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  Heinrich böll:

 Heinrich Böll Die verlorene Ehre der Katharina Blumoder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann        DER AUTOR   Während des ersten Weltkrieges, am 21.12.1917 in Köln geboren, schließt Heinrich Böll das Gymnasium 1937 erfolgreich ab. Anschließend beginnt er eine Buchhändlerlehre, jedoch ohne großes Interesse. Er beginnt mit einem Literaturstudium, wird jedoch zur Wehrmacht einberufen und dient der Armee während des gesamten Krieges. Nach dem Krieg setzt er sein Studium der Germanistik fort.

1947 publiziert er erste Kurzgeschichten in Zeitungen und Zeitschriften. Als Mitbegründer der Gruppe 47 beschreibt Böll in den folgenden Jahren die Notstände nach der Beendigung des Krieges. Dabei kreisen die Themen immerfort um die Sinnlosigkeit des Krieges, sowie das Elend der Menschen nach dem Krieg. Während dieser Epoche gewinnt Böll an nationalem und internationalem Ansehen. Böll kritisierte fortwährend die herrschenden Zustände und polemisiert hart gegen restaurative Tendenzen, Konformismus sowie gegen die Wohlstandsideologie in der westdeutschen Gesellschaft. In keinem anderen literarischen Werk Heinrich Bölls spielt die aktuelle politische und biographische Vorgeschichte eine dermaßen große Rolle wie in Die verlorene Ehre der Katharina Blum, das 1974 erschien.

In einem Artikel im Spiegel „Will Ulrike Meinhof Gnade oder freies Geleit?“ nimmt Böll zu der herrschenden politischen Situation Stellung. Vor allem reagiert er mit diesem Artikel auf reißerische Kommentare der Bildzeitung über die Baader-Meinhof-Gruppe. Böll sympathisiert zwar mit den Ideen, aber nicht mit den Methoden der RAF. Daraufhin beginnt eine Diffamierungskampagne der Bildzeitung gegen ihn. Die Auseinandersetzung mit diesen Vorgängen sind die Grundlage für dieses Werk, in dem Böll die Methoden der Boulevardpresse kritisiert.     INHALT   Die Erzählung Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“ handelt von einer jungen Frau, die durch eine zufällige Affäre mit einem gesuchten Verbrecher in die Schusslinie der Boulevardpresse gerät.

Dem Druck, der somit auf sie ausgeführt wird, nicht standhaltend, tötet sie einen Reporter der ZEITUNG, die ihren Ruf systematisch zerstört hat. Durch die Einführung eines ungenannten Berichterstatters, schafft Heinrich Böll die Möglichkeit, die geschilderten Ereignisse aus dem kausalen und chronologischen Zusammenhang herauszulösen. Aus diesem Grund scheint es der Verständlichkeit halber sinnvoll, das Hauptgeschehen in seiner chronologischen Folge wiederzugeben. Bereits zu Beginn der Erzählung wird der Tathergang geschildert, um dann rückblickend die Entwicklung der Geschichte darzustellen: Das Hauptgeschehen beginnt am Mittwoch, den 20.2.1974.

Nachdem die Arbeitgeber der Haushaltsgehilfin Katharina Blum, das Ehepaar Dr. Blorna in Urlaub abreisen, wohnt die Protagonistin der Erzählung am selben Abend einer Karnevalsparty eines Ehepaares bei, bei dem Katharina nebenbei arbeitet. Dort trifft sie Ludwig Götten, mit dem sie die folgende Nacht verbringt. Am folgenden Morgen wird in die Wohnung der Katharina Blum von Polizisten eingedrungen und nach Götten gesucht. Er konnte jedoch unbeobachtet entfliehen. Katharina wird abgeführt und verhört.

Nachdem sich der Tatverdacht gegen Katharina nicht erhärtet, wird sie abends nach Hause begleitet. In dieser Nacht erhält Katharina Blum einen Anruf von dem geflohenen Ludwig Götten, der unter dem Verdacht eines Banküberfalls und des Mordes steht. Zeitgleich wird das Ehepaar Blorna an seinem Urlaubsort von einem Reporter der ZEITUNG über Katharina ausgefragt. In abgeänderter Form erscheint das Interview am folgenden Tag in der ZEITUNG. Die Protagonistin wird noch einmal verhört und entdeckt den, ihre Person diffamierende Artikel, ebenso wie Dr. Blorna, der ihn zum Anlass nimmt, seinen Urlaub abzubrechen und seine Haushaltshife zu unterstützen.

Zeitgleich dringt der ZEITUNGSreporter Tötgens in das Krankenzimmer der Mutter Katharinas ein und verursacht auf der Suche nach weiteren Schlagzeilen über Katharina Blum indirekt den Tod der Mutter Blum. Am darauffolgenden Tag, Samstags, kommen sowohl Katharina, als auch Familie Blorna zu der Lektüre neuer Angriffe auf Katharina durch die ZEITUNG. Bei Bekannten erfährt die Protagonistin von der Verhaftung Ludwig Göttens sowie dem Tod ihrer Mutter. Gemeinsam gewährt man ihrer Mutter die letzte Ehre. Katharina gibt eine Interviewvereinbarung mit Tötgens an ihre Freunde bekannt. Das Interview soll am Sonntag stattfinden.


Bei der Lektüre eines Artikels in der SONNTAGSZEITUNG, in dem Katharina der Tod ihrer Mutter zur Last gelegt wird, gerät Dr. Blorna außer sich. Nur seine Frau kann ihn noch vom herstellen eines Molotow-Cocktail abhalten. Zeitgleich stiehlt Katharina aus der Wohnung eines Bekannten eine Schusswaffe. Anschließend erwartet sie Tötgen. Bei Ankunft des Reporters erschießt Katharina Blum den Angestellten der ZEITUNG.

    ANALYSE   Charakterisierung der Protagonistin Obwohl die von Heinrich Böll dargestellten Vorgänge lediglich einen Zeitraum von einer Woche umfassen, stellt er das Leben seiner Protagonistin und deren Charakter ausführlich dar. Die Beschreibung Katharinas durch verschiedenen Quellen ermöglicht diese komplette Darstellung. Ihre Lebensgeschichte gelangt einerseits durch die Verhöre der Polizei, in denen man versucht Katharinas gesamtes Leben zu überblicken, um eine längere Verbindung zwischen Katharina Blum und Ludwig Götten nachzuweisen, an den Leser. Andererseits wird der Leser über das Leben und die Person der Protagonistin durch ihre Angaben gegenüber Dr. Blorna informiert. Gleichzeitig werden die charakterlichen Eigenschaften Katharinas negativ durch die ZEITUNG wiedergegeben, indem Aussagen über Katharina verfälscht abgedruckt werden.

Durch ihre Selbstaussagen und über Aussagen ihrer Freunde erfährt der Leser einen Überblick über Katharinas bisheriges Leben: Nach Beenden der Volksschule lernt Katharina den Beruf einer Hauswirtschafterin. Mit 21 heiratet das „fleißige und strebsame Dorfmädchen“ Wilhelm Brettloh. Aufgrund einer „unüberwindlichen Abneigung“ (Kap.15) gegen ihren Ehegatten, verlässt sie ihn nach einem halben Jahr. Ein Jahr später wechselt sie zu dem Ehepaar Dr. Blorna, mit dessen Hilfe sie sich eine Eigentumswohnung sowie einen Volkswagen erwirbt.

Dieser Lebenslauf charakterisiert Katharina als Durchschnittsmenschen mit einem unauffälligen Lebensstil. Durch alle Aussagen ihrer Bekannten und Freunde wird Katharina Blums Charakter positiv dargestellt. Von ihren Arbeitgebern, welche sehr zufrieden mit der von ihr geleisteten Arbeit sind, wird sie als „ruhig und freundlich“(Kap.22), sowie als „fleißiges, ordentliches [...

] Mädchen“ (Kap.28) bezeichnet. Frau Dr. Blorna schreibt Katharina die Eigenschaften „Treue und Stolz“ zu und nennt diese „lebensgefährlich“ (Kap.38), da diese beiden Eigenschaften zusammen den Mordgedanken in Katharina reifen ließen.   Handlungsaufbau Der Titel der Kriminalerzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ konkretisiert den Ehrbegriff auf die Protagonistin der Erzählung.

Außerdem steht somit ein Leitthema der Erzählung fest: der Verlust der Ehre und die Auswirkungen dieses Verlustes stehen im Mittelpunkt der Handlung. Konkret wird dies im Text behandelt, als die Protagonistin Katharina Blum um Maßnahmen zur Wiederherstellung „ihrer Ehre“ (27) bittet. Die Folgen aus diesem Verlust werden im Untertitel aufgegriffen: „Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“. Die erwähnte Gewalt ist vornehmlich als politischer Begriff zu sehen. Dabei bezieht sich Böll auf die Gewalt der Presse in gesellschaftspolitischen Strukturen. Böll beschreibt die Tat bereits zu Beginn der Erzählung.

Daneben verzichtet Böll auf den spannungssteigernden Effekt der Suche nach dem Täter, die Mörderin stellt sich nach ihrer Tat freiwillig der Polizei. Daraus leitet sich ab, dass der Leitfaden der Handlung nicht die Suche nach den Mörder ist, sondern die Aufdeckung der Mordmotive der Protagonistin. Die Handlung ist in 58 sog. Kapitel unterteilt, deren Anordnung teilweise jedoch fraglich scheint. So splittert Heinrich Böll Handlungseinheiten sinnlos in einzelne Kapitel auf (vgl. 45-46).

Somit ergibt sich jedoch eine klare Einordnung der einzelnen Partien: Kapitel 1 bis 10 bilden eine Exposition, wobei die ersten beiden Kapitel eine Reflexion über die Informationsquellen des Autors darstellen. Die Erzählung setzt erst mit der Beschreibung des Mordes im 3. Kapitel ein. Die Hauptfiguren der Erzählung werden vorgestellt: Katharina Blum, Götten, Tötgens, das Ehepaar Dr. Blorna sowie die Polizei und der Justizapparat. Der folgende Zehnerblock (Kap.

11-20) behandelt die Festnahme und Verhörung Katharina Bulms. Bis zu diesem Zeitpunkt beschrieb der Erzähler die Begebenheiten chronologisch. In den nächsten 10 Kapiteln findet jedoch eine Rückblende statt, welche die Ereignisse zuvor aufgreift sowie tiefer ins Detail gehend beschreibt. Danach, nachdem der Erzähler zu der Stelle vor seiner Rückblende kommt, können die Kapitel nur noch in kleinere Einheiten aufgeteilt werden. Höchstens dreier oder vierer Gruppen gehören inhaltlich zusammen. So behandeln die Kapitel 34 bis 37 den Mordentschluss Katharinas.

Die folgenden 4 Kapitel handeln von Blornas Verhalten nachdem er die Schlagzeilen der SONNTAGSZEITUNG gelesen hat. Die Zweiergruppe der Kapitel 42 und 43 behandeln den Tod der Mutter Katharinas. Die Kapitel 44 bis 47 beschreiben den Besuch Katharinas bei ihrer toten Mutter. Die Kapitel 48 und 49 sind die einzigen Kapitel, die für sich alleine stehen und nicht in eine Gruppe einzuordnen sind. Sie beschreiben, unabhängig voneinander einerseits die Lektüre Katharinas der SONNTAGSZEITUNG und andererseits die Verhaftung Göttens. Die Kapitel 52 bis 57 beschreiben die Konsequenzen des Mordes Katharinas sowie der Arbeit der ZEITUNG auf die Umgebung Katharinas, insbesondere auf das Ehepaar Dr.

Blorna. Abschließend detailliert das 58. Kapitel den Tathergang (wie das einleitende 3. Kapitel).  Rolle der ZEITUNG in „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ Die Rolle der ZEITUNG besteht in dieser Erzählung darin, zu dem Ehrverlust Katharinas beizusteuern. Dies geschieht aus dem Interesse der ZEITUNG, eine möglichst große Bevölkerungsschicht anzusprechen.

Um dies zu erreichen müssen Berichte möglichst sensationell erscheinen. Die ZEITUNG schreckt bei der Durchführung dieses Ziels nicht vor der Verfälschung von Informationen zurück. Die negative Umformung von positiver Aussagen zu Katharina ist eine der Verfälschungsmittel des Reporters Tötgens. So wird aus Dr. Blornas aussagen, Katharina sei „eine sehr kluge und kühle Person“, zu „eiskalt und berechnend“ (Kap.21).

Ein weiteres Mittel der Verfälschung sind Zusätze des Reporters zu den erhaltenen Aussagen über Katharina: ihre Wohnung wird zu einem Bandentreff, einem Waffenumschlagplatz (Kap.22). Entlastende Aussagen werden in Artikeln der ZEITUNG verschwiegen. Schlussendlich wertet Tötgens Katharina und ihre Unterstützter ab. Katharina wird als Räuberliebchen und Mörderbraut bezeichnet. Gleichzeitig wird die Gegenseite Katharinas durch Sentimentalitäten aufgewertet.

Vor allem Katharinas ehemaliger Ehemann wird in dieser Weise als „redlicher und bescheidener Arbeitsmann“ (Kap.23) dargestellt . Nicht unabsichtlich erscheinen Parallelen zwischen der ZEITUNG und der Bildzeitung. Böll setzt seiner Erzählung eine Klausel voraus, die Parallelen zwischen beiden Blättern als unvermeidlich darstellen: Personen und Handlung dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser jurnalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bild-Zeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich. Diese Klausel schlisst zufällige Gemeinsamkeiten beider Zeitungen aus.

Vielmehr sind Parallelen die Konsequenz der Beschreibung der Praktiken der ZEITUNG. Böll kritisiert die Vorgehensweise der ZEITUNG in seiner Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Um mit dieser Erzählung die Praktiken der Bild- Zeitung kritisieren zu können, müssen gemeinsame Vorgehensweisen beider Zeitungen vorhanden sein. Beide Zeitungen haben ein sehr ähnliches Lay-out: Die Aufmachung der Artikel mittels Photos sowie eingängige Überschriften, die das Interesse des Lesers wecken sollen. Ebenso erscheinen Parallelen zwischen den Sprachen beider Organe. So ist jeweils das Niveau der Sprache der Artikel auf dem Niveau der anzusprechenden Leserschaft.

Einfache, plakative Sätze („Räberliebchen Katharina Blum verweigert Aussage über Herrenbesuche“ (Kap.22)) sollen das Interesse der Leserschaft ansprechen.   Erzähler und Erzählhaltung Der Autor verwendet zur Darbietung der Vorgänge einen fiktiven, ungenannten Berichterstatter. Die subjektiven Züge dieses auktorialen Erzählers werden eliminiert. Somit hat die Erzählung Bölls den Anschein einer wissenschaftlichen Arbeit, lediglich auf Fakten beruhend. In diesem Sinne steht die Angabe sowie die Reflexionen über die Quellen in den ersten beiden Kapiteln.

Die Erzälhaltung erscheint oberflächlich ebenfalls so, als schildere ein neutraler Beobachter die Geschehnisse. Es scheint, als nehme der Erzähler nur als Zuschauer am Geschehen teil und referiere dies an den Leser. Objektive und subjektive Darstellungen wechseln sich jedoch im Laufe der Handlung ab und vermischen sich teilweise. Wie erwähnt erweckt der Erzähler den Anschein einer objektiven Darstellungsweise des Geschehenen. Zu teilen nennt sich der Erzähler jedoch selbst und tritt somit aus seiner anonymen Rolle heraus. Durch diese Vermischung und Abwechslung entsteht die Fiktion, dass es sich um geschehene Ereignisse handelt, wobei der kommentierende Erzähler versucht, Subjektivität in verschiedenster Weise zu verstecken.

  Sprachliche Mittel Vor allem in Erzälerkommentaren finden sich viele ironische Bemerkungen wieder. Einerseits entstehen viele ironische Ausdrücke durch die übermäßige Verwendung von Metaphern. Dies wird vor allem im 2. Kapitel deutlich, bei dem Vergleich der Quellen des Erzählers mit einem Pfützensystem. Gleichzeitig spielen Wortneubildungen ( „Pfützenwasserpotential“ (Kap.2)) sowie übermäßige Worthäfungen (Vgl.

Kap.2) ebenfalls eine entscheidende Rolle. Auch in der Erzälhaltung finden sich ironische Bemerkungen. So kann beispielsweise der unerwartete Wechsel von einer umständlichen Stil in Umgangssprache ebenso Ironie bergen ( „Zur Warnung: es kommt noch schlimmer!“ (Kap.7)). Die gleich Wirkung haben ungewöhnliche Wortneuschöpfungen, wie „Zärtlichkeitsanbieter“ (Kap.

41) oder „Todesherbeiführer“ (Kap.42). An einigen Stellen trägt die Erzählung sogar satirische Züge. Vor allem im inneren Monolog des Erzählers über die „Zäpfchenaffäre“, nimmt der Text durch die Anhäufung von ironischen Kommentaren diese Züge einer Satire an. Dies dient der Verspottung der dargestellten Zustände und verurteilt diese zugleich.     KOMMENTAR   Nach wie vor sind die in „Die verlorenen Ehre der Katharina Blum“ dargestellten Zustände von einer großen Aktualität.

Bölls Beschreibung der Praktiken der Boulevardpresse entsprechen auch den heutigen Vorgehensweisen. Die Mittel, die eingesetzt werden, um möglichst viel Gewinn zu erreichen sind noch immer die gleichen, ebenso die Methoden, mit Themen umzugehen, die für berichtenswert erachtet werden. Ebenso stellt Böll in diesem Werk gekonnt die Macht der Medien dar. Der gesellschaftliche Niedergang Dr. Blornas, obwohl er nicht im geringsten an den kriminellen Vorgängen beteiligt ist, stellt nur ein Beispiel dafür dar. In keinem anderen Werk Bölls ist die aktuelle politische Vorgeschichte von so großer Bedeutung.

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