Die welt der karolinger
Einblick in die
Völkerwanderung.
Hunnen, Westgoten, Ostgoten und Vandalen.
Die Franken und ihr Koenig
Chlodwig I.
Germanenstämme zur Zeit der
fränkischen Vorherrschaft.
Byzanz. Metropole Europas und
Weltstadt.
Das Frankenreich
entstand aus den Wirren der durch die Hunnen ausgelösten Völkerwanderung. Nachdem
diese durch die vereinten Kräfte der Römer, Westgoten, Burgunder und Franken auf den
Katalaunischen Feldern 451 zum Rückzug gezwungen werden konnten, brachen
für Europa
turbulente Zeiten an. Die aus ihren Stammsitzen verdrängten Germanen fanden Geschmack am
Wandern und Plündern und fielen, wie vor ihnen die Hunnen, in ganz Europa ein. Bald
darauf gründeten sie die ersten Reiche, so die Westgoten in Toulouse (418, unter Koenig Wallia),
welches bis auf das Frankenreich das beständigste Germanenreich war und erst 711 durch
die Araber unterworfen wurde).
Auch die Ostgoten gründeten ein Reich. Unter
Koenig Theoderich dem Grossen eroberten sie 493 Italien und Rom, wobei sie das
Weströmische Reich endgültig beendeten.
Ihr Reich war mit wenig
Glück gesegnet und
wurde schon 555 durch den byzantinischen Feldherren Narses vernichtet. Das
wechselhafte Kriegsgeschehen und die Tragik der Ostgoten hat Felix Dahn in seinem
meisterlichen Roman "Ein Kampf um Rom" festgehalten. Doch die folgende
byzantinische Herrschaft auf italischem Boden war nur von kurzer Dauer, denn die Langobarden
besetzten Norditalien, einst noch von Kaiser Justinians Feldherren Narses als
Soeldner herbeigerufen, um die Ostgoten zu besiegen. Das Langobardenreich sollte
dauerhafter sein, bis es von Karl dem Grossen niedergeworfen wurde.
Ebenso wie West- und Ostgoten fanden auch die
Vandalen ein Land, wo sie waehrend der Voelkerwanderung ein Reich gruenden konnten. Dieses
besonders kampfeswuetige und brutale Volk trieb es unter ihrem legendaeren Koenig Geiserich
bis nach Afrika, eine gewaltige roemische Provinz, welches sie 429 in nur wenigen Monaten
eroberten und besetzten, um sich dort niederzulassen.
Ebenso wie bei den Ostgoten, war
ihrem Reich nur eine kurze Zeit beschieden, denn der byzantinische Feldherr Belisar
konnte die Vandalen 534 niederwerfen.
Nebst den bereits genannten Voelkern waren
noch eine Vielzahl anderer Germanenstaemme wandernd in Europa unterwegs, so die Alemannen,
Sueben (die in Nordspanien siedelten), Heruler, Gepiden und andere kleinere Voelker.
Jueten, Angeln und Sachsenstaemme machten sich um 450 von Daenemark aus nach England auf,
um sich dort niederzulassen.
Durch den Niedergang des westroemischen
Reiches und der Wanderung so vieler Staemme in Richtung Sueden war in Mitteleuropa ein
Machtvakuum entstanden und die Fanken machten sich daran, dieses Vakuum
auszufuellen. Die Stammlande dieses Volkes sind in der Maasgegend zu suchen, im spaeteren
austrischen Reichsteil, der die Karolinger hervorbringen wuerde. Ueber Belgien draengten
sie gegen 450 nach Nordgallien (Frankreich), wo sie siedelten und ihre Macht bestaendig
vergroesserten.
Koenig Chlodwig aus
dem Haus der Merowinger war der erste grosse Koenig, den die Franken hervorbrachten. Bei
seinem Amtsantritt 482 beseitigte er zuerst rivalisierende Adelsfamilien, bevor er sich an
die Ausdehnung seines Machtbereiches machte. 486 siegte er bei Soissons, eine der
spaeteren Hauptstaedte der merowingischen Dynastie, ueber den von den Roemern bestellten dux
(Herzog) Syagrius, welches die roemische Vorherrschaft nominell beendete. Die mit
den Franken rivalisierenden Alemannen besiegte Chlodwig um 500. Nach dieser Schlacht trat
er, angeblich durch den Einfluss seiner Frau, zum katholischen Glauben ueber. Damit waren
die Franken der erste und momentan einzige Germanenstamm, welcher sich zur katholischen
Glaubenslehre bekannte, waehrend alle übrigen Staemme dem Arianismus (einer der
Hauptunterschiede zu den Katholiken war ihr Glaube an Verschiedemheit von Gott, Jesu und
dem heiligen Geist, die nicht ein und dasselbe Wesen waeren) anhingen.
Damit gelang dem
klugen Merowinger, woran fast alle anderen Germanenreiche scheiterten: eine Verschmelzung
der fraenkischen Eroberer mit der gallo-roemischen Bevoelkerung.
Ebenfalls im Jahre 500 unterwarf Chlodwig die
Burgunder, deren Koenig Gundobad er bei Dijon besiegte. Mit der Hilfe der
Unterworfenen verdraengte Chlodwig schliesslich die Westgoten aus Gallien. 507 schlug er
sie bei Vouillé, die Westgoten mussten Toelouse aufgeben und siedelten von nun an in
Spanien. Der erfolgreiche Chlodwig starb 511 in seiner Pariser Residenz, seine vier Soehne
teilten das Reich untereinander auf.
Seine Nachfolger hatten allerdings nicht
dasselbe politische Geschick oder Glueck wie Chlodwig.
Die Franken erlebten ein
turbulentes 6. Jahrhundert, obwohl sie sich kontinuierlich weiter ausbreiten konnten. Die
Nachfolger Chlodwigs teilten das Reich mehrmals untereinander auf, es kam immer wieder zu
Thronstreitgkeiten, wenn mal wieder irgendein Anwaerter versuchte, seinen Alleinanspruch
durchzusetzen. Die ganze Familie kaempfte erbittert gegeneinander, Brueder ermordeten ihre
Brueder, Muetter ihre Kinder, Enkel oder Neffen. So schickte die schaurige Brunhild
beispielsweise gedungene Moenche aus, die Nebenbuhler mit Messerattentaten aus dem Weg
raeumten. 613 wurde sie gefangengenommen und zu Tode gefoltert.
Waehrend jener Zeit konnte
wohl jeder Adelige Franke froh sein, nicht als Merowinger geboren zu sein, denn kaum einer
dieses Geschlechts starb einen friedlichen Tod.
Mit dem siebten Jahrhundert hoerten die
Machtkaempfe innerhalb der Familie endlich auf, was auch damit zusammenhing, dass die
Erben Chlodwigs immer schwaechere Herrscher wurden. Sie verliessen sich zunehmend auf ihre
Adeligen und Hofdiener, die die koeniglichen Amtsgeschaefte bald komplett in die Hand
nahmen. Die Merowinger waren zu Schattenkoenigen im eigenen Reich geworden.
Wie sah Europa nun
aber in der Fruehzeit des 7. Jahrhunderts, welches den Aufstieg der Karolinger sehen
wuerde, aus? Das Frankenreich bestand aus den Mitteleuropaeischen Stammlanden in der
Maasgegend, Metz, Aachen und Ingelheim, wo sich der austrische Reichsteil befand
und aus dem mit dem Sieg ueber den Syagrius an das Frankenreich gefallene Nordgallien
(Soissons, Orleans, Paris), welches den neustrischen Reichsteil bildete.
Ebenso
waren Burgund und Teile des Tolosanischen Westgotenreiches an die Franken gefallen. An den
Randgebieten des Reiches siedelten jedoch diverse Germanenestaemme.
So zum Beispiel die Friesen. Diese
gehoerten zu den wenigen Germanen, die nicht auf Wanderschaft gegangen waren, sondern ihre
urspruenglichen Siedlungsgebiete an der Nordsee nicht verliessen. Der Grund dafuer liegt
auf der Hand; anders als das restliche Germanien, welches mit Urwald ueberwuchert und
voellig versumpft war, florierte in Friesland schon frueh ein bluehender Handel. Die
Friesen waren die ersten germanischen Kaufleute, der Handel mit England und anderen
Nordseeanreinern machte sie sehr reich.
Sie besassen eine eigene Muenzpraegung und galten
in merowingischer Zeit als unabhaengig und stellten ein eigenes Herzogsgeschlecht. Dies
gehoerte mit zum ersten, was die Karolinger aendern wuerden.
Ein weiterer wilder Germanenstamm, der bis
zur Zeit Karls des Grossen heidnisch blieb, waren die Sachsen. Diese siedelten etwa
seit dem ersten Jahrhundert an der Elbmuendung und hatten sich durch Unterwerfung anderer
Germanen (Cherusker, Bruttier, Chautier, u.a.) bis nach Ost- und Westfalen ausgebreitet.
Sie bildeten einen lockeren Grosstamm mit mehreren regionalen Stammesgruppierungen. Schon
im 6. Jahrhundert gab es erste fraenkische Uebergriffe auf saechsisches Gebiet, doch
konnten sich die kriegerischen Sachsen der Franken immer erwehren. Sie fielen ihrerseits
desoefteren im Frankenreich ein, weshalb sich die Franken bis zur Zeit Karl des Grossen
auf vereinzelte Strafexpeditionen beschraenkten.
Die Alemannen waren eigentlich im 6.
Jahrhundert durch die Merowinger unterworfen worden, blieben jedoch ein Reichsteil mit
weitgehender Autonomie.
Dies zeigt sich schon anhand der Tatsache, dass die Alemannen
weiterhin einen eigenen Herzog bestellten. Aehnlich verhielt es sich mit dem Elsass,
welches ebenfalls ab 660 einen eigenen Herzog besass. Das Geschlecht starb jedoch gegen
739 aus.
Baiern war etwas besonderes. Ab dem 6.
Jahrhundert herrschte hier das fraenkische Geschlecht der Agilofinger, die
allerdings schon sehr stark baierrisiert waren und sich spaeter nicht mehr mit den Franken
identifizierten.
Ihr Herzogtum konnte als autonom betrachtet werden und blieb bis zur Zeit
Karls des Grossen ein staendiger Unruheherd.
Als ebensolcher erwies sich auch Aquitanien
lange Jahre. Die hier ansaessige Bevoelkerung widersetzte sich den Karolingern viele
Jahrzehnte. Neustrier, die durch die austrischen Karolinger vertrieben wurden, flohen nach
Aquitanien. Die aquitanischen Herzoege kaempften erbittert gegen Pippin II., Karl des
Grossen Vater, und fielen den Franken letztlich nur durch Verrat in den eigenen Reihen zum
Opfer.
Interessant ist auch eine Betrachtung des
spanischen Westgotenreiches. Durch die Franken verdraengt, liessen sich Westgoten
und Sueben in Iberien nieder. Nach der Vertreibung erkoren die Westgoten Toledo
zu ihrer Hauptstadt. Das Suebenreich in Nordspanien unterwarfen die Westgoten unter Koenig
Rekharedt, welcher 587 Katholik wurde, schon in den Jahren 585-90. Ab 654 gab es fuer
Westgoten (die ebenfalls katholisch wurden) und die roemisch-iberische Urbevoelkerung ein
einheitliches Recht. Dennoch blieb das Reich eigentlich schwach, was an der schwachen
Position des Koenigs lag, denn dieser wurde nur gewaehlt.
Einzelne Regionen hatten sich
ihre Unabhaengigkeit bewahrt, so beispielsweise die wehrhaften Basken, die noch Karl dem
Grossen eine schmerzhafte Niederlage verpassen sollten. Im Jahr 711 kam dann das Ende des
Reiches durch den Berber Tarek, der den Westgotenkoenig Roderich schlug.
In noerdlicher Richtung vom Frankenreich
befand sich England. Mehr noch als Germanien, war England ein recht oedes Land.
Selbst nach der Ansiedlung der Angeln, Sachsen und Jueten, welche die keltische
Urbevoelkerung nach Wales, Irland und Schottland vertrieben, lebten kaum 400.000 Menschen
auf der Insel (im Gebiet der alten Bundesrepublik ca.
700.000-1.000.000). In der Zeit des
7. Jahrhunderts gliederte sich das Land in 7 Koenigreiche auf: Kent (wo die Jueten
lebten), Northumbria, Mercia, Ost-Anglia (Angeln), Essex, Sussex und Wessex (Sachsen).
Ab
dem 6. Jahrhundert missionierte der von Rom entsendete Augustinus England
(Gruendung des Klosters von Canterburry), was er recht erfolgreich tat, denn in den
folgenden Jahrhundert waren die englischen Moenche begehrte gelehrte Pilger, die emsige
Missionsarbeit taetigten.
In Italien bestand ein weiteres
Germanenreich, das Langobardenreich. Diese hatten in Norditalien die Nachfolge der
Ostgoten angetreten und machten Pavia zu ihrer Hauptstadt. In einem
laengerfristigen Prozess katholisierten sie sich freiwillig und galten ab 650 als komplett
katholisiert. Aehnlich wie bei den Westgoten, wurde das Langobardenreich dadurch
geschwaecht, dass es keine unangefochtene Herrscherdynastie gab, Grafen und Herzoege
uebten unabhaengig vom Koenig grosse Macht aus.
Interassantestes
Staatsgebilde jener Zeit war jedoch zweifellos Byzanz. Seit Kaiser Konstantin
seine Hauptstadt in die altgriechische Stadt verlegt hatte, war sie der Nabel der Welt.
Noch unter Kaiser Justinian hatte Ostrom im 6. Jahrhundert Ausmasse erreicht,
welche mit dem Besitz Roms aus der Zeit Caesars vergleichbar waren. Zwar war die Macht von
Byzanz seitdem kontinuierlich verfallen, dennoch war die Stadt immer noch eine der
groessten, maechtigsten und schoensten, die zu der Zeit existierten. Hier residierte der Kaiser,
der den Anspruch hatte, Fuehrer der Christenheit und ihr Beschuetzer zu sein.
Dies war
nicht nur juristisch festgelegt, sondern aeusserte sich auch optisch. Die Kaiserstadt war
eine der wenigen Weltmetropolen, die Germanen- und Hunneneinfaelle in Europa ueberlebt
hatten. Ausser Rom gab es keine Stadt von vergleichbarer Groesse. Nebenbei prunkte die
Stadt mit ihrem Reichtum, gewaltige Bauwerke (Kirchen, Basiliken, Palaeste, Villen)
reihten sich aneinander. Nicht umsonst war die Stadt, ebenso wie der byzantinische
Kaisertitel, fuer Karl den Grossen das Mass aller Dinge.
Nun aber zurueck zum geschichtlichen Ablauf,
in dem sich die Karolinger anschickten, die schwaechelnden Merowinger
abzulösen.
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