Michael Köhlmeier
"Telemach" Dieser Roman des Vorarlberger Schriftstellers ist 1995 erstmals in München gedruckt und verlegt worden. Mit diesem erfolgreichen Buch festigte Köhlmeier seinen hohen Stellenwert als kreativer Romanautor im deutschen Sprachraum.
1.1.
Die Erzählung bringt uns einen Teil von dem Homerischen Epos "Die Odyssee" näher. Die Handlung wurde aber frei von Köhlmeier modifiziert und in die Gegenwart transferiert.
Telemach, der halbwüchsige Sohn des Odysseus und der Penelope, dem Königspaar der Insel Ithaka, ist sie zentrale Figur der Geschichte. Sein Vater ist noch immer auf der Heimfahrt von Troja und wird zur Zeit von der Nymphe Calypso aufgehalten.
Penelope, die geduldig wartende Ehefrau, wird in ihrem Haus von einer riesigen Schar von dekadenten Freiern belagert. Telemach wird von der Göttin Pallas Athene aus seiner Untätigkeit gerissen. Zuerst schlüpft sie in den Körper des Mentes von Taphos. Doch dieser wehrt sich gegen den göttlichen Eindringling.
Athene besetzt deshalb den Körper des Lehrers Mentor des Telemachs. Gemeinsam mit der Hilfe von ihm und der Göttin erwacht der junge Königssohn und erkennt den Ernst der Lage. Denn seine Mutter wird von dem bekanntesten Freier Antinoos heftigst umworben und sie ist drauf und dran nacht zugeben. Bevor er sich auf die Suche nach seinem Vater begibt, erklärt er der schamlosen Meute seinen Plan. Diese schmieden daraufhin Pläne, Telemach bei seiner Heimkehr zu ermorden. Telemach und Mentor kommen zunächst nach Elis, wo der Jugendliche fast gefangen genommen wird von dem Zauber dieser Stadt.
Doch Mentor schleppt ihn zu König Nestor nach Pylos, einem Kriegskameraden des Odysseus. Dort verfällt er der Tochter Nestors, Penelope, und schläft mit ihr, obwohl er in Ithaka eine Freundin hat. Der wohlwollende Nestor schickt Telemach mit seinem Sohn Peisistratos und einem Jeep und genügend Geld auf die Suche mit dem Tip, Menelaos in Lakadaimon aufzusuchen. Auf einer langen und ereignisreichen Reise, wo die beiden zu echten Freunden werden, erreichen sie die gigantische Großstadt. Dort werden sie von dem berüchtigten, schwarzen Bandenkönig Meter, in den Pallas Athene eingefahren ist, zum alten, schwerkranken Kriegsveteranen Menelaos gebracht. Dieser macht nur Andeutungen über den mysteriösen Verbleib Odysseus.
Die beiden jungen Erwachsenen verlassen dennoch optimistisch die Megacity. Das Ende bleibt offen.
1.2.
Ich glaube, Köhlmeier war beim Schreiben dieses Buches sehr daran interessiert, ein nicht allzu bekanntes Stück aus dem Epos zu nehmen, um es in unsere Zeit umzuwandeln. Er versuchte, großteils dem Original treu zu bleiben.
Die Namen und die Städte blieben dieselben, obwohl er Vergleiche mit gegenwärtigen Personen und Orten sicherlich zuläßt, vielleicht sogar beabsichtigt. Bestimmt wollte der Schriftsteller auch am Beispiel der Freier zeigen, wie sehr eine Gesellschaft verkommen kann, die schon alles besitzt und noch mehr fordert. Er zeichnet auch ein zweischneidiges Bild von Antinoos, der ein Doppelleben führt. Am Tag ist er um Penelope bemüht und umgarnt sie zärtlich, des Nächten treibt er als gefürchtete Figur durch die Stadt und läßt der bösen Seite seiner Seele freien Lauf. Etwas, was auffällt, ist die nüchterne Beschreibung von Ithaka einerseits und die bilderreiche Schilderung lebensfroher, quirliger Städte im Süden auf der anderen Seite.
1.
3.
Hier schließe ich irgendwie nahtlos zum vorigen Punkt an. Köhlmeier vermittelt ein sehr anschauliches Bild jener Welt, die er da in seinem Buch beschreibt. Es reicht von elitär und dekadent (Ithaka) über bunt, fröhlich und arm (Elis, Pylos) bis erdrücken, gewalttätig und überwältigend (Lakadaimon). Außerdem legt er besonderes Augenmerk auf die streitbare Pallas Athene. Er erzählt nicht nur vom lange andauerndernden Konflikt zwischen Athene und Hera, sondern auch von den Problemen, die sie hat, wenn sie als Göttin sich gewaltsam die Herrschaft über einen fremden Körper verschafft (Mentes, Mentor, Meter).
Köhlmeier fand eben auch Parallelen, die es in der Gesellschaft des antiken Griechenlands gab und auch heute noch bei uns gibt. Er verband geschickt die verschiedensten sozialen Extrema von den Superreichen bis zu den ärmsten Schluckern. Auch die Beschreibung der Landschaften läßt fast nichts aus. In Ithaka schreibt er von einer fruchtbaren Gegend, in Elis erzählt er von maritimen Verhältnissen und Pylos bezeichnet er als Wüstennest. Lakadaimon könnte man als Sinnbild für die moderne Großstadt sehen, wie Tokyo oder New York: groß, überfüllt, voller Gewalt, abweisend und anziehend zugleich.
1.
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