Elfriede jelinek, geboren am 20
Elfriede Jelinek, geboren am 20.10.1946 in Mürzzuschlag/Steiermark. Noch während der Schulzeit begann Elfriede Jelinek 1960 am Wiener Konservatorium Orgel, Blockflöte und später auch Komposition zu studieren. Bei dem Vater, Friedrich Jelinek, der vor 1945 als Chemiker in kriegsdienlicher Forschung tätig war und aufgrund dieser Tätigkeit vor antisemitischer Verfolgung einigermaßen geschützt blieb, stellt sich in den frühen fünfziger Jahren eine psychische Erkrankung ein. 1964 nahm Elfriede Jelinek das Studium der Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Wien auf.
Nach einigen Semestern Abbruch des Studiums wegen einer zu kritischen psychischen Verfassung. Erste Gedichte. 1968 verbrachte Elfriede Jelinek in absoluter Isolation, sie verließ für ein Jahr das Elternhaus nicht mehr. Der Vater starb 1969 in einer psychiatrischen Klinik. Nach 1969 engagierte sich Elfriede Jelinek in der Studentenbewegung und in den Literaturdiskussionen um die Zeitschrift "manuskripte". 1971 Orgelabschlußprüfung am Wiener Konservatorium mit "sehr gutem Erfolg".
Erste Hörspiele. "wenn die sonne sinkt ist für manche schon büroschluß", wurde 1974 von der Zeitung "Die Presse" zum erfolgreichsten Hörspiel des Jahres erklärt. 1972 Aufenthalt in Berlin, 1973 Aufenthalt in Rom. Hörspiele. Seit 1974 verheiratet mit Gottfried Hüngsberg, der in den sechziger Jahren dem Kreis um Rainer Werner Faßbinder angehörte. 1974 Eintritt in die Kommunistische Partei Österreichs.
Hörspiele (u.a. "Die Bienenkönige", 1976; "Die Ausgesperrten", 1978) und Übersetzungen (Thomas Pynchon: "Die Enden der Parabel", 1976). Das Drehbuch "Die Ausgesperrten" (nach dem gleichnamigen, 1980 erschienen Roman) wurde 1982 verfilmt. Poetologische Essays. Weitere Übersetzungen u.
a. von Georges Feydeau: "Herrenjagd"; "Der Gockel", "Floh im Ohr" und Eugene Labiche: "Affaire Rue de Lourcine", "Die Dame vom Maxim". Zusammenarbeit mit der Komponistin Patricia Jünger ("Die Klavierspielerin", 1988). 1990 Filmdrehbuch "Malina" zusammen mit Werner Schroeter, nach dem Roman von Ingeborg Bachmann. 1991 Austritt aus der KPÖ gemeinsam mit den beiden Parteivorsitzenden Susanne Sohn und Walter Silbermayer.
Preise: Lyrik- und Prosapreis der österreichischen Jugendkulturwoche (1969); Österreichisches Staatsstipendium für Literatur (1972); Drehbuchpreis des Innenministeriums der BRD (1979); Würdigungspreis des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst (1983); Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln (1986); Literaturpreis des Landes Steiermark (1987); Würdigungspreis der Stadt Wien für Literatur (1989); Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum (1994); Theaterpreis Berlin (2002), Heinrich-Heine-Preis Düsseldorf (2002) u.
v.m.
„Die Ausgesperrten“
Das (Dreh-)Buch „die Ausgesperrten“ spielt Ende der 50-er Jahre in Wien und wurde 1980 von Elfriede Jelinek verfasst.
In diesem Buch gibt es die vier „Hauptdarsteller“: Rainer Maria Witkowski, Anna Witkowski, Hans Sepp und Sophie Pachhofen (vormals VON Pachhofen; ehem. Adelsgeschlecht). (->2.
Generation) Rainer (18) ist eher der Kopf der Gruppe und heißt nach Rainer Maria Rilke so. Er geht,wie seine Zwillingsschwester Anna und Sophie auf` s Gymnasium und verehrt J. P. Sartre genauso wie Camus, de Sade und viele weitere Literaten. Anna (18), Rainers Zwillingsschwester leidet von Zeit zu Zeit an Sprachlosigkeit und Stotterei. Sie kann nur in ihrem Klavierspiel ganz aufleben.
Sie versucht ihr Äußeres dem Inneren gleich zu machen, indem sie alte „Schlabber-Pullis“ und heruntergekommene Kleidung trägt. Hans Sepp (20), der Gegenwartsmensch, arbeitet als Starkstrommonteur und wirkt zuerst wie der „Dummie“ der Gruppe. Später aber will auch er aus der Arbeiterklasse heraus, wird sportlich tätig und will sogar wieder auf die Schule gehen. Sophie (18), eine Wohlstandsverwahrloste, legt keinen Wert auf Geld, sondern nur auf ihren Körper und den hält sie mit allen Mitteln des Sportes fit. Auch sieht man sie nie etwas essen und doch tut sie es, weil sie sich aufrecht erhält und die Kalorien beim Sport verbrennt. Außerdem muss sie immer irgendwohin und ist vielleicht grade deshalb so aalglatt.
Das ganze Buch beginnt mit einem Überfall. Ein ganz normaler Überfall mit dem einen Grund: Sinnlosigkeit. Denn das Opfer kennen sie nicht und eigentlich verschmähen sie ja alle das Geld... Aber die Beute wird nach ordentlichem Zusammenschlagen des Opfers gerecht aufgeteilt.
„Man soll es zwar sehen, aber Anarchismus reicht aus, wenn er für einen selber geschieht. Das erst befreit. Man darf damit nichts erreichten wollen, schon gar nicht für eine Gruppe von Personen, egal, welche Personen. De Sade sagt, man muss Verbrechen begehen. Dafür benutzt man das Wort Verbrechen, um sich nach der allgemeinen Übereinkunft zu richten, aber unter uns würden wir keine unserer Handlungen so bezeichnen (Anna). Wir brauchen die allgemein gültige Norm, um uns an unserer eigenen Maßlosigkeit aufzugeilen.
Wir sind monströs, wenn wir auch zur Tarnung wie Bürger aussehen. Wir sind innen zerfressen von bösen Taten, außen sind wir Gymnasiasten.“ [Seite 54] „Übrigens gibt es die Gesetze der Kunst gar nicht, weil Kunst gerade dadurch künstlich ist, dass sie keinerlei Gesetzen gehorcht.“ [Rainer, Seite 45]
Die vier lieben den Jazz, da es ja eine moderne Richtung der Musik ist, genauso wie die moderne Kunst. Aber sie lieben sich auch innerhalb der Gruppe: Rainer und Hans lieben Sophie; Anna liebt Hans.
Annas und Rainers Vater ist als SS-ler im Krieg weit gekommen, aber leider verlor er ein Bein.
Nach wie vor ist dieser ein Nazi und Invalidenrentner, arbeitet aber nachts oft als Portier in einem bürgerlichen Hotel. Sein Hobby ist die Aktfotografie für die sich seine um einiges jüngere Frau opfern muss. Diese leidet sehr unter der Härte ihres Mannes. Grete verdient ihr Geld, indem sie bei anderen Leuten putzt, es in ihrem eigenen Haushalt aber häufig versäumt. Immer wieder bekommt ihr Mann Eifersuchtsanfälle und schlägt sie dann auch des öfteren mit der Unterstellung der „Eheverfehlung“. Ihre Kinder mussten auch oft dabei zuhören und wollten schon etwas unternehmen, aber Anna wäre es egal gewesen, auch wenn sie gestorben wäre, dann wären sie auch den Vater los.
Die gute Mutter aber will nur das Beste für ihre Kinder, und das ist nun mal das Gymnasium. Er bevorzugt auch den Rainer der Anna. Auch macht Herr Witkowski seiner Frau Morddrohungen, die auch die Kinder hören müssen.
Hans lebt mit seiner Mutter, einer eingeschworenen Sozialdemokratin, die auch ihn zu polit. Tätigkeiten dängen will („Kämpfe für die Arbeiter!“), unter dem Dach einer Gemeindewohnung. Sein Vater wurde im Krieg unter einem österreichischen Stein begraben.
Von Sophies Eltern erfährt man eher wenig. Sie scheinen auch nie für die Tochter da zu sein, was eine Wohlstandsverwahrlosung zur Folge haben könnte.
Anna verführt Hans, da sie seine Muskeln liebt, sein handwerkliches Können und sein Nichtwissen, weil sie es nicht kennt. Sie liebt das „Andere“. Hans für seinen Teil nimmt die Sache mit Anna nur als „Übung“ wahr, um dann ganz Sophie gehören zu können. Sophie zu bekommen versucht er, indem er sich sportlich betätigt, wie eben diese.
Rainer und Anna wollen Künstlichkeit erzeugen und lieben den Jazz genauso wie die Kunst. Rainer fühlt sich auf einer anderen Stufe stehend, weil er ja der „Literat“ der Gruppe ist und sich mit den intellektuellen Themen befasst (zum Beispiel hat er, wie Sartre erkannt, dass eine Vergangenheit nicht existiert.). Auf der anderen Seite aber prahlt er aber mit Tatsachen und Fakten, die nicht stimmen und wurde deshalb auch nicht zum Klassensprecher gewählt. Doch ist er eine Führernatur, die viel zu wissen vorgibt, e aber nur in groben Zügen bzw. auf dem Gebiet der Literatur tut.
Er will überall gut rüberkommen, endet aber auf dem Gebiet der Handarbeit wie auf dem Gebiet der Rhetorik als „loser“. Auch hat er ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität, was sich darin äußert, dass er nur die Köpfe der Pin–up Mädels aufhängt und den Körper wegschneidet. Später erfährt man auch, dass er sich von seinem Vater des öfteren die Schweinereien anhören muss, die Herr W. mit seiner Frau aufführt. Einmal onaniert der Vater auch neben ihm während einer Autofahrt, die Rainer fast mit dem Tod beider Personen beendet hätte. Bei einem richtigen Verbrechen würde er auch nur die „Regieanweisungen“ geben wollen, alles bis ins Detail durchdenken, aber die anderen arbeiten lassen, damit er sich die Finger nicht dreckig machen muss.
Anna versucht sich durch ihr Klavierspiel auszudrücken und geht darin völlig auf („ Was ihr Mund nicht sagen kann, das sagt die Musik... “). Und wenn Anna überhaupt isst, leidet sie an Bulimie. Ihre Depressionen und ihren Hass auf alles und jeden zeigt sie in ihrem Auftreten mit den Jeans und den ausgetragenen Pullis.
Auf der anderen Seite empfindet sie aber auch Neid gegenüber den finanziell Gehoberenen, Schönen und Reichen.
Noch ein zweiter kleinerer Überfall wird durchgeführt. Sophie soll einmal eine Katze als Art Mutprobe ersäufen, damit sie im Ernstfall auch kalt und unbeeindruckt bleibt. Nach einigem zögern will sie das auch tun, aber die Katze entwischt ihr. Rainer gesteht ihr des öfteren seine Liebe zu ihr und versucht es philosophisch zu erklären. Hans hingegen getraut es ihr einfach nicht zu sagen.
An einem Tanzabend wird das Werben der zwei Herren um Sophie ins fast unerträgliche gesteigert, doch diese muss wie immer irgendwo hin und lässt sich mit keinem dieser Herren ein. In einer Nacht wacht Rainer jäh um 5 Uhr morgens auf und geht zu dem Kasten (8cm hoch, 30cm lang und 15cm breit) in dem sein Vater eine Steyr-Kipplaufpistole, Kalieber 6,35mm, und die Aktfotos aufbewahrt. Er nimmt die Pistole und geht zu seiner schlafenden Schwester Anna, um sie zu erschießen, genauso wie seine Mutter. Für seinen Vater fehlt leider ein Schuss. Deshalb mordet er mit einer Axt, mit der er auch noch die Köpfe der 3 Personen so zerhackt, dass man nicht mehr erkennen kann, wer Frau und wer Mann war. Obendrein sticht er mit einem Dolch in die ohnedies schon leblosen Körper.
Keiner schrie. Keiner sagte auch nur ein Wort. „Durch das Begehen des Sinnlosen will Rainer seine narzistische Position retten, etwas Außergewöhnliches begangen zu haben.“ [Seite 263]
Die Autorin schafft mit der Genauigkeit ihrer Beschreibungen der Personen auch die Distanz des Lesers zu den jeweiligen. Den größten Bezug hat der Leser also zu Rainer, über den am ausführlichsten geschrieben wird. Im Gegensatz dazu: Sophie.
Alleine, wie (wenig) Jelinek über sie schreibt, lässt fast spüren, wie aalglatt sie ist und wie dringend sie immer irgendwohin muss. Das ganze Buch über wartet man auf DEN Überfall, der sich regelrecht anzukündigen scheint. 2 Überfälle und ein Bombenanschlag, bei dem niemand zu Schaden kam, waren nur „Randbemerkungen“. Und so tragisch und makaber das Ende auch sein mag, steht man diesem neutral, nüchtern und (fast) ohne Gefühlsregungen gegenüber. Jelinek versteht es, dies genauso rüber zu bringen, auch - oder vielleicht grade deswegen – weil sie jedes Detail genau beschreibt (Größen, Vorgangsweise etc..
.). Der Leser steht darüber. Und obwohl man so viel über die einzelnen Personen erfahren hat und das ganze Buch nur zur Beschreibung der Personen dient, steht diese letzte Tat einfach nur im Raum. Dies wird vor allem durch das plötzliche Geschehen der Handlung herbeigeführt. Zuerst versteht der Leser noch nicht wirklich, auf was Rainer hinaus will und dann geht alles so schnell, dass das Bewusstein des Lesers, auch wenn er die Stelle 100 mal lesen kann, überrollt wird und er einfach nur vor die vollendete Tatsache des 3fachen Mordes gestellt wird.
Nur die letzten 6 Seiten machen Platz für den Vorfall bis zu seiner freiwilligen Resignierung (vor der Polizei).
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