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  Die wand

Es wurden Grafiken aufgrund ihrer Größe entfernt   Marlen HAUSHOFER   Marlen HAUSHOFER (d.i. Marie-Helene FRAUENDORFER, 1920-1970) wurde 1920 in Frauenstein (Oberösterreich) geboren. Sie studierte Germanistik an den Universitäten Wien und Graz und lebte anschließend mit ihrem Mann, der ein Zahnarzt war, in Steyr. Für ihre Erzählung Wir töten Stella (1958) erhielt sie 1963 den Arthur-Schnitzler-Preis. 1968 wurde sie mit dem Österreichischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet.

Sie starb 1970 in Steyr.     Die Romane und Erzählungen HAUSHOFERs (z.B. Das fünfte Jahr, 1952; Die Vergißmeinnichtquelle, 1956; Die Wand, 1963; Schreckliche Treue, 1968 und Die Mansarde, 1969) gerieten früh in Vergessenheit und wurden erst in den achtziger Jahren wiederentdeckt.   Der Roman Eine Handvoll Leben (1955) beginnt mit einem kurzen sachlichen Bericht über den Unfalltod des Nägelfabrikanten Anton Pfluger: Im Mai 1951 starb in einer österreichischen Kleinstadt ein gewisser Anton Pfluger an den Folgen eines Autounfalls. Auf dem Weg von seinem Landhaus in die Stadt fuhr er nämlich, ohne jeden ersichtlichen Grund, gegen einen Alleebaum und zog sich einen Schädelbruch und innere Verletzungen zu.

  Nach dem Unfalltod seines Vaters will Toni Pfluger das Landhaus der Familie verkaufen. Eine Interessentin findet sich ein. Niemand kommt darauf, daß es sich dabei um Elisabeth handelt, die einst mit Tonis Vater verheiratet war. Sie kehrt nun - unerkannt - in das Haus ihrer Familie zurück, das sie vor vielen Jahren verließ, um ihren Mann, ihr Kind und ihren Liebhaber aufzugeben und eine neues Leben zu beginnen.   Der Roman Himmel, der nirgendwo endet (1969) erzählt von dem kleinen Mädchen Meta, das am Anfang der Geschichte auf dem Boden eines alten Regenfasses sitzt und in den Himmel schaut. Die Autorin beschreibt die entscheidenden Jahre, die ein heranwachsendes Mädchen prägen.

Die ganze Welt stürmt auf Meta ein. Die Welt offenbart sich als ein großes Durcheinander, das Meta in Ordnung bringen muß.   Daß HAUSHOFER viel Verständnis für Kinder hatte, kann man auch aus ihren Jugendbüchern ablesen. Die bekanntesten sind Brav sein ist schwer (1965) und Schlimm sein ist auch kein Vergnügen (1970), zwei herzerfrischende Bücher über die Ferienerlebnisse der Brüder Fredi und Buz bei ihren Großeltern auf dem Land.   Für den Roman Müssen Tiere draußen bleiben? (1967) erhielt HAUSHOFER den Kinderbuchpreis der Stadt Wien. Der zehnjärige Schorschi hat eine Zwillingsschwester, Dorli, und noch zwei Schwestern, die Zwillinge Katrinchen und Bettinchen.

Kein Wunder, daß ihm die drei manchmal auf die Nerven fallen und er sich freut, ins Internat zu kommen. Dort schließt er Freundschaft mit seinen Zimmerkameraden, vor allem mit dem älteren Thomas, genannt Fluffy, der die Klasse schon zum zweiten Mal wiederholt und ein großer Tierfreund ist. Wie es ihm gelingt, den Bernhardiner Wotan zum Internatshund zu machen, eine Katze und ihre vier Jungen im Fünferzimmer zu betreuen und letzten Endes sogar noch in die nächste Klasse aufzusteigen, wird spannend und humorvoll erzählt.            DIE WAND (1963)  Der Roman Die Wand ist eine Art weibliche Robinsonade.   INHALT Am 5. November irgendeines Jahres beginnt eine ca.

43 Jahre alte Frau ihre Erfahrungen aus den letzten 34 Monaten aufzuschreiben. Sie weiß nicht genau, ob es wirklich der 5. November ist, sie schreibt weder aus Lust am Schreiben noch in der Hoffnung auf Selbstverwirklichung. Sie schreibt, um nicht den Verstand zu verlieren. Erst am 25. Februar des darauffolgenden Jahres schließt sie ihre Aufzeichnungen ab.

Das Papier geht ihr aus. Die Frau ist allein in einem Jagdhaus im Wald - und sie wird es voraussichtlich auch bleiben.   Am ersten Mai vor fast drei Jahren unternahm diese Frau, deren Namen wir nicht erfahren, weil sie meint, daß das sowieso nicht mehr wichtig sei, einen Wochenendausflug mit ihrer Cousine Luise und deren Mann Hugo in das abgelegene Jagdhaus.   Hugo und Luise wollen am Abend noch in die nahe gelegene Ortschaft ins Gasthaus gehen und nehmen den Hund Luchs mit. Als die Frau am nächsten Morgen erwacht, ist sie allein. Die beiden anderen sind von dem Wirtshausbesuch nicht zurückgekommen.

Die Frau ist beunruhigt und macht sich auf die Suche. Dabei stößt sie auf eine durchsichtige Wand, ein mit dem Auge nicht erkennbares Hindernis, eine Art Mauer aus Glas, die sie von der übrigen Welt trennt. Und in dieser Welt hinter der Wand ist alles Leben zum Stillstand gekommen. Tiere und Menschen sind tot. Einige davon kann sie durch die Wand sehen. Sie schauen aus, als wären sie versteinert.


  Gott sei Dank hat Hugo immer Wert darauf gelegt, daß genügend Lebensmittelvorräte, Brennmaterial und Petroleum für die Beleuchtung in der Hütte vorhanden waren. So hat die Frau anfangs keine Probleme, sich und den Hund zu ernähren. Sie steckt die Ränder der Wand mit kleinen Haselzweigen ab, um immer gleich zu sehen, wo sie nicht hingehen kann. In der weiteren Folge sucht sie diese „unsichtbare Grenze“, die immer mehr zuwächst, weil die Haselzweige Wurzeln schlagen und zu Sträuchern werden, aber immer seltener auf.   In unmittelbarer Nähe der Wand findet die Frau wenige Tage nach dem „rätselhaften Unglück“, das sie sich nicht erklären kann, eine Kuh, der sie den Namen Bella gibt. Bella ist für sie und den Hund von großem Nutzen, weil sei Milch gibt.

  Was mag dort draußen in der Welt passiert sein? Anfangs denkt die Frau noch, daß man sie eines Tages finden wird. Dabei geht sie natürlich davon aus, daß es Menschen gibt, die das „rätselhafte Unglück“ überlebt haben. Ob diese ihr allerdings freundlich oder feindlich gesinnt sind, ist ihr unbekannt. Anfangs geht sie daher nie ohne Waffe in den Wald.   Ist „die Wand“ eine neue - teuflische - Waffe? Sind vielleicht jene, die diese Waffe eingesetzt haben, dabei auch ums Leben gekommen? Die Frau hat offensichtlich bereits erwachsene Kinder. Sowohl an diese als auch an ihren Mann, dessen liebes Gesicht ihr einmal im Traum erscheint, denkt sie nur mehr als an bereits Verstorbene.

Das gleich gilt natürlich für Luise und Hugo.   Die wenigen Dinge, die diese Frau, die viele Jahre in der Stadt verbracht hat, vor allem noch aus ihrer Kindheit und Jugend über das Leben auf dem Land weiß, kommen ihr jetzt zugute. Sie versucht in der ersten Zeit, sich so weit wie möglich im Umkreis des Jagdhauses umzusehen, findet aber keine Anzeichen, daß außer ihr noch jemand das „rätselhafte Unglück“ überlebt hat. Allzu weit und lang kann sie sich nicht entfernen, weil die Kuh regelmäßig gemolken werden muß. Erst später findet sie in einigen Almhütten manche Dinge, die sie gut gebrauchen kann.   Die Frau richtet sich in der geräumigen Küche des Jagdhauses wohnlich ein, wo sie auch schläft.

Bald gesellt sich eine Katze zu ihr, der sie keinen Namen gibt, die aber mehrmals Junge bekommt. Beim ersten Wurf überlebt nur ein schneeweißes Kätzchen, das sie Perle nennt. Perle fällt aber schon im nächsten Herbst einem Raubtier im Wald zum Opfer: sie war einfach zu gut sichtbar. Beim zweiten Wurf hat die Katze ein Kätzchen und zwei Kater. Das Kätzchen kommt unter ungeklärten Umständen ziemlich bald ums Leben. Die Kater - Tiger und Panther - werden etwas älter.

Panther fällt zuerst vermutlich einem Raubtier im Wald zum Opfer; jedenfalls kommt er eines Tages nicht mehr nach Hause. Tiger erlebt den nächsten Sommer. Da Bella inzwischen ein Stierkalb zur Welt gebracht hat, beschließt die Frau, mit ihren Tieren den Sommer auf einer zirka drei Stunden entfernten Alm zu verbringen.   Der Sommer ist sehr anstrengend für sie. Sie muß einerseits den schon im ersten Jahr angelegten Kartoffelacker und das Bohnenbeet - beide in der Nähe des Jagdhauses - versorgen und das nötige Heu für den Winter einlagern, andererseits muß sie sich um die Tiere auf der Alm kümmern. Wenn sie ins Tal geht, sperrt sie Tiger in die Almhütte und Bella und Stier (einen anderen Namen hat er nicht) in den kleinen Stall, den sie für die beiden eingerichtet hat.

Tiger ist dann immer sehr mürrisch, wenn sie zurückkehrt. Er liebt es nicht, eingesperrt zu sein. Gegen Ende des Sommers wagt sie es einmal sogar, das Fenster für ihn offenstehen zu lassen.   Die Katze nimmt sie wohl auch mit auf die Alm, aber sie will nicht bleiben und kehrt sehr bald in das Jagdhaus zurück, wo sie sich offensichtlich den ganzen Sommer hindurch allein durchbringt. Im Herbst, als alle wieder im Jagdhaus vereint sind, ist auch die Katze wieder da.   In den Wintermonaten hat die Frau mehr Zeit, über sich und ihr Schicksal nachzudenken.

Die Tage sind kürzer und oft sehr düster. Wenn die Verzweiflung sie überkommt, ist es eigentlich immer Luchs, der sie wieder aufheitert. Er ist ein treuer und stets fröhlicher Hausgenosse, der sich auch mit der Katze und ihren Jungen anfreundet. Als sie im zweiten Winter sehr krank wird, ist es Luchs, der ihr immer wieder neuen Lebensmut gibt. Tiger verschwindet in diesem Winter spurlos. Die Katze bringt bald darauf vier tote Kätzchen zur Welt und wird sehr krank, erholt sich aber wieder.

  Als der dritte Sommer herankommt, hat die Frau eigentlich längst die Hoffnung aufgegeben, daß es außer ihr noch einen Menschen auf der Welt geben könnte. Sie beschließt, den Sommer wieder auf der Alm zu verbringen. Immer seltener sucht sie eine Aussichtswarte auf, von der aus sie einen weiten Blick ins Land hinein hat. Hugo hatte auch einen Feldstecher auf der Jagdhütte, und manchmal hält die Frau sehr angestrengt Ausschau nach Anzeichen menschlichen Lebens. Ein einziges Mal glaubt sie, aus dem Wald Rauch aufsteigen zu sehen. Als sie noch einmal hinschaut, ist nichts mehr zu erkennen.

  Wahrscheinlich läßt sich so auch ihre relative Sorglosigkeit erklären, mit der sie am 10. September Bella und Stier auf der Weide läßt, als sie ins Tal geht, um den Kartoffelacker zu jäten. Luchs nimmt sie mit. Bei ihrer Rückkehr ist der Hund unruhig, als sie sich der Alm nähern. Er rennt schließlich wild bellend los. Die Frau kann ihn nicht zurückhalten.

Auf der Almwiese steht ein Mann, der soeben Stier mit einem Beil erschlagen hat. Luchs springt auf den Mann los, doch bevor die Frau diesen noch mit einem Jagdgewehr, das sie erst aus der Hütte holen muß, erschießen kann, erschlägt er Luchs.  Nun hat sie vermutlich den einzigen Menschen getötet, der so wie sie das „rätselhafte Unglück“ überlebt hat. Nach der - wenn auch verwahrlosten - Kleidung, die er trägt, zu schließen, war der Mann ein Jagdpächter so wie Hugo, ein Städter, der es wohl auch sehr schwer gehabt haben muß, in dieser Einsamkeit zu überleben. Die Frau bezeichnet sein Gesicht als sehr häßlich.   Sie begräbt Luchs auf der Alm und stürzt die Leiche des Mannes von der Aussichtswarte aus über eine Geröllhalde in die Tiefe.

Stier muß sie liegen lassen, weil er ihr viel zu schwer und groß ist. Vermutlich hat Bella noch kurz davor von ihrem Sohn ein Kalb empfangen. Wie sich diese Inzucht auswirken wird, ist der Frau unbekannt. Sie hat jedenfalls beschlossen, nie wieder auf die Alm zu gehen. Der letzte Winter ohne Luchs war sehr schwer für sie. Wie sich das Leben für sie weiterentwickeln wird, bleibt offen, da sie - aus Papiermangel - nicht mehr weiterschreiben kann.

  PROBLEMATIK HAUSHOFER erörtert hier das Verhalten eines Menschen, der vollkommen auf sich selbst gestellt ist. Die Frau, für die ein Name nicht mehr von Bedeutung ist, weil niemand sie mehr bei diesem Namen rufen wird, denkt wiederholt an Selbstmord. Nur die Anwesenheit der Tiere, die eigentlich auf sie angewiesen sind, hält sie davon ab.   Sie spricht auch einige Male davon, daß sie sich vielleicht eines Tages doch noch unter der Wand durchgraben wird. Die Wand kann nicht allzu tief im Boden verankert sein, weil der Bach sich ebenfalls relativ rasch im Kalkgestein einen Weg darunter durchgegraben hat. Ungewiß bleibt nur, was sie auf der anderen Seite der Wand erwartet.

Wird sie sofort sterben? Oder war irgendein Gift nur kurzfristig für die Menschen tödlich. Es wäre ja auch möglich, daß „der Feind“ auf der anderen Seite der Wand die Frau sofort tötet, wenn sie aus dem Wald herauskommt.   Auch die Wolken ziehen über die Wand hinweg, d.h. sie reicht nicht bis in den Himmel. Erst in ihrem Sommer auf der Alm fällt der Frau auf, daß keine Flugzeuge am Himmel zu sehen sind.

Daraus zieht sie den logischen Schluß, daß alle, die diese Flugzeuge fliegen könnten, auch tot sein müssen.   Was empfindet ein Mensch, der eine rätselhafte Katastrophe als einziger überlebt hat? Ist das Leben noch lebenswert, wenn man keine Gesprächspartner mehr hat? Robinson wurde nach 28 Jahren endlich auf seiner Insel gefunden und konnte die lang ersehnte Rückkehr in die Heimat antreten. Sollte die Frau jemals ihren Wald verlassen können, dann ist vermutlich niemand mehr am Leben. Auch Robinsons Eltern waren tot, als er endlich heimkehrte; aber es gab noch viele andere Menschen, die sich für sein Schicksal interessierten.   Aller Wahrscheinlichkeit nach wird niemand mehr da sein, wenn die Frau sich unter der Wand durchgräbt. Was ist, wenn sie schwer krank wird? Jeder von uns wünscht sich doch wohl, einmal nicht allein zu sein, wenn sein Leben zu Ende geht.

Die Frau hat wenig Hoffnung, daß einmal ein anderer Mensch bei ihr sein wird, wenn sie stirbt. Die Tiere würden ihr diesbzüglich nur Sorgen machen, weil sie berechtigte Ängste hat, daß z.B. die Kuh nicht ohne sie weiterleben kann.

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