Alexander solschenizyn
Alexander Solschenizyn
Ein Tag des Iwan Denissowitsch
· Autor Alexander Solschenizyn wird am 11. Dezember 1918 in Kislowodsk im heutigen Rußland geboren. Sein Vater verstarb noch vor seiner Geburt. Schon früh begeistert er sich für Literatur, besonders für Tolstoi.
Später studiert er Mathematik und Physik und wird 1941 zum Kriegsdienst einbezogen. Noch während des Krieges wird Solschenizyn wegen kritischer Äußerungen über Stalin in Briefen nach Hause verhaftet und zu zehn Jahren Straflager verurteilt.
Dort beginnt er mit literarischer Produktion. Weil er kein Papier hat und es auch zu gefährlich wäre, etwas aufzuschreiben, entwickelt er eine Methode des systematischen Memorierens, die auch ein Mittel der Selbsterhaltung war. Einen Teil der Haftzeit verbringt er mit anderen Naturwissenschaftlern in einem Sonderlager, wo sie zur Forschung eingesetzt werden.
Nach Ende seiner Haftzeit im Jahre 1953 wird er abermals verurteilt, diesmal zu "ewiger Verbannung" in Mittelasien. Die "ewige Verbannung" währt bis 1956, bis zum 20. Parteitag der KPdSU, wo Chruschtschow in seiner Rede die offizielle Kritik am Stalinismus einleitet.
Solschenizyn wird rehabilitiert und nimmt eine Stelle als Mathematiklehrer an.
1962 erscheint in einer sowjetischen Zeitschrift mit Billigung des Parteichefs "Ein Tag des Iwan Denissowitsch", die erste literarische Auseinandersetzung mit den grausamen Lagern Stalins, die in der UdSSR veröffentlicht werden konnte und im In- und Ausland für ungeheures Aufsehen sorgte.
Es erscheinen noch weiter Erzählungen Solschenizyns, aber als Chruschtschow abgesetzt wird, ist die Periode der Liberalisierung vorbei. Seine Bücher werden aus den Bibliotheken verbannt, er wird aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen, verarmt, und als er den 1970 den Nobelpreis erhält, darf er ihn nicht einmal in Empfang nehmen, da ihm die Reiseerlaubnis verwehrt wird.
1973 gelangt das sorgfältig versteckte Manuskript von "Archipel Gulag" in die Hände der Geheimpolizei. Da der Autor befürchten muß, daß die Geheimpolizei gefälschte Fassungen im Ausland veröffentlichen läßt, widersetzt er sich nicht mehr einem Erscheinen seiner Werke im Ausland, obwohl er davor immer wieder erklärt hatte, daß er nur für seine Landsleute schreibe.
1974 wird Solschenizyn verhaftet und danach ausgewiesen. Über Deutschland geht er zunächst in die Schweiz, übersiedelt aber 2 Jahre später in die USA. Dort macht er einige radikale politische Aussagen, zum Beispiel, daß er rückblickend die Beendigung des Vietnamkrieges kritisiert. Einerseits wird er wegen seiner politischen Ansichten scharf kritisiert, andererseits als hervorragender Berichterstatter aus der ehemaligen UdSSR respektvoll anerkannt. Sein Leben ist von großem Haß auf die Sowjetunion und ihre Nachfolgerstaaten sowie von einer zum Kult erhobenen, aber utopischen Rußlandidee geprägt.
· Inhalt
Das Buch handelt von einem Gefangenen in einem russischen Straflager.
Er wurde wegen Spionage zu 10 Jahren Arbeitshaft in Sibirien verurteilt, weil er im 2. Weltkrieg in Gefangenschaft geraten war und fliehen konnte. Man verdächtigte ihn, mit den Deutschen zusammengearbeitet zu haben und dann mit einem Spionageauftrag entlassen worden zu sein. Dieser Verdacht führte bei fast allen entflohenen Kriegsgefangenen zu einer Verurteilung.
Iwan Denissowitsch schildert das Leben in einem Straflager. Um 4 Uhr früh wird er geweckt und hat dann eine halbe Stunde für sich.
Um 5 Uhr beginnt der Weg zur Arbeit. Es hat –27 °C. Erst bei einer Temperatur von unter –40 °C darf das Lager nicht verlassen werden, aber auch innerhalb fände sich genug Arbeit.
Iwans Arbeitsgruppe muß eine Mauer hochziehen. Sie arbeiten bis zum Umfallen, um nicht zu erfrieren und können schließlich zum "Mittagessen" gehen. Es gibt eine kleine Tasse heißen Wassers mit einigen faulen und fast bis auf die Gräten abgenagten Fischstückchen.
Iwan kann sich durch eine List eine zweite Tasse besorgen.
Danach arbeiten sie weiter. Iwan geht in seiner Arbeit voll auf; im traurigen Lageralltag tut es gut, zu sehen was man kann. Selbst als das Zeichen zum Aufhören kommt, möchte er noch sein Werk fertigstellen. Beim Heimkehren kann er ein Stück Draht hineinschmuggeln und beim "Abendessen" – es gibt dasselbe wie zu Mittag – schafft er es durch einen Dienst an einem höhergestellten Gefangenen, wieder eine zweite Tasse zu ergattern. Schließlich tut er diesem noch einen Gefallen, aber – im Lager kaum denkbar – ohne eine Gegenleistung zu erwarten.
Aber er erhält zum Dank eine Scheibe Wurst – ein Segen für den Hungrigen.
· Intention des Autors
Solschenizyn schildert den Alltag in einem Straflager. Er verzichtet auf die Darstellung der Liquidationen, Folterungen und selbst erschwerte Haftbedingungen werden nur insofern erwähnt, als sie als drohende Möglichkeit schon zum Alltag gehören. Doch dieser Verzicht wirkt nicht im geringsten beruhigend. Im Gegenteil, es ist erschütternd, daß solche "Lebens"bedingungen alltäglich werden können.
Der Autor macht das Hochziehen einer Mauer zur zentralen Szene der Erzählung.
Iwan nimmt sich diese Aufgabe sehr zu Herzen und verrichtet seine Arbeit gerne und mit Eifer. Nach dem Wertesystem des Lagers bringt ihm das nichts ein, er kommt sogar zu spät zum Appell und die anderen Gefangenen müssen seinetwegen warten. Ihn aber macht es für Augenblicke glücklich.
Im Lager dreht es sich nur darum, nicht zu verhungern. Eine mit List und Glück ergatterte zusätzliche Suppenration, ein unverhoffter Brotvorrat, dazu der Luxus einer Wurstscheibe machen Iwan Denissowitsch vom alltäglichen fürchterlichen Hunger frei, und sofort ist er wieder für einen Augenblick der, der er sonst vielleicht immer wäre: ein selbstloser, hilfsbereiter Mensch. Er nimmt Unbequemlichkeiten auf sich, um einem anderen sein Essenspaket zu retten und erwartet dafür keinen Lohn.
Und das ist einer der kleinen Zufälle, die den Tag "nahezu glücklich" erscheinen lassen. Daß aber so ein menschenunwürdiger Tag als glücklich empfunden werden kann, bleibt herzergreifend.
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