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  Buchbesprechung, mai/juni 1995

Literaturprotokoll, Gabriel Maresch 5.C Mai/Juni 1995 Alois Brandstetter: “Zu Lasten der Briefträger”  Der bekannte österreichische Gegenwartsautor Alois Brandstetter wurde am 5. Dezember 1938 im oberösterreichischen Pichl bei Wels als jüngster Sohn einer Müllersfamilie geboren. Früh entwickelte er eine starke Beziehung zur ländlichen Umgebung und Sprache. Nach der Matura 1957 ging Brandstetter nach Wien, wo er Germanistik und Geschichte studierte. Brandstetter dissertierte über “Laut- und bedeutungskundliche Untersuchungen an der Mundart von Pichl bei Wels”.

Ab 1960 arbeitete er als Assistent an der Universität des Saarlandes, ehe er 1970 mit der Arbeit über “Prosaauflösung. Studien zur Rezeption der höfischen Epik im frühneuhochdeutschen Prosaroman” habilitierte. Ein Jahr später wurde er zum Professor für deutsche Philologie ernannt. In dieser Zeit entstand auch “Überwindung der Blitzangst”, Brandstetters erstes Werk. Seit 1974 lehrt er an der Klagenfurter Universität und hat sich mittlerweile endgültig in Kärnten niedergelassen, wo er mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen lebt. Brandstetter wirkte 1979 in der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises mit und ist Mitglied des österreichischen PEN-Clubs.

  Werke (Auszug): “Überwindung der Blitzangst - Prosatexte”, 1971 “Ausfälle - Natur- und Kunstgeschichten”, 1972 “Daheim ist daheim - Neue Heimatgeschichten”, 1973 “Zu Lasten der Briefträger”, 1974 “Der Leumund des Löwen”, 1976 “Die Abtei”, 1977 “Vom Schnee der vergangenen Jahre”, 1979 “Von den Halbschuhen der Flachländer und der Majestät der Alpen”, 1980 “Die Mühle”, 1981 “Über den grünen Klee der Kindheit”, 1982 “Die Burg”, 1986 “Kleine Menschenkunde”, 1987 “Hier kocht der Wirt”, 1994   Preise: · Förderungspreis für Literatur des Landes Oberösterreich, 1973 · Förderungspreis für Literatur des Landes Kärnten, 1973 · Ehrengabe der Stiftung zur Förderung des Schrifttums, 1975 · Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Literatur, 1980 · Rauriser Bürgerpreis, 1983 · Wilhelm-Raabe-Preis der Stadt Braunschweig, 1984 Verfilmte Romane: “Die Abtei”, 1982 “Zu Lasten der Briefträger”, 1984 “Die Enthüllung” (=“Altenehrung”), 1985   Weiters: · Essays · In der Presse veröffentlichte Aufsätze · Gemeinsame Herausgabe von Büchern zusammen mit anderen Autoren   Inhaltsangabe  Der gesamte Roman besteht aus einem einzigen Monolog, mit dem sich der anonyme Beschwerdeführer an den Postmeister des kleinen niederbayrischen Ortes Prach wendet. Gegenstand der Beschwerde ist die Post im Allgemeinen und die drei Briefträger der Pracher Landpost im Besonderen. Vom Erzähler selbst erfährt man nur, daß er “draußen an der Tierkadaververwertung” lebt; seine Unzufriedenheit richtete sich aber ebenfalls gegen den Kaufmann, den Tierarzt, den Fleischhauer, die Lehrer und andere.  Die Post des anonymen Erzählers bekommt dieser von Ferdinand Ürdinger, einem Briefträger, der dem Biergenuß nicht abgeneigt ist und dessen Gestalt eine “gewisse Diskrepanz zu einem federleichten Luftpostbrief auf Seidenpapier” darstellt. Als Entschuldigung für das nur sporadische Eintreffen der Post beginnt Ürdinger von Rationalisierungsmaßnahmen zu sprechen, die nötig seien, da das Pracher Postamt hoffnungslos überlastet sei. Glaubt man aber dem Erzähler so liegt es nicht am Einholen und Sortieren des Postgutes, wenn die Arbeit die Briefträger überfordert, sondern allein an der Tatsache, daß das Lesen der Post die meiste Zeit in Anspruch nimmt; und dabei ist nicht das Lesen der Adressen gemeint, sondern vielmehr das der Briefinhalte und -texte.

Die drei Briefträger haben überdies nämlich ein ganz besonders Verhältnis zum Briefgeheimnis: Was die Post mit ihren Briefen macht ist allein ihre Angelegenheit, ein Geheimnis eben, das niemanden etwas angeht und im Grundgesetz verankert ist.   Im Grunde interessieren sich die Angestellten des Postmeisters nur für verschlossene Post, denn “ein Brief kann gar nicht so gut verschlossen sein, daß er sich bei entsprechender Behandlung nicht von selbst öffnet”. Jeder der drei Briefträger Ürdinger, Deuth und Blumauer hat daher seine eigenen individuellen Techniken, um Briefe kunstvoll zu öffnen und später unbemerkt wieder zu verschließen. Und da die Adressen immer schwerer zu entziffern sind, bleibt den Postboten nichts übrig als die Briefe zu öffnen, um zu wissen, was sie überhaupt geheimhalten sollen. Weil die drei ein Team sind, lesen sie sich die besonders interessanten und delikaten Schriftstücke gegenseitig vor, was den übrigen Postbetrieb natürlich aufhält.   Besonders sorgsam wird die ausländische, und da die englische Post, bearbeitet: Sie wird zwecks Übersetzung der Gattin Blumauers vorgelegt.


Da Maria “Mary” Blumauer aber grundsätzlich aus jedem Brief herauszulesen glaubt, daß dem Empfänger ein reicher Onkel aus Amerika gestorben sei und der Verwandte in Prach nun der Universalerbe wäre, wird das Poststück gleich mit Beileids- und Glückwunschsbezeugungen zugestellt. Überhaupt ist Englisch, wenn es nach Ürdinger geht, gar keine richtige Sprache; um Englisch sprechen zu können, müsse man “im wesentlichen nur einen Knödel in den Mund nehmen”, denn wo das Deutsche beim Knödel den Mund des Sprechers verlasse, genau da befinde sich die Sprachgrenze.   Eine der Ausreden der Briefträger ist weiters die Behauptung, wer sich so weit draußen ansiedle wie der Erzähler, sei ein Einsiedler und hätte also gar kein Interesse an einer regelmäßigen Postzustellung; ein sensibler Mensch, wie es ein Briefträger sei, habe also gar kein Recht in diese Privatsphäre einzudringen. Außerdem täten die Hunde ihr übriges tun um den Briefträger von seiner Pflicht-erfüllung abzuhalten. Bemerkt sei aber, daß sich Hund auf den Höfen wesentlich von ihren domestizierten Artgenossen im Zentrum unterscheiden; die rustikalen Caniden also im Gegensatz zu ihren urbanen Artgenossen Hatz auf alles machten, was sich bewege.   Ein weiterer Dorn im Auge der drei Briefträger sind die Wochenendhäuser der Münchner, die die Abkürzungen und Schleichwege der Postboten zunichte gemacht haben und nun die Postaustragerei einem Geländelauf gleichen lassen.

Eigentlich sind die Landhäuser nur Stadthäuser am Land; das Land ist vielmehr Raum zwischen den Städten, der von den Stadtmenschen erschlossen werden möchte. Das Landproblem wird, glaubt man dem Erzähler, folgenderweise gelöst: Das Land wird mit Schnellstraßen durchzogen und zubetoniert, so daß es gar kein Land mehr gibt, das ein Problem darstellen könnte. Wird ein städtischer Erholungsraum erst erschlossen, werden Bars und Hotels gebaut, so ist dieser kein Erholungsraum mehr; Ruhe wird erst einkehren, wenn alle Erholungsräume zu Ballungszentren geworden sind. Froh ist der Erzähler, daß Prach nicht als Erholungsort anerkannt ist, denn “für die Einheimischen sei es in einem Erholungsort nämlich gar nicht so erholsam”.   Deuth, der verhinderte Akademiker, behauptet, daß die Post “mit dem Quadrat der Entfernung vom Amt abnehme”, sich der Erzähler also gar nicht erst zu beschweren brauche. Außerdem sei es gar nicht einsichtig, ein Haus nur wegen einiger Drucksachen und Postwurfsendungen anzugehen.

Der Begriff “Postwurfsendung” ist bei den drei Briefträgern äußerst doppeldeutig zu gebrauchen, landet doch ein Großteil dieses Postgutes in der Aist . Für die Zeit des Wahlkampfes, in der die Haushalte von Propagandaschriften der Parteien nur so überschwemmt werden, haben der Sozialist Deuth und der Konservative Ürdinger ein Abkommen geschlossen: Es werden weder rote noch schwarze, und schon gar keine blauen Werbesendungen zugestellt. Da auch Blumauer neutral bleibt, glauben die Postboten Ruhe und Frieden in Prach gesichert zu haben.   Der Erzähler schweift nun kurz vom Postbereich ab und klagt über den eigentümlichen Gemeinschaftsgeist der Landleute. Fleischhauer und Tierarzt gäben beim Zeremoniell der Fleischbeschau ein einmaliges Team ab: Während sich die beiden über das gestrige Kartenspiel unterhalten, erklärt der Tierarzt seinem Freund zuliebe alle Schweine- und Rinderhälften; auch die von Maden durchzogenen mit einem Stempel für “Unbedenklich”. Zum Dank erhält der Tierarzt am Schluß einen schönen Schlögel.

Doch auch der Briefträger Ürdinger ist mit dem Tierarzt befreundet. So haben die beiden in einer durchsoffenen Nacht mit dem “Unbedenklich”-Stempel des Veterinärs aus Jux Ürdingers Briefe gestempelt.   An Ürdinger hat der Erzähler einiges auszusetzen. Ein Lichtblick ist aber, daß die Pensionierung des besagten Postboten in nicht allzuferner Zukunft bevorsteht. Doch Ürdinger weiß dem Pensionsschock vorzubeugen: Indem er immer mehr Arbeit abbaut, kann er fast unbemerkt in den Ruhestand hinübergleiten, wo sein liebstes Hobby, das Trinken, “nicht mehr durch den lästigen Dienst unterbrochen wird”. Ürdinger hinterließe aber ein nicht zu stopfendes Loch für seine zwei Kollegen, ist er doch als einziger in der Lage in Kurrentschrift geschriebene Briefe zu lesen.

Ürdingers Verhängnis sind die sieben Gasthäuser, an welchen er auf seinem Weg zur Verwertung vorbei muß. Meist ist sein Wille jedoch im fünften gebrochen, wo er sich zu seinen Saufkumpanen gesellt und ihnen Dichterlesungen hält. Als ein aufbegehrender Fremder sich einmal gegen die ürdinger’sche Verletzung des Briefgeheimnisses aufgelehnt hat, ist dieser kurzerhand von dessen Freund, dem Gendarmerieinspektor Naderhirn aus Lokal entfernt worden.   Franz Blumauer ist der Ästhet unter den dreien. Sein Ideal ist ein Briefträger an dem eine zierliche und schicke Posttasche hängt und nicht ein zentnerschwerer Behälter, an dem ein schwitzender Briefträger hängt. Blumauer hat hauptsächlich mit Frauen zu tun und er versteht es sich bei ihnen in Szene zu setzen.

Seine Methode ist das Loben und Preisen, um dem Bedürfnis der Frauen nach Anerkennung und Ermutigung gerecht zu werden. Meist kopiert Blumauer die abgegriffenen Floskeln der Werbesprache und lobt die ach so weiße Wäsche der Damen, um sich so Gehör zu verschaffen. Manchmal animiert er aber auch nur zu Eigenlob und bestätigt dann die Betreffende mit einigen “Ah”, “Oh” oder “Was sie nicht sagen”. Blumauer hält sich selbst für die Harmonie in Person, da er seine eigene Meinung stets zurückhält und so immer mit anderen übereinstimmt.  Ürdinger trägt ebenso wie Deuth seine Post zu Fuß aus. Da er auch im Krieg bei der Infanterie gewesen ist, hält er nichts von übertriebener Mobilität, einzig für ein Waffenrad alten Baujahres könnte er sich begeistern.

Heute seien alle Räder, ob Damen-, Herren oder Kinderrad, ohnehin nur mehr Montagsfahrzeuge, die sofort zusammenbrächen, setzte sich der gewichtige Postbote auf sie. Da auch die neuen Waffenräder nicht mit den alten zu vergleichen seien und Ersatzteile für die Originale nicht mehr zu bekommen sind, leistet Ürdinger “einen echten Beitrag zur Verkehrssicherheit und Unfallverhütung in Niederbayern”, indem auf die Fortbewegung zu Rad verzichtet. Deuth hingegen benutzt etwaige Tote bei Auto-rennen in Le Mans oder Indianapolis um seinen Verzicht auf Fahrzeuge zu rechtfertigen, denn man solle sich “Zeit nehmen und nicht das Leben”   Wieder läßt der Erzähler für kurze Zeit die Post beiseite und wendet sich dem Bruder des Postmeisters, dem Kaufmann von Prach, zu. Der Erzähler traut dem Kaufmann am ehesten den Beruf eines Pfarrers oder Politikers zu, als Kaufmann sei er aber gänzlich ungeeignet. So scheint er eine Antipathie gegen bestimmte Artikel zu haben; nur wenn die Nachfrage selbst nach Monaten noch nicht nachgelassen hat, kann er sich entschließen das gewisse Produkt doch nachzubestellen. Wechselgeld fehlt beim Kaufmann, der vom Erzähler nur als Krämer eines übergroßen Bauchladens bezeichnet wird, grundsätzlich.

Mark-beträge werden mit Briefmarken, Pfennigbeträge mit diversen Süßigkeiten abgegolten. Frauen, die für ihre Männer Beißzangen kaufen sollen, werden Baumscheren mitgegeben, einer Dame hat der Kaufmann sogar schon statt eines Kopftuches Filzpantoffel verkauft oder statt der verlangten Glühbirnen Grablichter veräußert. Um sein zu kleines Sortiment zu vertuschen, hält er sogar einem Kunden, der ein ganz bestimmte Delikatesse erwerben möchte, einen Vortrag über Askese, um nicht eingestehen zu müssen, daß er diesen Artikel nicht auf Lager hat.   Nun rückt der Erzähler den Postboten Karl Deuth ins Zentrum seiner Kritik. Wieder einmal zeige sich, daß der körperlich Schwächste seine Kollegen aufstachle und nach seiner Pfeife tanzen lasse. Deuth, der verzweifelt versucht, seinem Kollegen Blumauer die Vorzüge eines Bildungserlebnisses gegenüber einem Naturerlebnis zu erklären, resigniert.

Blumauer, für den die Naturerlebnisse meist in Gestalt von Frauen auftreten, schwärmt immer wieder von einer Kombination aus seinem Körper und Deuths Verstand. Deuth führt des weiteren auch die Heimatchronik. Er ist somit nicht nur über die erste urkundliche Erwähnung des Postfräuleins und -botens informiert, sondern Kraft seines Amtes auch für die Pflege des Brauchtums verantwortlich, was ihn daher in gewichtigem Maße von seiner postalischen Pflichterfüllung abhält. Einzig Jagd- und Posthorn würden miteinander kollidieren, meint der Chronist.   Sein Kollege Ürdinger hat dagegen eine ganz andere Einstellung zur Jagd. Ürdinger bewegt sich gemäß der hohen Schule der Kriegskunst, wobei es ihm vor allem um liegengebliebenes Wild geht, dessen er sich annehmen kann.

Hat der Briefträger einen unentdeckten Hasen in seiner Posttasche verstaut, sucht er den nächstbesten Wirten auf und läßt die Zustellung der Post für die Dauer des Mahles und der anschließenden obligatorischen Tischlesung ruhen. Für Deuth sind alle Jäger unzurechnungsfähig, der Jagdschein sei ihre Berechtigungs- und Krankheitsbestätigung. Wie leicht könnte ein die Felder durchstreifender Briefträger angeschossen werden; “Zu einer Schußwunde komme man leicht, anschließend zu seinem Recht nur schwer”. Die Jäger hielten dann zusammen, der Unglücksschütze sei unbekannt, nur den Unglücklichen, den das verirrte Geschoß getroffen hat, kenne man. Die Jäger würden aufgrund des krassen Mangels an flurschädigendem Getier zunehmend auf Bäckerjungen, Passanten und eben Briefträger ausweichen. Da sei es doch viel sicherer in der guten Stube zu sitzen und an der Chronik zu schreiben.

  In den Augen des Erzählers müßte eigentlich ein Lehrer die Dorfchronik schreiben. Die Lehrer wären einmal die kulturell Versiertesten gewesen, nun säßen sie aber nur mehr vor dem Fernseher oder wären auf Seminaren über Mengenlehre und Ganzheitsmethode. Die Ganzheitsmethode erregt ganz besonders den Unmut des Erzählers. Am Ergebnis selbst ändere sich nichts, nur der Weg dorthin wäre ein einziger Umweg; keine Ganzheits- eher eine Verzögerungsmethode. Der Schüler könne nach einem halben Jahr nicht nur noch gar nichts wissen, er dürfe auch noch gar nichts wissen; nämlich solange bis sich das Ahaerlebnis eingestellt habe. Allein das Einsehen, daß drei und vier sieben sei, könne seine Zeit dauern, mitunter komme das Ahaerlebnis erst gegen Ende des Grundschulunterrichtes.

Die Mengenlehre wiederum müsse eine sehr komplizierte Wissenschaft sein, daß die Lehrer nun schon über zwanzig Jahre lang jedes Wochenende bei Vorträgen über die Mengenlehre wären. So beginnt der Erzähler die Mengenlehre zu erklären, indem er die Lehrer in Teilgruppen gliedert. Das Vorhaben endet in einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, welche besagt, die Chance, daß ein Schüler einen nicht provisorisch geführten Zeichenunterricht bei einem kunstgeschichtlich gebildeten Lehrer genieße nähere sich stark null. Da dies auch für Mathematik, Deutsch, Chemie und alle anderen Fächer gelte, könne sich ein Schüler “nicht wegen des niederbayrischen Schulsystems bilden, sondern trotzdem”. Wer also diese Schulen mit einem gewissen Wissen verlasse, erweise sich unverwüstlich und von hoher eigenwüchsiger Intelligenz. Glaubt man dem Briefträger Ürdinger, so ist die ganze Problematik um die Schule nur durch das Fehlen der Prügelstrafe bedingt.

Zum Entsetzten seiner beiden Kollegen stellt er immer wieder fest, daß eine Schule ohne Prügelstrafe, wie eine Suppe ohne Salz sei.   Ein wesentlicher Bestandteil der Pracher Dorfgemeinschaft ist die hiesige Blasmusikkapelle. Doch die Mitglieder harmonieren beim gemeinsamen Spiel nicht miteinander. Die eine Gruppe der Musikanten beherrscht ihr Instrument und besitzt ein absolutes Gehör, kann aber nicht marschieren, hat Spreiz- oder Plattfüße oder ein anderes Gebrechen. Die andere Gruppe marschiert, wie sie es einst im Militär gelernt hat, spielt jedoch das Instrument wie ein Anfänger. Im Musikzug erweist sich diese Kombination jedoch als äußerst unglückselig und disharmonierend.

Eine ganz besondere Attraktion der Blasmusikkapelle ist der Hund Kara, der die große Trommel zu ziehen hat. Doch beginnt der Trommler zu heftig mit dem Einschlagen, kann es schon sein, daß das Tier “dem Vordermann einen Fetzen aus der Uniform reißt oder überhaupt ausreißt”. Beschränkt ist auch das Repertoire der Kapelle, welches meist noch aus alten Nazimärschen besteht. Der Teufel Alkohol, dem die meisten der Musiker erlegen sind, ist auch schuld, wenn in der Hitze des Gefechts Noten vertauscht werden und bei einer Hochzeit Trauermärsche zum besten gegeben werden.   Für ein Faß Bier darf die Blasmusikkapelle, die dann ein “Hoch soll er leben” spielt, von einem Gastdirigenten geleitet werden. Meist ist es der Freiherr von und zu Rietbach und Hallershausen, kurz “Von-und-zu” genannt, der den Musikern das edle Getränk aus eigener Brauerei spendet.

Der Erzähler beschwert sich über die stinkende Hühnerfarm des Freiherren. Alles, was vom Freiherrn komme sei gut, selbst wenn es, so wie der Hühnermist, zum Himmel stinke; vom “Von-und-zu” spreche man gar nicht, und wenn doch, dann nur gut. Ganz Prach verwandle sich in einen Freiluftstall, wenn der von den industriell ernährten Hühnern produzierte Mist auf die Felder des “Von-und-zu” aufgebracht werden. Viele Pracher, so auch Ürdinger, trösten sich in dieser Zeit des Gestankes mit dem freiherrlichen Bier und kehren vermehrt ein, während sich dieser bei seinen Verwandten in Schleswig-Holstein aufhält. Selbst Deuth, der sonst sozialistisch gesinnt ist, stellt sich nicht gegen den Freiherrn, da er von Zeit zu Zeit Führungen durch das Rietbacher und Hallershausener Anwesen leiteten darf, und so seinem Drang nach Wissensvermittlung gerecht wird. Deuth sei mit wehenden Fahnen übergelaufen und wäre, nachdem er von einem Adeligen eingeladen worden sei, “entweder sofort Monarchist oder aber für den Status quo”.

  Deuth ist ein sehr kränklicher Mensch. Das muß er auch sein, denn alle Künstler seien sensibel und empfindlich, man dürfe sie aber nicht mit der großen Mehrheit der Hypochonder verwechseln. Deuth ist an sich öfter im Krankenstand als im Dienst; dann leidet neben dem Briefträger auch die große Zahl der Pracher, die vergeblich auf die Postzustellung wartet. Deuth, der die meisten seiner Erkrankungen allerdings nur simuliert, hat bereits ein Gespür entwickelt, um sich vor Kontrolleuren der Krankenkasse zu schützen. Deuth genießt außerdem das äußerst seltene Wohlwollen des Amtsarztes, wobei laut Erzähler “Deuths Genie sicherlich in einer gewissen Weise mit seinem Glück zusammenhängt”. Attestieren Amtsärzte für gewöhnlich einem Armamputierten allerhöchstens eine “unerhebliche Arbeitsbeinträchtigung mangels linken Armes”, um so den Staat, und damit letztendlich auch wieder die Bürger, zu beschützen, so halten sie sich auch ein bis zwei Alibikranke.

Deuth ist einer davon; kommt er wegen Kopfweh, so wird ihm “unerträgliche Migräne” bescheinigt, fällt ihm ein Paket auf den Kopf, dann heißt es sogleich “Arbeitsunfall”.   Weihnachten ist eine besonders harte Zeit für die drei Briefträger. Nicht nur, daß das Postamt von Briefen überschwemmt wird, auch die Paketpost beginnt die drei zu überfordern. Besonders Pakete mit der Aufschrift “Vorsicht Glas” haben es den Briefträgern angetan. Es ist für sie dann eine regelrechte Aufforderung herauszufinden, ob sich in dem Paket wirklich Gläsernes befunden hat, indem sie mit ihm herumwerfen oder es zu Boden fallen lassen. Drei Viertel aller Pakete, auf denen “Vorsicht Glas” stünde, wären falsch deklariert.

Da müsse man eben nachprüfen, was nun wirklich aus Glas sei und was nicht.  Wenn dann Reklamationen über zerbrochenes Postgut einlangen, schieben es die drei Briefträger auf die Bahn. Post und Bahn dürften überhaupt gar nicht in einem Atemzug genannt werden. Während sich die Post gewissenhaft um Briefe und Pakete kümmere und Gewinn mache, litte das Postgut beim Bahntransport; die Verluste schreibende Bahn gehöre überhaupt unter die Verwaltung der Post gestellt. Für Deuth, der das Kursbuch der Bahn zum Lachen findet, dient dasselbe nur dazu, “um die Verspätungen ausrechnen zu können”. Im Kursbuch stünden nur Pläne und Absichten, es sei nichts anderes als eine Beispielsammlung der abstrakten Zahlentheorie.

  Der Erzähler schließt seinen Beschwerdemonolog mit dem Vergleich der drei Pracher Briefträger mit Karl Kalab, einem kriminellen Briefträger aus dem Österreich des vorigen Jahrhunderts. Dieser sei sogar den selbst schon verbrecherischen Landbriefträgern in jeder Hinsicht überlegen gewesen. Kalab sei man aber kurz vor seiner Erhebung in den Adelsstand auf die Schliche gekommen und habe ihn verhaftet. Für die über 56.000 zurückgehaltenen Briefe sei ein Sonderstempel angefertigt worden. Das Postgut sei damals mit dem Vermerk “Unterschlagen gewesen und wieder zustande gebracht” erst nach über dreijähriger Verspätung wieder auf die Reise geschickt worden.

 Stoff  Brandstetter wurde wahrscheinlich durch die Vorgänge und Ereignisse in seiner Heimat zur Niederschrift des vorliegenden Romans inspiriert. Die Beschreibung der dörflichen Antiidylle im niederbayrischen Prach verwendet er, um gekonnt und satirisch Gesellschaftskritik zu üben. Seine Gabe des treffenden und witzigen Formulierens, wobei es der Autor aber durchaus auch vorzieht, einen einfachen Sachverhalt umständlichst und kompliziertest darzulegen, setzt dieser in seinem ersten Roman so ein, daß er die etwas eigenartige Lebensbewältigung seiner Mitmenschen und deren teils schon kriminelle Auswüchse im Alltag, in einem, das ganze Buch füllenden Monolog beschreibt, wobei Brandstetter aber geschickt genug ist, die oftmals scharfzüngige Kritik den drei Briefträgern oder anderen Personen in den Mund zu legen. Entstanden ist “Zu Lasten der Briefträger” sicherlich auf Grund der bemerkenswerten Beobachtungsgabe des Autors und dessen Fähigkeit und Freude das Gesehene in Worte zu fassen.  Thema  Gegenstand der das gesamte Buch einnehmenden Beschwerde sind die drei Postboten des niederbayrischen Ortes Prach. Der Unbekannte klärt seinen Freund, den Postmeister aber nicht nur über die Machenschaften und Untaten von Ürdinger, Deuth und Blumauer auf, sondern übt auch heftige Kritik an anderen bedeutenden Personen und Einrichtungen von Prach.

 Motive  Herkömmliche literarische Motive sind im vorliegenden Roman wohl nur schwer zu finden, da es sich um keine gewöhnliche, in sich geschlossene, Erzählung handelt. Das Werk ist in Absätze gegliedert, wobei in jedem ein Themenbereich behandelt wird. Die Handlung beschränkt sich im wesentlichen auf die Erwähnung der von den Briefträgern begangenen Schandtaten und deren Ausreden, um ihre ständig unterlassene Pflichterfüllung zu rechtfertigen. Als wiederkehrende Motive, so weit das möglich ist, kann man bezeichnen:   Das systematische Öffnen der Briefe, und die dadurch bedingte Verletzung des Briefgeheimnisses, sowie dessen absichtliche Fehlinterpretation. Begründung: “Was die Post mit der Post mache, sei allein ihre Sache und ausschließlich ihre Angelegenheit, ein eigenes Geheimnis eben”.   Die Verwendung von absurdesten Entschuldigungen, um das unregelmäßige Eintreffen der Post zu rechtfertigen.

  Die Einstreuung von Zitaten und Redewendungen in lateinischer Sprache durch den gebildeten Briefträger Karl Deuth.   Die Bezeichnung des Erzählers als kritischen Geist und Querulanten durch die drei Briefträger.   Die satirische Durchleuchtung der ländlichen Strukturen und der Gesellschaft durch den Erzähler. Kritik in alle Richtungen, Rundumschläge gegen die moderne Zeit, gehen vom Anonymus aus. Ziel der Beschwerde, die an den Postmeister von Prach ergeht und teilweise auch allgemein gehalten ist, ist die Unterhaltung des Lesers durch Beobachtung und Aufdeckung von Schwächen und Fehlentwicklungen.  Schauplatz & Milieu  Ort der Handlung ist das kleine niederbayrische Dorf Prach.

Die örtliche Landpost wird von den Behörden nur als Viererposten und somit als wenig bedeutend anerkannt, was gelegentlich den Unmut der Briefträger nach sich zieht. Über den Ort und seine Bewohner wacht wie ein Schutzpatron der Freiherr von und zu Rietbach und Hallershausen in seinem Schloß. Ihm gehören auch weite Felder sowie eine Hühnerfarm und eine Brauerei. Im Dorf befinden sich Gemischtwarenhandlung, Fleischerei, Schule, Musikheim und ein Gendarmerieposten. Auch gibt es in Prach, sehr zum Gefallen des Postboten Ürdinger, insgesamt sieben Gasthäuser: Zur Post, Wurmhöringer, Zur Lokalbahn, Tante Pepi, Kallinger, Paulus und die Kantine der Tierkadververwertung. Außerdem durchzieht den niederbayrischen Ort, in welchen viele Münchner ein Feriendomizil ihr eigen nennen, die Aist, ein Fluß, in welchen die drei Briefträger Postwurfsendungen und ähnliche Drucksachen zu versenken pflegen.

Der Erzähler wohnt weitab vom Zentrum, in der Nähe der Tierkadaververwertung in Haus Nr. 23.  Charaktere & Konstellationen Ferdinand Ürdinger:Ürdinger ist das Paradebeispiel eines Alkoholikers, dessen Hauptbeschäftigung der übermäßige und uneingeschränkte Konsum von Bier ist. Nicht umsonst hat der Autor wohl den gewichtigen Postboten nach einer bayrischen Schnapssorte benannt. Ürdinger, dessen Motto “Dienst ist Schnaps und Schnaps ist Dienst” lautet, erweist sich naturgemäß als ein begnadeter Wirtshausbesucher und ist somit auch kulinarischen Genüssen nicht abgeneigt. Mit der Gestalt Ürdingers, der mit seinen Schrullen und Eigenheiten ein unverwechselbares Original ist, prangert Brandstetter den engstirnigen Gemütlichkeitsmenschen an.

Ursprünglich wegen einer Kriegsverletzung eingestellt, läßt er nichts Schlechtes über die Post kommen; verbissen wehrt er sich gegen den Versuch Post und Bahn zu vergleichen. Er spricht als einziger über seine Vergangenheit und seine Zeit beim Militär, von woher auch seine Vorliebe für die Jagd und das Entwenden von liegengebliebenem Wild herrührt. Er ist politisch konservativ eingestellt und eher für traditionelle Werte zu begeistern. So hält er alle Schulprobleme für gelöst, würde man nur endlich wieder die Prügelstrafe einführen. Für Motorisierung ist Ürdinger nicht zu haben, nur ein altes Waffenrad hält er für erstrebenswert. Wenn es um Ausreden geht, die mangelhafte Postzustellung zu rechtfertigen, zeigt sich Ürdinger, so wie seine zwei Kollegen auch, in der Regel recht erfinderisch.

Hauptgrund, warum er die außerhalb gelegenen Häuser so selten angehe, sei sein Einfühlungsvermögen, das ihm verbiete in die Privatsphäre, der offensichtlich ruhebedürftigen Menschen einzudringen. Außerdem machten die nicht domestizierten Hunde auf den Höfen eine regelmäßige Zustellung für den Briefträger zu gefährlich; daß der Erzähler gar keinen Hund besitzt, stört ihn aber nicht weiter. Ürdinger verletzt, ebenso wie seine Kollegen, systematisch das Briefgeheimnis und rühmt sich sogar seiner Fähigkeiten, einen Brief zu öffnen und anschließend so zu verschließen, daß man ihm die Sonderbehandlung durch den Briefträger nicht anmerkt. In nicht mehr ganz nüchternem Zustand gibt Ürdinger auch meistens in diversen Gasthäusern vor der grölenden Zuhörerschaft seiner Freunde besonders delikate und interessante Briefe zum Besten. Ürdinger ist der einzige der drei Postboten, der der Kurrentschrift noch mächtig ist, und stellt somit eine wichtige Stütze im Entziffern und Rezitieren der Briefe dar.Karl Deuth:Deuth ist der Gelehrte und Intellektuelle unter den drei Briefträgern.

Seine hohe Allgemeinbildung weiß er publikumswirksam zu verwenden, er liebt es seine Kollegen zu belehren und sein Wissen zu präsentieren. Außerdem weiß er durch mehr oder weniger passende Zitate, meist auf Lateinisch, zu bestechen, was ihm Ehrfurcht und Anerkennung seiner Freunde einbringt. Deuth fühlt sich als Künstler und ist der Meinung, er müsse als ein solcher sehr sensibel sein, was mit sich bringt, daß er mehr Zeit im Krankenstand verbringt, als im Dienst. Von seinen Kollegen als kränklich beschrieben, sitzt er während seiner Abwesenheit aber keineswegs zu Hause, sondern fühlt sich berufen, das Brauchtum zu erhalten, indem er an möglichst vielen Bräuchen aktiv partizipiert. Einzig wenn er weiß, daß ihm ein Kontrolleur der Krankenkasse den Besuch antragen möchte, setzt er sich in die Stube und spielt den Kranken. Bemerkenswert an Deuth ist seine Eigenschaft, Ürdinger und Blumauer wie nach Belieben zu kommandieren.

Die Initiative zur mutwilligen Zerstörung von Paketen zerbrechlichen Inhalts sowie zur Entledigung von lästigen Postwurfsendungen, indem sie in die Aist geworfen werden, gehen von ihm aus, und seine Kollegen tun es ihm gleich und übertreffen ihn sogar. Der begnadete Dichter reimt dann: “Ein Paket ist wie ein Ball, doch wird’s erst rund durch öfteren Fall; Pakete werden geschupft oder mit dem Fuß getupft”. Als Gebildeter sieht es Deuth, der übrigens auch die Heimatchronik führt, als seine Pflicht an, neben den widerrechtlich geöffneten Briefen auch fingierte Schriften anzufertigen, um sie Ürdinger zu seinen Lesungen mitzugeben; daß darin in wenig schmeichelhafter Manier aber von wirklich existierenden Personen die Rede ist, berührt ihn nicht. Deuth ist Sozialist, hat seine politische Gesinnung aber gründlich revidiert, seit ihm erlaubt ist, Führungen durch das Schloß des Freiherrn zu veranstalten. Seither hat er sich sehr gemäßigt und stellt die sozialistischen Ideale seinem Drang nach Anerkennung als intellektuelle Kapazität hintan. Deuth ist eine ängstliche Natur und zieht es bei der geringsten Gefahr vor den Rückzug anzutreten.

So ist während der Jagdsaison eine termingerechte Postzustellung äußerst unwahrscheinlich, denn da sitzt der große Meister zu Hause und schreibt an der Chronik. Franz Blumauer:Blumauer ist der Ästhet und Frauenheld. Er nützt seinen Beruf geschickt aus, um die Pracher und Fürstenfelder Hausfrauen für sich zu gewinnen. Er gibt vor ein Kenner der menschlichen, aber besonders der weiblichen, Psyche zu sein. Seine Uniform und die Posttasche, verwendet als Repräsentationsstücke; am liebsten möchte er sie auch sonntags tragen, um sich gekonnt in Szene zu setzten und die Frauen zu erobern. Stadtbriefträger, die man aufgrund ihrer völlig überfüllten Posttasche gar nicht mehr erkennen könne, verachtet er, der er das Schöne und Ästhetische im Postboten sieht.

Blumauer trägt als einziger der drei Briefträger seine Post mit dem Moped aus, natürlich wieder nur aus dem Grund des um zu gefallen. Er träumt stets von einer Kombination aus seinem Körper und dem Geist Deuths, den er genauso verehrt wie sein Kollege Ürdinger. Mit Deuths Verstand würde er sich nicht mit Pracherinnen begnügen, da würde man ihn schon eher in Monte Carlo oder Hollywood finden. Blumauer der ganz im Gegensatz zu Karl Deuth auf Naturerlebnisse, die für ihn meist Frauengeschichten bedeuten, eingeschworen ist, hat seine speziellen Techniken, um das andere Geschlecht zu gewinnen. Er bedient sich der Methode des Lobens und Preisens, wie er selbst sagt. Ganz nach dem Grundsatz “dreckig reden, nicht sein” stellt sich Blumauer auf die einzelnen Damen ein und versucht zuerst Tonart und Lautstärke des anzustimmenden Lobgesanges herauszufinden.

Das alleine müßte ihm schon einen Lehrstuhl für Panegyrik an der Universität einbringe, meint Deuth. Weiß er dann endlich, wie anzufangen, bedient er sich der Werbesprache um Anerkennung und Zufriedenheit zu spenden. Für Blumauer gilt: je einfacher und abgegriffener die Floskel, desto besser. Und so lobt der Postbote die “kuschelweiche” Wäsche, die Gardinen, um die die Hausfrau von allen beneidet wird, und den Sohn, der ein wahrer Prachtkerl sei, “dank Mutti”. Manchmal begnügt sich Blumauer aber auch nur den Anstoß zu Eigenlob zu geben und die Betreffende dann mit Ausrufen der Verwunderung weiter zu animieren. Blumauer gehört keiner Partei oder Gruppierung an, was sein Lob für jedermann empfänglich mache.

Er hält auch seine eigene Meinung zurück, damit “göttliche Harmonie herrscht, keine Spur von Widerspruch, kein Oppositionsgeist den himmlischen Frieden stört”, wie er sich auszudrücken beliebt.Andere:Neben den drei Hauptcharaktern kommen im Roman auch wiederholt andere Personen, wie der zur Fremdenfeindlichkeit neigende Gendarmerieinspektor Naderhirn, die dem Alkohol verfallenen Mitglieder der Blasmusikkapelle, der Tierarzt und sein Freund der Fleischhauer, der zur Unfähigkeit gestempelte Schuldirektor, sowie der kapitalistische Aristokrat Freiherr von und zu Rietbach und Hallershausen vor. Abgesehen vom Kaufmann, dem Bruder des Postmeisters, wird aber keine der Figuren näher charakterisiert. Vom Krämer erfährt man, daß er ein zwar großes Rednertalent, zur Leitung eines Geschäftes aber gänzlich ungeeignet ist. Seine Antipathie gegen bestimmte Waren bringt er mit grundsätzlichen Reden und Vorträgen zum Ausdruck, was natürlich nicht für seinen Geschäftssinn spricht. Andererseits versteht er es zu überreden und unverlangte und nicht benötigte Produkte zu verkaufen.

Erzähler:Der Erzähler ist ein kritischer Geist, von dem man nur weiß, daß er nahe der Tierkadaververwertung wohnt. Noch weniger ist über den Adressaten der Beschwerde, den Postmeister bekannt; man erfährt nur etwas über seine Mitarbeiter Ürdinger, Deuth und Blumauer.  Erzählform & -perspektive:  Brandstetter gliedert den gesamten Roman in einen Monolog. Er verzichtete dabei sogar auf die Einteilung in Kapitel. Es werden nur in einem fort die Missetaten der drei Briefträger behandelt. Unverkennbar ist dabei der dem Autor eigene Stil, der sich durch gewollte Umständlichkeit und ellenlange Abschweifungen auszeichnet.

Typisch für Brandstetter ist die Verwendung des Wörtchens “sagt”, bei Gebrauch der indirekten Rede; das besagte Verb kann bis zu drei- oder viermal in einem einzigen Satz vorkommen, wobei er sicherlich die sprachliche Unbeholfenheit und Schwerfälligkeit mancher Dorfbewohner vor Augen hat. Der Autor versteht es, durch seinen Stil und die von ihm gewählte Darstellungsform des Monologes, die Abartigkeiten des wenig idyllischen Lebens in Prach, an welchen vor allem die erwähnten Postboten Schuld tragen, satirisch und bisweilen auch sarkastisch wiederzugeben.  Zugang  Der Roman “Zu Lasten der Briefträger” machte den Autor bekannt, seinen etwas eigenwilligen, aber unverwechselbar humorvollen Stil berühmt. Die Werke Brandstetters reihen sich an die, anderer berühmter österreichischer Gegenwartsautoren nahtlos an; sein literarisches Vorbild Thomas Bernhard kann selbst der Autor nicht leugnen. So ist es geradezu die Pflicht eines literarisch interessierten Lesers, Brandstetter wenigsten zu streifen, denn hat er erst einmal einen Roman gelesen, wird er sich auch anderen Bücher Brandstetters nicht mehr verschließen können. Ich habe “Zu Lasten der Briefträger” bereits vor dem Verfassen des Literaturprotokolls zum ersten Mal gelesen und es als Paradeexemplar des humorvollen Erzählens der Gegenwart schätzen gelernt.

 Verständnis  Brandstetters Besonderheit, immer wieder lateinische Zitate einzustreuen, überträgt er in diesem Roman der Figur des gebildeten Briefträgers Karl Deuth. Die berühmten Aussprüche antiker Persönlichkeiten können mit Grundkenntnissen in Latein und mit Hilfe eines Wörterbuches übersetzt werden. Dem geringen Teil der Redewendungen, die sich noch immer nicht übersetzten lassen, kann mit dem Zitatenteil des Fremdwörterduden auf den Grund gegangen werden. Ein Fremdwörterbuch empfiehlt sich überhaupt, wenn Deuth seinem Kollegen Blumauer zum Beispiel einen Lehrstuhl für “Panegyrik” anträgt, wenngleich auch solche Ausdrücke nicht oft zu finden sind.  Wirkung  Die Darstellung der drei Originale Ürdinger, Deuth und Blumauer durch den Erzähler wirkt auf den Leser befremdlich bis erheiternd. Die drei Postboten, deren Fähigkeiten oder Unfähigkeiten durch die monolgische Erzählform noch übersteigert werden, ziehen den Unmut des Erzählers auf sich.

Wenngleich er auch mit ihnen manches Mal übereinstimmt, bleibt die bestimmende Aussage doch, daß die drei “die Wahrheit lügen würden”. Den Autor auf die Kritiken festzulegen, ist schier aussichtslos, da alles über die Post hinausgehende, als die Ausreden und Meinungen der Postboten ausgegeben werden kann. In gewissen Aussagen kommt der Erzähler nicht umhin sich augenzwinkernd mit den Aussagen Ürdingers, Blumauers, besonders aber Deutsch zu sympathisieren, um sich im nächsten Moment aber von den Grotesken und Banalitäten zu distanzieren. Der Leser wird durch die Schilderung der Briefträger, deren Freunde und des Ortes Prach, vor allem köstlich unterhalten.  Wertung  “Zu Lasten der Briefträger” stellt eine ganz besondere Form der unterhaltenden Erzählung dar. Brandstetter stellt sich als einer der schaffensfreudigsten Autoren der Gegenwart dar, und zeigt sich befähigt, den Leser an seiner Sichtweise der Auswüchse unserer Gesellschaft teilhaben zu lassen und ihn dabei oft zum Lachen oder zum Schmunzeln zu bringen.

Der Autor ist imstande, dem Wortspiel, mit dem einst Nestroy auf seine unvergleichliche Weise die Zuschauer zu begeistern wußte, in der heutigen Zeit, wenigstens in seinen Romanen, zu der Bedeutung zu verhelfen, die ihm gebührt. Brandstetter weiß mit seinen sprachlichen Mitteln zu bestechen und begeistern. Die bereits beträchtliche Leserschar, zu der auch ich mich zähle, weiß seine Werke zu schätzen und darf sich bei jedem der meist satirischen Romane des Klagenfurter Universitätsprofessors auf ein Leseerlebnis und -vergnügen von gehobenem österreichischen Niveau freuen.                                                    Gabriel Maresch, 5C     Literaturprotokoll Alois Brandstetter - Zu Lasten der Briefträger    Alois Brandstetter: “Zu Lasten der Briefträger” 1 Inhaltsangabe 2 Stoff 9 Thema 9 Motive 9 Schauplatz & Milieu 10 Charaktere & Konstellationen 11 Erzählform & -perspektive 13 Zugang 14 Verständnis 14 Wirkung 14 Wertung 15   

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