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  Die ehe des herrn mississippi

Die Ehe des Herrn Mississippi Komödie von Friedrich Dürrenmatt    Der Autor:  Friedrich Dürrenmatt wird am 5. Jänner 1921 in Konolfingen (Kanton Bern) als Sohn eines Pfarrers geboren. Sein Großvater ist ein konservativer Nationalrat, der mit satirischen Gedichten Bürokratismus und ähnliche Mißstände anprangert. Dieser erreicht mit seinen Gedichten etwas, um das ihn Friedrich immer beneidet. Er muß nämlich für ein Gedicht ins Gefängnis. Eine "Ehre", die seinem Enkel nie zuteil wird.

Im Gegenteil. Friedrich Dürrenmatt erringt mit seinen gesellschaftskritischen Werken immer nur Ehrungen und Ehrentitel. Zu schreiben beginnt er während des Zweiten Weltkrieges, den er, in der Schweiz lebend, durch Zeitungen und Rundfunk erlebt. Seine ersten Werke haben eine apokalyptisch-phantastisch-schauerliche Note an sich.   Dürrenmatt gerät 1949 durch seine Zuckerkrankheit, der Geburt seines zweiten Kindes und einigen Mißerfolgen in finanzielle Bedrängnis und beginnt 1950 für die Zeitung "Der Schweizerische Beobachter" an einem Fortsetzungsroman zu schreiben. Der Roman mit dem Titel "Der Richter und sein Henker" erscheint in acht Folgen und wird zu einem großem Erfolg.

Es ist der erste Kriminalroman Dürrenmatts. Ein Roman voll überraschender Wendungen, aber auch voll von Satirischem über das Genre des Kriminalromans, über die ganze Schweiz, die Polizei und über die Gangster. Auch Dürrenmatts zweiter Kriminalroman "Der Verdacht", den er 1952 für die gleiche Zeitung schreibt, und der mehr oder weniger eine Fortsetzung des Ersten ist, wird ein Erfolg. Friedrich Dürrenmatt stirbt am 14. Dezember 1990 im Alter von 69 Jahren in seinem Haus in der Schweiz in Neuchatel.   Der Inhalt:   Schauplatz der Handlung ist ohne jeden Szenenwechsel ein im Biedermeier-Stil möblierter Salon.

Die "ins Jahr 47 oder 48" datierte Haupthandlung setzt mit dem Besuch des Generalstaatsanwalts Florestan Mississippi bei Anastasia wenige Tage nach dem Tod ihres Gatten Francois ein. Mississippi, Fanatiker der Gerechtigkeit, der sich der ungeheuerlichen Bemühung "die Welt von Grund aus durch das Gesetz Mosis zu restaurieren" verschrieben hat, beschuldigt Anastasia des Mordes an ihrem Gatten, der mit seiner, Mississippis, ebenfalls vor kurzem verstorbenen Frau Madeleine im Ehebruch gelebt haben soll. Anastasia gesteht nach längerem Leugnen ihr Verbrechen. Mississippi droht jedoch nicht mit einer Mordanklage, sondern bietet ihr die Ehe an. Anastasia weigert sich so lange, bis er sie mit dem Geständnis überrascht, er habe seine Frau Madeleine ebenfalls vergiftet. Er bindet Anastasia an sich, um sie "durch die Ehe in einen Engel zu verwandeln" und selbst seinen Mord zu sühnen.

Als der Justizminister Diego ihm im Auftrage des Ministerpräsidenten den Rücktritt nahelegt, da die augenblickliche Weltlage eine Politik der Mäßigung erfordere und Mississippis Radikalismus - die Zahl der von ihm erzwungenen Todesurteile hat sich auf 350 erhöht - die extreme Linke unnötig errege, lehnt er mit aller Entschiedenheit ab. Sein Jugendfreund Saint-Claude, der als Mitglied des Politbüros der Kominform und Bürger der Sowjetunion beauftragt ist, die kommunistische Partei des Landes zu reformieren, enthüllt Mississippis Vergangenheit: beide sind unter entwürdigenden Umständen herangewachsene Söhne von Straßendirnen, die als Strichjungen ein Bordell betrieben und jetzt versuchen, ihre Vergangenheit zu vergessen. Während jedoch dem einen die Bibel zum unauslöschlichen Jugenderlebnis wurde, hat beim anderen Marx' Kapital dieselbe Wirkung getan, und während Mississippi die "Gerechtigkeit des Himmels" zu vertreten sucht, fördert Saint-Claude die der »Erde« und die "Weltevolution der Ausgebeuteten" - beide im Bewußtsein, die "letzten Moralisten dieser Zeit" zu sein. Als Mississippi es ablehnt, sich Saint-Claudes Absichten zu unterwerfen, entfesselt dieser einen Volksaufstand gegen ihn. Während der Minister, dem der Aufstand zum Amt des Ministerpräsidenten verhelfen soll, Anastasia für sich zu gewinnen sucht, überrascht Graf Bodo von Überlohe-Zabernsee, ein tragischer Don Quijote, den seine "soziale Liebeswerke" zum Bettler gemacht haben, die beiden. Seine Unterredung mit ihr klärt Überlohe Anastasias Vorleben auf: sie war einmal seine Jugendgeliebte und hat ihren Gatten vergiftet, um ihn heiraten zu können.

Überlohe entschließt sich, Mississippi die Wahrheit zu gestehen. Als der jedoch, von Steinwürfen der empörten Menge verfolgt, den Salon betritt, leugnet Anastasia entschlossen. Während Maschinengewehrsalven der aufständischen Kommunisten das Mobiliar zerfetzen, entwickelt sich unter dem Biedermeier-Kaffeetisch eine Auseinandersetzung zwischen Überlohe und Mississippi, in deren Verlauf Überlohe, in plötzlicher Einsicht, daß die Wahrheit "immer nur ein Wahnsinn" sei, völlig zusammenbricht. Als Mississippi die Absicht äußert, seinen und seiner Frau Doppelmord zu gestehen, wird er ins Irrenhaus eingewiesen. Saint-Claude, der, nachdem der Aufstand niedergeschlagen und Diego Ministerpräsident geworden ist, seiner Ämter enthoben wurde, nähert sich Anastasias, um mit ihr nach Portugal zu fliehen und von dort aus die Weltrevolution weiterzutreiben, indem er Anastasia in einem "anständigen Bordell" beschäftigen will - seines Erachtens die einzige Chance, sie "zum Wohle der Welt" einzusetzen. Er bemerkt jedoch rechtzeitig Anastasias Versuch, ihn zu vergiften.


Der aus dem Irrenhaus entwichene Mississippi trinkt den für Saint-Claude bestimmten Kaffee, nicht ohne zuvor wiederum Anastasias Getränk vergiftet zu haben, um angesichts des Todes die Wahrheit von ihr zu erfahren. Er beschwört sie, ihm einen eventuellen Ehebruch zu gestehen, aber Anastasia leugnet selbst noch, als sie sich vergiftet weiß. Mississippi stirbt getäuscht, der Illusion verfallen, seine Ehe mit dem "Engel der Gefängnisse" habe wenigstens die Berechtigung seiner Hoffnung erwiesen, Anastasia sittlich zu heben, während der zurückkehrende Saint-Claude sich verspäteten Reflexionen darüber hingibt, wie er mit diesem "so nützlichen Geschöpf, mit dieser Hure Babylons", sich die ganze Welt hätte unterwerfen können, bevor er sich, den Beginn des Stückes wiederholend, von seinen Parteigenossen erschießen laßt.   Alle drei Hauptfiguren, radikale - und deshalb "blinde" Idealisten, scheitern an der Undurchdringlichkeit dieser Welt, die Anastasia repräsentiert; gerade ihr Tod widerspricht jedoch der inneren Logik des Stücks, in dem der Autor sie allein - neben Diego, dem kühlen, anpassungsbereiten Opportunisten hätte Überleben lassen sollen. Diego aber - und einzig er - macht im Gespräch mit Mississippi eine Bemerkung, die die Dialektik von absolutem Ideal und träger Wirklichkeit, um die das Stück kreist, aufhebt: "Die Welt ist schlecht, aber nicht hoffnungslos, dies wird sie nur, wenn in absoluter Maßstab an sie gerichtet wird. Die Gerechtigkeit ist nicht eine Hackmaschine, sondern ein Abkommen.

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