Handke, peter
Peter HandkePeter Handke (1942)
Biographie:
Peter Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren. Er verbrachte seine Kindheit in ärmlichen Verhältnissen und die Jugendjahre von 1954 bis 1959 in der Beengtheit eines katholisch-humanistischen Knabeninternats. Nach dem Abitur 1961 in Klagenfurt studierte er Jura in Graz. Als sich 1965 der erste literarische Erfolg ankündigte, brach er das Studium ab und wurde, seinen frühesten Wünschen entsprechend, freier Schriftsteller. Er heiratete die Schauspielerin Libgart Schwarz und zog mit ihr 1966 nach Düsseldorf und 1968 nach Berlin, wo im Jahr darauf seine Tochter Anima geboren wurde.
Im selben Jahr ging er nach Paris, 1971 nach Köln, 1972 nach Kronberg, Taunus. Nach der Trennung von Libgart Schwarz zog er 1973 mit seiner Tochter wieder nach Paris und 1979, um dem Kind eine österreichische Gymnasialbildung zu ermöglichen, nach Salzburg. Lebt heute in der Nähe von Paris.
Der bis dahin unbekannte 43jährige Autor Peter Handke wurde schlagartig berühmt, als er 1966 auf einer Tagung der Gruppe 47 in Princeton den gestandenen Kollegen „Beschreibungsimpotenz“ vorwarf und die Kritiker der Unfähigkeit bezichtigte, andere als die abgedroschene Beschreibungsliteratur zu beurteilen. Auf dieser Tagung las er aus seinem ersten Roman „Die Hornissen“ vor. Mit diesem wie auch mit seinem 2.
Roman „Der Hausierer“ hatte er wenig Erfolg.
Mit seinem nächsten Text „Publikumsbeschimpfung“ blieb aber Handke im Gespräch. 1968 folgte das erste abendfüllende Stück „Kaspar“. Die in den Jahren 1968 bis 1970 entstandene „Hörspiele“ und das Sück „Der Ritt über den Bodensee“ beschäftigen sich wieder modellhaft experimentierend mit Sprache und Kommunikation. Erst mit dem Stück „Die Unvernünftigen sterben aus“ nähert sich Handke einer zusammenhängenden, dramatischen Fabel. In der erzählenden Prosa vollzog Handke die Wendung zur zusammenhängenden Fabel mit dem Roman „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“.
Als besonders klar und gelungen gelten der autobiographische Roman „Der kurze Brief zum langen Abschied“, in dem Handke die Trennung von seiner Frau als eine Reise zu sich selbst verarbeitet, und das als „Wunschloses Unglück“ geschilderte ausweglose Leben seiner Mutter, die 1971 mit 51 Jahren den Freitod wählte.
Werke:
„Die Hornissen“ (1964), „Der Hausierer“ (1966). Romane
„Publikumsbeschimpfung“ (1966, Sprechtext für die Bühne)
Handke führt die durch Brecht eingeleitete Auflösung des klassischen Theaters fort, indem er dessen Darbietungs- und Rezeptionsweisen bewußt macht: Er läßt vier Sprecher, einzeln oder im Chor, litaneiartige rhythmische Satzfolgen zum Thema Theater und Theaterkonsum sprechen. Am Ende wird das Publikum beschimpft und mit eben den Klischees verhöhnt, mit denen es selbst und die Kritiker sonst die Schauspieler loben. - Kritiker vermerkten, daß dieses Bühnenstück mit seinem vorgegebenen Text den Rahmen, den es selbst benutzt, zwar in Frage stellt, nicht aber zu sprengen vermag. Handke untersagte weitere Aufführungen.
„Kaspar“ (1968, Theater)
Kaspar selbst hat mit jenem geheimnisvollen Kaspar Hauser, der vor 150 Jahren aufgetaucht und ebenso geheimnisvoll verschwunden ist, nichts als den Namen und den Mangel der Sprache zum Zeitpunkt der Auffindung gemeinsam. „Ich möcht´ein solcher werden, wie einmal ein anderer gewesen ist“, ist Kaspars Wunsch, den er in vielen Formen von Gleichgültigkeit über Leidenschaft bis zum Haß variiert. Das Erlernen der Sprache bringt für Kaspar das Erkennen der Umwelt und schließlich die Erkenntnis seiner selbst. Diesen Vorgang nennt der Autor „Sprachfolterung“. Denn durch die Sprache wird Kaspar manipuliert. So bricht er unter den immer lauter und eindringlicher werdenden Zurufen der Einsager, abgespaltener Kaspars, bewußtlos zusammen.
Kaspar erkennt: „Schon mit meinem ersten Satz bin ich in die Falle gegangen.“
Jantzer !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Peters Handkes Kaspar gliedert sich in 65 Abschnitte und einer einleitenden Regieanweisung. Der Titel spielt auf die historische Figur des Kaspar Hauser an, einem geheimnisvollen Findling aus dem vorigen Jahrhundert, der isoliert und ohne Sprechkontakt in einem dunklen Verließ aufwuchs und erst mit 16 Jahren mit Sprache konfrontiert wurde.
Die Regieanweisung:
Das Stück Kaspar zeigt nicht, wie es wirklich ist oder wirklich war mit Kaspar Hauser. Es zeigt, was möglich ist mit jemanden. Es zeigt auch, wie jemand durch Sprechen zum Sprechen gebracht werden kann.
Kaspar betritt eine Welt in der Sprache ist. Unsichtbare Einsager bringen ihm Worte Sätze und die Sprache bei, liefern aber damit eine bestimmte Auffassung von der Welt und schreiben ihm sein Verhalten vor. Sie beginnen auf ihn einzureden, zerstören ihm den einen Satz, (Ich möchte ein Solcher werden wie ein Anderer gewesen ist.) der doch unbewußt den Wunsch enthält, ein Mensch zu werden; Sie bringen ihm neue Begriffe bei, verbinden sie mit Eigenständigen. Über die Sprache erkennt Kaspar die Funktion der auf der Bühne verstreuten Gegenstände. Er beginnt sie zu ordnen, zu einer gemütlichen Stube, in der kein Widerspruch mehr ist.
Die Szenen verbinden sich mit dem, was die Sprache intendiert: (auf etwas hinzielen) Ordnung machen. Er bekommt Ordnung in die Grammatik, Ordnung in sein Denken. In dem, was den Menschen Kasper da eingeblasen wird, entpuppt sich Handkes Sinn für die soziale und politische Macht der Sprache.
Die Einsager liefern Modelle für Formen der Schlußfolgerung, des Vergleichens der Definition. Kaspar bildet analoge Sprachfiguren aber die Einsager sind noch nicht fertig, die Erziehung ist noch nicht abgeschlossen, denn nun wird sprechen dürfen auch sprechen müssen. Sie fordern Anpassung.
Am Ende des Stückes verfügt Kaspar über eine Sprache die er auch versteht. Er ist zu einem funktionierenden Mitglied der Gesellschaft geworden.
Jantzer !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
„Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ (1969, Roman)
Der Monteur Josef Bloch, ehemaliger Fußballtorwart, verreist nach dem Mord an einer Frau in ein abgelegenes Grenzdorf. Die Entdeckung durch die Polizei steht bevor. Aber nicht was Bloch zustößt, sondern seine innere Entwicklung, der Prozeß seiner Entfremdung ist das Thema. Seine Umweltwahrnehmung wird durch Schuldgefühl und Angst gestört.
In dem Grenzort ist ein Schüler tot aufgefunden worden: der Fall wird nicht zu Ende geführt; wir erfahren nur, daß dieser Tod ein Unfall war. Während eines Fußballspieles schildert Bloch einem Fremden die Gefühle eines Tormannes, der einen Elfmeter erwartet.
Handkes 3. Roman kann als Kriminalroman gelesen werden. Erzählt wird ganz aus der Perspektive des Täters, ohne daß die Formelemente Motiv, Tat, Verfolgung usw. verwendet werden.
Die Technik ist die gleiche geblieben: minutiöse Beschreibungen, in denen die Wörter an die Stelle der Dinge treten, manchmal werden an Stelle der Dinge drucktechnische Bilder gesetzt. Denn die dinge mit der Sprache erfassen, wird für den Autor wie für den „Helden“ hoffnungslos.
„Der kurze Brief zum langen Abschied“ (1972, autobiographischer Roman)
„Wunschloses Unglück“ (1972, Erzählung)
„Die linkshändige Frau“ (1976, Erzählung)
„Langsame Heimkehr“ (1979, Erzählung)
„Der Chinese des Schmerzes“ (1983, „Schwellenroman“)
„Die Wiederholung“ (1986, Erzählung)
„Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum sonoren Land“ (1990, Theaterstück)
„Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ (1992, Schauspiel)
„Langsam im Schatten“ (1992)
Wunschloses Unglück
Entstehung:
Peter Handke erzählt, angeregt durch einen Zeitungsartikel, vom Leben und anschließenden Selbstmord seiner Mutter.
Inhalt:
Frau Handke wurde ungefähr 1920 in einem kleinen Dorf in Kärnten geboren. In jener Zeit, als die Wünsche der Frauen noch nicht respektiert wurden, in jener Zeit, als die Hauptaufgabe der Frauen darin bestand Kinder zu bekommen, die Wohnung sauber zu halten und dem Mann wohlgesinnt zu sein. Jene Zeit, als die meisten Bürger mittellos waren.
Frau Handke stammte, väterlicherseits, von slowenischen Bauern ab und mußte von klein auf viele Dinge aus Geldmangel entbehren. Nach der Grundschule machte sie gegen den anfänglichen Willen ihres Vaters eine Ausbildung zur Köchin und Stubenmädchen und kam auch ins Ausland. Während des Krieges verliebte sie sich in einen verheirateten deutschen Soldaten und wurde schwanger. Kurz vor der Niederkunft heiratete sie einen Unteroffizier der deutschen Wehrmacht, von dem sie zwar verehrt wurde, dessen Gefühle sie aber nicht erwiderte. Daraufhin lebte sie kurze Zeit bei der Familie ihres Mannes in Berlin und zog wieder zu ihren Eltern nach Kärnten.
Nach dem Ende des Krieges zog sie zu ihrem Mann und führte des Kindes wegen eine, nach außen hin ordentliche, Ehe.
Ihr Mann entwickelte sich zum Trinker, sie bekam mittlerweile ein zweites Kind und trieb ein drittes, ohne Wissen ihres Mannes, ab. Kaum dreißig mußte sie sich immer mehr den allgemeinen Normen anpassen und ein patriarchalisches, gesittetes Leben führen. Nach weiteren Abtreibungen bekam sie noch 2 Kinder, und aus der anfänglichen Zweckgemeinschaft mit ihrem Mann wurde eine Beziehung voll Haß und Verachtung. Nach der Besetzung Berlins kehrte sie mit ihrem Mann und den Kindern nach Österreich zu ihrer Familie zurück. Die dortige Gesellschaft verlangt noch mehr Anpassung als ihr möglich ist, und es beginnt ein stetiger Verfall ihrer Persönlichkeit. Sie hat zwar mittlerweile einen bescheidenen Wohlstand erreicht, doch körperlich und seelisch geht es bergab mit ihr.
Sie leidet an ständigen Kopfschmerzen und wird schwach. Im November 1971 nimmt sie eine Überdosis ihrer Tabletten und beendet ihr qualvolles, ereignisloses und unbefriedigtes Dasein.
Textstelle: „Wunschloses Unglück“, Seite 17 - Seite 20: Lebenslauf der Frauen
Hummel Martina: (4HNA 1995/96)
>en Titel "Die linkshändige Frau" nimmt Handke von einem in der ghlung zitierten Schlager "The Lefthanded Woman". Diese Marianst eine verspätete Nora, die ihre Freiheit sucht und sich deshalb von ,...
Mann Bruno, Vertreter einer Großfirrna, trennt, im Gegensatz zu ,a aber ihr Kind Stefan behält und in der Wohnung bleibt, während ihren Mann fortschickt. Eben ist er von einer mehrwöchigen Geiftsreise aus dem Norden zurückgekehrt, hat mit ihr einen festlichen cnd und eine Nacht im Hotel verbracht, nun trennt sie sich von ihm, ihre Selbständigkeit zu erringen und zu sich selber zu finden. Ihren )ensunterhalt verdient sie mit Übersetzungsarbeiten für einen Verle. Zwar sieht Bruno diese Trennung zunächst nur für eine Schrulle an u versucht mehrmals, Marianne zur Rückkehr zu bewegen, muß aber @ennen, daß es keine gibt, obwohl Marianne in ihrer selbstgewählten isamkeit unglücklich ist und verkümmert. Neue Menschen treten in Leben. Eine zufällige Feier vereint diese in Mariannes Wohnung zu nz, Trunk und Gespräch.
Kontakte werden nicht gefunden, jeder -'bt für sich in seiner Isoliertheit. ,i
Wunschloses Unglück
(Biographie über seine Mutter)
Der Autor:
Handke erlebte eine Kindheit in äußerst beengten Verhältnissen unweit der jugoslawisch-slowenischen Grenze; er besuchte die Dorfschule in Griffen (Kärnten), ein katholisches Internat in Tanzenberg und bis zum Abitur ein Gymnasium in Klagenfurt. Das Studium der Rechtswissenschaften in Graz brach er 1965 kurz vor dem Abschluß nach Annahme des Romanmanuskriptes Die Hornissen ab. Nach häufigem Wohnsitzwechsel (Graz, Düsseldorf, Frankfurt und USA) lebt er seit 1979 in Salzburg.
Personen:
Mutter
Vater (leiblicher Vater)
Stiefvater und Ehemann seiner Mutter
Bruder: Zimmermannmeister
Inhalt
Geboren wurde seine Mutter damals in üblich ärmlichen Verhältnissen. In Ihren Volksschuljahren wurde Sie von ihren Lehrern als sehr begabt eingestuft.
Später wollte Sie sich auch weiterbilden, doch in dieser Zeit war dies für eine Frau fast bis nahezu unmöglich. Mit 15 Jahren ging Sie von Zuhause fort, um in einem Hotel als Köchin eine Lehre zu beginnen. Sie lebte sich in der Stadt schnell ein und später nahm Sie sogar eine Stelle im Ausland an (Zimmermädchen im Schwarzwald). In den Jahre des Anschlusses an das Hitlerdeutschland wurde Sie zu einer selbständigen Frau. Sie bekam ein selbstbewußteres Auftreten, und verlor auch Ihre Berührungsängste. So kam auch die erste Liebe mit einem Parteigenossen.
Er war zivilberuflich ein Sparkassenangestellter und beim Heer war er ein Zahlmeister. Er brachte Sie auch in andere Umstände. Doch er war verheiratet, aber trotzdem war Sie in ihm verliebt. Kurz vor der Entbindung heiratete Sie einen Unteroffizier, dem es nichts ausmachte, daß das Kind nicht von ihm stammte. Sie liebte zwar den Unteroffizier nicht, aber man redete Ihr ein, daß es nicht gut sei in dieser Zeit eine Alleinerziehende Mutter zu sein. Sie lebte, bis die ersten Bomben auf Berlin fielen, bei den Eltern ihres Mannes.
Später zog Sie wieder zurück nach Kärnten. Nach Kriegsende zog Sie mit ihrem Mann in Berlin zusammen. Sie entwickelte sich zu einer Dame, bekam ein noch eleganteres Auftreten als früher. In der eigenen Wohnung wurde Sie mehr und mehr unglücklich, denn Ihr Mann begann zu Trinken und wurde dabei auch gegen Sie gewalttätig. Draußen der Siegertyp, drinnen die schwächere Hälfte, der ewige Verlierer. Im Frühsommer 1948 verließ Sie mit ihrem Ehemann und mittlerweile 2 Kindern den Ostsektor, um zurück zu Ihrem Geburtsort nach Österreich zu fahren, wo ihr Mann einen Job als Zimmermann, bei Ihrem Bruder, annahm.
Hier kam es zum Höhepunkt der Demütigung. Sie war bereits Mutter von 4 Kindern und Ihr Mann schlug Sie immer mehr. Sie mußte sehr oft zu Ihrem Bruder betteln gehen damit Ihr Mann die Stellung nicht verlor. In den Wirtshäusern versoff er den Großteil des Monatslohnes. Dadurch mußte die Familie in sehr großer Armut leben. Nachdem die ersten Haushaltsgeräte in die Haushalte ihren Einzug hielten, hatten die Frauen dadurch mehr Zeit sich Ihren eigenen Interessen zu widmen.
Sie begann viele Bücher zu lesen. Von diesem Zeitpunkt an ging es mit Ihr aufwärts, Sie fing an, sich zu behaupten. Sie änderte die Einstellung zu vielen Dingen und als Sie wegen Krebsverdacht einige Tage im Krankenhaus verbringen mußte, bekam Sie sogar Mitleid mit Ihrem Ehemann, da er bestimmt nur kaltes Essen zu sich nehmen würde. Einer Ihrer Söhne fuhr ohne Führerschein das Auto kaputt und wurde dafür eingesperrt, Sie glaubte, daß Sie daran schuld wäre. Dies könnte auch ein Grund dafür sein, daß Sie später unausstehliche Kopfschmerzen bekam. Im Hochsommer fuhr Sie 4 Wochen nach Jugoslawien um Ihre Schmerzen zu linder bzw.
zu heilen.
Als Sie sich entschlossen hatte den FREITOD zu wählen, schrieb Sie allen Angehörigen Abschiedsbriefe: z.B.: an Ihrem Mann, welcher zu dieser Zeit in einem Sanatorium verbrachte: „Du wirst es nicht verstehen, aber an ein Weiterleben ist nicht zu denken.“
Danach fuhr Sie in die Landeshauptstadt, besorgte sich mit dem Dauerrezept, daß Ihr der Hausarzt verschrieben hatte, etwa hundert kleine Schlaftabletten, mit denen Sie sich dann auch vergiftete.
Besonders eindrucksvoll schildert Handke die sozialen Zwänge, denen seine Mutter (als Beispiel für viele ) ausgesetzt war.
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