit 1942 einsetzenden Bombenangriffen auf den Westen Deutschlands änderte sich das.

Bis dahin war vom eigentlichen Krieg in der Heimat wenig zu spüren. Noch beherrschte Görings Luftwaffe den deutschen Luftraum, nur die Heranzieung der Jugendlichen für kriegswichtige Aufgaben wurde verstärkt, weil durch die Einberufung zur Wehrmacht viele Arbeitsplätze unbesetzt blieben. An Konsumgütern mangelte es zunächst nicht, auch die Rüstungsindustrie Ersetzte ohne größere Anstrengungen den Materialverschleiß der Truppe. Da die Mobilisierung der Frauen als zusätzliche Kräfte für die Wirtschaft (,,Ehrendienst") gescheitert war, griff man vorwiegend auf ausländische Zwangsarbeiter zurück, die meist unter schlechtesten Bedingungen in eigens errichteten Barackenlagern untergebracht waren. Auf dem Land hausten die zwangsrekrutierten Polen und Russen oft in Ställen und Erdlöchern, jeglicher Kontakt zwischen Deutschen und diesen ,,slawischen Untermenschen" war verboten." 4.

Mit der sich abzeichnenden Niederlage die Stalingrad zu Beginn des Jahres 1943 sowie den nunmehr pausenlosen Bombenangriffen auf die deutschen Großstädte beginnt die Phase des ,,Totalen Krieges". Ein Viertel der deutschen Bevölkerung war vom Luftkrieg unmittelbar betroffen. Schüler wurden als Flakhelfer eingesetzt, der Krieg war zu den Kindern gekommen. Nacht für Nacht wurden die Menschen aus dem Schlaf gerissen und stürzten in die Bunker und Luftschutzkeller. Nach Waren des täglichen Bedarfs mußte man nun Schlange stehen, seit Ende 1943 waren Grundnahrungsmittel zumindest in den Städten schwer zu bekommen. In den Rüstungsbetrieben stieg die Arbeitszeit bis auf zwölf Stunden täglich.

Hunderttausende flüchteten aus den durch Luftangriffe gefährdeten Städten aufs Land, auch die Frauen wurden nun verstärkt in der Wirtschaft untergebracht, Theater und Restaurants geschlossen. 5. Mit dem Angriff der Roten Armee auf Ostpreußen im Oktober 1944 und dem Vorrücken der alliierten Truppen im Westen erreicht der Krieg das ,,Reichsgebiet". Ältere Männer werden in den ,,Volkssturm" und die ganz Jungen in das ,,Letzte Aufgebot" abkommandiert. In Ostpreußen, später auch in Westpreußen; Schlesien und Pommern kommt es zu grausamen Übergriffen der Roten Armee auf die Zivilbevölkerung. Wenige Jahre zuvor haben unzählige Polen und Russen das erlebt, was nun Deutsche durchmachen müssen.

Es ist eine furchtbare Abrechnung. In den Großstädten geht indes der Luftterror weiter. Von den 500 000 deutschen Luftkriegsmonaten. Der Angriff auf Dresden gehört zu den sinnlosesten Grausamkeiten des Krieges, denn die Toten verbitterten die Menschen mehr, als daß die Kampfmoral und Durchhaltewillen untergrub. Am 8. Mai 1945 kapitulierte Deutschland bedingungslos.

Die Waffen schweigen. Doch die Leiden gehen weiter. Abertausende verhungern, erfrieren oder kommen in den nächsten Jahren in Gefangenenlagern um. Über 50 Millionen Tote hat der Zweite Weltkrieg auf seinen Kriegsschauplätzen gefordert. Deutschland wird von den Besatzungsmächten regiert und geteilt (..

.).1 2.1.1 Alltag der Kinder und Jugendlichen 1. ,,Wer die Jugend hat, hat die Zukunft" (Hitler) Auch die Kinder wurden von den Nazis nicht verschont, im Gegenteil sie wurde zum Rassismus erzogen, in Konzentrationslager eingeliefert, Euthanasieen unterzogen, ihren Eltern weggenommen, verschleppt und mußten Zwangsarbeit leisten und sie wurden Opfer von Vergeltungsaktionen.

,,Mit den Erwachsenen rotteten die Naziverschwörer unbarmherzig auch die Kinder aus. Sie töteten sie zusammen mit ihren Eltern, in Gruppen und einzeln. Sie töteten sie in Kinderheimen, Krankenhäusern, begruben sie bei lebendigen Leib, warfen sie ins Feuer, erstachen sie mit Bajonetten, vergifteten sie, führten Experimente an ihnen aus ... warfen sie in Gefängnisse und Folterkammern der Gestapo und in Konzentrationslager, wo sie durch Hunger, Foltern und Seuchen ums Leben kamen.

" (aus der Anklageschrift des Internationalen Gerichtshof)"2 2. Erziehung zum Rassismus ,,Im Mittelpunkt des Nationalsozialismus stand von Anfang an das Zerrbild der Juden." In dem Buch ,,Kinder als Opfer des Nationalsozialismus" habe ich eine Erzählung für Kinder entdeckt. Sie ist vom Stürmerverlag 1938 herausgegeben worden. Es ist eine antisemitische Erzählung. ,,Der kleine Franz ist mit seiner Mutter zum Pilzesuchen in den Wald gegangen.

(...) ,,Das kann ich mir denken. Aber das ist nicht schlimm. Wir werden eben die giftigen Pilze heraussuchen und fortwerfen.

" Franz nimmt einen Pilz aus dem Korbe. ,,Du, Mutter, dieser Pilz will mir gar nicht gefallen. Der ist sicher giftig!" Die Mutter nickte. ,,Du hast recht! Das ist ein Satanspilz. Er ist giftig. Man erkennt ihn gleich an seiner Farbe und seinem scheußlichen Geruch.

" Franz wirft den Giftpilz zu Boden und zertritt ihn. (...) ,,Du, Mutter, diesem Pilz trau` ich auch nicht. Der hat mir eine Viel zu gelle Farbe.

Der ist sicher auch giftig!" ,,Das will ich glauben", bestätigte die Mutter," es ist ein Fliegenpilz. Weg mit ihm!" (...) ,,..

. Das ist ein Knollenblätterpilz. Er ist der schlimmste Giftpilz, den es gibt. Und er ist doppelt gefährlich, weil man ihn sehr leicht verwechseln kann." (..

.) Unterwegs sagt die Mutter: ,,Schau Franz, genauso wie es bei den Pilzen im Walde ist, so ist es bei den Menschen auf der Erde. Es gibt gute Pilze und gute Menschen. Es gibt giftige, also schlechte Pilze, und es gibt schlechte Menschen. Und vor diesen schlechten Menschen muß man sich ebenso in acht nehmen wie vor Giftpilzen. Verstehst du das?" (.

..) ,,Du, Mutter, wissen das alle Nichtjuden, daß der Jude so gefährlich ist wie ein Giftpilz?" Die Mutter schüttelt den Kopf. ,,Leider nicht, mein Kind. Es gibt viele Millionen von Nichtjuden, die den Juden noch nicht kennengelernt haben. Und darum müssen wir die Menschen aufklären und müssen sie warnen vor dem Juden.

Warnen vor dem Juden müssen wir aber auch schon unsere Jugend. Schon unsere Buben und Mädels müssen den Juden kennenlernen. Sie müssen erfahren, daß der Jude der gefährlichste Giftpilz ist, den es überhaupt gibt. Wie die Giftpilze überall aus dem Boden schießen, so ist der Jude in allen Ländern der Welt zu finden. Wie die Giftpilze oft das schrecklichste Unglück mit sich bringen, so ist der Jude die Ursache von Elend und Not, Siechtum und Tod."3 Ich kann mir gut vorstellen, daß es die Nationalsozialisten unwahrscheinlich gefreut haben muß, zu sehen wie ihre ,,Rassentheorie" schon bei der Jugend vertreten wurde.

Erna Listig aus Gelsenkirchen schrieb einen Schulaufsatz, der 1935 im ,,Stürmer" veröffentlicht wurde. ,,Lieber Stürmer! Gauleiter Streicher hat uns so viel von den Juden erzählt, daß wir sie ganz gehörig hassen. (...) Die Juden sind unser Unglück.

Leider sagen heute noch viele: ,,Die Juden sind auch Geschöpfe Gottes. Darum müßt ihr sie auch achten." Wir aber sagen: ,,Ungeziefer sind auch Tiere, und trotzdem vernichten wir es." Der Jude ist ein Mischling. (..

.) Bei einem Mischling herrscht das Böse vor. Das einzig Gute, das er hat, ist die weiße Farbe. (...

) Der Weiße ist von Gott, und der schwarze ist von Gott. Der Mischling aber ist vom Teufel. Jesus sagte einmal zu ihnen: ,,Ihr habt zum Vater nicht Gott, sondern den Teufel." (..) Auch sehen die Juden in uns das Tier und behandeln uns danach.

Geld und Gut nehmen sie uns mit aller List weg. (...) Heil Hitler!7 Es ist erschreckend zu sehen, daß ein junges Mädchen von einem ,,wir" schreibt. Von einem ,,wir", daß für die Beseitigung der Grundrechte verantwortlich ist, mit Propaganda arbeitet, die Informations- und Meinungsfreiheit unterdrückt, die für die Ausschaltung Andersdenkender, für Gewaltenverbindung und für eine Willkürherrschaft, steht.

Für mich ist das unverständlich. Sie vergleicht die Juden mit Ungeziefer, alle Juden sind schlecht, hinterhältig und wollen den Nichtjuden nur Böses. 3. ,,Die Partei begleitet den Menschen von der Wiege bis zur Bahre" ,,An die Hitlerjugend (HJ) und dem ,,Bund Deutscher Mädel" (BDM, der Weibliche Teil der HJ) schlossen sich der Reichsdienst und schließlich der Wehrdienst an, so daß die jugendlichen ununterbrochen vom Staat und der Partei kontrolliert wurden. Weitere Parteiorganisationen waren u. a.

: Die SAiiiii Gliederung des BDM: 10 - 13 Jahre - ,,Jungmädel" 14 - 18 Jahre - eigentlicher ,,Bund Deutscher Mädel" (BDM) ab 18 Jahren - BDM-Werk ,,Glaube und Schönheit", gegründet 1938 Im BDM-Werk wurde Gymnastik getrieben, über Gesundheitslehre und Haushaltskunde informiert, aber auch Informationen über Mode und Schönheitspflege standen auf dem Programm. Unter dem Motto: ,,Straff, aber nicht stramm - heb, aber nicht derb" ,,Angeblich konnte jedes Mädel hier seinen seelischen Wurzelgrund finden: ,,Das Wissen um die Bedeutung des Blutes und die Rassenerkenntnis, die zugleich an Seele, Körper und Haltung den Maßstab legt, weckt notwendig den Willen zu einer gesunden, dem Volke wertvollen Ehe und gibt den Mädeln die Kraft, auf den Menschen zu warten, der in seiner Haltung dem besten Teil ihres Wesens, also ihrer Art entspricht. - Unterstützt durch das Errichten einer ganz neuen Ordnung, durch das unumschränkte Gelten der Leistung und der Kameradschaft in dem Bund, der sie erzieht, erwächst ... der jungen Mädelgeneration eine neue Wertung des Mannes, eine Wertung, die notwendig zu einer Volksgesinnung und der Familie von morgen führen muß.

"8 Ein weiteres Thema war es, nach zehn Geboten, den idealen Gatten zu wählen. ,,Zehn Gebote für die Gattenwahl 1. Gedenke, dass du ein Deutscher bist. 2. Du sollst, wenn du erbgesund bist, nicht ehelos bleiben. .

.. 5. Wähle als Deutsche nur einen Gatten gleichen oder nordischen Blutes. ..

." 10. Du sollst dir möglichst viele Kinder wünschen."8 Meine Oma war auch im ,,BDM". Aus einem Gespräch mit ihr habe ich erfahren, daß sie ,,jung war, sie mußte das mitmachen". In dem Buch ,,Probleme der Gesellschaft" habe ich ein Zitat gefunden, das eindeutig belegt wie sehr die Partei jeden Menschen voll erfaßt.

(Rede in Reichsberg am 02.12.1938) ,,Diese Jugend, die lernt ja nichts anderes als deutsch denken, deutsch handeln, und wenn diese Knaben mit 10 Jahren in unsere Organisation hineinkommen und dort zum ersten mal frische Luft bekommen und fühlen, dann kommen sie 4 Jahre später vom Jungvolk in die Hitlerjugend, und dort behalten wir sie wieder 4 Jahre. Und dann geben wir sie erst recht nicht zurück, sondern dann nehmen wir sie sofort in die Partei, in die Arbeitsfront, in die SA oder in die SS, in das NSKK (Kraftfahrerkorp) und so weiter. Und wenn sie dort 2 Jahre oder anderthalb sind und noch nicht ganze Nationalsozialisten geworden sein sollten, dann kommen die in den Arbeitsdienst und werden dort wieder 6 oder 7 Monate geschliffen, alles mit dem Symbol, dem deutschen Spaten. Und was dann noch an Klassenbewußtsein oder Standesdünkel da oder da noch vorhanden sein sollte, das übernimmt dann die Wehrmacht zur weiteren Behandlung auf 2 Jahre, und wenn sie nach 2,3 oder 4 Jahren zurückkehren, dann nehmen wir sie, damit sie auf keinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in die SA, SS und so weiter, und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben (.

..)"9 Ich mußte erst mal schlucken als ich das las. Es werden Jungen zu kleinen Soldaten gemacht ob sie wollen oder nicht. Ein Kind kann sich nicht frei entfalten, die Persönlichkeit jedes einzelnen darf erst gar nicht auftauchen. Und diese Erziehung hat erfolgreich bewirkt, daß sich niemand etwas gegen das Regime zu sagen traute.

Ich glaube, daß dieses Gedicht ganz deutlich die Problematik, der Zivilbevölkerung im Dritten Reich beschreibt. Die Erfahrungen Pastor Niemüllers (ehem. Kirchenpräsident von Hessen und Nassau, 1938-1945 in KZ-Haft; Quelle ,,Stern" Nr. 26/1976) aus dem Dritten Reich: ,,Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Katholiken holten, habe ich nicht protestiert; ich war ja kein Katholik.

Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."10 Ich versuche wirklich zu verstehen, wie so viele Menschen schweigen konnten. Es fällt mir schwer. ,,Man gehört zu einer Bewegung, einer Gruppe, einer Überzeugung. Man ist einer Sache ganz ergeben (..

.)."11 2.1.1.3 Kinder in Konzentrationslagerniiiiiii ,,Die Nationalsozialisten begannen bereits 1933 mit der Errichtung von KZs, anfangs von der Gestapo organisiert, 1934 in die Verwaltung der SS übernommen.

Die Lebensdauer eines Häftlings wurde nach der ,,Rentabilitätsberechnung" der SS mit 9 Monaten veranschlagt. Insgesamt sind in den KZs einschließlich der Vernichtungslager etwa 5-7 Millionen Menschen umgekommen." 12 2.1.1.3.

1 Auszüge aus Erzählungen, Berichten von KZ-Häftlingen ,,Die dreizehnjährige Stella kommt 1943 mit ihren Eltern und ihrem Bruder in das Konzentrationslager Plaszow bei Krakau. Es ist etwas Unglaubliches passiert: Zwei Leute sind aus dem Lager geflohen. Beim Appell wird bekannt gegeben, dass alle zur Rechenschaft gezogen werden, sofern man sie bis morgen nicht gefunden hat. (...

) Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. (...) Wenn sie sehen, daß sich jemand hingekauert hat, zerren sie ihn aus der Reihe, prügeln ihn auf brutalste Weise, treten ihn gegen den Kopf. In der Dunkelheit sieht man die Umrisse der Ermordeten und Gefolterten kaum, die reglos auf der Erde liegen.

(...) Ich schaffe es nicht mehr lange, soll doch endlich alles vorbei sein. Ich weiß, dass dieser Gedanke niederträchtig ist: Aber warum sollen beinahe zwanzigtausend Menschen wegen dieser beiden leiden, die fliehen wollten. Ich erschrecke über meine Gedanken.

Es soll ihnen gelingen, ja! Aber ich kann nicht mehr. ,,Mama", flüsterte ich. ,,Still! Ich kann dir nicht helfen." (...

) Sie haben angekündigt, es finde eine Dezimierung satt, falls sie die Flüchtigen nicht einfangen. (...) Die Angst hat alle gepackt, niemand weiß, was uns erwartet. Ich halte den Atem an und ertappe mich dabei, dass ich wirklich unsichtbar sein will, schließe sogar die Augen.

(...) Jemand zieht mich so heftig, dass ich beinahe hinfalle. Mama schiebt mich auf ihren Platz. Irgendetwas passiert zwischen den Frauen, sie schieben und stoßen einander von einem Platz auf den anderen, jede in der Reihe versucht den Platz einer anderen einzunehmen.

Jetzt wissen wir was Dezimierung bedeutet: Ein deutscher geht die Reihe entlang, zählt bis zehn und zieht jede Zehnte mit dem Griff seines Stockes am Hals heraus. (...) Es steht schlecht um uns, aber ich will leben, auch wenn ich hungrig, erschöpft und halb erfroren bin. Ich will nicht viel - nur leben.

Wieder bekomme ich einen Stoß. Ich glaube, nun ist es so weit. Nein, eine der Frauen hat mich zur Seite gestoßen, in ihren Augen steht der Wahnsinn. Schnell, schneller, sonst trete ich aus freien Stücken aus der Reihe, ich halte es nicht mehr aus! Und plötzlich ,,Rrraus!" Jemand reißt mich am Arm, nicht am Hals. Ich öffne die Augen. Er zerrte die sich wehrende Frau, die mich im letzten Augenblick auf ihren Platz geschubst hatte, aus der Reihe.

Die Frau schreit, das sei nicht ihr Platz, und krallt sich an meinem Ärmel fest. Ich stehe da und rühre mich nicht. (...) Sie lässt mich los, stürzt zu Boden, wälzt sich hin und her und schreit dabei fortwährend, das sei nicht ihr Platz.

(...) Ich weine, weil ein paar Zentimeter über Leben und Tod entscheiden können. Ich weine vor Freude, dass sie meinen Platz wollte. Ich weine, weil in wenigen Minuten sie sterben wird und nicht ich.

13 Wenn ich mich in Stella Müller-Madej hineinversetze, an ihrer Stelle gewesen wäre ... Ich glaube ich wäre zusammengebrochen. Erschüttert gewesen. Erschüttert über diese unmenschliche Grausamkeit.

Ich weiß genau daß, das alles passiert ist. Aber ich finde es unglaublich, dass so etwas passieren konnte. Ich kann mir nicht erklären wie Menschen andere Menschen so quälen und demütigen können. 2.1.1.

3.2 Angst Wenn ich mir vorstelle ganz alleine zu sein und keine Bezugsperson zu haben schließe ich daraus, daß ich unwahrscheinliche Angst hätte. Angst, dieses zermürbende Gefühl und das Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute, immer und immer wieder. Wer so etwas überlebt muß, meiner Meinung nach, einen ungeheuren Überlebenswillen haben. ,,Peter Fischl, ein fünfzehnjähriger Junge, der in Auschwitz 1944 ermordet wurde, schrieb in sein Tagebuch: ,,Wir hatten uns daran gewöhnt, morgens um sieben, mittags und dann wieder abends um sieben in langen Reihen mit einer Essenschüssel in der Hand zu warten, bis man uns etwas warmes, nach Salz schmeckendes Wasser oder Kaffee oder vielleicht ein paar Kartoffeln hineintat. Wir hatten uns daran gewöhnt, ohne Bettwäsche zu schlafen und jede Uniform zu grüßen .

.. Wir hatten uns an die grundlos verabreichten Ohrfeigen gewöhnt, an Erniedrigungen, Strafen ... Wir hatten uns an den Anblick im eigenen Kot sterbender Menschen gewöhnt, an Särge voller Leichen, an Kranke in entsetzlichem Dreck und ohne irgendwelche Ärzte .

.. Wir hatten uns daran gewöhnt, daß von Zeit zu Zeit Tausende Unglückliche zu uns gebracht wurden und daß Tausende und wieder verließen ..."14 2.

1.1.3.3 Organisierter Kinderraub ,,Alles gute Blut auf der Welt, alles germanische Blut, was nicht auf deutscher Seite ist, kann einmal unser Verderben sein. Es ist deswegen jeder Germane mit bestem Blut, den wir nach Deutschland holen und zu einem deutschbewußten Germanen machen, einen Kämpfer für uns, und auf der anderen Seite einer weniger. Ich habe wirklich die Absicht, germanisches Blut in der ganzen Welt zu holen, zu rauben, zu stehlen, wo ich kann .

.."15 (Heinrich Himmler, Rede vom 8. November 1943 im Führerheim der SS-Standarte ,,Deutschland") Diese Absicht wurde mit Hilfe der 12. Dezember 1935 gegründeten ,,Lebensborn e.V.

" wurde grausame Wirklichkeit. Als Zuchtstätte einer künftigen reinen arischen Rasse geplant, sollte der ,,Lebensborn e.V." für den ,,rassisch wertvollen Nachwuchs" des faschistischen Staates sorgen. Um Spuren zu verwischen , wurden falsche Dokumente ausgestellt, Namen und Herkunft geändert, so daß nach Kriegsende die Identität von vielen tausend Menschen ungeklärt war und blieb. Die Eltern waren oft hilflos gegenüber dem Rassen- und Siedlungsamt.

Eine polnische Mutter, deren Tochter zunächst in das Gaukinderheim in Kalisz, Polen, verschleppt wurde. ,,Meine Tochter Alicia-Maria Sosinska wurde im Alter sieben Jahren, d.h. 1941, vom Rasseamt ihrer Betreuerin, bei der sie sich zur Erziehung befand, weggenommen. Ich bemühte mich, das Kind über die Abteilung Sozialfürsorge zurückzubekommen, aber mir wurde geantwortet, daß meine Tochter als ,,arisch" anerkannt sei und daß man sie mir nach dem Kriege zurückgebe. Man wollte übrigens überhaupt nicht mit mir reden, obwohl ich ihnen sagte, daß es mein leibliches Kind sei.

Wo meine Tochter gegenwärtig ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß sie 1942 nach Kalisz gebracht wurde. Was dann mit ihr geschehen ist, weiß ich nicht." Über die ,,Eindeutschungsfähigkeit" der Kinder entschied eine Rasse- und erbbiologische Untersuchung. Vom Ergebnis dieser Untersuchung hing der weitere Weg der Kinder und Jugendlichen ab. Dies wird in folgenden Aussagen deutlich: ,, (.

..) Man entnahm uns Blutproben, maß alle Körperteile, den Kopf u. dgl., untersuchte die Haare und die Haut usw. (.

..) In Bruczkow brachte man uns die deutsche Sprache bei und verbot uns, polnisch zu sprechen. (...

) Ich kam nach Lodz. Dort wurde ich wieder ,,auf meine Rasse" untersucht. (...) Außer dem Deutschunterricht mußten wir intensiv trainieren.

(...) Wegen Kirchenbesuch und Polnischsprechen wurden wir geschlagen, und man entzog uns das Essen. (..

.) In Luxemburg wurde uns gesagt, daß wir jetzt Deutsche seien, und man gab uns neue Namen. Dann wurden wir im Lager an die Bauern verteilt. Beim Bauern arbeitete ich bis Kriegsende. Man befahl mir, die Bauersleute mit ,,Vater" und ,,Mutter" anzureden, um schneller zu vergessen, daß ich aus einem anderen Land stamme." ,,SS-Schulen und Lebensborn-Heime waren als letzte Stationen auf dem Weg zur endgültigen ,,Eindeutschung" gedacht.

Hier sollte nach festgestellter ,,Reinrassigkeit" das faschistische Deutschtum anerzogen werden." ,,Stand die ,,Eindeutschungsfähigkeit" fest, konnte das Kind einer deutschen Pflegefamilie übergeben werden, die auf das neue Familienmitglied und nicht zuletzt neue Arbeitskraft oft schon ungeduldig wartete." Dabei achtete der ,,Lebensborn" darauf, daß die Herkunft und die Abstammung des Kindes möglichst im Dunklen blieb.16 WORTERKLÄRUNGEN i Arier = Angehöriger der arischen Rasse, bei Hitler Angehörige der germanisch nordischen Rasse. ii Epilepsie = ,,Fallsucht"; Krankheit, die durch Anfälle von Bewußtlosigkeit und Krämpfen gekennzeichnet ist. iii Gestapo = Von den Nationalsozialisten gegründete spezielle Polizeieinheit zur Verfolgung politischer Gegner.

iiiii SA = Sturmabteilung: uniformierte Truppe der NSDAP FÜR Straßenkämpfe, Saalschlachten und Aufzüge der NSDAP. iiiiii SS = ursprünglich Schutzstaffel. Die SS war eine Hitler persönlich unterstellte militärische organisierte Einheit, die innerhalb der NSDAP Polizeiaufgaben übernehmen sollte. Unter der Führung von Heinrich Himmler entwickelte sie sich zu einer nationalsozialistischen Eliteeinheit, die auf besonders brutale Weise die Herrschaft der Nationalsozialisten sicherte Ab 1934 waren der SS alle Konzentrationslager unterstellt. iiiiiii KZ = Konzentrationslager, Internierungslager, in denen ohne rechtliche Grundlage tatsächliche oder ,,potentielle" politische Gegner und andere unliebsame Bevölkerungsgruppen (z.B.

aus rassischen und/oder religiösen Gründen) gefangengesetzt werden. ,,Wende den Blick zu den Leichenhügeln, Betrachter der Zeitgeschichte, halte nur einen Augenblick inne und denke, dieser arme Rest von Fleisch und Bein sei Dein Vater, Dein Kind, Deine Frau, sei der Mensch, der dir lieb ist! Dich selbst und Deine Allernächsten, an denen Dein Herz und Dein Sinn hängt, sieh nackt in den Dreck geworfen, gequält, verhungernd, getötet ..." (Egon Kogon) Ich habe ein Zitat gefunden, das als Schlußwort, meiner Meinung nach, absolut ideal ist. ,,Um die ungeheuerlichen Taten wissend, schrieb Goebbels am 14.

September 1943 in seiner Zeitschrift ,,Das Reich": ,,Was uns betrifft, so haben wir die Brücken hinter uns abgebrochen. Wir können nicht mehr zurück, aber wir wollen auch nicht zurück ... Wir werden als die größten Staatsmänner in die Geschichte eingehen, oder als ihre größten Verbrecher." Die Nachwelt hat ihr Urteil gefällt, die nationalsozialistischen Untaten als solche bewertet und die nationalsozialistischen Führer als die größten Verbrecher gebrandmarkt.

Die Ermordung von Millionen unschuldiger Juden bleibt eine Schandtat, die durch nichts aufgerechnet werden kann und über deren Schwere und Unmenschlichkeit die gesamte zivilisierte Menschheit auch heute noch erschauert."

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