Eine handvoll leben von marlen haushofer
Eine Handvoll Leben von Marlen Haushofer
Die Autorin: Marlen Haushofer wurde am 11. April 1920 in Frauenstein / Oberösterreich geboren. Sie studierte Germanistik in Wien und Graz und lebte später in Steyr. 1968 erhielt sie den österreichischen Staatspreis für Literatur. Sie starb am 21. März 1970 in Wien.
Bekannteste Werke: Die Erzählungen „Das fünfte Jahr“, „Die Vergißmeinnichtquelle“, „Wir töten Stella“ (dafür wurde sie 1963 mit dem Arthur-Schnitzler-Preis ausgezeichnet) sowie „Schreckliche Treue“ und die Romane „Die Tapetentür“, „Die Wand“ und „Die Mansarde“.
Die Charaktere:
Betty: eine Frau Mitte vierzig, die schon viel erlebt hat und trotzdem oder gerade deshalb ein wenig frustriert vom Leben ist.
Elisabeth: wird in allen prägenden Situationen ihres Lebens geschildert; ist von der Person her dieselbe wie Betty, doch wird sie wie eine andere Frau betrachtet, da Betty sich nicht mehr mit ihr identifizieren kann;
Käthe: Schulfreundin Elisabeths; immer aufgeweckt und munter, zeitweise etwas naiv; zweite Frau Tonis
Margot: ebenfalls eine Schulfreundin Elisabeths; genaues Gegenteil von Käthe; meist ruhig und zurückhaltend, doch auch besitzergreifend
Anton Pfluger senior: Gatte Elisabeths und in zweiter Ehe mit Käthe verheiratet
Lenart: Geschäftsfreund Tonis und später Liebhaber Elisabeths
Der Inhalt: Nachdem sein Vater bei einem Unfall tödlich verunglückt ist, will Toni Pfluger junior das Landhaus der Familie verkaufen. Niemand kommt auf den Gedanken, daß es sich bei der etwas merkwürdigen Interessentin um Betty handelt, die damals - als sie noch Elisabeth war - mit Tonis Vater verheiratet war und diesen, den kleinen Sohn und ihren Liebhaber verließ.
Abends in ihrem Zimmer findet Betty eine Schachtel mit alten Ansichtskarten. Sie betrachtet eine davon und erinnert sich an Elisabeths Kindheit: Die Welt der kleinen Lieserl war erfüllt von dicken, nach Essen riechenden Frauen, die sie mit ihrer Zuneigung und Liebe fast erdrückten.
In Bettys Ohren dröhnen immer noch die Rufe der Frauen: „Lieserl, wo bist du......
bist du......
...bist du...
....?“, wenn das kleine Mädchen sich wieder einmal vor ihrer übertriebenen Fürsorge zu verstecken versuchte.
Die nächsten Bilder, die Betty aus der Schachtel zieht, sind alte, vergilbte Fotos, die ihre besten Freundinnen in der harten Internatszeit zeigen: Käthe und Margot, die beiden, die durch Elisabeth zu Feindinnen wurden.
Sie konnte sich nicht entscheiden, welche von beiden sie zur besten Freundin wählen sollte. Käthe, mit der man so unverfänglich plaudern und sich von ihrem belanglosen Gerede berieseln lassen konnte, und - als purer Gegensatz dazu - Margot, die treue Seele, die immer so gut zuhörte, die man aber leider auch sehr leicht verletzen konnte. Beide liebten Elisabeth, jede auf ihre Weise. Elisabeths Seele war fast die ganze Internatszeit hindurch zerrissen, immer ein schlechtes Gewissen gegenüber der, die sie gerade vernachlässigt hatte. Besonders für Margot wurde diese ständige spannungsgeladene Beziehung unerträglich und sie zog sich immer mehr in sich selbst zurück. Obwohl Elisabeth Schuldgefühle hatte, konnte sie sich nicht dazu überwinden, die verzweifelten Briefe einer am Boden zerstörten Margot zu beantworten und so wandte sie sich mehr Käthe zu.
Doch Margot liebte Elisabeth so sehr, daß sie sich dafür selbst aufgab und Selbstmord beging.
Betty hatte bis zum heutigen Tag noch dieses schlechte Gewissen Margot gegenüber. Sie fühlte sich, als habe sie, die ihr als einzige hätte helfen können, die Freundin verraten.
Nach dem Internat kehrte Elisabeth wieder zu ihren Eltern zurück und verbrachte die Tage und Monate mit mehr oder minder sinnvollen Beschäftigungen. Sie nahm eine Stelle als Sekretärin an, und als ihr ihr Chef Anton Pfluger einen Heiratsantrag machte, nahm sie an.
Betty hält das Verlobungsbild in den Händen.
Sie weiß eigentlich nicht mehr, warum sie ja gesagt hat. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Er hat dann Käthe gefunden, die sowieso besser zu ihm paßte.
Einen kurzen Moment lang sieht sie Lenarts Gesicht vor sich.
Anton brachte ihn eines Tages zum Essen ins Haus. Er war ihr von Anfang an unsympathisch und so war sie auch mißtrauisch gegenüber seinen geschäftlichen Beziehungen zu Anton.
Betty überlegt, wie sich ihr Leben abgespielt hätte, wenn sie diese eine Begegnung nicht oder anders erlebt hätte.
Elisabeth traf Lenart an einem Nachmittag auf dem Weg in die Stadt. Sie setzen sich in ein Café. Irgendetwas an Lenart zog Elisabeth an, obwohl sie in seiner Gegenwart nervös wurde. Aus ihrer Beziehung entwickelte sich nach und nach eine Affäre, die ein Jahr und drei Monate andauerte. Sie beruhte nicht auf gegenseitigem Verständnis, sondern rein auf körperlicher Basis.
Elisabeth liebte ihn nicht, doch sie konnte sich in seinen Armen einfach fallenlassen und an nichts denken, denn im Bett war ihr der Mann, der sie tagsüber manchmal verlegen und nervös machte, schutzlos ausgeliefert.
Elisabeths Ehemann bekam von all dem jedoch nichts mit. Elisabeths Leben geriet allerdings immer mehr durcheinander. Sie fühlte sich nutzlos. Ihre Gefühle waren ein einziges Chaos.
Eines Nachts konnte sie es nicht mehr ertragen.
Ehemann, Kind und Geliebter bedeuteten ihr nichts mehr. Sie ließ ihre Kleider am Fluß zurück, sodaß alle glaubten , sie sei ertrunken.
Betty träumt noch einiges wirres Zeug, bevor sie nach dem Kauf des Hauses am nächsten Morgen die Stadt wieder verläßt.
Am Abend kommt Toni Pfluger nach Hause und setzt sich zu seiner Stiefmutter in den Garten. Buchauszug:
„Gott sei Dank“, bemerkte er, „daß wir das hinter uns haben. Wir können zufrieden sein.
Findest du diese Frau nicht ein wenig merkwürdig, Mutter?“
„Sehr“, bestätigte Käthe. „Sie sieht jemandem gleich, den ich gut gekannt habe, aber es ist nur eine oberflächliche Ähnlichkeit. Einer Frau, die längst tot ist.“
„Nun“, sagte Toni, „manchmal schien sie fast ein wenig unheimlich, geistesabwesend oder krank.“
„Findest du?“ Käthe sah freundlich in die Augen Elisabeths, die sie aus seinem Gesicht ansahen. „Vielleicht hat sie ein besonders trauriges Leben hinter sich.
Heutzutage kommt ja so viel vor.“
Interpretation des Buches:
Dieses Buch ist in einer Weise geschrieben, durch die man immer wieder nur Teile von Bettys Vergangenheit kennenlernt. Zwischendurch wird der Rahmen der Erzählung immer wieder geschlossen. Von der Zeitspanne her beschreibt das Buch in der Gegenwart nur eine Nacht, in der Erinnerung jedoch ein ganzes Leben.
Marlen Haushofer beschreibt das Porträt einer Frau, die von Kindesalter an immer in irgendwelchen Zwängen gesteckt ist, immer darauf bedacht, niemanden zu verletzen, doch zeitweise brach sie aus sich heraus und handelte egoistisch und unnachgiebig. Sie trägt eine unendliche Traurigkeit mit sich.
Sie startete einige verzweifelte Versuche, sich aus dem gesellschaftlichen und moralischen Druck zu befreien, von denen jedoch keiner wirklich fruchtete. Erst als sich die Ereignisse überstürzen und ihre seelische Zerrissenheit unerträglich wird, hat sie die Kraft und den Mut, alles hinzuwerfen, um einen Neubeginn zu wagen. Der Zwiespalt ihres Lebens machte ihr zu schaffen. Sie hatte einmal Freiheit, Kälte und Selbständigkeit gewählt und sich zeitlebens nach Zärtlichkeit, Wärme und Geborgenheit verzweifelt gesehnt. (Buchzitat)
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