Die ratten
Die Ratten
Gerhart Hauptmann
AUTOR:
* 15.11.1862 in Obersalzbrunn
( 6.6.1946 in Agnetendorf
Der junge Hauptmann, Sohn eines Hotelbesitzers, fühlte sich ursprünglich zum Bildhauer berufen, und studierte an der Breslauer Kunstakademie – kurze Zeit auch in Rom – wechselte dann aber in Berlin und Jena zu Geschichts – und Naturwissenschaften über.
Hauptmann, der ein vielgestaltiges Werk schuf, ist Schöpfer lebendiger, plastischer, proletarischer Gestalten, gütiger und triebhafter, sich und ihrer Umwelt ausgelieferter und scheiternder Menschen.
Durchschlagenden Erfolg erzielte Hauptmann mit dem sozialen Drama “Vor Sonnenaufgang” ( 1889 ), mit dem er dem Naturalismus zum Durchbruch verhalf, und mit der dramatischen Bearbeitung des Weberaufstandes von 1844 in dem Drama “Die Weber” ( 1892 ).
In der Traumdichtung “Hannele” (1894 ) verläßt Hauptmann das soziale Drama zwar nicht, aber den Naturalismus, den der dann jedoch in den realistischen Milieutragödien wieder aufgreift und auch später zu naturalistischen Dispositionen zurückkehrt ( “Rosa Bernd”; “ Fuhrmann Henschel”; “ Die Ratten”; )
Daneben schuf er noch neuromantische Versdramen und Bearbeitungen von historischen Sagen und literarischen Stoffen ( Shakespeares – Iphigenienstoff ).
Unter seiner Prosa ragt die naturalistisch psychologische Novelle “Bahnwärter Thiel” hervor.
Von heftigem Widerstreit umtobt, schuf er Werke um Werke, die Stimmen seiner Gegner immer mächtiger übertönend, bis er 1912 mit 50 Jahren mit dem Nobelpreis die Anerkennung der Welt als einer der großen und repräsentativen Dichter seiner Zeit empfing.
Weitere Werke: “Das Friedensfest” ( 1890 )
“Der Biberpelz” ( 1893 )
“Florian Geyer” ( 1896 )
“Michael Kramer” ( 1900 )
“Vor Sonnenuntergang” ( 1932 )
Die Fabel der Ratten ist die Tragödie einer einfachen Frau ab, deren Kinderwunsch fatale Folgen hat. Während sich zwei Theatermacher über Ästhetik streiten, spielt sich das alles vor ihren Augen ab, ohne daß es ihnen richtig bewußt wird.
Der Titel “Die Ratten” läßt den Leser vermuten, daß in dem Stück lauter Ratten ( als Tiere ) vorkommen. Der Begriff Ratten ist negativ besetzt, da diese Tiere gefräßige Nager sind, die in unbeschreiblich riesigen Scharen auftreten. Sie sind lästige Schmarotzer, die sich überall breit machen und auf Kosten anderer leben. Sie hausen in Staub und Dreck und nagen an allem, was sie zwischen die Zähne kriegen.
Man könnte dabei aber auch an durchtriebene Personen, an menschliches Ungeziefer denken, das der Bezeichnung Ratten gerecht wird. Durch den beigefügten Artikel wird die Anzahl der Ratten auf eine bestimmte Quantität eingeschränkt, aber auch irgendwie verallgemeinert.
“Die Ratten” läßt darauf schließen, daß die meisten Charaktere des Stücks mit diesem abwertenden Begriff assoziiert werden können. Und genauso ist es auch. Die Ratten sind die Chiffre einer “unterminierten” und verfallenden Gesellschaft. Gewisse Personen entfremden sich zu rattenhafter Aggressivität i Triebzwang und Schicksalsfalle.
Der Begriff Ratten kommt im Stück selbst mehrmals vor.
Tatsächlich tauchen immer wieder Ratten auf, insbesondere im Bereich des Theaterfundus.
Die Ratten kommen überall aus dem Dumpfen und Dunklen herauf und zerstören die zum Trug gewordene Ordnung des bürgerlichen Lebens.
Professor Hassenreuter – eine der Hauptgestalten - : “Sie sind eine Ratte! Aber diese Ratten fangen auf dem gebiete der Politik – Rattenplage! – unser Herrliches neues geeinigtes Deutsches Reich zu unterminieren an. Im Garten der deutschen Kunst – Rattenplage! – fressen sie die Wurzeln des Baumes des Idealismus ab ....
”
Doch gerade Hassenreuter selbst ist ein Symptom. Seine alte bürgerliche Ordnung ist hohl und abbruchreif geworden, so daß Reformer – wie etwa Spitta – diesen Verfalls und Zerstörungsprozeß noch vorantreiben müssen.
Die Symbol des Ungeziefers ( hier der Ratten ) hat eine bedeutende Tradition als Mittel zur Gestaltung gesellschaftlicher Umbruchsituationen.
Ratten können auch eine Plage sein, tatsächlich ist der rattenhafte Charakter der meisten Gestalten des Werks eine Plage, bzw. eine Qual für den Leser.
GATTUNG:
Hauptmann selbst bezeichnet dieses Werk als Berliner Tragikomödie.
Die Tragikomödie ist eine dramatische Mischform aus Tragödie und Komödie, in der die beiden Elemente des Tragischen und komischen nicht unvermittelt nebeneinander stehen, sondern sich durchdringen und aufeinander verweisen Das Tragische kann jederzeit ins Komische umschlagen und umgekehrt.
Diese Bezeichnung markiert zugleich auch die Stärken und Schwächen des Stücks.
Seine Stärken: Die packende Echtheit des Berliner NO-Milieus, mit seiner sozialen Abstufung von der leicht ramponierten Künstlergesellschaft, die das im Grunde nur ein bißchen aus der Bahn geratene Bürgertum ist ( Hassenreuther ), über das ins kleinbürgerliche aufstrebende Arbeitertum ( Fam. John ), bis zum Lumpenproletariat ( heruntergekommene Nachbarin Knobbe ) und gänzlich Asozialen ( Bruno Mechelke ).
Seine Schwächen: Daß die Muttertragödie der Frau John und die Mimenkomödie des Direktor Hassenreuthers, dramaturgisch nicht zwingend ineinandergreifen, sondern hier eigentlich mehr nebeneinandergestellt sind.
Straffheit des dramaturgischen Gefüges ist nie Hauptmanns Sache gewesen, und die Atmosphäre hat ihm immer mehr bedeutet als die Struktur.
In den Ratten ging er darin noch weiter als sonst, indem er in diese Tragikomödie auch noch ein Stück Bekenntnisdramatik mit hinein schrieb, deren träger der Kandidat und Theologiestudent Spitta ist.
Ihm hat Hauptmann die sozialen und ästhetischen Ansichten, denen er damals huldigte, ihm hat er das künstlerische Programm des Naturalismus in den Mund gelegt, aber dank seiner überragenden Fähigkeit in der Menschengestaltung, ist diese Figur keineswegs nur ein Thesensprecher und Verkünder von Zeitanschauungen geblieben, sondern das lebendige Symbol der immer an ihrer jeweiligen Gegenwart zweifelnden, den überkommenen Werten mißtrauenden, nach neuem Glauben suchenden Jugend geworden, das Symbol der Generation, die Ratten unter dem Boden pfeifen und nagen hört, den die Alten noch für unerschütterlich fest und sicher halten.
Die Idee des Dramas besteht aus dem Gegensatz zweier Welten. Diese Welten werden ständig aneinander gemessen.
In diesem Stück treffen zwei lose zusammengekoppelte Handlungen aufeinander ( nicht wie üblich bei einer Tragikomödie ), diese Handlungen verlaufen also nicht ineinander, sondern sogar Gegeneinander 8 Während Frau John in den Tod geht, bereitet sich bei Hassenreuters ein happy End vor )
THEMEN:
Die gesellschaftliche Bedingtheit der Tragödie steht im Mittelpunkt.
Das zentrale Thema ist der Kinderwunsch einer Frau, die mit Hilfe eines Kindes einen Selbstbehauptungskampf gegen ihren Mann eingeht.
Ein anderer Leitgedanke ist die Blindheit , das Unvermögen gebildeter Beobachter, eine sich unmittelbar vor ihren Augen abspielende Tragödie wahrzunehmen.
Es geht aber auch um die Situation der Frau in der Gesellschaft und um Standesunterschiede und – Gegensätze im allgemeinen. Die Hierarchie in der Gesellschaft wird überaus deutlich gemacht und auch die existentielle Ausgesetztheit des Menschen ( Bruno ).
Ein weiteres Motiv ist die Uneinsichtigkeit der “Väter” ( Darstellung durch Hassenreuter, Spitta, Herrn John ), die in krankhafter Wiese auf sich selbst fixiert sind ( pater familias ).
Die geistige Geburt des Naturalismus in den Idealismus wird gezeigt.
Die Themen der Ahnungslosigkeit ( Maurerpoliers John ), die Kurzsichtigkeit ( Theaterdirektor ) und der religiöse Starrsinn ( Pastor Spitta ) werden ebenfalls behandelt.
ZEITRAUM:
Das Stück spielt etwa um 1910. Der Zeitraum zieht sich vermutlich über13-14 Monate. Zwischen den einzelnen Akten sind Zeitsprünge von unterschiedlicher Länge auffallend.
Die Zeit zwischen dem 1. Und dem 2. Akt beträgt etwa fünf Monate ( vielleicht etwas mehr oder etwas weniger ).
Tatsache ist nämlich, daß im 1. Akt, das Kind Piperkarcks noch nicht geboren ist, im 2. Akt jedoch bereits im Kinderwagen bei Frau John liegt.
Generell vergeht zwischen 1. Und 2. Akt exakt ein Jahr.
Die Zeitsprünge zwischen den restlichen Akten verkürzen sich enorm und sind kaum mehr sichtbar und auffällig.
Die Handlung verläuft im allgemeinen chronologisch, nur gegen Ende, wo die ganze verzwickte Angelegenheit geklärt wird, verwendet Hauptmann kurze Rückblenden.
SPRACHE:
Hauptmann verwendet in den “Ratten” u.a. den schwer verständlichen und schwierig zu lesenden Berliner Dialekt. Dieser Dialekt hebt das wenig gebildete Arbeitertum ( Fam.
John, Piperkarcka, Bruno Mechelke ) von dem gehobenen Bürgertum ( Fam. Hassenreuther, Spitta ) ab, welches hier mit dem Künstlermilieu in Kontakt tritt, und sich in einem gepflegten Hochdeutsch unterhält.
In den Regieanweisungen legt Hauptmann größten Wert auf Detailgenauigkeit. Er beschreibt die jeweiligen Schauplätze, sowie das Aussehen der Hauptpersonen peinlich genau und mit allergrößter Sorgfalt. Gerade durch diese Genauigkeit wirken die Beschreibungen oft etwas umständlich und kompliziert.
Innerhalb des Stückes taucht – wie schon erwähnt – immer wieder der Begriff “Ratten”, der Bezug zum Titel spiegelt sich also in der Sprache Hauptmanns wieder.
Die Ratten – als Tiere – stehen für die Menschen, die sich wie Ratten verhalten – wie etwa die Familie des Theaterdirektors, die sich nur mit eigenen Problemen konfrontiert sieht und die dramatische Situation, die sich rund um das Kind der Piperkarcka abspielt nicht sehen will.
Teilweise ( wie etwa in dem bereits erwähnten Gespräch zw. Hassenreuter und Spitta ) wird der Unterschied zwischen naturalistischen und idealistischen Gedanken gezeigt.
INHALT:
Haupthandlung:
Das schwangere polnische Dienstmädchen Piperkarcka, gesteht Frau John, daß sie mit ihrem ungeborenen Kind in den Landwehrkanal springen wolle, nachdem sie ihr Bräutigam hat sitzen lassen. Frau John, deren eigenes Kind vor einigen Jahren im zartesten Alter gestorben ist, und die sich brennend wieder nach einem seht, beschwört sie, diese Sünde nicht zu begehen. Sie soll ihr Kind zur Welt bringen und es Frau John überlassen, die es als ihr eigenes ausgeben wird – niemand würde etwas erfahren.
Durch große Überredungskunst, gelingt es Frau John, das Mädchen zu überzeugen. Das Kind wird auf dem Dachboden des Mietshauses zur Welt gebracht, ohne daß irgend jemand von der Geburt erfährt.
Mit großer Liebe und Fürsorge wird der Säugling von Frau John gepflegt. Herr John, der arbeitsbedingt viel zeit auswärts verbringt, ist stolz auf seinen Stammhalter und meldet ihn sogleich am Standesamt. Noch weiß weder Herr John, noch sonst irgend jemand über die Kindesunterschiebung, doch nach dem Besuch der wirklichen Mutter des Säuglings, welche um das Wohlbefinden ihres Kindes wissen will, gerät Frau John i großen Kummer, aus Angst vor der Aufdeckung der Unterschiebung.
Nach diesem Vorfall beschließt Frau John, aus Angst vor einem erneuten Besuch des Mädchens, für längere Zeit ihre Schwester am Land zu besuchen.
In Pauline Piperkarcka regt sich bald das schlechte Gewissen; aus Angst vor den Behörden meldet sie ihr Kind an und bezeichnet Frau John als Pflegemutter.
In Unkenntnis über die Abreise Frau Johns, begibt sich das polnische Mädchen in Begleitung einer Frau des Landeserziehungsheimes, in die Wohnung der Familie John. Das Mädchen bereut ihre übereilte Tat, und will nun ihren Sohn zurückerlangen. Doch durch ein großes Mißverständnis, nehmen die beiden den falschen Säugling -–nämlich den der Flurnachbarin Knobbe in ihre Obhut. Die Verwechslung kann bald aufgeklärt werden, doch zum Entsetzten der Anwesenden muß man erkennen, daß das verwechselte Kind in den Armen der Frau des Landeserziehungsheimes gestorben ist.
Herr John, der nach einer längeren Abwesenheit wieder zu hause ankommt, erfährt sogleich von dem Hausmeister über den Vorfall der Kindesverwechslung, den To es Nachbarskindes und über die Behauptung des polnischen Kindermädchens, daß sein Stammhalter ihr leibliches Kind sei.
Die zurückgekehrte Frau John erfährt von ihrem Mann über das Zugetragene, und gerät sofort in fürchterliche Unruhe, aus Angst das Vertrauen ihres Mannes zu verlieren.
Aus den folgenden Gesprächen erfährt man über das plötzliche Verschwinden des Dienstmädchens Piperkarcka, welsches kurze zeit später ermordet aufgefunden wird. Als Mörder stellt sich Frau Johns mißratener Bruder heraus, der das Mädchen nicht mochte und seiner Schwester einen Gefallen machen wollte. nachdem Frau John das erfährt, sinkt sie zu Boden und ruft: “Ick bin keen Merder, det wollte ick nich!”
Frau John gelingt es nicht, das Aufdecken der Kindesunterschiebung zu verhindern, und bald kommt die Wahrheit über die richtige und die falsche Mutter ans Tageslicht. Frau John versucht mit dem Kind zu fliehen, doch die Polizei kann ihr das Kind entreißen. Die verzweifelte Frau kann die Wohnung verlassen, die Herzlosigkeit ihres Mannes treibt sie dazu sich in den Tod zu stürzen.
Nebenhandlung:
Die Nebenhandlungen beschränken sich auf das Familienleben und den Bekanntenkreis des ehemaligen Theaterdirektors Hassenreuther. Sie stellen u.a. den Theaterunterricht seiner wenig begabten Schauspielschüler dar, unter denen besonders einer, nämlich der Theologiestudent Spitta durch seine Eigenheit auffällt. Hassenreuthers Antipathie gegenüber Spitta verschärft sich, als er erfährt, daß dieser eine heimliche Beziehung mit seiner Tochter Walburga hat.
Hassenreuther, dessen Theaterfundus sich im Dachboden des Hauses der Familie John befindet, ist immer wieder in die Muttertragödie der Frau John verwickelt, da diese das Fundusmagazin in Ordnung hält.
CHARAKTERISIERUNG DER HAUPTPERSONEN:
Frau John:
Frau John ist die einzige Hauptgestalt des Werkes, die von den Regieanweisungen nicht näher beschrieben wird. Ihr Aussehen ist also irrelevant und bleibt der Phantasie des jeweiligen Lesers überlassen.
Sie ist etwa 30 Jahre alt und eine fürsorgliche Frau, die etwas Mütterliches an sich hat. Der Verlust ihres Söhnchens Adalbertchen hat sie schwer getroffen und geprägt, da sie seinen frühen und plötzlichen Tod einfach nicht verkraften kann.
Im Grunde ist Frau John eine herzensgute und hilfsbereite Frau, der die Ehrlichkeit ins Gesicht geschrieben steht. Doch im Laufe der Geschichte erlernt sie das Lügen.
Als sie Piperkarcka den Vorschlag macht ihr Kind großzuziehen, denkt sie dabei aber keineswegs an die prekäre und aussichtslose Lage des Mädchens, sondern ist nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Sie sehnt sich nach einem Kind und will mit ihm all das nachholen, was sie vor dem Tod ihres leiblichen Kindes versäumt hat.
Frau John manipuliert das Kindermädchen und will ihm das Kind sogar abkaufen. Sie ist eine redegewandte Frau, mit großer Überredungsgabe.
Man kann nicht behaupten Frau John wäre schlecht – in ihr regt sich lediglich der Mutter- und Familieninstinkt, und der Gedanke ihr Adalbertchen wieder zum Leben erwecken zu können.
Sie denkt dabei nicht nur an sich, sondern auch an ihren Mann, der sich sehnlichst einen Stammhalter wünscht.
Der Wunsch nach einem eigenen, nicht adoptierten Kinde ist der Versuch, mit den der Frau zur Verfügung stehenden Mitteln Macht über den Mann zu bekommen.
Tatsächlich sorgt sie sich um das Kind, als wäre es ihr eigenes – sie ist sogar der Überzeugung, daß dieser Knabe ihr Adalbertchen ist ( sie nennt es Adalbertchen, vergleicht das Haar ihres verstorbenen Sohnes mit dem des Kindes ).
Frau John liebt “ihr” Baby über alles, diese Liebe schlägt aber bald in Wahn um. Sie hat nicht die Kraft die Lüge über die Geburt des Kindes, den Tod ihres Söhnchens und die Tatsache, daß ihr das Kindermädchen das 2. Kind wieder nehmen will verkraften.
Die Lüge, die sie selbst erfunden und peinlich genau verbreitet hat, wird für sie zur Wirklichkeit.
Sie lebt teilweise in einer Art Traumwelt, die sie sich selbst aufgebaut hat. In dieser Phantasiewelt ist sie sicher und glücklich, doch wenn sie manchmal daraus erwacht, fühlt sich die harte Wahrheit wie Messerstiche in ihrer Brust an.
Frau John versucht krankhaft die Vergangenheit zurückzuholen und sie zu verändern, indem sie sich ein zweites Adalbertchen “erkauft”.
Im Grunde kann man nur Mitleid mit ihr haben, denn gegen Ende des Stücks ist sie zutiefst verzweifelt und hat Angst ihr zweites Kind auch noch zu verlieren. Die Erinnerungen an den Tod ihres Söhnchens kommen in ihr hoch.
Sie liebt das Kind wirklich und ist somit doch noch die einzige, deren Handeln paradoxerweise einer menschliche Regung entspringt.
Frau John ist nämlich die einzige, die in einer untergehenden Welt keimendes leben noch retten und beschützen kann. ( Knobbe läßt ihre Kinder verhungern und verkommen & Piperkarcka ist viel zu einfältig , um einem Kind in dieser Welt Schutz bieten zu können ).
Die kraft, der Lebenswille dieser Gestalt schlagen am Ende ins Gegenteil um , in Todessehnsucht, in den Freitod.
Theaterdirektor Harro Hassenreuter:
Sein Äußerliches wird – im Gegensatz zu Frau John – von den Regieanweisungen sehr genau beschrieben und festgelegt.
Er ist mittelgroß, glattrasiert, fünfzig Jahre alt. Er pflegt große Schritte zumachen und hat ein lebhaftes Temperament.
Sein Gesichtsschnitt ist edel, das Auge von kühnem Ausdruck. Sein Betragen laut und sein Wesen überhaupt durchaus feurig.
Hassenreuther ist egozentrisch, besitzergreifend und will in jeder Situation autoritär wirken.
Er der Ehrenmann, der sich als Stütze der Moral und der Gesellschaft fühlt und mit eherner Strenge über die Tugend seiner Tochter wacht, hat im Theaterfundus ein Rendezvous mit einer hübschen Schauspielerin. Er kann sich eigene Fehler also einfach nicht eingestehen.
Sobald seine Meinung über das Theater nicht geteilt wird, verliert er im Nu die Beherrschung.
Er hält an dem fest was seine Zeit zu bieten hat und steht fortschrittlichen Gedanken sehr kritisch gegenüber.
Für ihn existiert nur das Theater, was um ihn herum geschieht scheint ihm gleichgültig zu sein oder zumindest nicht so wichtig.
Gegen Ende des Stücks als er den Konflikt zw. Piperkarcka und Frau John wittert wird er jedoch neugierig und mischt sich in das Geschehen ein. Er spielt den Vermittler zw. Frau John und Herrn John und dem Dienstmädchen, obwohl ihm diese Personen eigentlich gleichgültig zu sein scheinen.
Diese Blindheit gegenüber der Mutterkatastrophe macht ihn schuldig.
EIGENE MEINUNG:
Obwohl das Stück anfangs schwierig zu lesen ist, wird der Berliner Dialekt gegen Ende hin als selbstverständlich aufgenommen. Ohne ihn würden die Standesunterschiede in der Gesellschaft wohl kaum so klar herauskristallisiert.
Das Werk imponiert vor allem durch seine gesellschaftskritischen Themen und durch die zwei Charaktere Frau John und Pauline Piperkarcka, deren beider Situation sehr gut verstanden und nachempfunden werden kann. Mit beiden Hauptpersonen kann man sich sehr gut identifizieren, in einer Zeit wo uneheliche Kinder verpönt und Adoption so gut wie kein Thema war.
LISTE DER SCHAUPLÄTZE:
In einer ehemaligen Kavalleriekaserne im Berliner Osten – im Theaterfundus des Theaterdirektors Hassenreuter ( 1.
Akt und 3. Akt )
In der Wohnung des Maurerpoliers John ( 2. Akt, 4. Akt, 5. Akt )
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