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Irrungen, Wirrungen
Von
Theodor Fontane
1. Aspekte für die Trennung Kassel, den 11.5.2000
In Lene Nimptsch und Botho Freiherr von Rienäcker stehen sich zwei Personen gegenüber, die sich nach ihrer Herkunft und ihren Lebensverhältnissen doch sehr unterscheiden.
Lene ist ein Waisenkind und lebt bei ihrer Pflegemutter Frau Nimptsch, um die sie sich
aufopfernd kümmert, in einem kleinen Häuschen bei der Familie Dörr.
Lene hat eine realistische Sicht auf die Welt entwickelt und ist sich sehr wohl bewusst,
dass sie mit diesen geringen finanziellen Mitteln und mit diesen Lebensumständen keine hohe Stellung in der Gesellschaft hat.
Dennoch hat sie gelernt, dies zu akzeptieren und
ihren eigenen Weg zu gehen.
Botho hingegen ist immerhin ein junger Offizier und ist in der Oberschicht integriert. Er
liebt das Einfache und Natürliche, kennt jedoch die gesellschaftlichen Konventionen und weiß, dass eine Liebe zu einer Frau mit geringerem Stand keine Chance hat.
Botho sträubt sich anfangs noch gegen die gesellschaftlichen Zwänge. Er würde lieber einfach und ehrlich leben. So ist er sich des bitteren Endes zwar bewusst, versucht es
jedoch wegzuträumen, da er keine Kraft besitzt gegen die gesellschaftlichen Zwänge anzukämpfen.
Er verschließt zwar die Augen vor der kommenden Trennung durch die
gesellschaftlichen und familiären Zwänge, ist aber durchaus fähig, seine eigene Situation
zu überdenken und seine Möglichkeiten zu analysieren. Doch das System ist zu stark für ihn.
Lene weiß um des bitteren Ausgangs und genießt die Zeit mit Botho und so fügen sich beide dem Druck der Gesellschaft.
Denn im Gegensatz zu Lene, die durch ihren niedrigen Stand in der Gesellschaft überhaupt keine Stellung hat, ist Käthe bei allen in der Gesellschaft durch ihre lustige Art sehr beliebt. Hinzu kommen noch die finaziellen Aspekte von Käthe. Folglich sind die gesellschaftlichen Unterschiede ein ausschlaggebender Punkt.
Botho versucht in ihrer Gegenwart nicht als Baron aufzutreten und so kommt er ohne
Uniform zu ihr nach Hause. Er will, dass die Standesgehörigkeit keine Rolle spielt, doch genau dies zeigt, dass er sich somit außerhalb seines sonstigen Lebens bewegt.
Doch das Baronsein bleibt bestehen. Die bestehende Örtlichkeit (Dörrscher Garten) und die Kleidung zeigen, dass die Liebesbeziehung nur außerhalb der tatsächlich bestehenden Lebenszügen realisierbar ist.
Nur im Garten erscheint das gesellschaftliche Trennende für Botho und Lene belanglos zu
werden. Also nur unter Ausschluß der Öffentlichkeit herrscht das ungestörte Glück der beiden.
Somit ist die Idylle nur im Schutz des Heimlichen und Verborgenen realisierbar.
Als die beiden Liebenden im Garten sitzen und von „drüben“ sprechen (S.34 Lene: „Weißt du Botho, wenn ich dich nun so nehmen und mit dir die Lästerallee drüben auf und ab schreiten könnte, und könnte jedem sagen:..., und er liebt mich und ich lieb ihn, was glaubst du, was ich dafür gäbe?“), wird die gesellschaftliche Spannung bewusst und diese zeigt, dass ihr gemeinsames Glück nicht lange dauern kann.
Auch als Botho in seiner Unterkunft den Brief von Lene liest, kommt seine Unruhe zum Ausdruck. Er bekommt Angst vor dem Risiko der Beziehung mit Lene. Dies ist zu erkennen, als er über Lenes Rechtschreibfehler stolpert.
Lene teilt Botho in diesem Brief zudem mit, dass sie ihn mit einer Blondine gesehen hat, doch wer diese Frau ist, bleibt zunächst ungeklärt. Später stellt sich heraus, dass Käthe gemeint ist. Doch Käthe wird durch diese Undurchsichtigkeit nicht zur Gegenspielerin Lenes.
Die auch in anderen Gesprächen genannten annonymen Beziehungsformen (Kap. 7
Flachsblondine zum Küssen) weisen vielmehr auf das gleicheVorhandensein bestimmter Verpflichtungen hin, von denen Botho einmal in einem Gespräch über den Club erzählt und die mit der Liebesbeziehung nur durch unklare Vermutungen in Zusammenhang stehen. Doch dadurch wird der bedrohliche Hintergrund geschaffen, vor dem das Verhältnis von vornherein steht.
Bothos Festhalten an überkommenen Standesvorstellungen, seine angedeutete Abhängigkeit vom Urteil der anderen wirkt in seine Beziehung zu Lene hinein, seine Wohnung legt bestimmte Lebens- und Wirklichkeitsbezüge frei, in denen er sonst noch steht. Es sind Ansprüche und Bindungen, in die er hineingestellt ist und die nur während der Zeit des Zusammenseins mit Lene beiseite bleiben. Bothos Standeszugehörigkeit und sein privates Verhalten gegenüber Lene sind eben keine voneinander geschiedene oder scheidbare Bereiche.
Im Restaurant, bei dem Gespräch mit Wedell und seinem Onkel, machen diese ihm ganz klar deutlich, dass es für Botho nur eine Hochzeit mit einer Frau seines Standes geben kann und dass alles andere nicht geduldet wird und sein Untergang wäre. So wird der Onkel zum Botschafter der Mutter und Botho bekommt den Zwang der Gesellschaft zu spüren.
Ein weiterer Indiz dafür, dass das Glück der beiden nicht mehr von langer Dauer sein kann,
ist das Gespräch Bothos mit dem Wirt bei Hankels Ablage. Das Gespräch handelt von
Geschäften, Konkurrenz, Arbeit und Gewinn und Lenes Unpäßlichkeit weist sich als böses Anzeichen für einen Abschied der beiden aus.
Die Offizierskollegen tauchen schließlich bei Hankels Ablage auf und es wird deutlich, dass Lene als einzige wirklich Liebende ihres Mannes in so einer Gesellschaft fehl am Platze ist. Das Gespräch zeigt die Kunst der Konversation.
Den krönenden ausschlaggebenden Schlusspunkt für eine Trennung von Lene ist schließlich der Brief von seiner Mutter, durch diesen Botho über die ganz schlechte finanzielle Situation der Familie Rienäcker informiert wird und indem geschrieben ist, dass nur eine Ehe mit einer Wohlhabenden die Familie noch retten kann. Botho, der sich nun entgültig bewusst ist, dass seine Zukunft und die der Familie nur durch die Familie Sellenthin gerettet werden kann, hält einen inneren Monolog und muss feststellen, dass seine und Lenes Fähigkeiten( im Bezug auf richtiges Arbeiten) zu gering sind, als dass sie in der Gesellschaft überleben könnten.
So sind die geringen finanziellen Fähigkeiten und die Unfähigkeit der beiden, eine lohnende Arbeit auszuführen weitere Gründe für eine Trennung.
Der Erzähler will mit der Trennung vielleicht zeigen, dass zu dieser Zeit eine Liebe zwischen zwei sich Liebenden einfach keine Chance hatte wenn die gesellschaftlichen Anforderungen nicht erfüllt waren. Er will damit vielleicht belegen, dass die Leute damals sehr an ihren Bräuchen hingen und, dass die Liebe nur eine untergeordnete Rolle in der Gesellschaft hatte. Er stellt die Trennung als normale Gegebenheit dar, der Erzähler könnte aber durchaus das Ziel haben, die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse zu kritisieren.
2. Vergleichende Charakterisierung
Lene ist ein Waisenkind, das bei ihrer Pflegemutter Frau Nimptsch in einem kleinen Häuschen bei der Gärtnerei Dörr wohnt.
Käthe hingegen ist in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen, die durch ihren Reichtum in der Oberschicht sehr angesehen ist. Dies sieht man schon allein an den vielen verschiedenen auf ihre Person zielenden Bezeichnungen wie ( „ Wundervolle Flachsblondine zum Küssen oder reizendste Backfisch“). Lene ist stattdessen in den vierten Stand einzuordnen und hat somit in der Gesellschaft einen niedrigen Rang und keine Einflussmöglichkeit.
Trotz ihres niedrigen Standes in der Gesellschaft ist sie nicht wehleidig und hat mittlerweile
ihre Stellung in der Gesellschaft akzeptiert.
Sie ist unterdessen sehr selbständig und hat es von Anfang an gelernt, für sich und ihre Pflegemutter zu sorgen. Sie sorgt sich um die Hausarbeit und ist sehr hilfsbereit und tüchtig.
Käthe hingegen hat mit Arbeit nicht viel im Sinn. Für sie gibt es wichtigere Tätigkeiten. Im Hinblick auf ihre Tätigkeiten sind dies meist welche, die allen voran die Oberschicht ausübt. Diese Tätigkeiten wie Reiten, Amüsieren, Plaudern und Spielen genügen ihr völlig.
Lenes Neigung zu Botho, ihre Bewunderung, hat sie nicht wegen seines Standes, sondern wegen seinem beeindruckenden Auftreten bei ihrer Rettung. Lenes Liebe zu Botho ist rein, sie liebt ihn in vollen Zügen, jedoch hat sie ihre realistische Sichtweise beibehalten. Sie macht sich nichts vor, und ist sich bewusst, dass eine Trennung jederzeit kommen kann und auch bald kommen wird.
Durch diese Einstellung hat sie gelernt, solch eine glückliche und seltene Beziehung mit einem Mann zu genießen, der einen ganz anderen Rang in der Gesellschaft hat. Sie hat einen sehr objektiven Blick entwickelt, der ihr nichts vormacht.
Dies zeigt das Zitat auf Seite 20:
„Ach, liebe Frau Dörr, was sie nur denken.
Einbilden! Ich bilde mir gar nichts ein. Wenn ich einen liebe, dann lieb ich ihn. Und das ist mir genug.
oder das Zitat auf S. 33: Glaube mir, dass ich dich habe, diese Stunde habe, das ist mein Glück..
.Aber wegfliegen wirst du, das seh ich klar und gewiß. Du wirst es müssen.“
Käthe und Botho führen eher eine Art Konventionsehe. Es fehlt die Liebe in der Beziehung. Käthe ist unfähig zu einer echten und tiefen Liebesempfindung.
Frau von Sellenthin ist zu unreif, sie kann in biologischer Hinsicht keine Kinder bekommen. Doch dies betrübt sie auch wenig, sie hat einen Familiensinn noch nicht entwickelt.
Dass Botho aber vielleicht den Wunsch nach einer Familie hat, ist für sie nicht von Bedeutung. Käthe ist somit eher als ein wenig egoistisch und bestimmend einzustufen. Dies ist schon ziemlich entgegengesetzt zu Lene, denn Lene ist doch sehr um das allgemeine Wohl ihrer nächsten bedacht und ihre Meinung ist ihr auch wichtig. Insofern sorgt sie sich z.
B sehr um ihre Mutter und bezieht in wichtigen Situationen Bothos Meinung ein.
Käthes Egoismus zeigt sie zudem auf S.107. Denn was Käthe will, wird auch gemacht und so sagt sie: „Höre nur Botho, komm lass uns tanzen, und ohne Zustimmung abzuwarten zog sie ihn aus seinem Stuhl“.
Käthe vehält sich weiterhin wenig problemorientiert.
Wenn irgendwo etwas Heikleres angesprochen wird, sagt sie nur ihre Meinung und bezieht die andere zum einen nicht mitein und zum anderen wird die Situation nicht geklärt.
Dies ist auf S.108 der Fall. Käthe sagt, dass sie eifersüchtig auf alte Geschichten ist, aber anstatt Bothos Statement zu hören und darüber ein Gespräch zu führen, beschäftigt sie sich darauf mit etwas anderen.
Lene hingegen behandelt problematische Situationen etwas anders. Das Problem mit der unterschiedlichen Standeszugehörigkeit teilt sie Botho offen mit, beide sagen ihren Teil dazu und so entstehen keine Missverständnisse.
Lene kann sich bei anderen, ihr fremden Personen nur schlecht entfalten.
Sie ist dort sehr still und unterhält sich wenig. Sie weiß nicht wie man in eine Unterhaltung hineinkommt. So sagt sie auf S. 25: „ich kann mir eigentlich keine Vorstellung machen, wie man mit soviel fremden Damen sogleich mir nichts, dir nichts ein Gespräch anfangen kann“.
Dies zeigt sich bei Hankels Ablage, wo sie nie richtig in ein Gespräch mit den Damen kommt.
Lene ist nicht fähig den Standesunterschied zu überwinden, und so wird sie minderwertig behandelt und als „Kindchen“ und „Kleines“ hingestellt.
Käthe hingegen ist in ihrem Verlangen nach Plaudern kaum zu bändigen. Sie hat die Fähigkeit alle zu unterhalten und zu faszinieren.
Jedoch hat Käthe den Fehler, dass sie nur schwer ein ernstes Wort reden kann und dies zudem noch als Gabe ansieht. Lene hat die Fähigkeit ein ernstes Wort zu reden, was sie auch zeigt, als Lene über den Tod beispielsweise spricht.
Frau von Sellenthin ist sehr auf gesellschaftliche Dinge fixiert. Was die anderen Leute denken und machen ist ihr im Gegensatz zu Lene sehr wichtig.
Dies ist sehr gut an den Inhalten der Briefe von ihrem Kurort zu erkennen. In diesen Briefen schreibt sie nur gesellschaftliche Dinge und über den Vorangang der Kur( der Grund der Reise) schreibt sie nichts.
Lene hängt nach ihrer Trennung immernoch an Botho, doch in ihrer Konsequenz geht sie mit dem Umziehen einer möglichen Konfrontation mit Botho oder der Vergangenheit aus dem Weg.
Lene ist ein sehr ehrlicher Mensch, der mit Verheimlichungen nicht leben kann.
Folglich erzählt sie Franke von ihrer Beziehung mit Botho und geht dann den von der Gesellschaft geprägten Weg, indem sie Franke heiratet.
Lene ist sehr direkt in ihren Antworten und einfach.
Käthe spielt in ihrer Art mit Botho auf S.100. Sie rückt nicht sofort mit den Antworten heraus. Frau von Sellenthin hat einen verhältnismäßig großen Wortschatz, bei Lene ist es auffällig, dass sie oft das Wort „und“ benutzt und sich bei ihr teilweise einige Fehler in der Rechtsschreibung (Brief an Botho) einschleichen. Dies könnte ein Indiz für eine geringe Schulbildung sein (vielleicht Anzeichen für restringierten Code).
Von Patrick Grisel und Daniel Höfling (Kassel, Bücherei Vaternahm)
Bei weiteren Fragen schicken sie eine E-Mail an:
Reiner.
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