Soziale frage im 19.jhd.
Die soziale Frage
Was ist die Soziale Frage?Als soziale Frage wird die Summe der ökonomischen Probleme, die aus der industriellen Revolution resultieren und damit das bürgerliche Leben im 19.Jahrhundert, dem Zeitalter der Industrialisierung, prägen, bezeichnet.Jedoch wurden die sozialen Probleme von jeder Bevölkerungsgruppe anders bewertet. So meinten Teile des Besitzbürgertums, dass das Problem seine Ursprünge in der fehlenden Moral, Trunksucht und Faulheit der Arbeiter habe. Die Soziale Frage selbst war für sie die Frage danach, ob sich die Arbeiterschaft als in ihr Weltbild integrierbar erweisen würde.Demgegenüber meinten Teile des Bildungsbürgertums mit sozialistischer politischer Orientierung, das Problem liege in den Klassenunterschieden zwischen Bourgeoisie und Arbeiterklasse.
Im Gegensatz dazu schienen die Arbeiter vor allem an der Beseitigung der Symptome interessiert zu sein ohne dabei nach deren Ursachen zu fragen.Diese unterschiedlichen Anschauungen machten eine einheitliche Lösung, die alle Beteiligten zufrieden stellen würde, nicht möglich.
Die Situation der Arbeiter im 19. Jahrhundert:Obwohl die meisten Unternehmer Kalvinisten waren, also aus dem protestantischen Christentum stammten, Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Wohltätigkeit zu ihren Wertvorstellung zählten und sie sicher weder Unmenschen noch Sklaventreiber sein wollten, zwang der unerbittliche Konkurrenzkampf der freien Wirtschaft sie doch dazu, das Lohnniveau extrem niedrig zu halten, da die Höhe der Löhne direkt die Höhe des Gewinnes und damit den Erfolg und Bestand des Betriebes bestimmte.Damit brachten sie ohne dies zu wollen viele Menschen aus der Arbeiterschaft in große soziale Not.Die Arbeiter, die in der glücklichen Situation waren, einen Arbeitsplatz zu haben, verbrachten oft bis zu 14 Stunden am Tag in der Fabrik, bekamen wenn überhaupt maximal eine Woche Urlaub im Jahr und das oft auch nur, wenn sie bereits 10 Jahre von der Volljährigkeit an in dem Betrieb gearbeitet hatten, ohne Ausfälle aufzuweisen.
Aber auch dann konnten sie den Zeitpunkt des Urlaubes nicht selbst bestimmen.Während der Arbeitszeit bestimmte der Takt der Maschinen den Arbeitsrhythmus der Arbeiter in der Fabrik. Ein Verlangsamen des Arbeitstempos oder gar eine individuelle Pause, um vielleicht eine Toilette aufzusuchen oder ähnliches, war nicht möglich. Zudem mussten sich die Arbeiter den strengen Fabrikregeln unterwerfen, dass sowohl den Arbeitsablauf, als auch das Verhalten auf dem Gelände der Fabrik regelte, von den Arbeitern ein Höchstmaß an Disziplin einforderte und all das mittels harter Strafen durchsetzte. Für die an Heimarbeit in der Großfamilie auf dem Lande oder Zünfte gewohnten Arbeiter war der Dienst in den großen Fabriken eine enorme Umstellung. Wenn auch die Fabriken der frühen Industrialisierung selten mehr als 300 Beschäftigte zählten, so war die Atmosphäre doch durch eine den Arbeitern unbekannte Anonymität geprägt.
So war häufig sogar die unnötige Unterhaltung untereinander, genau wie alles andere von der Arbeit ablenkende, bei Strafe verboten. Die sonstigen Arbeitsumstände waren für heutige Vorstellungen unhaltbar. Die Räume vieler Arbeitsstätten waren viel zu dunkel und schlecht beheizt. Die Luft war voll mit Abgasen und Staub. Es war zugig und schmutzig. Die Arbeiter und Arbeiterinnen mussten oftmals die vielen Stunden ihrer Dienstzeit in ein und derselben Körperhaltung verbringen, also entweder an Maschinen stehend oder zum Beispiel an einem Webstuhl in gebückter Haltung sitzend.
Diese Zustände führten nicht selten zu berufsspezifischen Krankheiten und einem schnellen Verschleiß der Arbeiter und Arbeiterinnen. So kam es zu chronischen Entzündungen von Augen, Nase, Rachen und Kehlkopf bei einem Großteil der Beschäftigten (in einer Spinnerei). Im gleichen Betrieb traten aber auch auffällig häufig Muskelschwächen und Geschwüre an den Beinen auf.
Auszüge aus einer Fabrikordnung: 1
1. Die Arbeitszeit der Arbeiter, welches auch ihre Arbeiten sein mögen, wird vom Fabrikherrn nach den Umständen und der Jahreszeit bestimmt.
2.
Jeder Arbeiter ist verpflichtet, länger als gewöhnlich und auch sonntags zu arbeiten, wenn es die Umstände verlangen.
3. Der Tagelohn gilt für 12 Arbeitsstunden.
4. Alle Arbeiter müssen auf den Glockenschlag auf ihre Arbeit gehen; sie verfallen durch Zuspätkommen in eine Geldstrafe je nach ihrem Lohn und den Ursachen. (.
..)
9. Geistige Getränke dürfen nicht in die Fabrik gebracht werden. Jeder, der damit angetroffen wird, verfällt in eine und dieselben werden ihnen abgenommen.
10.
Jeder Betrunkene verfällt in eine Geldstrafe von. Und wird für zwei Tage weggeschickt. (...)
12.
Wer aus der Fabrikarbeit austreten will, muss zwei Monate vorher am Zahltag direkt auf dem Comptoir Anzeige davon machen: doch werden an einem Zahltag nicht mehr als drei Kündigungen angenommen. Ebenfalls wird vom Fabrikherrn mit zwei Monaten aufgekündigt.(...)
14.
Arbeiter, die gegen ihre Vorgesetzten widersetzlich oder ungehorsam sind, können ohne Aufkündigung entlassen werden.(...)
18. Die Arbeiter müssen sich der Untersuchung vom Körper unterwerfen, wenn es der Fabrikherr als gut erachtet, dieselben vornehmen zu lassen.
(...)
4. Die kirchliche Sicht der sozialen Frage:
Die Kirche als Vertreter des Bürgertums sah grundsätzlich anfangs gar keinen Grund für ihr Eingreifen gegeben. Nun jedoch muss man differenzieren zwischen der katholischen und der evangelischen Seite.
Der Katholizismus war von starken inneren Spannungen, vor allem was die Rolle des Staates in der Gesellschaft anging, geprägt. Jetzt aber trugen zwei Personen zur Einigung der Katholiken bei: Zum einen der Mainzer Bischof Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler, der die Ansichten der katholischen Kirche verbreitete.
Zum anderen war dort Reichskanzler Bismarck, der völlig unabsichtlich die Solidarität der Katholiken untereinander dadurch förderte, dass er versuchte den Einfluss der katholischen Kirche zurückzudrängen, z.b. mit Entzug der Schulaufsicht und durch Einführung der Zivilehe.Der wohl wichtigste Vertreter der katholischen Sozialbewegung ist Adolf Kolping, dessen 1849 gegründetes Kolpingwerk noch heute besteht.
Diese Vereinigung lässt sich am besten durch Kolpings Wahlspruch charakterisieren: "Religion und Tugend, Arbeitsamkeit und Fleiß, Eintracht und Liebe, Frohsinn und Scherz."So hieß es da nur generell, dass sich die Ausgestaltung von Staat und Gesellschaft an den christlichen Lehren orientieren solle und das Subsidiaritätsprinzip entstand. Dieses besagt, dass jedes Individuum in jeder Angelegenheit zunächst seine unmittelbare Umgebung um solidarische Hilfe bitten solle und wenn dies nicht ging, sollte immer erst die jeweils nächste Ebene (Gemeinde, etc.) angerufen werde. So ist der Staat erst das letzte Glied in dieser langen Kette.Besonders prägend auf den politischen Katholizismus wirkte ein Rundbrief des Papstes Leo XIII.
"Rerum Novarum" .Im folgenden weist Leo XIII. Auf die natürliche Ungleichheit der Menschen hin, denen als Buße die Arbeit auferlegt worden ist, wie auch oben bereits angedeutet, so dass es immer die Klasse der Besitzenden und die der Besitzlosen gibt, was so auch im kommunistischen Manifest von Marx zu finden ist. Der Staat jedoch vertritt, nach christlicher Ideologie, ALLE, und im besonderen die Arbeiter, schon allein aus quantitativen Gründen, und da diese zudem auch nützliche Dienste für die Wohlfahrt des Staates leisten. Somit kann der Staat sie nicht im Elend leben lassen. Dazu sind folgende Passagen heranzuziehen: " Wie immer sich die Regierungsform gestalten mag, stets werden unter den Bürgern jene Standesunterschiede da sein, ohne die überhaupt keine Gesellschaft denkbar ist.
"
Im Protestantismus erkannte Johannes Wichern der auch Kolping und Ketteler beeinflusste, als einer der ersten die Notstände des Proletariats und gründete er bereits 1833 das "Rauhe Haus", das sich um Obdachlose und verwaiste Kinder bemühte und die "Innere Mission", die sich sowohl sozial als auch seelsorgerisch um Obdachlose und kranke Arbeiter sorgte. Wichern war ein gläubiger Optimist, der der Inneren Mission die Kraft zutraute, das von der offiziellen Kirche entfremdete Volk wieder für das Christentum zu gewinnen.
4. Maßnahmen der Unternehmer:Einige Unternehmer unternahmen im Zuge der Industrialisierung selbst etwas um die Not ihrer Arbeiter zu beseitigen. Sie gründeten betriebliche Unterstützungskassen, die im Krankheitsfall helfen und für Altersversorgung, Unfälle und Invalidität vorsorgen konnten. Teilweise wurden Kindergärten eingerichtet, damit die Kinder der Arbeiter betreut werden konnten.
Konsumvereine und Betriebswohnungen sollten ,für die Verringerung von Lebenshaltungskosten sorgen. Genauer betrachtet dienten diese ganzen Maßnahmen seitens der Unternehmer aber nur dazu, die Arbeiter noch mehr von den Arbeitgebern abhängig zu machen und sie noch stärker an sich zu binden. Deshalb kritisierte die Arbeiterbewegung auch solche Maßnahmen der Unternehmer. Im Großen und Ganzen betrachtet, bildeten die Aktivitäten der Unternehmer allerdings eine Art Vorstufe zu den staatlichen Sozialgesetzen.
Obwohl die meisten Unternehmer vorrangig an niedrigen Kosten und einer Behauptung gegenüber der Konkurrenz interessiert waren, gab es einige Betriebe, die auf zufriedene Arbeiter wert legten.
5.
Ansätze und Versuche zur Lösung der Sozialen Frage
Man kann von mehreren Richtungen her Ansätze, die Lage der Arbeiterschaft zu verbessern, feststellen:
Zu unterscheiden sind:
Parteien der Arbeiter
Organisationen der Solidarität unter den Arbeitern: Arbeiter- und Handwerkervereine, Gewerkschaften
Innenpolitik
Übersicht über wichtige Einzelergebnisse:
Jahr(e)
Einzelergebnis
1839
Gesetz zur Einschränkung der Kinderarbeit in Fabriken in Preußen. (Für Kinder ab 10 Jahren sind bis zu 9 Arbeitsstunden erlaubt.)
1846
Christliche Gesellenvereine und -häuser werden durch den katholischen Geistlichen Adolf Kolping gegründet.
1848
Die Innere Mission als evangelische Organisation der Nächstenliebe wird durch die Initiative des evangelischen Geistlichen Johann Hinrich Wichern gegründet.
1861 - 1869
Zusammenschlüsse von Arbeitern werden in den einzelnen deutschen Staaten zugelassen.
1863
Der Politiker und Publizist Ferdinand Lassalle gründet den "Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein".
1869
Wilhelm Liebknecht und August Bebel gründen die Sozialdemokratische Arbeiterpartei in Eisenach.
1871
Allgemeines und gleiches Wahlrecht für Männer bei Wahlen zum Deutschen Reichstag.
1875
Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein vereinigt sich mit der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands.
1883 - 1889
Die gesetzliche Kranken-, Unfall-, Alters- und Invaliditätsversicherung wird im Deutschen Reich eingeführt.
1891
Die Sozialistische Arbeiterpartei gibt sich als Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) in Erfurt ein neues Programm.
1897
Gründung der Caritas als Hilfsorganisation der katholischen Kirche.
1918
Der 8-Stunden-Tag wird eingeführt.
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