Die
Die Karlskirche in Wien
Inhalt
Vorbemerkung
Auftraggeber: Kaiser Karl VI.
Lage
Baumeister
Finanzierung, Baudurchführung
Motive des Baus
Bedeutung, Würdigung
Gliederung, Komposition
Schauseite
Tambour
Das Innere
Mitwirkung zahlreicher Künstler
Bildhauer (Außenbau)
Maler (Innenraum)
Schlußbemerkung
Bildanhang
Vorbemerkung
Die Karlskirche in Wien ist ein Sakralbau. Man unterscheidet generell zwei Arten von Bauten:
1. Sakralbauten (lat. sacer = heilig) sind religiöse Bauten;
2. Profanbauten (lat.
profanum = vor dem Heiligtum) sind weltliche Bauten.
Auftraggeber : Kaiser Karl VI.
Am 22. Oktober 1713 gelobte Kaiser Karl VI. während eines feierlichen Gottesdienstes, bei Erlöschen der damals in Wien wütenden Pestseuche aus Dankbarkeit eine dem Pestheiligen und Namenspatron des Kaisers, Karl Borromäus, geweihte (= gewidmete) Kirche errichten zu lassen. (Eine Kirche wird von einem Bischof geweiht = in Form einer heiligen Handlung eröffnet und ihrer Bestimmung - Abhaltung von Gottesdiensten - übergeben.
) Als die Seuche im Frühjahr 1714 erlosch, konnten die Vorbereitungen für den Bau unverzüglich in Angriff genommen werden.
Die Karlskirche ist damit nicht nur ein gewöhnlicher Sakralbau, sie ist auch eine Denkmalskirche – Denkmal und Kirche, das heißt, dass die Karlskirche einem Ereignis gewidmet ist, nämlich der Pest. Wenn man die Karlskirche zum ersten Mal sieht, kann man die wunderschönen Pestsäulen (auf der vorderen Seite in der Nähe beim Eingang) erblicken.
Lage
Immer wieder ist behauptet worden, dass die Karlskirche auf die Hofburg ausgerichtet sei, was ihre seltsame Schräglage erkläre. Die vermeintliche Ausrichtung der Kirchenfassade auf die Hofburg ist aber nur eine Folge der besonderen Lage des Bauplatzes, der jenen Punkt darstellt, wo die Verbindung Hofburg - Favorita den äußeren Rand des Glacis (= Erdaufschüttungen,Terrassen vor der Stadtmauer) kreuzt.
Baumeister
Aus einer Konkurrenz um die Planung des Bauprojekts, an der sich Ferdinand Galli-Bibiena, Johann Lucas von Hildebrandt und Johann Bernhard Fischer von Erlach beteiligten, ging Fischer von Erlach mit seinem Plan als Sieger hervor.
Dazu ein Bild zur Veranschaulichung :
(Bild Nr.1: Karlskirche, Lageplan. Alle Bilder siehe hinten im Bildanhang)
Finanzierung, Baudurchführung
Der Kaiser ließ die Mittel für den geplanten Kirchenbau sichern: An den Kosten sollten alle Länder des Reiches (habsburgische Länder) beteiligt werden. Obwohl die Baugelder zunächst nur langsam eingingen, konnte die gewaltige Anlage nach der Grundsteinlegung am 4. Februar 1716 einigermaßen zügig durchgeführt werden: Die Grungsteinlegung fand durch den Kaiser Karl VI. selbst statt.
1720 sind die ersten Teile unter Dach.
Nach anfangs zügigem Baufortschritt kam es jedoch 1722, als man bereits mit der Wölbung der Kuppel begonnen hatte, zu einer längeren Unterbrechung, die wohl mit der plötzlichen schweren Erkrankung Fischers zusammenhing. (Fischer von Erlach starb am 5. April 1723). 1724 war die Kuppel geschlossen.
(Bild Nr.
2: Karlskirche, Kuppel)
Mit der Bauführung wurde Fischer von Erlachs Sohn Josef Emanuel betraut, der aber einige Änderungen am Konzept seines Vaters vornahm, vor allem im Inneren der Karlskirche und am Kuppelbau.
Die Ausstattung mit Malerei ( Kuppelfresko von J. M. Rottmayr, ab 1725), Skulptur und Stuck zog sich noch über mehrere Jahre hin. (Stuck, ital., sind Verzierungen aus einer Gipsmischung mit Figuren und Ornamenten auf Wänden oder auch auf dem Plafond = Raumdecke.
) Stuckatur war besonders im Barock sehr beliebt gewesen, wegen der plastischen Muster. Erst 1737 konnte mit der Weihe des Hochaltars der Bau zur Gänze vollendet werden.
Die Errichtung der beiden Triumphsäulen zog sich ebenfalls noch mehrere Jahre hin.
Motive des Baus
Der ausgeführte Bau enthält das beherrschende Motiv einer hohen Tambourkuppel (= Zwischenstück + Kuppel) über einer klassisch-strengen Tempelfront (diese sieht aus wie ein Eingang zu einem griechisch-römischen Tempel), flankiert (= begleitet) von den beiden römischen Triumphsäulen (auf der Vorderseite der Karlskirche), seitlich abgeschlossen durch die Durchfahrtspavillons.
Der beherrschende Zylinder der Kuppel drängt sich mit dreidimensionaler Wucht nach vorne, schiebt den filigranen (= leichten) Portikus (= Säulenhalle als Vorbau an der Haupteingangsseite eines Gebäudes) gleichsam vor sich her. Zentralbau, Säulen u.
dgl. sind ein mit der Renaissance erfolgter Rückgriff auf die Antike.
Bedeutung, Würdigung
Die Karlskirche ist nicht nur der wichtigste Sakralbau des Johann Bernhard Fischer von Erlach, sondern sie ist auch der bedeutendste barocke Kirchenbau Wiens, ja darüber hinaus ist sie eine der großartigsten Schöpfungen der europäischen Barockarchitektur. Sie steht in einer Reihe mit der 1675 bis 1710 von Christopher Wren errichteten St. Pauls-Kathedrale in London, sie stellt auch die Auseinandersetzung der fischerschen Reichsarchitektur (in allen Provinzen des habsburgischen Reiches) mit der Hauptkirche der Christenheit, der Peterskirche in Rom, als Vorbild dar.
Fischer von Erlach schuf mit der Wiener Karlskirche den absoluten Kirchenbau als Denkmal ”dynastischer Größe”, eine Idee, die in ihrer geistigen Konzeption ohne Vorbild ist.
Fischer von Erlach hat die Karlskirche in das vierte Buch seiner berühmten, 1721 erschienenen ”Historischen Architektur” aufgenommen, eine Zusammenstellung und Rekonstruktion der bedeutendsten Bauten der Weltarchitektur.
Gliederung, Komposition
Schauseite
Der dominierende Teil des Baues ist die Schauseite, bei der es sich um keine Fassade im üblichen Sinn handelt, sondern um eine räumliche Komposition, die aus sechs großen Baueinheiten besteht:
dem Kuppelbau
der Säulenvorhalle (dem Portikus)
den beiden Triumphsäulen
den beiden seitlichen Turmpavillons (Triumphpavillons, Durchfahrtspavillons)
(Bild Nr. 3: Karslkirche, Schauseite)
Diese Einzelelemente sind formal in zweifacher Hinsicht verschränkt und miteinander verklammert. Allerdings sind die Kompositionsprinzipien am ausgeführten Bau in Folge der Veränderungen des jüngeren Fischer nicht mehr so klar erkennbar wie in Johann Bernhard Fischers von Erlach ursprünglichem Projekt:
1. In der einen Ansicht sind die drei hochragenden zylindrischen Teile, der Kuppelbau und die beiden Triumphsäulen, einander zugeordnet. Zwischen Kuppelbau und Triumphsäulen schiebt sich ein niedriger Querriegel, der aus drei Teilen besteht, nämlich der Säulenhalle und den zwei Triumphpavillons.
In dieser räumlich aus der Tiefe entwickelten Verschränkung ist die Karlskirche eine Anspielung auf die Hagia Sophia (= griech., „heilige Weisheit“, die der Weisheit Gottes geweihte Hauptkirche von Byzanz / Konstatinopel / heute: Istambul, von den türkischen Osmanen in eine Moschee umgewandelt), mit säulenumstandener Kuppel und Vorhalle wie sie Fischer von Erlach selbst ???wiedergegeben??? hat.
( Bild Nr. 4: Karlskirche, Grundriss)
Die Karlskirche ist somit nicht nur wie die Peterskirche in Rom Reichskirche (siehe oben), sondern auch Reichskirche wie die Hagia Sophia in Byzanz / Konstantinopel, dem einstigen „neuen Rom“, und – in weiterer Folge – ist damit Wien das „neue Rom“ der Barockzeit.
2. Ergänzt wird diese Ansicht durch eine zweite, welche die einzelnen Teile in vertikaler (= senkrechter) Hinsicht verschränkt:
Die Dreiergruppe mit dem barocken Motiv der Kuppel und der beiden Tortürme steigt gegen die Mitte hin an, während die zweite, aus den antiken Elementen der beiden Triumphsäulen und der Vorhalle gebildet, gegen die Mitte hin absinkt.
Beide Gruppen lassen sich historisch interpretieren: Sie stellen in Abbreviatur (= Abkürzung) einerseits den jüdischen Tempel in Jerusalem und andererseits die Fassade der Peterskirche in Rom dar; Ersteres stellvertretend für den Alten Bund (= Bund Gottes mit dem Volk Israel, den Juden), Letzteres stellvertretend für den Neuen Bund (= Bund Gottes mit dem „neuen Volk Israel“, den Christen bzw. der Kirche, in Jesus) - ein Sinngehalt, der durch die beiden zu Seiten der Freitreppe stehenden Engelsfiguren, welche das Alte und das Neue Testament symbolisieren, zusätzlich verstärkt wird. (Das Alte Testament ist das heilige Buch der Juden und der Christen; das Neue Testament anerkennen nur die Christen, hier ist von Jesus die Rede. Testament = Bund.)
Tambour
Beide Auffassungen der Komposition der Schauseite werden dominiert durch das gewaltige Rund (das runde Gebilde) des kuppeltragenden Tambours (Tambour: pers.-arab.
-span.-französ., wörtlich: Trommel; in der Architektur: zylinderförmiges Zwischenteil in Kuppelbauten). Der Tambour stellt in seiner Plastizität und Instrumentierung mit Doppelsäulen und den ungewöhnlichen reichen Laternen, gleichsam als Kronreif (= der untere Teil der Krone), das eigentliche Haupt des Baus dar. Dieser Bauteil gilt als selbstständiges Element, als Zone der Heiligen und der Engel.
So stellt sich die Karlskirche nicht bloß einen einzelnen Bau dar, sie ist vielmehr ein Inbegriff verschiedener Urformen und verschiedener Weisen (modi) des Bauens.
Letztlich ist dieser Kirchenbau in einer Zusammenschau Träger einer großen Gesamtidee. Denn er ist aus den repräsentativsten Elementen der Stadt Rom gebildet, aus antiker und christlicher Zeit. Durch die Karlskirche wird Wien, wie schon weiter oben erwähnt, zum neuen Rom.
Das Innere
Gegenüber der Großartigkeit der Schauseite tritt die Gestaltung des Inneren weit zurück.
Als reiner Votivbau gedacht diente die Kirche keinen besonderen, kultischen Zwe-cken, sodass der einfache ovale Kuppelraum mit Kapellen und Chor genügte und auch seine Ausstattung und Farbigkeit eher schlicht gehalten sind. Die in den Längsachsen und Querachsen der Wand vorgestellten mächtigen Doppelsäulen sowie die gewaltige Kuppel bringen den Charakter des Baus jedoch auch im Inneren zur Geltung.
(Bild Nr. 5: Karlskirche, Inneres einer der Kapellen in der Querachse)
Die großen Kapellen gewinnen durch ihre kräftige, auch farbig deutlich abgehobene Gliederung mit Doppelsäulen verstärkte räumliche Sebstständigkeit. Die im Untergeschoß rhythmisch gestellte Ordnung der kolossalen Pilaster (= lat.-italien.-französ., Wandpfeiler) wird im Tambour wiederum durch komplizierte Staffelung der kleinen Pilasterordnung in ein regelmäßiges Rundum verwandelt.
Auf die inhaltliche Aussage des Bildes wurde die malerische Ausstattung durch (den bereits kurz erwähnten) Rottmayr angeordnet.
Eines der Leitmotive, die Fischer auch für die Karlskirche verwendete, ist die ovale Rotunde (Rundbau). Das Innere dieser hohen Ovalrotunde erhält im Untergeschoß Verankerung in den Hauptachsen.
(Bild Nr. 6: Karlskirche, Innenraum)
(Bild Nr. 7: Karlskirche, Schnitt)
Mitwirkung zahlreicher Künstler
Am Kirchenbau arbeiteten neben den beiden Fischer von Erlach zahlreiche Künstler mit.
Bildhauer (Außenbau)
Am Außenbau wirkten die bedeutendsten damals in Wien tätigen Bildhauer:
Johann Christian Mader schuf die Reliefs der Triumphsäulen.
Von Lorenzo Mattielli sind die beiden Tortürme (Statuen von Glaube und Hoffnung), die Engelsfiguren des Tambours und die bekrönenden Adler der Triumphsäulen.
Die beiden Engel an der Freitreppe, die mit Kreuz und Schlange das Alte und das Neue Testament symbolisieren, schuf Franz Casper.
Maler (Innenraum)
Das in kühlen Farbtönen gehaltene Innere wird beherrscht durch den mächtigen ovalen Kuppelraum mit dem von Rottmayr 1725 bis 1730 geschaffenen Fresko, das die von der Muttergottes (= Maria, Mutter des Jesus) unterstützte Fürbitte des Kirchenheiligen um Abwendung der Pest darstellt. Vom selben Maler stammen auch die Fresken in den beiden seitlichen Kapellen, am Chorbogen (= beim Chor) und über der Empore (= „Anhöhe“; erhöhter Sitzraum in Kirchen).
Von den Altarbildern ist wohl das bedeutendste die „Himmelsfahrt Mariae“ von Sebastiano Ricci, eines der letzten Werke des berühmten Barockmalers.
Andere Altarbilder in der Karlskirche sind:
Heilung der Gichtbrüchigen
Heilige Elisabeth
Christus und der römische Hauptmann (Erzählung aus dem Neuen Testament)
Erweckung des Jünglings von Nain (Erzählung aus dem Neuen Testament)
Im linken Eingangsflügel befindet sich das Grabmal mit einem Porträtmedaillon (aus Stein) des berühmten Joseph Collin.
Schlußbemerkung
Die Karlskirche hat nicht nur die Eigenschaft eines Votivbaus und einer Reichskirche, sondern sie hat auch eine Art Torfunktion inne, das heißt: sie ist im übertragenen Sinn auch ein gigantisch–grandioser Triumphbogen. Die seitlichen Turmtore sind Elemente eines Triumphbogens.
Mit der Vollendung der Karlskirche im Jahr 1739 entstand nicht nur der architekturgeschichtlich bedeutendste Bau im Bereich des späteren Platzes, sondern auch dessen optische Dominante.
(Bild Nr. 8: Karlskirche, Seitenansicht)
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