1. punischer krieg
Wollen wir Hannibals Angriff auf Rom und
seinen tief verwurzelten Hass auf die Roemer, der bis zu seinem Selbstmord sein Leben
bestimmen sollte, verstehen, so muessen wir das Rad der Geschichte zurueckdrehen und die
Ereignisse des 1. Punischen Krieges darstellen, in dem sich Hamilkar Barkas,
der Vater Hannibals, besonders hervortat.
Beginnen wir aber noch frueher. Was waren das
fuer Gegner, die in den punischen Kriegen aufeinandertrafen, und die im zweiten dieser
Kriege um die Weltherrschaft rangen? Der Krieg war fuer die Entwicklung West-Europas
vieleicht wichtiger als jeder andere, die Auseinandersetzung zwischen Orient und Okzident
hatte hier ihren ersten und wahrscheinlich auch bedeutendsten Hoehepunkt.
Das Vorspiel fuer dieses mit unglaublicher Haerte gefuehrte Ringen um die Weltherrschaft
war der 1. Punische Krieg.
Waehrend wir ueber Rom sehr viel aus Quellen
erfahren koennen, so wissen wir ueber Karthargo bedeutend weniger. Sicher ist, daß die
Stadt von den Phoeniziern gegruendet wurde. Als Mutterstadt Karthargos, was nicht mehr als
"neue Stadt" bedeutet, wurde Tyros angesehen. Allerdings hatte die Tochterstadt
bald die Bedeutung ihrer Mutterstadt ueberfluegelt. Tyros selbst war einem bestaendigen
Abstieg ausgesetzt, welcher in der Eroberung durch Alexander den Grossen (332), mit der
stillschweigenden Billigung Karthargos, gipfelte.
Das mythische Gruendungsdatum
fuer Kathargo ist 814 v.
Chr. (alle weiteren Daten beziehen sich ebenfalls auf die
vorchristliche Zeit, wenn sie nicht anders markiert sind). Der Legende nach wurde die Dido
von ihrem machthungrigen Bruder Pygmalion aus Tyros/Phoenikien vertrieben. Sie landete in
Nordafrika und der Regionalfuerst Jarbas billigte ihr soviel Land zu, wie sie mit der Haut
eines Ochsen eingrenzen konnte. Dido erwies sich als ebenso verschlagen wie ihre
handeltreibenden Nachfahren und schnitt die Ochsenhaut in so duenne Streifen, dass sie
eine ganze Huegelkuppe umspannte, die Byrsa, aus der das Zentrum "Quart Hadashts"
(urspruenglicher phoenikischer Name) entstehen sollte.
Wie gesagt, die Kartharger waren aeusserst
geschickte Haendler, was sie von ihren phoenikischen Vorfahren geerbt hatten.
Diese hatten
zur leichteren Komunikation sogar das erste Alphabet erfunden. Ebenso wie die
Unternehmungslustigen Bewohner ihrer Mutterstadt Tyros, die als erste bis nach Gibraltar
vorgestossen waren, bereisten die Kartharger den gesamten Mittelmeerraum und betrieben
Handel mit den Kanarischen Inseln und dem keltischen Nordeuropa (England/ Cornwall). Es
gibt sogar Spekulationen, dass die Kartharger, oder Phoenizier, Afrika umsegelten, oder
gar bis nach Suedamerika vorgestossen waren.
Auf jeden Fall war Karthargo eine bluehende
Handelsmetropole, in der unbeschreiblicher Reichtum herrschte. Die Bevoelkerung setzte
sich aus der phoenikischstaemmigen Oberschicht und einem bunten Gemisch aus allen
Mittelmeeranreinern zusammen. So gab es neben dem Reichenviertel "Megara"
auch ein Viertel fuer die Hellenen (Griechen aus Sparta, Athen, Korinth, u.
s.w.), fuer die
Libyier (Afrikaner, Aegypter, Numidier,...) und noch etliche andere Voelker (Gallier,
Iberer, Balearen,.
..). Dank ihres Reichtums brauchten die Kartharger kein Volksheer
aufrecht zu erhalten, sondern bedienten sich bei Noetigkeit gewaltiger Soeldnerheere, die
sich aus Numidien, Griechenland, Iberien oder von anderswo rekrutierten. Karthargos Macht
war so gewaltig, dass Alexander sie nach seiner Zerschlagung des Perserreiches als letzte
uebriggebliebene Grossmacht anerkannte. Zu einem Angriff auf Karthargo kam es aber nicht,
da Alexander kurz vor seinem Aufbruch nach Arabien und Libyien (Afrika) 323 in Babylon
starb.
Die Roemer hingegen waren nicht von solchem
Reichtum verwoehnt, im Gegensatz zu den Kathargern. Anders als das geschickte Haendlervolk
blieben sie auch nicht von groesseren Auseinandersetzungen verschont. Sie waren seit dem
mythischen Gruendungsdatum ihrer Stadt 753 in staendige Kriege verwickelt. Die zaehen
Roemer, deren Vorfahren wohl italische Bauern gewesen sind, arbeiteten bestaendig
daraufhin, sich den italienischen "Stiefel" zu unterwerfen und hatten dieses
Ziel beim Ausbruch des 1. Punischen Krieges 264 nahezu erreicht. Die blutigen Stationen
dieses Hegemoniestrebens waren beispielsweise die Unterwerfung der Italiker (498 - 493),
die Eroberung Etruriens (406 - 396, Fall Vejis) und die Beendigung der etruskischen
Hochkultur.
Die Kelten mussten in langwierigen Kriegen unterworfen werden und brachten Rom
an den Rand einer Niederlage ("Gallierkatastrophe", Brand Roms, 387), bis
auch sie unterworfen waren. Die 3 Samnitenkriege (343-341, 326-304, 298-290) wurden mit
grosser Grausamkeit gefuehrt und endeten in der Unterwerfung des Nachbarvolkes. Ueberhaupt
gab es in der Geschichte des damaligen Roms kaum jemals eine Zeit, in der nicht verbissen
gegen eine Stadt, gegen ein Volk oder um eine Region gekaempft wurde. Selbst in
vereinzelten Jahrzehnten des Friedens ruesteten die Roemer fuer neue Auseinandersetzungen
(z.B. gegen Latiner und Kelten) auf.
Der bisher groessten Gefahr
aber setzte sie Koenig Pyrrhos aus Epiros aus. Die Griechenstaedte an Italiens
Kuesten hatten Roms Eroberungskriege unbehaglich beobachtet und fuehlten sich nun zurecht
bedroht von dem immer staerker werdenden Rom. Die Stadt Tarent entschloss sich zum Krieg
(282) und bat Koenig Pyrrhos um Hilfe. Dieser ueberquerte die Adria mit einem grossen Heer
und brachte auch die ersten Kriegselefanten nach Italien. Bei Heracleia (280) besiegte
Pyrrhos die Roemer zum erstenmal und konnte auch bei Ausculum unter schweren Verlusten
siegen. Allerdings verlor er soviele Maenner, dass er gesagt haben soll: "Noch ein
solcher Sieg und ich muss wohl allein nach Epirus zurueckkehren.
". Seitdem spricht
man bei einem Sieg mit unverhaeltnismaessig hohen Verlusten von einem "Pyrrhossieg".
Anstatt aber nun auf Rom zu ziehen wandte sich Pyrrhos einem anderen Gegner der Griechen
zu: den Karthargern auf Sizilien. Noch bevor Rom ein ernstzunehmender Machtfaktor wurde,
kaempften Kartharger und Griechen verbissen um Sizilien. Nachdem man die Etrusker
ausgeschaltet hatte (474, Seesieg des Hieron von Syrakus bei Cumae) rangen Griechen und
Punier um die Vormachtstellung. Waehrend Ost-Sizilien von den Griechen besiedelt wurde
(die groesste und schoenste Stadt griechischer Gruendung (Korinth) war Syrakus, das es an
Groesse und Schoenheit mit Karthargo und Rom aufnehmen konnte).
Es stellt sich nun auch die Frage, warum die
Kartharger der Ausbreitung Roms mit aller Seelenruhe zusahen, es sogar mit gelindem
Wohlwollen betrachteten und unterstuetzten (bis 306 wurden drei Friedens-, Neutralitaets-
und Handelsabkommen zwischen Karthargo und Rom ausgehandelt)? Wahrscheinlich
unterschaetzte man die Gefahr, die von den primitiv anmutenden Roemern ausging, ebenso wie
ihr Machtstreben. Allerdings ist der Hochmut der Kartharger nicht verwunderlich, da ihre
Stadt in jeder Form erblueht war und sich hier eine Menge von Tempeln und Luxusvillen
fanden. Die Elefantenstallungen fanden sogar Platz fuer bis zu 300 Tiere. Rom hingegen war
nicht viel mehr als eine Ansammlung von Lehmhuetten. Die grosse Baukunst der Roemer sollte
erst viel spaeter beginnen, naemlich unter den Nachfolgern Caesars. So betrachtete man die
kriegerischen Roemer also als Waffe gegen Etrusker und spaeter gegen die unangenehme
griechische Konkurrenz.
Schon hier spiegelt sich wieder, dass die karthargische Politik
durch finanzielle Gesichtspunkte, gepraegt durch Gier, bestimmt wurde, ein Umstand, der
auch fuer Hannibals Scheitern verantwortlich sein wird.
Zurueck zu Pyrrhos, der inzwischen
erfolgreich gegen die Kartharger auf Sizilien gekaempft hatte und alle karthargischen
Stuetzpunkte bis auf Lilybaeum eroberte. Als die Griechenstaedte, die ihn einst zu Hilfe
gerufen hatten, allerdings feststellten, dass Pyrrhos ein Koenigtum auf ganz Sizilien
durchzusetzen versuchte, fielen sie von ihm ab, und einigten sich hinter seinem Ruecken
mit Karthargo. Er kehrte von seinen verlustreichen Kaempfen aus Sizilien nach Italien
zurueck und unterlag den Roemern bei Benevent. Er musste nach Epirus fliehen. Tarent sah
sich 272 zum Friedensschluss mit Rom genoetigt.
Damit konnte sich Rom ganz Unteritalien
einverleiben und war nach fast 500 Jahren ununterbrochener Kaempfe Beherrscherin des
italienischen "Stiefels". Karthargo erlangte die verlorenen Gebiete zurueck,
Syrakus blieb unabhaengig.
Die Buehne war bereitet
fuer den 1. Punischen Krieg. (264 - 241) Die Roemer waren zur Grossmacht
aufgestiegen und empfanden die Kartharger auf Sizilien als staendige Gefahr, da sie mit
Korsika, Sardinien und halb Sizilien im Besitz zu Schluesselpositionen fuer eine Invasion
Italiens waren. Ausloeser des Krieges waren marodierende Soldaten auf Sizilien.
Die Stadt
Messena rief sowohl Kathargo, als auch Rom zu Hilfe. Obwohl sich Hieron von Syrakus zuerst
mit den Karthargern verbuendete, wechselte er rasch die Seiten, als die Roemer das
gemeinsame Heer bei Messena schlugen. Kriegsschauplatz blieb Sizilien, vor allem aber das
Mittelmeer um Sizilien herum. In einem sehr wechslhaftigen Krieg konnten sich die Roemer
vor allem dadurch durchsetzen, dass sie ein gestrandetes karthargisches Schiff nachbauten
und es mit einer durch einen Sporn bewehrten Enterbruecke ausruesteten, womit sie den
"Landkrieg" mit ihren Legionen auch auf See moeglich zu machten. So siegten sie
gegen die ueberraschten Kartharger, die bisher als uneingeschraenkte Seemacht gegolten
hatten und "Beherrscher der Meere" genannt wurden, bei Mylae (260) und am
Vorgebirge des Economus (256). Nun trugen die Roemer den Krieg nach Libyien und landeten
in Afrika.
255 unterlagen sie jedoch dem karthargischen Heer, welches von dem Spartaner
Xanthippos gefuehrt wurde. Die Reste der fliehenden Roemer gingen in einem Sturm unter.
Eine neuerbaute Flotte siegte ueber die Kartharger 250 bei Panormus, unterlag aber kurze
Zeit spaeter bei Drepanum. Auf Sizilien waren die Roemer recht erfolgreich gewesen, bis
die Kartharger den Vater Hannibals als General Siziliens bestellten.
Hamilkar Barkas
("Barkas" war ein Ehrenname und bedeutete Blitz) aus dem Clan der Barkiden war
ein ausgezeichneter Krieger und Heerfuehrer. Er und seine Familie standen in Opposition zu
der in Karthargo ansonsten ueblichen "Geldsackpolitik" und hatten ihren
Aufstieg nicht nur ihrem Vermoegen zu verdanken, sondern auch ihren militaerischen
Meriten.
Groesster Gegner in Karthargos Senat (ein aehnliches Gremium wie in Rom.
Bewerbungen fuer einen Senatorensitz hingen nicht von der Qualifikation, sondern vom
Besitz ab. In Karthargo bestand eine stark oligarchische Regierungsform.) war ein Mann
namens Hanno, der sich den Beinamen "der Grosse" selbst gab. Dieser
demonstrierte, wie kein anderer, die Idiotie der karthargischen Aussenpolitik, orientiert
an wirtschaftlichen Gewinnen und behindert durch persoenliche Ressentiments. Obwohl
Hamilkar einen erfolgreichen Kleinkrieg gegen die Roemer in Sizilien fuehren konnte,
erhielt er keinerlei kostspielige Truppenunterstuetzung, die er fuer entscheidende
Fortschritte benoetigt haette.
Ganz im Gegensatz zu der karthargischen Geldgierpolitik finanzierte Rom derweil einen
Flottenneubau aus Privatmitteln und trug 241 bei den Aegatischen Inseln einen
vernichtenden Sieg gegen die Kartharger davon. Karthargos hundertkoepfiger Senat hatte
genug und bat um Frieden. Hamilkar wurde trotz seiner Erfolge abberufen und der
karthargische Senat unterzeichnete einen ueberharten Friedensvertrag, damit man endlich
wieder gewinnbringenden Handel treiben konnte. Das Ringen um Sizilien aber, war verloren.
Karthargo musste Sizilien und alle Inseln zwischen Sizilien und dem afrikanischen Festland
abtreten.Sizilien wurde erste roemische Provinz.
Karthargischen Schiffen wurde es
verboten, italienische Kuestengewaesser zu befahren. Ausserdem durfte Karthargo keine
Verbuendeten Roms, beispielsweise Syrakus, bekriegen. Letztlich musste Karthargo innerhalb
eines Jahrzehnts die grosse Menge von 3200 Talenten in Silber als Reperationszahlung an
Rom aushaendigen.
Der Barkide Hamilkar
zog sich mit seinen Soehnen, die er stolz "Loewenbrut" nannte, auf sein
Landgut zurueck, sollte aber bald wieder gebraucht werden. Hamilkar hatte naemlich, um
seine Soldaten auf Sizilien zu motivieren, deren Gehalt erhoeht. Als diese nun
grueppchenweise nach Karthargo zurueckkehrten, zoegerte der geizige Senat die
Soldzahlungen hinaus.
Dazu litt man schwer unter den hohen Reperationsforderungen Roms und
wollte das Silber nicht an die "Kriegsverlierer" verschwenden. Die vor den
Mauern Karthargos kampierenden Soeldner wurden immer unruihger und als absehbar wurde,
dass Karthargo den ausstehenden Sold nicht auszahlen wollte, brach ein offener Soeldneraufstand
aus. Das schwer befestigte Karthargo war sicher, aber das Hinterland wurde auf grausame
Art und Weise verwuestet. Hanno, "der Grosse", zog den Rebellen entgegen, wurde
aber von ihnen verjagt. Nun entsann man sich des Barkiden und setzte ihn als Strategen
ein, da der Aufstand inzwischen auch auf die libyschen Voelker uebergriff, dazu meuterten
auch die Soeldner auf Sardinien und Korsika. Als die Situation immer bedrohlicher wurde,
kam das Eingreifen Hamilkars gerade recht.
Er loeste die verfahrene Situation und
vernichtete die aufstaendischen Soeldner, von denen die meisten unter ihm selbst in
Sizilien gedient hatten, um seine Vaterstadt zu retten. Rom war, waehrend der grosse
Gegner durch die Aufstaende im eigenen Land gebunden war, aber keineswegs muessig; als die
Kartharger eine Flotte ruesteten, um die Rebellen auf Sardinien zur Raeson zu bringen,
wertete man dies als Bruch des Friedensabkommens und erklaerte Karthargo den Krieg. Die
schlecht gefuehrte karthargische Flotte sank in einem Sturm und Rom besetzte Sardinien und
Korsika. In einem erneuten Friedensvertrag 238 erreichten die Roemer die Abtretung der
beiden Mittelmeerinseln und die Zahlung von weiteren 1200 Silbertalenten.
Hamilkar aber zog mit
seinen Soehnen nach Spanien, um es fuer Karthargo in Besitz zu nehmen. Karthargo
hatte diese neuen Kolonien auch bitter noetig, da man nach dem Verlust der
Mittelmeerbesitzungen und unter dem Druck der roemischen Reperationsforderungen zu
verarmen drohte.
Hamilkar selbst warf man in Karthargo allerdings immer wieder vor, seiner
Vaterstadt untreu zu sein, nur nach seinem eigenen Vorteil zu suchen und sich selbst ein
spanisches Koenigreich errichten zu wollen. Diese Volksverhetzung Hannos war aber
sicherlich nicht der Wahrheit entsprechend; vielmehr laesst keine Aktion Hamilkars darauf
schliessen, dass er etwas aehnliches plante. Er liess Karthargo sogar den Loewenanteil der
aus Iberien erwirtschafteten Gewinne zugute kommen. Die Fruechte des Feldzuges, den er zum
Teil selbst finanzierte, wurden darauf verwandt, die Reperationsforderungen zu erfuellen.
Im Gegensatz zu Hanno, der nur durch seinen Hass auf die Barkiden motiviert gewesen zu
sein scheint, hatte Hamilkar nur das Wohl seines Vaterlandes im Auge und stand loyal zu
Karthargo und seinem Senat. Diese Treue gab er ebenso wie seinen Hass auf Rom an seine
Soehne weiter, die der Stadt, aus der sie als kleine Kinder fortzogen, und die zwei der
drei Brueder der Loewenbrut nur auf kurzzeitigen Besuchen wiedersahen, immer die Treue
hielten, auch als diese ihnen unsinnige Befehle zukommen liess, oder ihnen Unterstuetzung
verweigerte.
Hannibal sollte schliesslich schmaehlich verraten, und aus Karthargo verjagt
werden.
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