Hannibals ende
Der vierte Akt in Hannibals Leben steuerte
nun unvermeidlich auf seinen Hoehepunkt zu. Nach seinem grossartigen Sieg bei Cannae
ensandte er seinen juengeren Bruder Mago nach Karthargo, damit er die noetige
Unterstuetzung anforderte, die Hannibal nach seinen zwei Jahren Krieg in Italien gebraucht
haette, um Rom wirklich zu erobern. Der karthargische Senat lehnte jedoch ab und schickte
lieber Truppen nach Spanien, an Hasdrubal, der Mittlere Bruder aus Hamilkar Barkas
"Loewenbrut".
Hasdrubal hatte bis Dato
einen sehr wechselhaften Krieg gefuehrt. Er entbehrte zwar offenbar der Genialitaet seines
Bruders, war aber trotzdem ein faehiger Feldherr. Dennoch wurde er zu Beginn des Krieges
im Jahre 217 in Spanien von den Gebruedern Scipio (der eine von ihnen, Publius
Cornelius Scipio, Vater des gleichnamigen Sohnes, war ein Jahr vorher von Hannibal am
Tacinius geschlagen und verwundet worden) an der Ebromuendung geschlagen.
Die Scipionen
eroberten Sagunt zurueck und schlugen Hasdrubal erneut (216). Die Kartharger fuechteten
nun um ihre kostbaren iberischen Kolonien und um die von Hasdrubal "dem
Schoenen" gegruendete Tochterstadt Carthargo-Nova. Da der Krieg in Italien sehr
erfolgreich verlief, liess man Hasdrubal den Loewenanteil der angeworbenen Truppen
zuschicken, waehrend Hannibal nur 4000 Mann erhielt, mit denen er zwar den Krieg in
Italien weiterfuehren, nie aber gewinnen konnte. Hasdrubal scheint dies gewusst zu haben.
Kurze Zeit spaeter verhinderten die Scipionen seinen ersten Durchbruchsversuch nach
Italien. So wurden die Truppen unter Mago sowohl nach Spanien, als auch nach Sardinien
verschifft, wo man ebenfalls im Aufstand gegen Rom war.
Die Invasion Sardiniens endete
allerdings in einer Katastrophe: das karthargische Heer wurde vernichtend geschlagen und
die Eroberungsflotte sank in einem Sturm.
Inzwischen war nach dem Tod des ueber neunzigjaehrigen Tyrannen von Syrakus Hieron (215)
die Stadt von Rom abgefallen und hatte die Kartharger ins Land gerufen. Die Roemer machten
den umsichtigen Claudius Marcellus, der erfolgreich gegen Hannibal bei Nola gekaempft
hatte, zum Oberbefehlshaber in Sizilien. Himilko, entsendet vom karthargischen Senat,
landete mit ca. 30000 Mann auf Sizilien, einer grossen Streitmacht,welche Hannibal bitter
noetig gehabt haette. Er wurde von Marcellus bei Panormus (Palermo) vernichtend geschlagen
und zog sich darauf fuer zwei Jahre nach Agrigentum zurueck, waehrend Marcellus ungestoert
Syrakus belagern konnte.
Dass er dafuer zwei volle Jahre benoetigte, verdankten die
Syrakuser dem genialen Mathematiker Archimedes, der Bewohner ihrer Stadt war. Mit seinen
Erfindungen, zu denen auch der Flaschenzug, die Winde und die Hebeschraube zaehlte,
verbesserte er die Ballistik der Wurf- und Pfeilmachinen derart, dass die Roemer erst 212
Syrakus erobern konnten. Vorher hatte Marcellus, welcher aufgrund der Belagerung zu
verzweifeln begann, die vereinigten Truppen der Syrakuser und Kartharger, die sich aus
ihrer Festung gewagt hatten, waehrend eines Saufgelages geschlagen. Archimedes aber wurde
von einem roemischen Soldaten waehrend der Pluenderung Syrakus erschlagen. Angeblich
befahl der alte Mathematiker ueber in den Sand gezeichnete Kreise hockend, den
eintretenden Legionaeren "Stoert meine Kreise nicht!", bevor er von ihnen
durchbohrt wurde. Die Roemer hatten damit den Krieg auf Sizilien gewonnen und die
Kartharger raeumten die Insel 210 vollstaendig.
Inzwischen hatte Hasdrubal in Spanien erneut die Oberhand gewonnen. Er konnte die Heere
der Gebrueder Scipio trennen und einzeln schlagen, wobei beide Scipionen ums Leben kamen
(211). In Rom herrschte nun allgemeine Ratlosigkeit und niemand wollte den Oberbefehl in
Iberien uebernehmen, bis sich ein junger Mann von 25 Jahren, der Sohn des Publius
Cornelius Scipio, der denselben Namen trug, dazu bereiterklaerte. 210 uebernahm der junge
Mann den Oberbefehl in Spanien, im gleichen Alter, wie dies einst auch Hannibal getan
hatte. Jener Scipio ist eine der interassentesten Figuren der Weltgeschichte, konnte aber
niemals aus dem Schatten Hannibals, den er besiegen sollte, hervortreten.
Es gibt viele Parallelen zwischen Hannibal und seinem Erzfeind Scipio.
Beide stammten aus einer reichen Familie und genossen somit eine ausgezeichnete
Ausbildung. Ebenso wie Hannibal, welcher von einem griechischen Philosophen unterrichtet
worden war, sprach Scipio neben seiner Muttersprache Latein mindestens noch Griechisch,
wahrscheinlich aber mehrere Sprachen. Dieser Vergleich leitet uns automatisch zu der
Frage, ob Hannibal nur ein kulturloser blutruenstiger Schlaechter war. Obwohl
Hannibal einen fast zwanzigjaehrigen zerstoererischen Krieg fuehrte, bei dem seine
hervorragendsten Leistungen logischerweise militaerischer Natur waren, ist nicht
anzunehmen, dass er sich nur aufs Kriegshandwerk verstand. Im Gegenteil, durch seine
Ausbildung durch den Griechen Sosylos wird er ein Kenner nicht nur der griechischen
Sprache, sondern auch der hohen Kultur der Hellenen gewesen sein, welche noch heutzutage
als grosse Kuenstler gelten. Die Ausbildung durch einen Philosophen ist sogar eine
Parallele zu dem unbestritten genialen Alexander, der in seiner Jugend durch Aristoteles
ausgebildet wurde.
Anders als Alexander allerdings neigte Hannibal nicht zu krankhaften
Besaeufnissen, die vielleicht auch Alexanders Tod als koerperliches Wrack 323 in Babylon
verursacht hatten. Hannibal hatte keinen grossen Sinn fuer Luxus und Trinkereien, wie er
uns ueberhaupt als sehr integer erscheint. Seine Soldaten liebten und vergoetterten ihn,
den er teilte all ihre Leiden und Starpazen. Wenn sie unter freien Himmel in den Bergen
oder Suempfen schlafen mussten, so tat er es auch, sofern er ueberhaupt schlief, denn sein
geringes Schlafpensum war legendaer. Manchmal schlief er mitten unter den Soldaten der
Wachmannschaften seinen unruihgen Schlaf. Noch dazu scheint er ein geschickter Psychologe
und Demagoge gewesen zu sein, der vor jeder Schlacht in mehreren Sprachen anfeuernd zu
seinen Maenner sprach, was wiederum auf sein hohes kulturelles Niveau schliessen laesst.
Obwohl er, wie alle Feldherren der vergangenen, gegenwaertigen und kommenden Zeiten, oft
grosse Grausamkeit anwendete, beispielsweise um die italische Bevoelkerung zu verschrecken
oder um Verbuendete zu gewinnen, schien er keinen Gefallen daran zu finden. Auch hatte er
immer eine grosse Achtung vor tapferen Gegnern. So konnte er beispielsweise 209 bei
Ausculum den aus Sizilien zurueckgekehrten Marcellus, der inzwischen "das Schwert
Roms" genannt wurde, schlagen und toeten. Er liess Marcellus Leiche, die ihm in die
Haende gefallen war, jedoch nicht etwa schaenden, sondern standesgemaess beisetzen, eine
Ehre, die die Roemer seinem Bruder Hasdrubal verweigern sollten.
Seinen universellen Genius als Feldherr, Staatsmann und Baumeister wuerde Hannibal
allerdings erst nach dem verlorenen Krieg wirklich unter Beweis stellen. Leider werden
seine Leistungen und Errungenschaften in den Jahren von 202 bis 183 zu oft nicht erwaehnt,
weshalb er uns nur als Kriegsmann in Erinnerung geblieben ist.
Doch zurueck zum Kriegsgeschehen. In Spanien fanden nun die alles entscheidenden Kaempfe
statt, denn der auf die ausbleibende Unterstuetzung wartende Hannibal hatte die Initiative
in Italien verloren, musste einen wichtigen Stuetzpunkt nach dem anderen aufgeben und
konnte sich zuletzt nur noch in Crotton einigeln. Scipio stellte nach seiner Ankunft in
Spanien ein neues Heer auf und konnte in einem Handstreich das reiche Carthargo-Nova
erobern (210), waehrend sich Hasdrubal bei der Befriedung eines Kelt-Iberischen Stammes
verlustierte. Der mittlere Barkide hatte scheinbar deutlich erkannt, dass die Kartharger
nur unter Hannibal auf italienischem Boden siegen koennten. Er stiess mit einem grossen
Heer bis an den Ebro vor. Scipio stellte seinen Gegner bei Baecula (209) und fuegte ihm
eine schwere Niederlage zu.
Hasdrubal lies sich aber nicht beirren, sondern folgte der
Route, die sein Bruder vor beinahe 10 Jahren genommen hatte. Er zog mit dem Restheer ueber
die Alpen gen Italien. Nachrichten, die er ungeschickt an seinen aelteren Bruder sendete,
wurden von den Roemern abgefangen, so dass Hannibal nichts von der Ankunft seines Bruders
ahnte, Hasdrubal dafuer aber von den Roemern erwartet wurde. Da er im Fruehjahr losgezogen
war, ueberquerte er die Alpen ohne die gewaltigen Verluste, die sein Bruder hatte
hinnehmen muessen. In Italien angelangt schickte er erneut Boten zu seinem Bruder nach
Sueditalien, welche aber erneut abgefangen wurden. 207 stellten die Roemer unter Livius
Salinator und Claudius Nero Hasdrubal, der noch ueber ca.
50000 verfuegte, am Metaurus.
Erneut bewies er, dass er nicht das taktische Genie seines Bruders besass. Die Roemer
schlugen ihn vernichtend und wendeten dabei ebenso wie Scipio die von Hannibal
uebernommene Taktik an: Ueberfluegelung des Heeres durch Kavallerieeinheiten und
selbstaendig operierende Infanterieeinheiten. Hasdrubal wurde enthauptet und der Kopf des
geschaendeten Leichnahms in Hannibals Lager bei Venusia geworfen. Was mag Hannibal beim
Anblick des Kopfes empunden haben? Ahnte er mittlerweile, dass er den Krieg kaum mehr
gewinnen konnte und dass die Barkiden untergehen wuerden? Auf jeden Fall wird er grosse
Trauer und Wut auf den karthargischen Senat empfunden haben, der ihm die Unterstuetzungen
versagt hatte und Abertausende nach Sardinien, Sizilien und Iberien schickte, mit denen er
den Krieg in Italien schon vor Jahren haette beenden koennen.
In Spanien ging der karthargische Wahnsinn jedoch unvermindert weiter.
Erneut wurde ein
gewaltiges Heer mit fast 70000 Mann ausgeruestet, um die durch Scipio bedrohte Kolonie zu
retten. Den Oberbefehl erhielten der Numider Massinissa und Hannibals juengster Bruder
Mago, der zwar ein grossartiger Soldat, aber nur ein schlechter General war. Scipio traf
206 mit ca. 40000 Mann bei Ilipa auf sie . Nach vier Tagen taktischem Geplaenkel stellte
Scipio seine Elitetruppen des Nachts ueberraschend an die Flanken seines Heeres und
besiegte Massinissa und Mago beinahe ebenso, wie Hannibal zehn Jahre zuvor ueber Varro und
Paulus bei Cannae gewonnen hatte. Sein Sieg war vergleichbar durchschlagend und blutig wie
Hannibals.
Im folgenden Jahr eroberte er ganz Spanien. Anschließend konnte er endlich
seine lang geplante Invasion Afrikas vorbereiten und erreichte ein Buendniss mit
Massinissa. Dieser numidische Regionalfuerst stand in Opposition zu dem Numiderkoenig
Syphax, welcher sich zuerst mit Rom verbuendet hatte, dann aber die Karthargerin
Sophonisbe heiratete und nun Karthargo unterstuetzte. Schon 205 landete der Roemer Laelius
in Afrika und konnte Hippo Regio einnehmen. Mago aber floh nach seiner Niederlage bei
Ilipa auf die balearischen Inseln, um dort neue Truppen auszuheben. Der karthargische
Senat beging nun zum letzten Mal eine unverzeihliche Dummheit und sendete angeheuerte
Soeldner zu Mago auf Menorca.
(Kleine Anekdote am Rande dieses Trauerspiels: Mago
ueberwinterte in Menorca, wo Port Mahon nach ihm benannt ist. Nach dieser Stadt ist auch
die Mayonnaise benannt!). Ohne sich irgendwie mit seinem Bruder abzustimmen, segelte Mago
von Menorca aus (205) nach Italien und konnte dort mit Glueck Genua erobern. Vom
karthargischen Senat erhielt Hannibal derweil den Befehl, auf Rom zu marschieren, was
diesem wie blanker Hohn erschienen sein musste. Er siegte nochmals ueber ein roemisches
Heer bei Crotona unter Sempronius, verlor aber gleichzeitig seine letzten Stuetzpunkte
Clampetra, Consentra und Pandesia und wurde von da an belagert. Inzwischen landete Scipio
in Afrika.
Er begnuegte sich allerdings damit, das libysche Umland zu verwuesten und sah
von einer Belagerung Karthargos ab. Im Jahre 203 schlug er das eilig zusammengestellte
Heer des numidischen Koenigs Syphax und dem Kartharger Hasdrubal Gisko, der uebrigens der
Vater Sophonisbes war und mit der Heirat seiner Tochter mit dem afrikanischem Monarchen
das Buendnis zustande gebracht hatte. Die Reste der Armee schlug Scipio erneut am Fluss
Medjerda. Hasdrubal Gisko floh nach Karthargo zurueck, Syphax in seine Hauptstadt Cirtas.
Er wurde eilends von den Roemern unter Laelius und dem Numiderfuersten Massinissa verfolgt
und nach der Eroberung Cirtas gefangen. Massinissa heiratete daraufhin die schoene
Sophonisbe, bewegte sie jedoch zum Selbstmord, um sie nicht an Rom ausliefern zu muessen.
Derweil belagerte Scipio 203 Karthargo und unterbreitete der Stadt einen Friedensvertrag.
Inzwischen war die Nachricht eingetroffen, dass Mago von Cornelius geschlagen und toedlich
verwundet worden war. Die Resttruppen unter dem im Sterben liegenden Mago trafen gerade in
Karthargo ein. Man zoegerte nicht lange, sondern ging auf ein Friedensangebot Scipios ein,
dass folgendermassen aussah: Rueckzug aus Italien, Anerkennung Massinissas als numidischer
Koenig, Abtretung Spaniens und aller Mittelmeerinseln, Auslieferung der Flotte bis auf 20
Schiffe, Reperationsleistungen von 5000 Talenten Silber. Der karthargische Senat berief
schliesslich Hannibal zurueck, der mittlerweile 45 Jahre alt war und seine Heimatstadt
seit seinem neunten Lebensjahr nicht gesehen hatte. Er muss sich wie ein begnadigter
Exilierter vorgekommen sein, oder aber wie der im Stich gelassene einsamste Mensch der
Welt.
Bei seiner Rueckkehr 202 erfuhr er vom Tode seines letzten Bruders.
Mit der Rueckkehr des
genialen Feldherren, um den sich bereits jetzt Legenden rankten, wurde eine neue Runde
karthargischer Idiotie im Senat eingeleutet. Die Bedingungen des Friedensvertrages
missachtend sollte Hannibal den Kampf gegen die Roemer erneut wiederaufnehmen. Hasdrubal
Gisko warnte den Senat vor dieser unklugen Entscheidung, da Hannibals zerfleddertes
Veteranenheer kaum eine Chance gegen die roemischen Legionen hatte, wurde aber von den
Senatoren als Feigling beschimpft und von einer aufgebrachten Volksmenge gesteinigt.
Die Ereignisse, die in Zama enden wuerden, nahmen ihren Lauf. Eine roemische
Gesandschaft in Karthargo wurde enthauptet und der Krieg flammte mit unverminderter
Heftigkeit wieder auf.
Scipio, der inzwischen nach Rom heimgekehrt war, kehrte nach Afrika
zurueck und zog mit seinen Truppen marodierend durch karthargisches Kernland. Hannibal war
gezwungen ihn zu verfolgen und schliesslich trafen die beiden Heere bei Zama
(202)aufeinander. Angeblich traf sich Hannibal mit Scipio kurz vor der Schlacht, um ihm
erneut Frieden anzubieten. Er erinnerte Scipio daran, dass er auf dem Hoehepunkt seines
Ruhmes stand und dass er mit diesem Frieden unsterblich werden koennte. Mit einer Schlacht
aber wuerde ihn der eigene Ruhm auffressen. Scipio lehnte das Friedensangebot ab und
wuerde feststellen muessen, dass Hannibal recht behalten sollte.
Obwohl sich auf beiden Seiten etwa 50000 Mann gegenueberstanden, waren die Heere durchaus
nicht gleichwertig. Hannibal verfuegte gegen die kriegserfahrenen Legionaere ueber ein
zusammengewuerfeltes Heer, welches aus frisch angeworbenen und unerfahrenen Soeldnern, aus
den kriegsmueden Veteranen und einem 4000 Mann starken makedonischen Hilfsheer bestand.
Zwar konnte er zum ersten mal seit ueber 15 Jahren wieder auf Elefanten zurueckgreifen,
doch verpuffte deren Angriffswucht an den geschickt aufgestellten Truppen Scipios, der
seine Legionaere Gassen bilden liess, durch die die Tiere rannten und in denen sie von
Leichtbewaffneten leicht getoetet oder in Hannibals Reihen gejagt werden konnten. Viel
wichtiger aber war, dass Scipio dank dem Numider ueber ueberlegene Kavallerieeinheiten
verfuegte und die Numider, die frueher Hannibal den Sieg geschenkt hatten, sollten nun
dasselbe fuer Scipio tun. Als die Heere in der Mitte aufeinandertrafen, flohen die
neugeworbenen karthargischen Soeldner vor den roemischen Soldaten und wurden daraufhin von
den in der zweiten Schlachtreihe stehenden Veteranen Hannibals angegriffen. Waehrend seine
Armee also derartig gegen sich selbst kaempfte, verjagte Masinissa Hannibals unterlegene
Kavallerie und fiel den restlichen Karthargern, die bis dahin eine Pattsituation erfochten
hatten, in den Ruecken, womit die Nierderlage besiegelt war.
Es wird noch heute darueber gestritten, wer der groessere von beiden
war: Scipio oder Hannibal? Ebenso wie Hannibal hatte Scipio in Spanien Schlachten
gegen gewaltige zahlenmaessig ueberlegene Truppen gewonnen (Baecula, Ilipa). Er war ein
ausserordentlich gewitzter und schlitzohriger General, der genau wie Hannibal ein Vielzahl
von Kriegslisten anwendete, um seine Ziele zu erreichen. Waehrend Hannibal oft der Vorwurf
gemacht wurde, nur ein talentierte General, sonst aber ein ungebildeter Primitiver zu
sein, scheidet dieser Vorwurf bei Scipio von vorneherein aus, denn als Sohn eines
roemischen Adeligen wurde ihm die beste Ausbildung der Epoche zuteil. Das der Vorwurf
gegen Hannibal allerdings ebenso unberechtigt ist, habe ich an anderer Stelle schon
erwaehnt (Ausbildung durch Sosylos) und es ist wahrscheinlich, dass Hannibal dem Scipio im
Geiste an nichts nachstand. Anders als Hannibal hatte Scipio allerdings die negativen
Meriten seines Standes uebernommen. Er war ein arroganter und eingebildeter Snob, dessen
Truppen ab und an gegen ihn meuterten und nur mit dem Versprechen von Lohnerhoehungen bei
der Stange gehalten werden konnten.
Daraus ist ihm kein Vorwurf zu machen, da es sich bei
kaum einen Adeligen anders verhielt; Hannibal jedoch stammte auch aus einer Adelsfamilie,
war sich seinerseits jedoch nicht zu schade, mit einfachen Soldaten zu verkehren, ihre
Mahlzeiten zu teilen, ihr Leid auf sich zu nehmen oder die Verwundeten zu besuchen.
Daraus, das Scipio aus dem einzigen Aufeinandertreffen der beiden genialsten Feldherren
ihrer Epoche als Sieger hevorging, ist aus den oben genannten Gruenden kein voreiliger
Schluss zu ziehen, da Hannibals Truppen denen des Scipionen wie gesagt unterliegen mussten.
Hannibal floh nach der Schlacht nach
Hadrumetum und riet zum Frieden, auf den sich der karthargische Senat nun (202) zu
verschaerften Bedingungen einlassen musste: Verzicht auf Spanien und die Mittelmeerinseln,
Anerkennung Massinissas, Uebergabe der Flotte bis auf zehn Schiffe, Verbot der Fuehrung
von Kriegen ausserhalb Afrikas, innerhalb Afrikas nur mit der Zustimmung Roms und die
Zahlungen von 10000 Silbertalenten an Rom. Der roemische Buerger hatte endgueltig ueber
den karthargischen Haendler gesiegt. Dass Scipio nicht auf einer Auslieferung Hannibals
bestand, mag zeigen, wie hoch er seinen geschlagenen Gegener und Lehrmeister achtete.
Der vierte Akt aus
Hannibals Leben ist beendet, er und Karthargo wurden in der Entscheidungsschlacht von Zama
zu Fall gebracht.
Meistens ist damit fuer uns auch die Geschichte Hannibals beendet, doch
sollte sein Leben noch 15 weitere Jahre aus genialen Hoehepunkten, erbaermlichen Fluchten
und vergebenen grossartigen Moeglichkeiten, die sich in seiner Person vor allem den
Herrschern boten, denen er seine Dienste zur Verfuegung stellte, bestehen. Hier nun der
weitere Verlauf seines fast tragischen Lebens, der fuenfte, langsam ausklingende Akt
seines Tuns und Lassens, die vergessenen Jahre seines immer noch von Groesse und Genius
und verlorenen Chancen gepraegten Handelns:
Zuerst setzte sich Hannibal in Karthargo sechs Jahre politisch zur Ruhe und wurde ein
recht erfolgreicher Geschaeftsmann. In dieser Zeit konsolidierte sich das
kriegsgeschaedigte Karthargo atemberaubend schnell und wurde bald trotz der hohen
Reperationsleistungen wieder reich, reicher als das vergleichsweise immer noch primitive
Rom. Ganz politisch inaktiv blieb der letzte Barkide jedoch nicht und so erfolgte im Jahre
196 seine Wahl zum Suffeten, ein Amt, was mit dem roemischen Consulat vergleichbar und
ebenso zweigeteilt war. Sein Mitregent wurde allerdings von der antiken
Geschichtsschreibung neben dem immer noch beliebten Hannibal zur voelligen
Bedeutungslosigkeit degradiert; nicht einmal sein Name wird erwaehnt.
In seiner Taetigkeit als "Staatspraesident" bewies Hannibal, dass er zu mehr als
nur zum Feldherren geboren war.
Er fuehrte derartig viele Reformen zum Wohle und Nutzen
Karthargos durch, dass er sowohl den Roemern erneut suspekt wurde, als auch der reichen
Oberschicht in Karthargo, zu deren Lasten die staatsdienlichen Reformen groesstenteils
gingen. Hannibal bekaempfte das fuer eine Oligarchie der Reichen uebliche
Korruptionswesen, entlastete den Finanzhaushalt und reformierte die Verfassung. So wurden
die Senatsmitglieder von da an nicht mehr auf Lebzeiten, sondern nur noch auf ein Jahr
gewaehlt. Zwischen zwei Amtsperioden als Senator mussten mindestens zwei Jahre liegen. Der
Aemterkauf wurde verboten. Mit diesen modernen und nahezu fortschrittlichen Reformen
bewies Hannibal, dass er auch ein grossartiger Staatstheoretiker auf dem Niveau eines
Aristoteles gewesen ist, und ausserdem jemand, der die Beduerfnisse des einfachen Volkes
hoeher bewertete, als die der Reichen, ein Versuch, den man erst in unserem Jahrhundert
wieder mehr oder weniger erfolgreich macht.
Hannibal war aber auch ein hervorragender
Wirtschaftsfachmann und er beguenstigte den rasanten Wiederaufstieg Karthargos zur antiken
Mittelmeerhandelsmetropole Nummer eins. Er liess das Umland kultivieren, Olivenhaine
anlegen, Steuern konsequent eintreiben, Aussenhandelszoelle einfuehren, u.s.w. Die
weitgehend von ihm entmachtete ehemalige reiche Oberschicht heulte aufgrund Hannibals
Massnahmen Rotz und Wasser und nuetzte Roms Misstrauen gegen den wiedererstarkenden Feind,
um schmaehlichen Verrat an dem Barkiden zu verueben, der immer nur das Beste fuer
Karthargo im Auge hatte. Eine karthargische Delegation reiste nach Rom und beschuldigte
Hannibal der Zusammenarbeit mit den Feinden Roms, namentlich Antiochos III.
(zu diesem
gleich mehr). In Rom hatte man offene Ohren fuer das dankbare Geruecht und nahm es als
Vorwand, nun doch die Auslieferung des gehassten Erzfeindes zu fordern. Hannibal erfuhr
von dem Vorgehen seiner eigenen Leute und floh in einer Nacht und Nebel Aktion vor den
anreisenden roemischen Verhaftungstrupps. Karthargo aber hatte den groessten Staatsmann
verloren, ueber den es wohl je verfuegt hatte. Die seit jeher den Barkiden feindlich
gesonnene Oberschicht hatte Karthargo die letzte Chance genommen, sich so gut wieder
herzustellen, dass man die unweigerlich kommende dritte Auseinandersetzung mit den
imperialistischen Roemern haette ueberleben koennen.
Hannibal floh ueber die karthargische Mutterstadt Tyros nach
Antiocheia zu Antiochius III.
Ebenso wie Phillip V. von Makedonien, der inzwischen
den kuerzeren gegen Rom gezogen hatte, war Antiochius ein Nachfahre der
Alexander-Diadochen. Er herrschte ueber ein gewaltiges Reich von Kleinasien, ueber
Persien, bis an die Grenzen Aegyptens und Indiens. Es war klar, dass es frueher oder
spaeter zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Rom, der letzten verbliebenen
Grossmacht im Mitttelmeerraum kommen wuerde. Antiochius nahm Hannibal freundlich auf, ging
aber nicht auf dessen Angebote ein, ihn mit einer Armee nach Italien zu schicken. Durch
Neid und Missgunst im Stabe Antiochos wurde Hannibal zuerst nicht mehr als ein
militaerischer Berater eines Koenigs, der wohl kaum sehr faehig gewesen ist, und die
grossartige Gelegenheit, die sich ihm in Hannibals Person bot nicht nutzte.
Antiochos
griff schliesslich Griechenland an (192) und reizte damit die Roemer, die ihre
neugewonnenen Kolonien verteidigten. Hannibal bekam nur den Befehl ueber die neugebaute
Flotte und unterlag in seiner ersten Seeschlacht den mit den Roemern verbuendeten
Rhodesiern, obwohl er auf seinem Fluegel gesiegt hatte. Gleichzeitig unterlag Antiochos
Heerfuehrer Thoas, der statt Hannibal den Oberbefehl innehatte, bei den Thermophylen den
Roemern. Das nun von Antiochos aufgestellte Grossheer von ueber 80000 Mann traf 189 bei
Magnesia auf die etwa 40000 Mann starken Roemer unter Lucius Cornelius Scipio, der Bruder
des Siegers von Zama, der inzwischen den Ehrennamen Africanus trug. Hannibal durfte
wieder nur zusehen und soll zynisch bemerkt haben:
"Ja, Antiochos, dieses Heer duerfte den
Roemern genuegen, auch wenn sie noch so gierig sind!"
Antiochos Heer unterlag katastrophal und
verlor ueber 50000 Mann. Antiochos musste Kleinasien raeumen und die Vorherrschaft Roms
anerkennen, womit er seine ehemaligen Welteroberungsplaene begraben konnte.
Hannibal aber
liess er fliehen, damit er nicht in die Hand der Roemer fiel.
Hannibal machte sich auf zu Koenig Artaxias von Armenien,
der sich nach der Niederlage seines Lehnsherren Antiochos als Alleinherrscher ausrufen
liess. Er blieb nicht sehr lange hier, da ihn weiterhin roemische Kommandos suchten, doch
erbaute er auf Artaxias Wunsch die neue Hauptstadt Armeniens Artaxiata. Hannibal war also
auch noch ein begabter Baumeister. Auch wenn wir nicht viel ueber seine Taetigkeit in
Armenien wissen, so koennen wir doch erneut nur erahnen, welch einen Genius Hannibal in
sich getragen haben muss (Feldherr, Demagoge, Handelsmann, Staatsmann, Baumeister,..
..).
Hannibal reiste nach Kreta, von wo er bald
wieder floh. Legendaer ist die Anekdote, dass er seine betraechtlichen Geldmittel in
wertlosen Amphoren in seinem Garten versteckte, bei denen kein Raeuber darauf gekommen
waere, Reichtuemer in ihnen zu suchen.
Schliesslich floh
Hannibal zu Koenig Prusias von Bithynien, der dem alten Roemerfeind herzlich Asyl
anbot.
Auch Prusias Reich war irgendwie aus den Daidochenreichen hervorgegeangen und
ebenso wie fast alle Diadochen war auch Prusias ein nahezu unfaehiger Herrscher. Mommsen
nennt ihn sogar "jaemmerlichsten Jammerprinzen Asiens.". Da auch er von einem
Alexandristischen Grossreich wie Antiochos traeumte, erklaerte er dem Nachbarstaate
Pergamon unter Koenig Eumenes II. den Krieg, der bei der Schlacht von Magnesia
Verbuendeter Roms gewesen war. Hannibal erhielt erneut nur den Befehl ueber die Flotte,
die diesen Namen noch weniger verdient hatte, als die Flotte, die ihm Koenig Antiochos
angedreht hatte.
Dennoch blitzte noch einmal Hannibals militaerisches Genie auf, diesmal
als Admiral. Ein letztes aufgluehen seines sinkenden Sternes schenkte ihm den Sieg.
Die Schiffe Koenig Pergamons, an Qualitaet
und Zahl weit ueberlegen, naeherten sich der lausigen Flotte Bithyniens in Erwartung eines
leichten Sieges. Ploetzlich wurden Tonamphoren zu ihnen heruebergeschleudert, die jedoch
keinen weiteren Schaden anrichteten. Weitaus groesseren Schaden richteten allerdings die
in den Amphoren enthaltenen Giftschlangen und Skorpione an. Dem Meister der
psychologischen Kriegsfuehrung glueckte gegen die verschreckte Flotte Eumenes II.
daraufhin der Sieg. An Land allerdings stellte sich Prusias den ueberlegenen Truppen
Pergamons, wovon Hannibal abgeraten hatte, und wurde vernichtend geschlagen.
Die Roemer verfolgten
Hannibal, der scheinbar auf allen Schauplaetzen auftauchte, auf denen gegen die Roemer
gekaempft wurde, immer hartnaeckiger. Da ihn Koenig Prusias nun nicht laenger schuetzen
konnte, rueckten roemische Truppen bis zu Hannibals Villa in Lybissa vor, die in der Naehe
der bithynischen Hauptstadt Nikomedia lag. Derartig gestellt, beging Hannibal, der den
Beinamen "der Grosse" mehr verdient haette als ein Alexander oder Karl, im Jahre
183 vor Christus Selbstmord. Seine letzten Worte sollen gewesen sein:
"Es ist nun an der Zeit, die Angst der
Roemer zu beenden.
Sie sind nicht in der Lage, laenger auf den Tod eines alten Mannes zu
warten, der ihnen so viele Sorgen bereitet hat."
Es ist vielleicht die groesste Ironie in der
Weltgeschichte, dass der einzige, der ihm vielleicht an Genialitaet und Groesse
ebenbuertig war und der ihn auf dem Schlachtfeld bei Zama endgueltig besiegt hatte, Scipio
Africanus, im selben Jahr im Alter von 52 Jahren starb. Ebenso wie die Kartharger, hatte
die roemische Oberschicht den maechtigen Scipionen denunziert, ihn der Konspiration mit
Antiochos III. beschuldigt und das er persoenliche Vorteile aus dem Friedensschluss mit
Karthargo gezogen haette. Nach einem bitteren Gerichtsverfahren, bei welchem der
enttaeuschte Scipione die Aussage verweigerte, zog er sich auf sein Landgut zurueck, um
einsam dort zu sterben, ohne je wieder einen Fuss nach Rom gesetzt zu haben. Karthargo
aber sollte die beiden grossen Maenner, die um sein Wohl und Wehe gekaempft hatten, nicht
lange ueberleben.
Vor allem der roemische Senator Catho (allerdings nicht jener Catho, der
Widersacher Caesars werden sollte) hatte sich vom Wiedererbluehen des karthargischen
Handels persoenlich ueberzeugt und beendete von da an jede seiner Rede mit den Worten:
"Im uebrigen bin ich der Meinung, dass
Karthargo zerstoert werden muss."
In den Jahren 149-146 (3. Punischer Krieg)
erfuellte man ihm endlich seinen Wunsch und der Zerstoerer Karthargos, der die Stadt
vollstaendig schleifen liess, Salz in die Erde streute und sie auf hundert Jahre
verfluchen liess, war Aemilianus Scipio, der damit das von seinen Grossvaetern und Vaetern
begonnene Werk vollendete.
PS:
Wer sich fuer Hannibal und sein Leben
interessiert, wird in jedem gut sortierten groesseren Buchladen ein grosses Angebot an
Literatur finden. Das neueste erschienene Buch ist von Hartwig A. Vogelsberger,
"Hannibal- Karthargos Kampf um die Weltherrschaft", erschienen im Herbig Verlag.
Nicht auslassen sollte man allerdings den historischen Roman von Gisbert Haefs,
"Hannibal-Der Roman Karthargos".Ein Meisterwerk, das uns Hannibals Leben
vielleicht annaehernd authentisch schildert.
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