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Friedrich Dürenmatt
„Die Physiker“
Friedrich Dürrenmatt
A. EINLEITUNG
Heute möchte ich über Friedrich Dürrenmatts Stück „Die Physiker“ referieren.
Wieso habe ich gerade dieses literarische Werk gewählt ?
Zum einen finde ich, dass die Problematik dieses Stücks, auch in unserer heutigen, noch so genau berechneten und kontrollierten Welt, nach wie vor einen sehr wichtigen Stellenwert einnimmt. Andererseits befasst sich die Thematik mit dem Verhalten der Naturwissenschaftler, wobei wir als Techniker oder bzw. vielleicht spätere Ingenieure, nicht weit distanziert davon leben. Möglicherweise arbeitet mancher von uns, in seinem späteren Berufsleben gemeinsam mit Physikern an Projekten und bekommt dadurch einen tieferen Einblick eventueller Folgen geboten.
B. HAUPTTEIL
1.1 Lebenslauf (Biographie)
1921 Geburt am 5. Januar in Konolfingen (Bern)
Vater: Reinhold Dürrenmatt, ev. Pfarrer Mutter: Hulda Dürrenmatt-Zimmermann
1933 Besuch der Sekundarschule im benachbarten Großhöchstetten
1935 Umzug der Familie nach Bern
1941 Maturitätsprüfung (Abitur), Beginn des Philosophiestudiums, vorzeitiger Abbruch
1943 Beginn der schriftstellerischen Arbeit
1945 Erste veröffentlichte Erzählung „Der Alte“
1946 Aufenthalt in Basel
1947 Heirat der Schauspielerin Lotti Geissler
1948 Aufenthalt in Ligrez als freier Schriftsteller
1952 Uraufführung „Die Ehe des Herrn Mississippi“ => Drurchbruch für Dürrenmatt,
Umzug mit Frau und den drei Kindern nach Neuchatel
1960 mehere Reisen u.a.
England, Berlin, UdSSR
1968 Vorlesungen Uni Mainz, Tätikeit als Regisseur
1969 Literaturpreis der Stadt Bern, Verleihung der Ehrendoktorwürde
1970 Inszenierung verschiedener Theaterstücke u.a. Goethes „Faust“ u. Büchners „Woyzeck“
1974 Ehrenprofessur der Stadt Israel
1975 Konzeption Essay über Israel, weitere Komödien
1983 Tod seiner Frau Lotti, Österreichischer Staatspreis für Literatur
1984 Heirat der Schauspielerin Charlotte Kerr
1987 Teilnahme mit Max Frisch am „Internationalen Forum für Frieden“ in Moskau
1989 Ernst-Robert-Curtis-Preis, Achterloo wird zum TV Erfolg
1990 Tod am 14.Dezember im Alter von 69 Jahren in seinem Haus (Neuchatel)
1.2 Charakterisierung des Autors
Friedrich Dürrenmatt gehört zu den bedeutensten Dramatikern unseres Jahrhunderts.
Sein Werk umfasst neben zahlreichen Theaterstücken, auch Höhrspiele, Kriminalromane und theoretische Schriften. Den Schwerpunkt seines Schaffens stellen seine Dramen dar. Er ist ein schonungsloser Moralist und Satiriker. Dürrenmatts Theaterdichtung wird stark von seinen weltanschaulichen Vorstellungen geprägt. Für ihn ist die Welt wegen des explosiven Bevölkerungswachstums, der immer komplexer werdenden Technisierung und der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen zum Chaos geworden. Dürrenmatt möchte den Zuschauern Zusammenhänge und Fakten verdeutlichen, ohne sie dabei in eine konkrete politische oder ideologische Richtung zu drängen.
Er ist ein gesellschaftskritischer Schriftsteller, der sich „literarisch aktiv“ an der Politik seiner Zeit beteiligt. Er richtet seine Dramen stark auf die Wirkung für den Zuschauer hin aus. Er spielt mit ihm. Zuerst bestätigt er die Wirklichkeit, wie sie der Zuschauer sich wünscht und zu sehen glaubt. Zum Schluß aber, wird er aus dem Gewohnten und Gewünschten herausgerissen. Auf diese Weise provoziert Dürrenmatt den Zuschauer, sich der Wirklichkeit zu stellen und nach einer neuen Lösung zu suchen.
Um das Ziel der Provokation zu erreichen, wählt Dürrenmatt die Form der Komödie. Sein Werk, „Die Physiker“ spiegeln diesen Gedanken wieder.
1.3 Seine bedeutendsten Werke (Bibliographie)
1947 Es steht geschrieben 1964 Frank V
1948 Der Blinde 1966 Der Meteor
1950 Der Richter und sein Henker 1969 Play Strindberg
1951 Der Verdacht 1971 Der Sturz
1952 Die Ehe des Herrn Mississipi 1973 Die Mitmacher
1953 Ein Engel kommt nach Babylon 1976 Essay über Israel
1956 Der Besuch der Alten Dame 1980 Die Frist
1958 Es geschah am hellichten Tag 1983 Achterloo
1962 Die Physiker 1985 Justitz
2.1 Handlung
Im Privatsanatorium der Irrenärztin Fräulein Dr. von Zahnt leben drei ehemalige Physiker, die als unheilbare Fälle gelten.
Der eine hält sich für Albert Einstein, der andere für Isaac Newton und der dritte für den deutschen Physiker Möbius, der seine Weisheit angeblich von König Salomo bezieht. Vor drei Monaten erdrosselte Newton seine Krankenschwester und Einstein hat am heutigen Tage die gleiche Tat vollbracht. Jede der beiden Pflegerinnen liebte ihren Mörder. Der leitende Inspektor ist vor Ort, hat Schwierigkeiten den Fall zu bearbeiten, da es sich bei dem Mörder erneut um einen Irren handelt. Als Möbius Ex-Frau mit den Kindern erscheint und ihm sagt, dass sie mit ihrem neuen Mann auf die Marianen ziehen wird, spielt er den total Verrückten und vertreibt sie mit wüsten Zitaten des „Psalm Salomons“ aus der Anstalt. Nachdem die Familie den Salon verlassen hat, beruhigt Schwester Monika den aufgebrachten Möbius.
Sie gesteht ihm ihre Liebe und das sie ihn heiraten möchte. Auch die Ärztin wäre damit einverstanden, weil sie ihn nicht mehr für verrückt halte. Kurz entschlossen bringt Möbius sie um. Der Inspektor fordert ab diesen Zeitpunkt männliche Pfleger für die drei Physiker. Die Fenster der Irrenanstalt werden vergittert, Türen verschlossen und riesenhafte Pfleger engagiert. Während des Abendessens veranlassen diese Umstände die drei Physiker zu einem Gespräch.
Es stellt sich heraus, daß keiner der drei verrückt ist. Sie benutzen Ihren Irrsinn nur als Tarnkappe. Einstein und Newton eigentlich Eißler und Kilton genannt, entpuppen sich als bedeutende Physiker entgegengesetzt orientierter Geheimdienste. Sie haben ihre Pflegerinnen nur getötet, da diese ebenfalls den Wunsch äußerten sie zu heiraten. Dies war aber unmöglich, da es ihr Auftrag war, Möbius für ihr Land zu gewinnen. Beide hatten ihn durchschaut und sahen in ihm den derzeit größten Physiker der Welt.
Möbius war sich seiner Genialität bewusst. Er hatte sich nur in diese Anstalt stecken lassen, weil die Menschheit noch nicht reif für seine Formeln und Entwicklungen sei. Auch er musste töten, um unerkannt zu bleiben. Alle Versuche der Geheimagenten, den begehrten Physiker für sich zu gewinnen, scheitern. Möbius Entschluss steht bereits fest. Er hatte seine Manuskripte nach dem Mord an Schwester Monika verbrannt und wird für immer hier in der Irrenanstalt bleiben.
Dies versetzt die Agenten in eine resignierende Lage. Durch Appelle an die Moral der Physiker, gelingt es Möbius, sie zum bleiben zu bewegen. Alle drei werden sich einig und wollen als vermeindlich Irre weiterleben. Verrückt, aber weise. Gefangen aber frei. Physiker, aber unschuldig.
In diesem Moment betritt die Ärztin mit ihren Pflegern den Salon. Zur Überraschung der Physiker spricht sie sie mit ihren richtigen Namen an. Aus ihrem Mund müssen sie erfahren, dass sie ihr Bündnis umsonst geschlossen haben. Seit Jahren hat die Anstaltsleiterin alle Manuskripte von Möbius heimlich fotokopiert. In einem mächtigen, von ihr geschaffenen Industrieunternehmen wertet sie alle Erfindungen für den Weg zur Weltherrschaft aus. Dies alles geschehe im Auftrag des König Salomo, der auch ihr erschienen sei.
Es zeigt sich, dass die einzig wirklich Verrückte die Irrenärztin selbst ist. Die Lage der Physiker ist aussichtslos geworden. Sie müssen als gefährliche Geisteskranke zum Schweigen verurteilt, ihr Dasein weiterhin im Irrenhaus fristen. In kurzen Schlußmonologen geben sie Ihrer tiefsten Resignation Ausdruck.
2.2 Charakterisierung der Hauptpersonen
Möbius:
Johann Wilhelm Möbius, einer der genialsten Physiker aller Zeiten, stellt die Hauptperson und den Überbringer der dürrenmattschen Botschaft in der Komödie dar.
Die Auswanderung aus der Realität in das Irrenhaus ist Folge seiner physikalischen Erkenntnisse. Er sieht sich gezwungen, sich selbst als Verrückten auszugeben, um die Menschheit vor verheerenden Auswirkungen durch die von ihm entdeckte Weltformel zu bewahren. Er scheint Märtyrer für die Welt zu sein, ist er aber nicht. Er flüchtet ins Sanatorium, gibt seine Familie auf, die ihn durch permanente Hilfe zum Erfolg führte, den er ablehnt. Gesteigert wird sein Verhalten durch den Mord an Schwester Monika. Trotz des Geniegeistes und vergeblichen Versuch, die Menschheit zu bewahren, sei es durch die Flucht ins Irrenhaus oder die Überzeugungsarbeit, die er an den beiden Physikern Einstein und Newton versucht und auch durchsetzt, scheitert Möbius am Ende.
Das Frl. Doktor erlangt durch seine Formeln die Weltmacht. Einerseits kapituliert er vor der Erkenntnis, andererseits kapituliert er generell, da die Wirklichkeit nicht aufzuhalten ist, die Weltformel doch die Welt erreicht und Verheerendes anrichten wird in den Händen einer „irren“ Irrenärztin. Sein Spiel, der Menschheit einen Verrückten vorzuspielen, war von Anfang an durchschaut. Die Realität holte ihn ein.
Frl.
Dr. Zahnd:
Frl. Dr. med Mathilde von Zahnd ist Gründerin, Eigentümerin und oberste Ärztin des Sanatoriums. Sie geniesst medizienischen Weltruf und betreut ausschließlich wohlhabende Funktionäre aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Frl.
Doktor zeigt sich sehr sozial, freundlich und charakterisiert sich selbst als menschlich. Dementgegen zeigt sich ihre später ins Bild tretende Sucht nach Macht schon früh, als sie in Gegenwart des Inspektors klarmacht, dass sie entscheidet, für wen sich ihre Patienten halten. Nach dem dritten Mord bangt sie verzweifelt um ihren medizienischen Ruf. Hier zeigen sich erstmals ihre egoistischen Charakterzüge. Die zuerst menschlich wirkende Person scheint sich ins unmenschliche zu wandeln. Sie gibt zu, die Schwestern für ihren Zweck als Opfer missbraucht zu haben und bezeichnet sie ironisch als Helden.
Die Wissenschaftler der Physik will sie ausnützen. Beim abendlichen Treffen mit den Physikern kommt ihr wahrer Charakter ans Tageslicht. Die „irre“ Ärztin erklärt, dass die Morde einkalkuliert waren und offenbart ihren Plan von der Weltbeherrschung. Als Leiterin eines weltweiten Industriekonzerns ist sie ihrer Macht absolut sicher, geniesst den Triumph über die Physiker, die Welt und das Universum. Ihre Rechnung ist also aufgegangen.
Newton und Einstein:
Der Physiker Alec Jasper Kilton wohnt unter dem Falschnamen Herbert Georg Beutler im Irrenhaus und spielt einen Verrückten, der sich für Newton hält.
Ebenso sein Gegenspieler Joseph Eisler, der unter dem Namen Ernst Heinrich Ernesti in das Sanatorium kam und sich angeblich für Einstein hält. Beide sind in Wirklichkeit Geheimagenten rivalisierender Mächte. Einstein ist Agent des Ostens, sein Widersacher Newton Geheimagent des Westens. Beide Agenten der unterschiedlichen Gesellschaftssysteme haben das gleiche Ziel, nämlich die Beschaffung der Weltformel, damit diese für ihr Land nutzbar gemacht werden kann. Beide töteten ihre Krankenschwester, um sich vor der Entlarvung zu schützen. Durch den scheinbar sinnlosen Mord an den Schwestern wird ihre angebliche Verrücktheit bekräftigt, ihr Aufenthalt legitimiert.
Nachdem das Sanatorium in ein Gefängnis verwandelt wurde, geben sie Möbius ihre wahre Identität preis. Newton legt seine Verantwortung über die Wissenschaft ab, erklärt, das dies Aufgabe der Menschen sei und nicht der Physiker. Er plädiert für freies Forschen und verfolgt vordergründig das Ziel einer freien Wissenschaft. Einstein dagegen geht es in erster Linie um die, mit der Wissenschaft verbundene Macht. Letztendlich müssen beide Physiker, wenn auch mit anderer Wissenschaftsansicht, Möbius gegenüber ihre Unfreiheit im Bezug auf die Machtpolitik zugeben. Beide berufen sich auf die Landesverteidigung und den damit verbundenen Wunsch nach Besitz der Weltformel, um die Selbstverteidigung ihres Landes einerseits und den Ausbau der Macht andererseits sicherzustellen.
Schließlich kann Möbius die beiden Physikeragenten überzeugen, ihren Plan fallenzulassen und gemeinsam in Unfreiheit für die Freiheit der Menschen zu leben. Um sich selbst nicht zu verraten, fahren sie mit dem Verrücktsein fort. Mit gutem Gewissen, die Menschheit gerettet zu haben, was sich aber als falsch herausstellt. Auch sie scheitern wie Möbius an Frl. Doktor von Zahnd. Haben sie doch weder die Weltformel für sich nutzbar machen können, noch die Menschheit gerettet.
2.3 Interpretation des Werkes
Dürrenmatt bezeichnet das Stück als Komödie mit der Begründung, dass in der heutigen Zeit nur noch das Komische dem Realen beikommt. Die klassische Tragödie kann die heutige Zeit nicht mehr darstellen. Die klassische Tragödie verlangt einen Helden, der frei entscheiden kann und daher für sein Schicksal selbst verantwortlich ist. In der heutigen Zeit ist dies jedoch nicht möglich. Jeder ist eingeschlossen in einem Gesellschaftssystem, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Der Mensch handelt nicht mehr nach freiem Willen, sondern muss sich dem Willen vieler unterwerfen. Diese Komödie ist ein beklemmendes Beispiel dafür. Der Physiker Möbius entdeckt eine Formel, die alle Probleme der Physik löst. Er erkennt, welche Macht in dieser Formel steckt und opfert sein Leben als freier Bürger, nur um die Menschheit vor dem sicheren Untergang zu bewahren. Erst am Ende erkennt er, dass es umsonst war. „Was eimal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden“.
Diese Geschichte des genialen Physikers Möbius ist keineswegs eine erfundene. Möbius steht in dem Stück stellvertretend füt Albert Einstein. Einstein legte mit seinen Erkenntnissen den Grundstein für den Bau einer Atombombe und konnte, nachdem er die Gefährlichkeit seiner Erfindung erkannt hatte, die Herstellung einer solchen nicht mehr verhindern. Dürrenmatt formuliert in seinem Stück „Die Physiker“ die Bankrotterklärung der Wissenschaftler. Nur im Irrenhaus darf noch geforscht werden. Außerhalb seiner Abgrenzungen führt Forschen zu irrsinnigen Zuständen.
„Physiker“ und „Techniker“ sind hier im Sinne modellhafter Vereinfachung gebrauchte Synonyme. Sie stehen für diejenigen, welche Kraft höherer Einsicht die Folgen wissenschaftlicher Entwicklungen abzusehen vermögen und für jene anderen, mithin die Masse der Menschen, die zum Fortschrittsglauben, mangels besserer Einsicht ein ungetrübtes Verhältnis bewahren. Wissen ist hier zu Macht geworden. Sie hat dem Menschen Macht gegeben sich selbst zu vernichten. Das Stück ist ein Apell an die Wissenschaft, manches Denkbare nicht zu denken.
2.
4 Interpretation der „21 Punkte zu den Physikern“
In Anschluß an sein Drama führt Dürrenmatt noch insgesamt „21 Punkte zu den Physikern“ an. Anhand einiger dieser theoretischen Punkte möchte ich nun exemplarisch Ansätze zu einer weiterführenden Deutung geben.
(3) „Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat“.
Die Katastrophe, die über die Physiker am Ende des Stückes hereinbricht ist eine absolute. Was in den Physikern die Erkenntnis des Möbius ist, ist auf unsere Welt umgelegt das der Atome. Dieses Wissen führte zum Bau von tödlichen Waffen, bisher unbekannten Ausmaßes.
Selbst heute, da der Kalte Krieg überwunden ist, würde das weltweite Atomwaffenpotential ausreichen, alles Leben auf der Erde gleich mehrfach auszulöschen. Die schlimmstmögliche Wendung wäre also „der Overkill“, das Ende der Menschheitsgeschichte.
(8) „Je planmäßiger Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen“.
Möbius geht freiwillig in die Irrenanstalt, um sein Wissen vor der Welt zu schützen. Doch durch diesen Schritt gelangen seine Erkenntnisse in die Hände einer Geisteskranken und genau das, was er vermeiden wollte, tritt ein. Von Physikern wird erwartet, dass sie planmäßig und logisch vorgehen.
Newton und Einstein werden von ihren jeweiligen Geheimdiensten monatelang für ihre Mission ausgebildet, doch gegen den Zufall sind sie machtlos. Hält man sich die Geschichte der Atombombe vor Augen, wird klar, was Dürrenmatt damit zum Ausdruck bringen will. Nachdem 1938 die Kernspaltung entdeckt wurde, waren selbst Größen wie Otto Hahn, Ernest Rutherford und Albert Einstein der fälschlichen Annahme, die Idee an eine Bombe entbehre jegliche Realität. Schließlich waren sie es, die mit dem „Manhatten Projekt“ die Bombe ermöglichten. Erst im Glauben Hitler zuvorkommen zu müssen, gab es dann kein zurück mehr, auch als schon lange klar war, dass dies alles ein Trugschluss war.
(18) „Jeder Versuch für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern“.
Es ist unmöglich für die Physiker das atomare Problem allein zu lösen. Sie versuchen die Gefahr, die die ganze Menschheit bedroht, als kleine Gruppe zu lösen. Das kann aber nach Dürrenmatts Auffassung nicht gut gehen. Entweder alle oder keiner kann ein solches Problem lösen. Er widerspricht indirekt unserem heute so großen Optimismus gegenüber dem technischen Fortschritt. Seiner Ansicht nach sollte der Physiker dem Verbraucher die hochentwickelte Technik vorenthalten.
Für den Bürger ist es egal woher der Strom kommt, Hauptsache es gibt Strom. Das dabei radioaktiver Abfall entstehen kann, ist ihm egal. Dem Physiker hingegen ist auch egal was später passiert. Er stellt eine Theorie auf und denkt oft nicht daran was diese zur Folge haben kann. Der Techniker setzt die Theorie des Physikers in die Praxis um ohne darüber nachzudenken, was es damit auf sich hat. An diesem Beispiel der Kette, Physiker - Techniker - Verbraucher ist gut zu sehen, warum Dürrenmatt der Auffassung ist, dass eigenverantwortliches Handeln sinnlos und absurd ist.
(19) „Im Paradoxon erscheint die Wirklichkeit“
Dadurch dass Dürrenmatt die Handlung in ein Irrenhaus verlegt ist das Geschehen von Anfang an grotesk. Paradox wird es aber erst, als die scheinbar irren Physiker verantwortungsbewusst und integer werden, während die Ärztin sich als gefährliche Psychopatin entpuppt. Die Maske der Narrheit, die die Physiker tragen, war schon lange Wirklichkeit, als sie selbst noch glaubten Theater zu spielen. Selbstverständlich ist die Handlung unwahrscheinlich. Sie ist extrem, aber möglich. Dürrenmatts Paradoxa sind spektakulär, aber sie verzichten nie auf den Bezug zur Realität.
3.1 Gedankliche und Geschichtliche Hintergründe
Dürrenmatts Komödie „Die Physiker“ entstand in den Jahren 1960 bis 1962. Die internationalen Verhältnisse waren zu dieser Zeit sehr gespannt. Im Mai 1960 wurde über der Sowjetunion ein amerikanisches Aufklärungsflugzeug abgeschossen. Die UdSSR sah sich dadurch in ihrer Ansicht bestätigt, dass die USA einen Angriff plant. Am 13.
August 1961 wurde in Berlin die Mauer gebaut. Dies hätte leicht zum 3. Weltkrieg führen können. Im November 1961 stürzte im mittleren Westen der USA ein Atombomber ab. Fünf der sechs Sicherungen versagten. Eine Atomkatastrophe schien also immer möglich zu sein.
Im Oktober 1962 gipfelte die immer gespannter werdende Kubakrise, die die Welt an den Rand eines Atomkrieges brachte. Das Wettrüsten der Supermächte nahm stetig zu und das Verhältnis der beiden Blocks wurde immer angespannter. Es blieb die Frage offen, ob es beim Kalten Krieg bleiben wird oder ob dieser wieder zu einer atomaren Auseinandersetzung führen würde. Der Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 hatte die Menschen unseres Jahrhunderts mehr bewegt als irgendein anders Ereignis.
Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit wurde der Glaube an wissenschaftlichen und technischen Fortschritt nachhaltig erschüttert. Die Physiker hatten ihre „Sünde“ kennengelernt. Dürrenmatts Stück kann als literarische Reaktion auf diese dramatischen politischen und geschichtlichen Ereignisse gesehen werden.
4.1 Literarische Strömung
Die Physiker ist ein Drama in zwei Akten. Dürrenmatt wählt die streng klassische Form und verlegt seine Handlung in eine Irrenanstalt.
Wandelt mit seinem Stück gleichzeitig auf einem schmalen Grad zwischen Ironie und Wahnsinn. Er ist überzeugt, mit der „Dramatik Schillers“ die heutige Welt nicht mehr darstellen zu können. So wandelt er die sonst übliche dramaturgische Tragödie in eine groteske Komödie um.
Dürrenmatt definiert auf diese Weise die Komödie neu. Sie soll den Zuschauer animiern, seinen kritischen Verstand zu gebrauchen den Fall auf der Bühne mit der Wirklichkeit zu vergleichen und diese zu durchschauen.
4.
2 Rezeption
Friedrich Dürrenmatts Komödie „Die Physiker“ wurde am 21., 22. und 23. Februar 1962
im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt. Das aus der ganzen Welt angereiste Puplikum zeigte sich sehr begeistert und aufgeschlossen gegenüber Dürrenmatts Stück. Somit wurde es zum Theatererfolg der Saison.
Es folgten über 1600 Aufführungen an fast allen deutschen Bühnen in der Zeit von 1962/63. Die deutsche Erstaufführung fand am 23.09.1962 statt. Es erlangte Weltrum und wurde an über 40 Weltbühnen aufgeführt, u.a.
in New York, London, Wien, Turin und Paris. Für das Fernsehen entstand 1964 eine Bearbeitung unter Mitarbeit Dürrenmatts. Abschließend bleibt festzustellen, Dürrenmatts Theaterstück ist trotz Vorbehalten der Kritiker bis heute ein Puplikumserfolg geblieben und gehört mittlerweile zu den „Klassikern“ des deutschsprachigen Theaters. Es beindruckt wegen seiner unüblichen, attraktiven Komödienform und seiner Problematik, die heute mehr denn je aktuell ist.
Das Bild zeigt eine Szene aus der Theateraufführung „Die Physiker“, als Frl. Dr.
Zahnt
den drei Physikern ihren Plan von der Weltbeherschung offenbart.
C. SCHLUß
Diese Problematik, der Verantwortung der Wissenschaft, ist ein sehr tiefgründiges Thema. Ein jeder von uns hat sich bestimmt schon einmal darüber den Kopf zerbrochen, wo uns die zukünftige Entwicklung wohl hinführen wird. Denn nicht nur die Kern-Physik, wie sich 1986 am Super-Gau Tschernobyls zeigte, birgt große Gefahren. Auch in anderen Naturwissenschaften sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir auf Fragen der ethischen Verantwortung gegenüber der Natur treffen.
Es kommt zu Auseinandersetzungen zwischen Kirche, Theologen und Wissenschaftlern. Ein solcher Streitfall sind sicherlich die GEN-Versuche, mit deren Hilfe möglicherweise die einst so mächtigen Dinosaurier der Urzeit wieder zum Leben erweckt werden können. Aber auch Experimente mit menschenähnlichen Robotern, deren künstliche Intelligenz, Lernfähigkeit und Gefühlsempfindung dem Menschen gleichgesetzt oder nach Möglichkeit sogar übertroffen werden soll. Es wird schwer für den zukünftigen Menschen durch eigene Ideen und Initiativen etwas in der Welt zu bewegen, da wie in Dürrenmatts Stück ein unaufhaltbarer Missbrauch neuer Errungenschaften getrieben wird. Es ist als Einzelnener unmöglich, die Entwicklung der Zukunft in die „richtige“ Richtung zu lenken.
So möchte ich mit dem Kernsatz des Möbius schließen:
„Es gibt Risiken, die man nie eingehen darf: Der Untergang der Menschheit ist ein solches.
“
Quellenverzeichnis
Primärliteratur:
Dürrenmatt, Friedrich: Die Physiker, Zürich Diagones Verlag 1998, ISBN 3-257-23047-8
Sekundärlteratur:
Kaestler, Reinhold: Erläuterungen zu Friedrich Dürrenmatt, Die Physiker, Hollfeld: Bange
1997, ISBN 3-8044-0398-0
Eisenbeis, Manfred: Lektürenhilfen Friedrich Dürrenmatt, Die Physiker, Ernst Klett Verlag
1999, ISBN 3-12-922345-2
GLIEDERUNG
A. EINLEITUNG
B. HAUPTTEIL
1. Der Dichter
1.1 Lebenslauf
1.2 Charakterisierung des Autors
1.
3 Seine bedeutendsten Werke
2. Das Werk
2.1 Handlung
2.2 Charakterisierung der Hauptpersonen
2.3 Interpretation des Werkes
2.4 Interpretation der „21 Punkte zu den Physikern“
3.
Intention Dürrenmatts
3.1 Gedankliche und geschichtliche Hintergründe
4. Literarische Einordung des Werkes
4.1 Literarische Strömung
4.2 Rezeption
C. SCHLUß
Erklärung der Fremdwörter
Marianen: 15 größere Inseln meist vulkanischen Ursprungs am Westrand des Marianengrabens im Nordwesten Ozeaniens.
Ozeanien ist das Gebiet der oberirdischen Nukleartests der USA in den fünfziger Jahren gewesen.
paradox: widersinnig, im Widerspruch zur allgemeinen Meinung
Salomo: übersetzt Friedensmann, herrschte in Israel um 970-939 v. Chr., stand im Rufe großer Weisheit
grotesk: absurd, lächerlich
legitimiert: als glaubhaft geltend
integer: unbestechlich
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