Der isenheimer altar
Der Isenheimer Altar
Geschichte
Bei dem Isenheimer Altar handelt es sich um ein spätgotisches Retabel (Wendealtar), d.h. einen Altaraufsatz, der sich aus vier Bestandteilen zusammensetzt ( Altartisch, Predella, Altarschrein und Gesprenge, letzteres ist jedoch verloren gegangen ).
Schnitzwerk und Altarschrein sind heute noch erhalten. Grünewald hat diese Teile bereits vorgefunden, als er den Auftrag erhielt, die schwenkbaren Flügel für den Altar zu malen, welche eine zweimalige Verwandlung der Bilderwand, also drei Ansichten, ermöglichten.
Der Altar ist am Ort selbst entstanden.
Das Retabel stand ursprünglich im Chor der Kirche und blieb den Gläubigen zum Teil verborgen, aufgrund des Vorhandenseins eines Lettners (Trennwand). Die Gläubigen konnten den Altar nur durch den Lettner hindurch erblicken.
1597 will Kaiser Rudolf II in den Besitz des Altar gelangen.
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts bietet Maximilian von Bayern eine beträchtliche Summe für den Erwerb des Altars.
Im 30 .
jährigen Krieg wird der Altar in Thann in Sicherheit gebracht.
1792 wird das Retabel in die Nationalbibliothek des Bezirks gebracht, da ein Verzeichnis aller oberrheinischen Kunstwerke angefertigt werden soll (heute: Musee National de Colmar).
1852 wird der Altar in die Kirche des ehemaligen Dominikanerklosters von Unterlinden verlegt. Die gemalten Tafeln (Öl auf Lindenholz) und Skulpturen werden auseinandergenommen und auf das gesamte Kirchenschiff verteilt.
Am 13.02.
1917 wird der Altar unter Vorwand einer Restauration in die Müncher Pinakothek gebracht. Nach langen Verhandlungen wird er jedoch 1919 an Colmar zurückgegeben.
1939 wird er in das Schloß von Lafarge verlegt.
Die Deutschen geben Kisten mit kostbaren Werken 1940 (Waffenstillstand) nach Colmar zurück.
1942 wird der Altar zum Schutz vor den Bombardierungen durch die Allierten auf die Hohkönigsburg überführt.
Seit dem 8.
Juli 1945 hat der Altar die Kapelle nicht mehr verlassen.
Darstellungen
Geschlossenes Retabel
Im Mittelteil neben dem gekreuzigten Christus links Maria, von Johannes gestützt, und Maria Magdalena. Rechts das Opferlamm mit Kelch und Kreuzstab und Johannes der Täufer, über dessem angewinkeltem Arm die Schrift : er muß wachsen, ich dagegen kleiner werden. Darunter in der Pedrella, die Grablegung Christi durch Johannes, Maria und Maria Magdalena. Im linken Stellflügel der, von Pfeilen durchbohrte, heilige Sebastian ( obwohl es keinen Beweis gibt, wird diese Figur allgemein als Selbstportrait des Meisters angesehen ! ), auf dem rechten Stellflügel der heilige Antonius in der Tracht der Isenheimer Antoniter – Chorherrn. Die geschlossene Stellung erschien wahrscheinlich im Advent und in der Fastenzeit.
Mittelstellung
Die Mitteltafel der zeigt links unter einem gotischen Architekturbaldachins das Konzert der Engel zur Weihnacht, rechts eine schwer deutbare Mädchengestalt mit einer Gloriole, die sich anbetend dem rechten Bildteil zuwendet, vielleicht als die Maria vorausdeutende Eva erklärbar. Dort sitzt Maria vor einer Landschaft auf einer Steinbank, obwohl die Gegenstände der Wochenstube vor ihr stehen. Auf einem zerfetzten Leinentuch, das dem der Grablegung in der Predella entspricht, hält sie das Kind. Links über ihr öffnet sich der Himmel, und Gottvater in einer Strahlenglorie entsendet Myriaden engelhafter Lichtwesen zur Anbetung; in den Bergen verkündet ein Engel den Hirten die Botschaft. Anspielungen an Maria aus der Lauretanischen Litanei: du verschlossener Garten, du Rose ohne Dornen, du Haus Gottes usw., durchziehen die Landschaft.
Der linke Flügel stellt die Verkündigung an Maria dar. Der Engel Gabriel überrascht Maria beim Lesen. In der oberen linken Tafelhälfte stellt Grünewald den mit dem Finger auf die heilige Schrift deutenden Propheten Jesaja dar. Im rechten Flügel ist die Auferstehung Christi dargestellt.
Diese Ansicht war als Symbol der Hoffnung und Freude sicherlich dem Osterfest, Weihnachten sowie großen Marienfesten vorbehalten.
Vollständig geöffnetes Retabel
Im Mittelteil befinden sich Schnitzfiguren von Nicolaus von Hagenau : der heilige Antonius in der Mitte, flankiert von Augustinus und Hieronymus.
In der Predella erscheinen Christus und die zwölf Apostel als Schnitzfiguren des gleichen Meisters. Die Seitenflügel daneben zeigen links die beiden Einsiedler Antonius und Paulus. Paulus erläutert Antonius das tägliche Wunder, dem er sein Leben verdankt. Die Anregung zu dieser Bildtafel fand Grünewald in der „Goldenen Legende“. (aus dem Wappen von Guido Guersi am Felsen geht hervor, dass das Retabel zwischen 1490 und 1516 gemalt wurde) Rechts die Versuchung des heiligen Antonius mit Motiven aus der Malerei von Bosch und Schongauer. Antonius ist einem Heer von schrecklichen Dämonen und Ungeheuern ausgesetzt.
Der Kampf spielt sich vor einer Berglandschaft ab, über der am Himmel Gottvater erscheint. In seinem verzweifelten Kampf gegen diese Meute schickt er einen Stoßseufzer zum Himmel: „Wo warst Du, guter Jesus, wo warst Du? Warum bist Du nicht erschienen, um meine Wunden zu heilen?“ Dieser Satz erscheint auf einem Zettel am rechten Bildrand des Altarflügels.
Vergleich „Kreuzigung“ und „Auferstehung Christi“
Kreuzigung
Geschlossen, in der Werktagsansicht, zeigt der Wendealtar den Kreuzestod, den weder vor noch nach Grünewald ein Maler in so fürchterlicher Grausamkeit wiedergegeben hat. Die Darstellung ist einerseits noch in der spätmittelalterlichen Tradition verhaftet: qualvoller Todeskampf Christi und verzweifelter Schmerz von Maria, Johannes und Maria Magdalena. Dagegen erscheint der überlebensgroße Körper am Kreuz mit den ausgerenkten Gliedern und den zahllosen Wunden als der eines Helden. Die ganze Szene ist in eine öde Landschaft unter einem schwarzblauen Himmel gesetzt.
Finsternis bedeckt das Land, nur über dem Vordergrund breitet sich grelles Licht aus. Nicht Maß, Klarheit und Ordnung, die Prinzipien der ital. Renaissance sind in diesem Altarbild vorrangig, sondern die seelische Aussage. Ein bis zum äußersten getriebener, durch den Symbolgehalt der Farben noch erhöhter Ausdruck sprengt die gewohnten Gestaltungsgesetze.
Auferstehung
Die Darstellung ist nicht Auferstehung aus dem Sarg allein, so wie sie die Malerei des 15. Jh.
Häufig zeigt, sondern Himmelfahrts- und Verklärungsdarstellung zugleich. Zur Verwirklichung der Lichtgestalt bedient sich Grünewald – wie die ital. Zeitgenossen – neuer malerischer Mittel, die an die Stelle der zeichnerischen Definition treten.
Im Vergleich zum geschlossenen Retabel stellen die Mittelstellung und das geöffnete Retabel eher phantastische Bilder dar. Die Darstellungsform der Szenen ist seltsam unkörperlich, mehr emotional erfüllt als beschreibend, die Farben sind ins Unwirkliche, Phantastische gesteigert, und der Realismus zugunstender Heftigkeit des Ausdruckszurück gedrängt.
Weshalb das Retabel Grünewald zugeschrieben wird
Übereinstimmende Zeugnisse des 16.
Und 17. Jh. (Straßburger Buchdrucker Bernard Jobin, Frankfurter Verleger Vinzenz Steinmeyer, ein Basler Bürger; wichtigstes Zeugnis: Joachim von Sandrart ( Teutschen Akademie ) 1675;
Stilvergleiche zwischen diesem Kunstwerk und gesicherten Arbeiten Grünewalds bestätigen die These.
Schluß
Grünewalds Werk ist in jeder Hinsicht – und im stärksten Gegensatz zu Albrecht Dürer – der mittelalterlichen Tradition verpflichtet. Nur zögernd nahm er die neuen Formen der Renaissance in sein Schaffen auf. Seine künstlerischen Intentionen lagen weniger in der Gestaltung des neuen Menschenbildes als vielmehr im Ausdruck religiöser Erfahrungen, die oft zu Bereichen des Visionären durchdrangen.
In seiner leidenschaftlichen Ausdruckskraft stellt der Altar einen der Höhepunkte nordischer Kunst dar und ist eines der frühesten Beispiele expressionistischer Ausdruckskraft.
Joachim B., LK Kunst
Quellenangabe :
Pantxika Béguerie, Der Isenheimer Altar
Hans Hofstätter, Spätes Mittelalter
Lexikon der Kunstgeschichte
Joebal@gmx.de
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