Literaturarbeit zu thomas bernhard
Literaturarbeit zu Thomas Bernhard
„Ein Kind“
Wer war Thomas Bernhard?
Ein großer Einsamer, ein Bauern- und Heimatdichter oder Bohemien und Großstadtflaneur, ein Pessimist oder ein Optimist, ein düsterer oder ein heiterer Autor?
Das Buch „Ein Kind“ wurde vom Thomas Bernhard im Jahre 1982 in Salzburg geschrieben. Es ist ein Teil der autobiographischen Pentalogie, zu der auch „die Ursache“ (1975), „Der Keller“(1976), „der Atem“(1978) und „Die Kälte“(1981) gehören. Alle diese Werke erzählen von der Kindheit und Jugend des Schriftstellers, die voller Demütigungen und Leiderfahrungen waren, und begründen auf diese Weise seine Lebenssicht.
Der Tagesspiegel schrieb:
„Die vorausgegangenen Bücher seiner Jugendgeschichte hatten Titel und Untertitel, treffende, sachliche, aber auch kühle und abstrakte:
Die Ursache. Eine Andeutung.
Der Keller.
Eine Entziehung.
Der Atem. Eine Entscheidung.
Die Kälte. Eine Isolation.
Das letzte und zugleich „erste“ Buch kann auf jede Erklärung verzichten: „Ein Kind“.
Ganz einfach, menschlich; es ist vielleicht das schönste, das Bernhard geschrieben hat.“
Biographie
Thomas Bernhard ist am 9. Februar 1931 als Sohn von Herta Bernhard, der Tochter von Anna Bernhard und dem österreichischen Schriftsteller Johannes Freumbichler in einem Kloster in Heerlen (bei Maastricht) geboren. Alois Zuckerstätter, der Vater des unehelichen Kindes, ein Tischler aus dem salzburgischen Henndorf, setzt sich nach der Geburt des Babys nach Deutschland ab. Seine Mutter flüchtet in das bekannte „Heim für gefallene Mädchen“, denn eine uneheliche Geburt wäre in dem provinziellen Henndorf eine Schande gewesen: „ In Henndorf, dem kleinen Nest, wäre meine Geburt völlig unmöglich gewesen. Ein Skandal und die Verdammung meiner Mutter wären die unausbleibliche Folge gewesen.
..“-> ( Seite 57).
Nach der Geburt muss die Mutter die Kosten abarbeiten, während das Baby in Rotterdam in Pflege ist. Ein Jahr lang wagt sie nicht, ihren Eltern in Wien die Geburt zu melden, doch als sie es tut, wird sie mit offenen Armen empfangen. Nach zwei Jahren in Wien ziehen die Großeltern mit seinem Enkel nach Seekirchen um, während die Mutter mit ihrem angetrauten Mann, Bernhards Vormund, in Wien bleibt.
Ab diesem Moment befindet sich der Junge ganz in der Obhut seiner Großeltern. Bereits mit viereinhalb Jahren geht der junge Bernhard in die Schule, wo er im ersten Schuljahr sehr gute Noten bekommt. Doch in der zweiten Klasse ändert sich alles und in der dritten bleibt er fast sitzen.
Anfang 1938 heiratet seine Mutter Emil Fabjan, der als Friseurgehilfe in Traunstein in Deutschland eine Arbeit findet. Die Mutter nimmt nun ihren Sohn wieder zu sich und die Großeltern kommen auch nach. Auch hier hat der Junge Schulprobleme.
Als „Esterreicher“ wird er noch dazu von seinen Mitschülern verspottet. In dieser Kleinstadt macht Bernhard seine ersten Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus. Im Herbst 1943 wird er in einem nationalsozialistischen Erziehungsheim in Salzburg aufgenommen. Die Schulzeit in diesem bis Ende 1944 nazistischen, ab Wiedereröffnung im Spätsommer 1945 katholischen Gymnasium, ist für ihn eine Qual. Er beschreibt diese Tage in seinem ersten direkt autobiographischen und durchaus polemischen Buch „ Die Ursache“. Nach einem schweren Bombenangriff wird er nach Traunstein zurückgeholt.
Sein Großvater drängt auf die künstlerische Ausbildung seines Enkels. Er lässt ihm Zeichen-, Mal- und Gesangsunterricht geben. 1945 kehrt Bernhard nach Salzburg zurück und besucht ein humanistisches Gymnasium. Zwei Jahre später beendet er vorzeitig seine Schulausbildung und beginnt eine Kaufmannslehre. Lebensgefährlich an Lungentuberkulose erkrankt, wird der 16-Jährige im Zuge verschiedener Klinikaufenthalte mit Sterben und Tod konfrontiert. Unmittelbar zuvor wird auch sein Großvater eingeliefert.
Der Großvater stirbt am 11. Februar 1949 an einer Nierenkrankheit. Der Tod dieses Mannes, so schrecklich und vernichtend er sich auf den Jungen hätte auswirken können, ist auch eine Art Befreiung und führt zu seiner Besserung: „ Die plötzlich durch den Tod des Großvaters klargewordene Tatsache, allein zu sein, hatte alle Lebenskräfte in mir sich auf dieses Ziel, gesund zu sein, konzentrieren lassen“ (Aussage T. Bernhards).
In den anschließenden Aufenthalten in Sanatorien und Lungenheilstätten, die sich bis zum Jahre 1951 hinziehen, beginnt Thomas Bernhard intensiv zu lesen und zu schreiben. In diese Zeit fallen seine ersten lyrischen Versuche.
Während seiner Aufenthalte stirbt seine Mutter an Krebs. In der Lungenheilanstalt Grafenhof bei St. Veit lernt er die 35 Jahre ältere Hedwig Stavianicek kennen und daraus ergibt sich eine große Freundschaft. Sie begleitet ihn bis zu ihrem Tod im Jahre 1984. 1950 wird Bernhards erste Prosa im „Salzburger Volksblatt“ veröffentlicht („Vor eines Dichters Grab“) und 1951 geht er nach Wien, wo er Musik studieren will. Finanzielle Not bringt ihn bald nachhause zurück, wo er 1952 am Salzburger Mozarteum Gesang, Regie und Schauspielkunst zu studieren beginnt.
Den Lebensunterhalt verdient er sich durch seine Tätigkeit als Gerichtsreporter für das „Demokratische Volksblatt“ und durch gelegentliche Beiträge für die Zeitschrift „ Die Furche“. 1957 schließt er sein Studium ab und verlässt das Mozarteum mit dem festen Entschluss, er wird „nie etwas damit zu tun haben“. In diesem Jahr erscheint auch der erste Gedichtsband „ Auf der Erde und in der Hölle“. Von nun an lebt er als freier Schriftsteller, teils in Wien und teils auf dem Tonhof in Maria-Saal bei Klagenfurt. Er ist auch in der Bibliothek des Österreichischen Kulturinstituts in London tätig und wohnt kurzzeitig in Polen. 1963 erscheint Bernhards erster Roman „Frost“ und ein Prosaband unter dem Titel „Ereignisse“.
Mit diesen Werken gelingt ihm der literarische Durchbruch. In rascher Folge erscheinen zahlreiche weitere Romane und Erzählungen: „Amras“(1964), „Verstörung“(1967), „Das Kalkwerk“(1970), „Korrektur“ ( 1975), „Der Untergeher“(1983), „Alte Meister“(1985) und „Auslöschung“ (1986).
Ab 1970 wird Bernhard auch zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Dramatiker. Insgesamt achtzehn Theaterstücke werden aufgeführt. Zwischen 1975 und 1982 veröffentlicht er fünf autobiographische Erzählungen: „Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“. Öffentliche Anerkennung wird ihm unter anderem mit der Verleihung des Bremer Literaturpreises (1965), des Georg-Büchner-Preises (1970), des Premio Mondello (1983) und des Prix Medicis (1988) zuteil.
Am zwölften Februar 1989 stirbt der österreichische Autor. Nur einen Tag zuvor, am 11.Februar jährt sich auch der Todestag seines Großvaters zum vierzigsten Mal. Der zeitliche Zusammenfall erscheint wie ein äußerliches Symbol für die außerordentliche Bedeutung, die diese ungewöhnliche Persönlichkeit für Bernhards Leben und Werk hatte.
Zwei Tage vor seinem Tod unterschreibt er sein Testament, wo er folgende Verfügung trifft: „ Weder aus dem von mir selbst veröffentlichen, noch aus dem nach meinem Tod gleich wo immer noch vorhandenen Nachlass darf auf die Dauer des gesetzlichen Urheberrechtes innerhalb der Grenzen des österreichischen Staates, wie immer dieser Staat sich kennzeichnet, etwas in welcher Form immer von mir verfasstes Geschriebenes aufgeführt, gedruckt oder auch nur vorgetragen werden. Nach meinem Tod darf aus meinem eventuell gleich wo noch vorhandenen literarischen Nachlass, worunter auch Briefe und Zettel zu verstehen sind, kein Wort mehr veröffentlicht werden.
“
Dieses Testament kommt nur fragmentarisch an die Öffentlichkeit.
Im Jahr 1998 wird dieses Aufführungsverbot durch eine Initiative der Thomas Bernhard-Stiftung wieder aufgehoben und die Stücke dürfen neu inszeniert werden. Zudem wird der Nachlass durchforstet und Neuerscheinungen sind bald wieder möglich.
In einem 1978 im „Spiegel“ erschienen Artikel stellte Gabriele Wohmann fest, dass es auf Thomas Bernhard keine „gleichmütig duldende, gelassene Reaktion“ gebe. In der Tat reagieren die einen empört und durchaus ablehnend, während die anderen Bernhard und seine Werke leidenschaftlich verteidigen; die eine Seite schmäht Bernhard als einen monomanen „Untergangshofer“, während die andere ihn als „ den totalen illusionslosen Menschen“ feiert.
Die menschliche Existenz ist mit dem Leiden verbunden.
Das eigentliche Wesen der Existenz liegt im Tod: "... Wenn wir ein Ziel haben, so scheint mir, ist es der Tod ...
" (Verstörung).
Er ist eben ein Autor, der niemandem gleichgültig lässt, der mit ihm in Berührung kommt. Man wird von seiner Literatur entweder angezogen oder abgestoßen, wie der obengenannte Zitat zeigt.
Bernhard hat aber wie kaum ein anderer höchste künstlerische und höchste menschliche Kompromisslosigkeit in seiner Person und seinen Werken vereint. Das bezieht sich auf seine stilistische wie ebenso politische Unbestechlichkeit. Er hat nie zu literarischen Gruppen und Moden gehört.
Er war ein Solitär, der auf dem Boden der österreichischen Geistesgeschichte gewachsen ist. Der Aufbau und Stil dieses Buches verraten die Schreibweise, in der er seine Autobiographien geschrieben hat. Erzähltechnisch lassen sich in den Werken drei verschiedene Ebenen unterscheiden:
Auf der Ebene des Geschehens vermittelt Bernhard Kindheitserlebnisse, Erzählungen der Figuren und schließlich die Lebensgeschichten der Familienmitglieder und die Geschichte seiner Herkunft.
Auf einem höheren Grad der Abstraktion stehen Erzählerkommentare, die sich auf Gefühle und Empfindungen des erinnerten Ichs beziehen. Dabei wird natürlich die Situation thematisiert.
Die Erzählerkommentare sind mehrschichtig, da sie andererseits auch Reflexionen über den Schreibprozess enthalten und die Möglichkeiten des autobiographischen Schreibens problematisieren.
Außerdem erhalten sie Zitate, die sowohl kommentierend als auch gliedernd eingesetzt werden.
Die fünfbändige Geschichte seiner ersten neunzehn Jahre ist jedoch keine Autobiographie im herkömmlichen Sinne, denn die Absicht des Verfassers ist nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, sein eigenes Leben zu beschreiben. Dieses „Memoirengebäude“ mit fünf Stockwerken ist eine höchst komplexe Konstruktion und eine primär literarische Autobiographie. Das heißt nicht nur, dass sie aus einer Mischung von „Dichtung und Wahrheit“, aus Faktischem und Übertreibung besteht, es heißt auch, dass sie Kunstcharakter hat. Diesen „Kunstcharakter“, diese literarische Intention erkennt man schon aus den vorausgestellten Zitaten, die jedem Band eine Art Stimmung verleihen und deren Thematik in jedem Band beherrschend ist. Wenn man zum Beispiel als Vorwort zu „ Ein Kind“ das Mutter-Zitat liest: „Du hast mir noch gefehlt! Du bist mein ganzes Unglück.
Dich soll der Teufel holen! Du hast mein Leben zerstört! Du bist an allem schuld! Du bist ein Nichtsnutz wie dein Vater!“, so kann man sicher sein, dass es in diesem Band Bernhards Erzählintention ist das familiäre Verhältnis und die Auswirkung dessen auf das Kind zu zeigen.
„Kunstcharakter“ heißt letzten Endes also, dass das eigentliche Thema der Autobiographie nicht das Leben von Thomas Bernhard ist, sondern das Leben überhaupt, genauer gesagt, eine spezifische Auffassung vom Leben, nämlich die des literarischen Subjekts.
Diese Autobiographie, eine echte Tirade gegen die feindliche Außen- und Umwelt, der das aufwachsende Kind ausgeliefert war, ist eine biographisch fundierte und literarische Rechtfertigung der anderen Werke Bernhards, die immer in fiktiver Gestalt ebenfalls einen hoffnungslosen Kosmos schildern.
So gesehen bilden die Autobiographie und die übrigen Werke eine Einheit nicht nur weil beide Krankheit(„Verstörung“, „Ein Fest für Boris“), Isolation („Auslöschung“, „Frost“, „Verstörung“)und Tod („Beton“, „Heldenplatz“, „Der Untergeher“) thematisieren, sondern auch , weil sie , trotz allem , Protokolle einer verzweifelten Überlebenslust sind.
Wir müssen sagen, wir haben nie etwas mitgeteilt, dass die Wahrheit gewesen wäre, aber den Versuch, die Wahrheit mitzuteilen, haben wir lebenslänglich nicht aufgegeben.
Wir wollen die Wahrheit sagen, aber wir sagen nicht die Wahrheit.
Wir beschreiben etwas wahrheitsgetreu, aber das Beschriebene ist etwas anderes als die Wahrheit! Wir müssten die Existenz als den Sachverhalt, den wir beschreiben wollen, sehen, aber wir sehen, so sehr wir uns bemühen, durch das von uns Beschriebene niemals den Sachverhalt.
T.Bernhard
Inhaltsangabe
Das Buch umfasst die Jahre von der Geburt des Schriftstellers in den Niederlanden bis zum Eintritt in ein Salzburger Internat. Es beginnt mit der gewagtesten Tat des Achtjährigen, der verbotenerweise das Fahrrad seines Vormunds aus dem Schuppen holt, seine erste Runde darauf dreht, und auf den Geschmack gekommen , gleich beschließt in das 36 Kilometer entfernte Salzburg zu fahren .
Während der Fahrt erreicht sein Selbstbewusstsein ungeahnte Dimensionen( „ Wenn die Meinigen wüssten , was ich, durch einen durch nichts vorher angekündigten Entschluss schon erreicht habe..
.....“ Seite 8) und zwar scheitert das Vorhaben, und er muss sich schuldbewusst und voller Angst, mit dem kaputten Fahrrad von fremden Bauernburschen nachhause bringen lassen, doch der Großvater nimmt das Kind in Schutz vor der Mutter und erkennt den Wert des Ereignisses.
In diesem Moment kommt es zu einer Retrospektive und Bernhard beginnt von seiner Geburt in Holland zu erzählen. Nach einem Jahr reist seine Mutter mit ihm nach Wien und gesteht ihren Eltern sein Dasein. Aus dieser Zeit hat Thomas Bernhard noch einige Bilder in Erinnerung, die er auch erzählt.
Nach dieser Zeit kommt der abrupte Aufbruch aus Wien nach Seekirchen . Dort wohnt er mit seinen Großeltern bis zu seinem achten Lebensjahr, was er als eines der schönsten Abschnitte in seinem Leben beschreibt. Er darf auch ein Jahr früher in die Schule eintreten und bereut diesen Entschluss später.
Er verliert immer mehr und mehr das Interesse an der Schule und entgeht knapp der Schande in der dritten Klasse sitzenzubleiben, indem er nach Traunstein in Bayern zu seiner Mutter umziehen muss. Kurz danach kommen die Großeltern nach.
Er gewöhnt sich schwer an das Kleinstadtleben und ist ein Außenseiter ,der dem Spott seiner Mitschüler hilflos ausgeliefert ist. Da seine Mutter nicht mehr mit ihm fertig wird, schickt sie ihn in ein Erholungsheim , dass sich als ein Heim für schwer erziehbare Kinder herausstellt. Dort fühlt er sich noch isolierter als daheim. Nach einigen Monaten darf er wieder nachhause fahren und dort muss er bald dem „Jungvolk“ beitreten , wo er aber zu einem Held wird.
Die Lehrer und Mitschüler fangen an ihn zu respektieren , seine Noten werden besser und er macht auch seine ersten sexuellen Erlebnisse durch. Ohne, dass er es merkt , hört er auf bettzunässen.
Das Buch endet mit der Entscheidung des Großvaters seinen Enkel nach Salzburg und nicht in die Handelsakademie in Passau zu schicken ( „Wie gut , dass es nicht Passau ist, dass ich Salzburg für dich bestimmt habe..“ ->S.167)
Das Fahrraderlebnis bildet ein Zentrum des gesamten Bandes.
Es ist zugleich auch das erste Glied einer Reihe von Befreiungsakten.
Das Buch wird aus der Ich- Perspektive erzählt und es gibt die Kindheitserinnerungen eines Erwachsenen wieder.
Charakteristik der Hauptpersonen:
Thomas :
Thomas Bernhard ist ein sehr aufgewecktes und intelligentes Kind. Er hört seinem Großvater sehr gerne zu und liebt die Spaziergänge mit ihm . Er ist von Natur aus starrköpfig und gibt sich nicht gerne geschlagen. („Es wäre ganz gegen meine Natur gewesen, nach einigen Runden wieder abzusteigen.
-> s.11“) Das Verhältnis zu seiner Mutter ist aber auf keinen Fall das beste. Der junge Bernhard empfindet zwar „naturgemäß“ Liebe für seine Mutter, gleichzeitig aber den ständigen Hass auf seinen Vater. In einem Satz, der sich über mehr als eine Seite hinzieht , deutet der Ich-Erzähler seine „ schwierige Beziehung“ zu seiner Mutter an , da ihr „letzten Endes“ seine „ Existenz immer unbegreiflich gewesen ist“ und sie sich mit dieser Existenz „niemals hatte abfinden können“. Er hasst die Schule und schwänzt sie auch öfters. Er will nicht angstvoll das Gebäude betreten und es immer weinend verlassen.
Mathe und alle anderen Fächer sind nicht gerade seine Stärke und sie machen ihm auch keinen Spaß, sondern langweilen ihn zu Tode. Dass er aber ohne Erlaubnis nicht in die Schule geht, ist nicht das Einzige ist , was auf seiner „Verbrecherliste“ steht.
Thomas ist ein Einzelgänger. Er hat keine Freunde und ist einsam. In der Schule wird er meistens ausgelacht und einer der Gründe dafür ist, dass seine Mutter kein Geld hat. Als seine Schulkollegen noch merken , dass er aus Österreich kommt, geben sie ihm den abwertenden Spitznamen „Esterreicher“.
Da er auch Bettnässer ist, wird er im Erholungsheim die ganze Zeit benachteiligt. Das kommt aber wieder davon, dass er zuhause Probleme hat. Seine ganze Kindheit ist eigentlich ein Teufelskreis aus dem er weder hinein oder hinaus weiß.
Der junge Thomas macht auch sehr früh konkrete Bekanntschaft mit dem Tod
Bereits in jungen Jahren stirbt sein bester Freund an einer unerklärlichen Krankheit. Tagelang geht er auf den Friedhof , doch nach einiger Zeit merkt er, dass seine Bitten nichts nützen und die Beschwörungen völlig umsonst sind.
Als er fünf Jahre alt ist besucht er zum ersten mal am Sonntag eine Kirche und da beginnt er sich zu wünschen, dass möglichst viele sterben sollen, weil es nach jeder Messe eine Würstelsuppe gibt.
An diesem Verhalten kann man seine Einstellung zu anderen Menschen erkennen. Und ich würde in diesem Fall nicht sagen, dass er das absichtlich böse meint. Er ist ein kleines Kind, dass noch nicht wirklich über den Tod nachdenkt, und aus seinem Leben nur Vorteile ziehen kann. Und die Suppe ist auf jeden Fall ein Vorteil. Er behandelt die Menschen auch so , wie sie ihn behandeln. Alles beruht bei ihm auf Gegenseitigkeit.
...
Erst schon fast am Ende seiner Kindheit, als er dem Jungvolk beitreten muss, bekommt Thomas von den anderen Anerkennung. Er wird in der Schule immer beliebter und als er sämtliche Rekorde aufstellt, wird er für die meisten Schüler sogar zu einem Held. In diesem Moment hört das Bettnässen auf.
Doch er ist kein Anhänger von dem Nationalsozialismus, und bald hat er es auch satt immer die gleichen stupiden Lieder singen zu müssen.
Ich denke , dass der Thomas Bernhard kein „schlimmes Kind“ in diesem Sinne war, sondern jemand , der ganz einfach mütterliche Liebe gebraucht hat. Vielleicht wollte er mit seinen Taten unbewusst Aufmerksamkeit auf sich richten, er wollte ganz einfach anerkannt werden. Und ich glaube, das verdient jeder.
Mutter :
Sie ist eigentlich keine Erzieherin und leidet unter der despotischen Geistesgröße ihres Vaters, obwohl sie ihn zutiefst verehrt. Da das Kind sie an „ihren Mann“ erinnert, schlägt sie den Jungen für jedes Versehen mit einem Ochsenziemer, oft mit den Worten : „ Du bist so ein Nichtsnutz wie dein Vater!“
Doch mit diesen Sätzen macht sie ihren Sohn mehr als unglücklich und die Worte wirken auch mehr als jeder Schlag .
Sie fühlt sich auch von allen verlassen und hat keine Erwartungen vom Leben. Am liebsten schiebt sie allen anderen die Schuld in die Schuhe, weil es immer leichter ist jemanden anderen für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen. Sie ist eigentlich eine Persönlichkeit mit einem schwachen Charakter, die mit den Alltagsproblemen nicht fertig wird.
Großvater:
Dieser Mann ist ein „Aussteiger“, ein Anarchist, eine idealistische Person ohne Beruf, „die schon in frühester Jugend dieser sogenannten Normalität entflohen war“(s.44). Er will sich niemandem unterordnen und ist gegen die Gesellschaft.
Manchmal versinkt er auch in seinen Gedanken oder besser gesagt in seiner eigenen „besseren“ Welt. Er ist gegen die Lehrer und bezeichnet die Schulen als „ Fabriken der Dummheit und des Ungeistes“. Deswegen hat seine Tochter nie eine Schule besucht und wurde nur von ihm unterrichtet. Der Großvater hasst auch Politiker und sieht sich als einen „Weltverbesserer“, aber nur im theoretischen Sinne. Als erster Mensch erklärt und konfrontiert er den kleinen Bernhard mit dem Wort „Selbstmord“. Fast sein ganzes Leben bleibt er ein Schriftsteller ohne Erfolg.
Er lebt von der Arbeit seiner Frau, die ihn gleichsam anbetet. Er steht jeden Tag um drei Uhr auf, um dann bis neun Uhr zu schreiben. Erst im Alter von sechsundfünfzig Jahren findet er durch Vermittlung einen Wiener Verleger, der seinen ersten Roman annimmt. Er liebt sein Enkelkind und ist auch sein Erzieher. Die täglichen Spaziergänge der beiden sind nichts anderes als Unterricht über Naturgeschichte, Mathematik und Philosophie. Der Großvater will den jungen Bernhard zum Künstler erziehen.
Schon früh kümmert er sich um die musikalische Entwicklung des Kindes . Er steht seinem Enkel auch immer zur Seite und gibt ihm Rückhalt und als einziger Mensch Liebe.
Die Persönlichkeit des Großvaters fasziniert mich auf irgendeine Weise. Ich glaube, wenn er seine Gedanken und Ideen umsetzen könnte, wäre er ein Mensch, der viel in dieser Welt ändern könnte. Ich finde es auch toll, dass er den kleinen Thomas als einen Erwachsenen behandelt. Das macht dieses Kind zu etwas Besonderem.
Thomas Bernhard an der Schreibmaschine seines Großvaters in Obernathal
Wir geben oft nach, geben oft auf, der Bequemlichkeit Willen. Aber um den preis des Lebens, der ganzen Existenz, von welcher ich ja nicht wissen konnte, wie viel wert sie im Grunde war und vielleicht noch einmal sein wird, selbst wenn ich weiß, dass das Grübeln darüber sinnlos ist ,weil am Ende dieser Grübelei die Sinnlosigkeit triumphiert, die absolute Wertlosigkeit, davon abgesehen.
T. Bernhard
Der historische und politische Hintergrund
Thomas Bernhard wird im Jahre 1931 geboren, also in der Zwischenkriegszeit. Die soziale Lage im Staat war zu diesem Zeitpunkt sehr schlecht und viele Menschen, noch fertig nach dem ersten Weltkrieg, litten Hunger und Not. Deswegen zogen die Großeltern und die Mutter des Thomas Bernhard auch aus Österreich nach Deutschland um.
Es war auch der Anfang der Hitler-Propaganda. Viele Bildungsstätten wurden zu diesem Zweck verwendet und „das Jungvolk“ und „die Hitlerjugend“ entstanden.
Als Bernhard acht Jahre alt war, begann der zweite Weltkrieg.
Bernhards Hassliebe zu Österreich
Als sich Bernhard immer wieder gerne von Österreich entfernte, war er anderswo schon ein Repräsentant der Weltliteratur, zu dem ihn das offizielle Österreich erst posthum machen sollte. Denn Thomas Bernhard ist weit mehr als die Summe seiner Skandale (von "Holzfällen" bis "Heldenplatz"). Er ist ein in ambivalenter Hass-Liebe zu Österreich verhafteter, künstlerisch weit über Österreich hinausweisender Schöpfer eines einzigartigen Universums.
Bernhard ist überdies ein Zeitzeuge, der immer wieder gegen die verlogene, vom Verschweigen und Verdrängen geprägte österreichische Nachkriegsgesellschaft angeschrieben hat und die Nazistruktur im Charakterpanzer auch vieler heutiger Menschen freizulegen imstande war.
Bernhards gesamtes Prosawerk- und die Autobiographie steht darin an zentraler Stelle - kann als nie ein abreißender Roman gelesen werden, der von der Befreiung und vom Scheitern, von Selbstverwirklichung und Determination handelt. Einer umfassenden Typologie des Ausbrechens, der Revolte und der Flucht steht spiegelbildlich diejenige zerstörter Hoffnungen und ruinierter Existenzen gegenüber.
Seine Helden irren durch die Welt und das Schicksal holt sie immer ein.
Die wahnhaften Monologe Bernhardscher „Geistesmenschen“ sind Entwürfe der Gegenwelt, die sich radikal von der bestehenden Gesellschaft abzutrennen und nur den Gesetzen ihrer immanenten Logik zu folgen versucht. Doch ihr Denken steht unter dem Bann der Herkunft, mit der abzurechnen ihr ganzes geistiges Potential in Anspruch nimmt.
Offen gesagt finde ich dieses Buch wirklich gut. Es hat was an sich und reißt den Leser mit, sodass er sich in die Lage des Ich- Erzählers versetzen und auch seine Gefühle nachempfinden kann. Doch Bernhards Lebensansichten, die im „Kind“ als auch in anderen Werken vorkommen, sind meiner Meinung nach sehr pessimistisch und ich könnte damit nicht wirklich etwas anfangen, weil ich der Meinung bin, dass das Wichtigste im Leben ist, immer positiv zu denken. Das ist das Einzige was uns alle am Leben erhält.
Wir erkennen uns in jedem Menschen, gleich, wer er ist, und sind zu jedem dieser Menschen verurteilt, solange wir existieren.
Wir sind alle diese Existenzen und Existierenden zusammen und sind auf der Suche nach uns und finden uns doch nicht, so inständig wir uns darum bemühen.
T. Bernhard
+: Insgesamt hervorragendes Referat, das neben einer Biografie und Fotos von Bernhard eine intelligente Analyse des Werks bietet. Sehr aufschlußreich sind die beigefügten Hintergrundinformationen.
-: Kleine sprachliche Mängel. Kein Literaturverzeichnis.
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