In der zeit, in der morisot lebte - wir sprechen hier von der zweiten hälfte des 20
Aus der Rezension der zweiten Ausstellung der Impressionisten 1876:
"Neues Unheil ist über die Rue Peletier hereingebrochen. Fünf oder sechs Verrückte, darunter eine Frau, haben, von Ehrgeiz
verblendet, hier ihre Werke ausgestellt, Viele Besucher bekommen vor diesen Machwerken Lachkrämpfe. Mir zieht es bei ihrem Anblick das Herz zusammen. Diese sogenannte Künstler bezeichnen sich als Umstürzler und Impressionisten. Sie nehmen Leinwand, Farbe, Pinsel, setzen, je nach Lust und Laune, einige Töne nebeneinander und glauben, sie hätten schon etwas Großes geleistet. Das Ganze erinnert an Ville Evrard (Name einer Irrenanstalt), wo die verwirrten Patienten Steine aufheben und sich einbilden, sie hätten Diamanten gefunden.
[...] Wie soll man Pisarro erklären, dass Bäume nicht violett sind und der Himmel nicht die Farbe frischer Butter hat, dass die von ihm gemalten Dinge in keinem Land zu sehen sind und kein intelligenter Mensch derartige Verwirrungen akzeptieren kann. Verlorene Mühe."
Obwohl Impressionismus heute sehr angesehen ist, war damals der Begriff allein offensichtlich schon eine Beleidigung.
Er wurde benannt nach Claude Monets Gemälde "Impression, soleil levant", das 1874 bei einer Ausstellung von achtzehn jungen Malern in Paris gezeigt wurde.
Die Impressionisten malten die Landschaften oder Gegenstände im Übergangszustand des Lichts, d.h. beim Sonnenauf- oder Sonnenuntergang, bei flimmernder Luft im heißen Sommer oder im Mondschein. Sie schafften es, das Licht in seine einzelnen Elemente bzw. Spektralfarben zu zerlegen und dem Bild trotzdem einen komplexen Anschein zu geben.
Berthe Morisot ist berühmt für realistische Bilder in trotzdem leuchtenden Farben.
Impressionisten konzentrierten sich nicht auf Details. Ihre Farben waren oft verschwommen, ineinander übergehend oder übereinander und keine klare Linienführung ist zu erkennen. Sie bilden Augenblicke ab, die vergänglich sind.
In der Zeit, in der Morisot lebte – wir sprechen hier von der zweiten Hälfte des 19. Jh.
– bestanden zwei völlig unterschiedliche Welten zwischen Mann und Frau. Den Männern war das Öffentliche zuteil. Sie hatten hier ihre Freiheit. Die Frauen hingegen repräsentierten den guten Ruf ihres Hauses. Sie kümmerten sich um ihre Kinder und ihr zu Hause. Wenn sie versuchten am öffentlichen Leben Teil zu haben, verstand man das als Provokation und Einschränkung der Männer in ihrer Freiheit.
Deswegen war es nicht üblich, dass Frauen sich überhaupt Karieren widmeten.
Jedoch gab es reiche Familien aus der Bourgeoisie, die ihren Töchtern in öffentlich anerkannten Lehren, zum Beispiel Musik, Kunst oder Erziehen einen guten Beruf gönnten. Die Töchter hätten allerdings dann zwischen Kariere und Familie entscheiden müssen. Dies blieb selbst der Schwester Morisots nicht erspart.
Doch Berthe Morisot war anders: Ihr Talent war so groß, dass ihr viele zum Malen rieten und, da ihr größter Wunsch war, „ einen vergänglichen Augenblick, eine Blume, ein Kind“ zu malen und ihr die Familie sehr am Herzen lag war sie eine unter sehr wenigen Frauen, die beides schafften. Weitere Motive waren die Bourgeoisie mit allen erdenklichen Hintergründen (ob draußen oder in der Stube), ihr Lebensstandart, die Mitbewohner, ihre Aktivitäten, usw.
Morisot war nicht nur aus dem Grunde so außerordentlich:
Wenn man die Hintergründe der damaligen Kunst bedenkt, fällt auf, dass der Impressionismus vielen ein Dorn im Auge war. Vor allem Künstler der Salonkunst waren überhaupt nicht begeistert von Impressionisten:
Doch Berthe war eine der wenigen Frauen, denen auch das keine Hürde war. („The mother and sister of the artist“, war eines ihrer Bilder, die im Salon ausgestellt wurden)
Der Hintergrund, der ihr dies alles ermöglichte, war folgender:
Berthe Morisot
war ein Mädchen aus sehr reicher Familie. Ihr Vater arbeitete in der Regierung als hoher Beamter (Departement Cher) als sie 1841 in Bourges geboren wurde. Ihre Mutter kümmerte sich selbst mit großer Sorgfalt um ihre Kinder, wie es zu damaliger Zeit üblich war. Berthe hatte zwei große Schwestern.
Die Familie zog 1855 nach Paris, wo sie auf eine private Schule geschickt wurde und zwei Jahre später den Zeichenunterricht von Joseph Guichard genoss.
1860-1862 nahmen Edmé und Berthe Kunstunterricht bei Corot, der Berthe auf den Geschmack der Freilichtmalerei brachte. Die Familie unterstützte die beiden. Sie richteten ihre Urlaubsorte sogar nach der Kunst. Auch später reiste Berthe noch umher: England, Spanien, Bretagne
1864 stellte sie das erste Mal Landschaften im Salon aus (sie ist 23).
1868 begann die Freundschaft mit Manet, der sie in ihrer Kunst beriet und auch selbst portraitierte.
1874 heiratet sie Manets Bruder Eugène, der sie sehr unterstützte, wohin sie auch ging. Er entwarf sogar einige Kataloge für sie.
1874-1886 waren ihre Werke auf allen Impressionistenausstellungen vorhanden (bis auf die IV, wegen Geburt ihrer Tochter). Auf diesen galt ihr Wort sogar sehr hoch: Seurats Werk „Sunday Afternoon“ wurde nur wegen ihr dort ausgestellt.
1881-1883 bauten Eugène Manet und Berthe Morisot (sie behielt ihren Namen als Künstlername) ein Haus in Paris, das jeden Donnerstag zum Treffpunkt vieler sehr bekannter Impressionisten einlud. (Pissarro, Renoir, Degat, Duret, Monet…)
1892 starb ihr Mann schließlich.
Im selben Jahr hatte sie ihre erste Einzelausstellung bei Boussod & Valladon. Der Staat erwarb zwei Jahre später das erste Bild von ihr.
Mallarmé war ein großer Bewunderer von ihr. Als sie 1895 in Paris starb stellte er eine Ausstellung auf die Beine, die 300 Bilder von ihr beinhaltete.
Die Wiege: Öl auf Leinwand, 1872, 56 x 46 cm
Das Bild hat ein, bei Morisot, sehr häufig auftauchendes Element: Sie malt sehr gerne Familie, ob Vater und Kind oder Mutter und Kind. Ihre Lieblingsmotive stehen sehr häufig in heimidyllischer Beziehung, so auch hier.
Im Vordergrund sitzt eine Frau, gekleidet in einem schwarz-grau gestreiften Kleid, mit weißem Unterkleid und Rüschen. Sie stützt sich etwas müde mit einem Arm auf das Wiegchen, von dem sie halb verdeckt ist und schaut liebevoll auf ihr kleines schlafendes Neugeborenes. Die Wiege wird an einer Stelle mit einem Musselinschleier – hübsch verziert durch einen rötlichen Rand – bedeckt, durch das das Baby zu sehen ist. Das Musselin scheint trotz seiner Zartheit am Halter so dicht und schwer, dass es leicht den Eindruck vermittelt, ihn zu verbiegen. Der Hintergrund ist beinahe schwarz und wird von der Fensterlichtquelle – gelblich, bläulich, weiß – die hinter der Mutter ist nicht beleuchtet. Am Fenster hängt eine dem Wiegenschleier ähnliche Gardine.
Berthe hat hier ihre Schwester Edmé gemalt. Wie viele Schwestern in dieser Zeit in der Mittelklasse, hatte sie eine sehr innige Beziehung zu ihr. Zusammen gingen sie auf die Kunstschule, nahmen Zeichenunterricht, verreisten. Auch nach der Hochzeit von Edné (1869) fand noch ein reger Briefaustausch zwischen den beiden statt. Doch Edné musste sich, wie so viele Frauen bei ihrer Hochzeit gegen die Malerei entscheiden. In Briefen hielt sie fest, wie sehr sie sich nach ihr – sowohl Malerei als auch der Schwester – sehnte.
„Ich bin bei dir, liebe Berthe. In meinen Gedanken folge ich dir in dein Studio und wünschte ich könnte entkommen, um die Luft zu atmen, in der wir viele Jahre lang lebten, wäre es auch nur für eine viertel Stunde.“ Daraufhin war sie sogar so verschreckt, dass sie anzweifelte jemals zu heiraten, was für Aufruhe sorgte.
Wie bei den meisten Impressionisten fließt in das Gemälde sehr viel Gefühl ein. Man merkt eine gewisse trübe drückende Stimmung: Das Bild scheint leicht vergilbt. Schillernde weiße Farben sind charakteristisch für Impressionisten.
Der Gegensatz von schwarz (Hintergrund, Edné) und weiß (Licht, Babywiege, Schleier) drückt leichte Distanziertheit aus, auch die hängende Wiegenbedeckung.
Andererseits drückt das Bild auch Sehnsucht auf Eigenheimstimmung aus. Das Musselin wird geschickt hochgehalten, so dass nur die Mutter das Töchterchen unverschleiert sieht und der Betrachter außerhalb bleibt. Die Mutter hat ihren Arm liebevoll auf die Wiege gelegt und spielt mit den Fingern am Schleier, den sie festhält. Zwei Jahre nach diesem Gemälde heiratet auch Berthe.
Außerdem wird der Schwarzweiß-Gegensatz von verschiedenen Farben gelblich, bläulich, und rötliche Verzierung abgeschwächt, so dass das Gemälde insgesamt zwischen Distanziertheit – von Betrachter und Kind oder von Mutter und Kind – und Sehnsucht ein Gleichgewicht einstellt.
https://www.onlinekunst.de/januar/14_01_Morisot_Berthe.htmhttps://www.onlinekunst.de/januar/14_01_Morisot_Berthe.
htmhttps://www.artchive.com/galleries/1874/74moriso.htmhttps://www.geocities.com/Athens/Aegean/7023/BertheMorisot.
html Maria Hänel, 2003
Peter H. Feist, Französischer Impressionismus 1860-1920; Benedikt Taschenverlag
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