Commedia dell' arte
Commedia dell‘ Arte
à Commedia = Theater, Arte = Handwerk, Arbeit
Entstehung:
Entstehung Anfang 16. Jh. in Venedig und der Lombardei
Entwicklung des berufsmäßigen Schauspiels in Italien viel früher als in Frankreich, England und Deutschland
davor gab es bereits Akrobaten, Spielleute, bürgerliche Laiengruppen „Dilettanti“, lateinisches Jesuitentheater, Bauerntheater (auch Wochenendtheater genannt), Passions- und Ministerienspiele
Angelo Beolco (1502 – 1542), genannt „Ruzzante“ prägte Typen der Commedia dell‘ Arte
ist geprägt durch: Schlagfertigkeit, Witz, Komik, Tragikkomik, Kritik an Gesellschaftszuständen
Übernahme der Masken vom venezianischen Maskenball / Fabelführung, komplizierte Verwicklungen und Intrigen, sowie den Grundbestand der Figuren aus der Commedia erudita ( italienische Renaissance Komödie nach römischen Vorbild)
Verbunden damit wurde Akrobatik, Pantomime, Musik und Rhetorik
Commedia dell‘ Arte wird als Stegreifkomödie bezeichnet, weil Aufführungen so unmittelbar wirkten, als seien sie aus dem Stegreif improvisiert
Fundament der Handlung war das „Scenario“, das die Handlungsgrundzüge und die Dreh- und Wendepunkte grob festlegte
Improvisationen und Konkretisierungen mit Phantasie und Erfindungsgabe verbanden sich mit differenzierten Absprachen
Szenarien waren fast ausschließlich Liebesverwicklungen, aus denen mannigfaltige Verwicklungen und Intrigen in den Familien entstehen, die sich am Ende glücklich auflösen
Figuren der Commedia dell‘ Arte keine Charaktere im sinne des Bürgertheaters, sondern Typisierungen, die durch festgelegte Verhaltensweisen, Kostüme, Sprachdialekt und Masken charakterisiert werden à Typologie des bürgerlichen Lebens
Schauspieler spielte in der Regel sein ganzes Leben lang immer nur ein und die selbe Figur ( unabhängig von Gestalt oder Alter ) und entwickelte ein hohes Maß an Kunstfertigkeit und Routine darin
das Prinzip des Spiels war nicht die Originalität des Stoffes, sondern die vielfältige Variation des bereits Bekannten
Wirkung beruhte nicht auf Bildern und Textentwicklungen, sondern auf starker Gestik und schlagfertigen, witzigen Reden à Text war der Bewegung untergeordnet
à „concetti“ geistreiche Einfälle, „battute“ schlagfertige Antworten, „lazzi“ komische, körperlich – mimische Zwischennummern (die auch Nachfolgern weiter gegeben wurden)
wichtig war die Beredsamkeit des Körpers, weil das Gesicht bei einigen Figuren von Masken bedeckt war
Entstehung von Monologen, Dialogen und festgelegten rhetorischen Formeln, die wiederholt eingesetzt und weiter – „vererbt“ d.h. gelehrt wurden
Zwischenspiel und beim Umbau der Bühne Auftritt der „Canterina“, die musizierte und tanzte und von Akrobaten
Commedie dell‘ Arte nahm in ihrer Frühzeit Partei für die unteren Schichten und hatte volkstümliche Spielweise
Gedanken / Meinungen des Volkes wurden auf der Bühne offen ausgesprochen bzw. aktuelle regionale politische Bezüge wurden in das Spiel mit aufgenommen
katholische Zensur konnte Improvisation schwer verbieten und schwerer verfolgen als geschriebenes Wort / gedruckten Text
Commedia dell‘ Arte stellte an die Darstellung den Anspruch größtmöglicher Perfektion
Kern der Truppen bestand häufig aus Familien, Gruppe in der Regel 10 –12 Mitglieder
Die italienischen Commedia dell‘ Arte – Truppen reisten durch ganz Europa (Frankreich, Österreich, Spanien, Rußland .
..)
Truppen waren angewiesen auf ein italienisch sprechendes Publikum (am österreichischen Hof kein Problem, da Italienisch im bis ins 17.Jh. dort Hofsprache war), daher wenig Zugang zu breiten Volksmassen im Ausland
Ausländisches Publikum hatte Probleme mit den Dialekten, daher Verallgemeinerung der Sprache
Weiterentwicklung der Commedia dell‘ Arte unter frz. Einfluß zur Commedia Italienne (Gesellschafts- und Zeitsatire und Weiterentwicklung der Charaktere)
Abnahme der Bedeutung der italienischen Wandertruppen Ende des 18.
Jh. mit stärkerer Ausprägung des Nationaltheaters
Hauptziel:
Unterhaltung des Publikums (keine Erbauung oder Belehrung)
Spielort:
Bretterbühnen, Planwagen, Winkelrahmenbühne
berühmte Truppen:
Comici Gelosi / Comici Accesi
Charaktere:
Zwei Dienerfiguren „Zanni“:
Anstifter, Zwischenträger, Nutznießer, Ausgebeutete, Hin- und Hergehetzte
in der Frühzeit : dumm, verschlagen, unverschämt, gefräßig, lüstern
Diener kommen aus armer bergamesischer Kleinstadt und arbeiten in Venedig, wo sie von den ansässigen Plebejern als Konkurrenz gesehen wurden, daher negative Darstellung
Grundkostüm: weiße Hose und Bluse, die fast bis an die Knie geht, unter der Taille von Gürtel gehalten, schwarze Lederhalbmasken
Arlecchino (auch Bagatino oder Truffaldino): naiv, passiv, plump, lebhafte Phantasie à erschreckt vor eigenen Vorstellungsbildern und flüchtet, verdrehte Logik – allerdings manchmal erstaunlich clevere Problemlösungen, bringt sich durch Neugierde und Leichtgläubigkeit ständig in unangenehme Situationen, aus denen er sich aber immer wieder befreien kann, strebt nach sinnlichen Genüssen
Kostüm : weißer, weiter Anzug der mit Flicken in allen Farben geflickt ist (Armut), zerdrücktes Hütchen, schwarze Lederhalbmaske - später – rhombisch geschecktes Kostüm in blau, rot, grün, gelb, breitkrempiger Hut mit Hahnen- oder Fuchsschwanz, schwarze Lederhalbmaske, Holzdegen
Spätere Charakterentwicklung beider Diener : Diener mit Witz und Unverschämtheit, die es weder mit Treue, noch mit Ehrlichkeit gegen ihre Herren allzu genau nehmen, stets bereit zur Hilfe in Liebesangelegenheiten und zu Streichen gegen Selbstgefällige
Arlecchino wird in der Commedia Italienne zu Harlekin (geistvoll, komischer Lebensphilosoph)
Brighella: aktiv, hinterlistig, lebendig, Drahtzieher und Intrigant,
trotz moralischer und intellektueller Beschränktheit triumphiert er in jeder Situation
Kostüm: weißes Kostüm mit Umhang, an Brust und Beinen des Kostümes grüne Querstreifen – Eindruck eines Livree, schwarze Lederhalbmaske
Dienerin: “Zagna“:
weibliches Pendant zu Arlecchino, gleiche soziale Stufe
in der Frühzeit: derb, obszöne Hausmagd
später listenreiche Kammerzofe Columbine, die den Liebenden gegen die Väter hilft
in der Commedia Italienne. Columbina oder Colombine ( überlegene, emanzipierte Dienerin)
Kostüm: Kleid im selben Muster wie Kostüm Arlecchionos
Die Verliebten. „Amorosi“:
Eigenschaften / Erscheinungen, wie zeitgemäße Jugendliche besserer Schichten
Mädchen meist: Florinda, Flaminia, Silvia, Rosaura à bescheiden, züchtig
Männer meist: Flavio, Silvio, Lelio, Leandro à höflich, galant
gekleidet nach Mode der Zeit
Armrosi Mittelpunkt des Geschehens, um dem sich die Lazzis der Diener und skurrilen Episoden der Väter gruppieren
sprechen reinstes Toskanisch (italienische Hochsprache der Zeit)
Capitano:
Protest der Italiener gegen spanische Fremdherrschaft
Spitzname: Spavento (Schrecken)
Rühmt sich der Heldentaten / Tapferkeit, ist im Ernstfall kleinmütig und feige
lebt in Illusion allen Frauen zu gefallen, seine Liebesabenteuer nehmen oft ein klägliches Ende
Charakter: habgierig, hochmütig, prahlsüchtig
Kostüm: militärische Variante spanischer Weltmode: enganliegendes Wams, langer Mantel, Halbstiefel, überdimensionales unpraktisches Schwert
In der Commedia Italienne: Scaramuccio ( Maulheld)
Väter der Amorosi:
Kinder bereiten ihnen große Sorgen: Töchter schlagen gute Partien aus, Söhne geben zuviel Geld aus
Städtebürger höherer Schichten, materiell unbeschwertes Leben
versuchen Würde zu demonstrieren, andere und sie selbst stellen sie ständig in Frage
Diener spielen ihnen übel mit (lassen sie in Fallen laufen, sind schadenfroh)
Pantalone: unternehmungslustiger Tatmensch, geizig, habsüchtig
Hat ständig Zipperlein und schwankt zwischen sich gehen lassen und Haltung bewahren
Trotz seiner Unpäßlichkeit ist Pantalone ständig auf Liebschaften aus (bekommt häufig Hörner aufgesetzt)
Kostüm: Kleidung eines wohlhabenden Patriziers von Venedig, rotes Wams, rote Hose, roten Hut, schwarzen Umhang, flache Pantoffeln, bräunlich - schwarze Ledermaske mit Spitzbart, aus der überdimensionale Nase hervorsticht, Geldbörse = wichtigstes Requisit der Figur, Dolch zur Verteidigung gegen Diebe und Räuber
Dottore: Rechtsgelehrter oder Arzt aus Universitätsstadt Bologna, hält sich für gelehrtesten Menschen der Welt, seinen Redeschwall unterbricht er selten, streut ständig Latein in seine Rede, sein Gerede ergibt wenig Sinn, tut nichts weiter außer reden
Kostüm: Amtstracht der Professoren, schwarze Kniehose, Strümpfe und Schuhe in der selben Farbe, mit weißer Halskrause geschmückte Robe, schwarzes Käppchen – darüber Hut mit großer Krempe, Halbmaske bedeckt nur Nase und Stirn und läßt die roten Bäckchen frei, die darauf schließen lassen, dass er gern trinkt
Quellen: - Theatergeschichte in einem Band – Peter Simhandl - Henschelverlag
- Theater Lexikon – Henning Reichbieter - Orell Füssli Verlag, Zürich
- Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen, und jedermann erwartet sich ein Fest -
Christel Hoffmann - Der Kinderbuchverlag Berlin
- Mosaik 9/1977 und 10/1977
- Theater des Barock – Verlag Georg D. W. Callwey, München
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