Wie immer sind die werke, die am umstrittensten und unverständlichsten scheinen, jene, die dem autor bekanntheit verschaffen
PETER HANDKE
Wunschloses Unglück
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter
Publikumsbeschimpfung
Wie immer sind die Werke, die am umstrittensten und unverständlichsten scheinen, jene, die dem Autor Bekanntheit verschaffen. Die meisten verbinden Peter Handke mit „dem Theaterstück, in dem er sein Publikum beschimpfen lässt“ [sprich: „Die Publikumsbeschimpfung“] sowie mit skurrilen Textauszügen wie zum Beispiel „Die japanische Hitparade am 25. Mai 1968“ oder „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg vom 27. 1. 1968“
Doch wer ist dieser Peter Handke?
Peter Handke ist wohl einer der unverständlichsten und unverstandensten deutschen Autoren.
Durch seine provokante Art und seine Aufsehen erregenden Aktionen hatte er einen fixen Platz bei den Medien inne.
Spätestens durch seine bestrittene Serbien-Einstellung teilte sich die Bevölkerung in 2 Lager: jene, die ihn für einen aufmüpfigen, narzißtischen Provokateur halten und jene, die ihn als strikten Gegenstromschwimmer bewundern...
In meinem Spezialgebiet möchte ich den Mythos Peter Handke ein wenig näher beleuchten:
BIOGRAFIE
- * 6. Dezember 1942 in Griffen/Kärnten
- Vater: Zahlmeister beim Militär und Mitglied der NSDAP
- Er wird von seiner Mutter, einer Köchin, großgezogen
- Seine Mutter heiratet kurz nach seiner Geburt einen deutschen Unteroffizier, der nach dem Krieg als trunksüchtiger Straßenbahnschaffner und später als Bäcker in Berlin arbeitet, wohin die Mutter mit dem kind zieht [1944-1948]
3 Jahre nach Kriegsende kehrt sie nach Griffen zurück (dort besucht Handke die Volksschule)
in Tanzenberg besucht er ein katholisch-humanistisches Gymnasium, das mit einem Internat für Priesterzöglinge verbunden ist
Matura macht er allerdings nach einem Schulwechsel in Klagenfurt [1961]
- verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Berlin [1944-48]
- von 1961 bis 1965 studierte er Jura in Graz, wo er mit den avantgardistischen Schriftstellern um das „Forum Stadtpark“ und mit der Zeitschrift „manuskripte“ in Kontakt kam
diese Schriftsteller wurden mit der Sammelbezeichnung „Grazer Gruppe“ zusammengefasst
1966 wird Peter Handke auf der Tagung der Gruppe 47 in Princeton(USA) schlagartig berühmt, als er der, inzwischen zur Kritikvereinigung gewordenen, Gruppe „Beschreibungsimpotenz“ vorwirft.
Dies beschleunigte die Auflösung diese Gruppe und machte Handke bei einem größeren Lesepublikum bekannt.
- Im Jahr 1966 heiratete Peter Handke Lipgart Schwarz, eine Schauspielerin, mit der er 1969 eine Tochter mit dem Namen Amina bekam.
- 1971 beging seine seine 51-jährige Mutter Maria Selbstmord. Vor ihrem Selbstmord verfasste sie aber noch einen Brief an Peter, in welchem sie erklärte, dass es unvorstellbar zu leben sei. Durch dieses dramatisches Ereignis entstand 1971 sein Werk “Wunschloses Unglück”, eine Art Biographie über das tragische Leben seiner Mutter.
- 1972 ließ er sich von Lipgart scheiden und erzog seine Tochter alleine.
Dadurch entstand im Jahr 1981 das Buch : “Kindergeschichte”, in dem er seine Probleme als Alleinerziehenden beschreibt.
- Wichtige Reisen führten ihn früh nach Jugoslawien, Rumänien und in die USA. Die Erfahrungen seines längeren Aufenthaltes in Amerika spiegelt der Reiseroman “ Der kurze Brief zum langen Abschied” von 1972.
- Mehrfach wechselte Handke seine Wohnsitze :Graz, Düsseldorf, Berlin, Paris, Köln, Frankfurt/M., Kronberg im Taunus. 1978/79 lebte er in der USA.
Im Herbst 1979 übersiedelte Handke nach Salzburg, damit seine Tochter ein deutschsprachiges Gymnasium besuchen konnte.
- Seit 1991 lebt der Schriftsteller in Chaville bei Paris, wo er mit der Schauspielerin Sophie Semin 1992 seine zweite Tochter, mit dem Namen Leocadie, bekam.
Im Jahre 1973 wurde Handke mit dem “Georg-Büchner-Preis” ausgezeichnet, 1979 erhielt er den “Franz-Kafka-Preis”. Den letzten Preis, den serbischen Literaturpreis (“Goldschlüssel von Smederevo”) erhielt er 1998.
Man kann sagen, dass Peter Handke nun seit dreißig Jahren seine Leser immer wieder überrascht. Zum Teil durch seine Romane, Erzählungen und Theaterstücke.
Allein schon deren Titel sind schon zur Alltagssprache geworden. Um nur einiges zu nennen: Die Angst des Tormanns beim Elfmeter, Der kurze Brief zum langen Abschied, Als das Wünschen noch geholfen hat, Mein Jahr in der Niemandsbucht.
Eines seiner zentralen Themen ist der Zustand von der Welt mittels der Sprache.
Für jeden seiner Romane gilt: wovon er erzählt, wie er erzählt, so war es bisher noch nicht zu lesen gewesen.
Durch den engen Kontakt von Handke zum “Forum Stadtpark” ist es ihm in erster Linie zuzuschreiben, dass Graz Anfang der 70-er Jahre den Beinamen “heimliche Literaturhauptstadt” erhielt.
GRAZER GRUPPE
Ist im Gegensatz zur Wiener Gruppe eine sehr lose Verbindung von Dichtern.
Ihre Zusammenarbeit beruht in den Anfangsjahren auf dem gemeinsamen Willen
gegen das literarische und kulturell rückständige Klima in Graz anzukämpfen
Begründer ist Alfred Kolleritsch (*1931), der seit der Gründung des
„Forum Stadtpark“ [1960] die Literaturzeitschrift „manuskripte] herausgibt
Mitglieder der Grazer Gruppe bzw. des „Forum Stadtpark“
Wolfgang Bauer
Barbara Frischmuth
Rainhard P. Gruber
Peter Handke
Elfriede Jelinek
Gert F. Jonke
Gerhard Roth
Gegensatz: WIENER GRUPPE
Vereinigung Wiener Autoren
Mitglieder:
H. C. Artmann
Gerhard Rühm
Friedrich Achleitner
Konrad Bayer
Oswald Wiener
Ist seit 1952 im literarischen Untergrund tätig, hält aber erst ab 1957 öffentl.
Gemeinschaftslesungen ab
Die Dichter, deren literarischen Wurzeln einerseits in der Barockdichtung und in der Tradition des Wiener Volkstheaters, andererseits im Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus liegen, berufen sich auf Hoffmannsthal mit seiner Sprachskepsis.
Sie kämpfen mit allen sprachlichen und außersprachlichen Mitteln, Dialektgedichten, Lautgedichten, Wortspielereien, der Auflösung der Grenzen zw. den literarischen Gattungen, happeningähnlichen Veranstaltungen gegen das traditionelle, in ihren Augen provinzielle Literaturverständnis in Österreich.
Der Selbstmord Konrad Bayers bedeutete 1962 das Ende der „Wiener Gruppe“
Happening
Provokative, aktionsreiche Kunstveranstaltung,
bei der die Zuschauer zur Beteiligung aufgefordert
werden, soll kritische Denkprozesse in Gang setzen.
Gruppe 47
Gründung: durch Initiative des Autors Hans Werner Richter
Treffen finden seit 1947 statt und werden von Richter geleitet
Sie sollte die einflussreichste Gruppierung im deutschen literarischen Leben der 50er- und 60er-Jahre werden.
Für junge Autoren war es eine besondere Ehre zur Tagung eingeladen zu werden, da Verleger die auftauchenden Talente harusfilterten.
Zuerst wurden Texte vorgelesen, dann kritisiert und die besten texte wurden prämiert (wie z.B. Texte von Ingeborg Bachmann und Günter Grass)
Ab Mitte der 60er Jahre machten sich Generationskonflikte breit
Handke traf zufällig einen Schriftsteller, Mitglied der Grupper 47 im Flugzeug und wurde eingeladen. Damals wusste noch niemand, dass dieser junge Autor mit einem noch nie dagewesenem Tabubruch („Beschreibungsimpotenz“) die Auflösung der Grupper ankurbeln würde.
SEINE WICHTIGSTEN WERKE
Erzählungen:
Die Hornissen (1966)
Wunschloses Unglück (1972)
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1970)
Die Stunde der wahren Empfindung (1975)
Kindergeschichte (1981)
Der Chinese des Schmerzes (1983)
Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994)
Hörspiele:
Wind und Meer (1970)
dramatische Gedichte:
Das Spiel vom Fragen oder Die Reise zum senoren Land
Über die Dörfer (1981)
Stücke:
Publikumsbeschimpfung (1966)
Das Mündel will Vormund sein (1969)
Die unvernünftigen sterben aus (1973)
ELEMENTE DIE HANDKE BEEINFLUSST HABEN:
als Berliner in einem Kärntner Ort zu leben [Dialekte waren ihm verhasst]
die Trunksucht seines Stiefvaters
die Lebensgeschichte seiner Mutter
die Nähe zu „Jugoslawien“
das Kino
die Popmusik
Bücher [vor allem Faulkner und Dostojewskij]
INHALTSANGABEN DER WERKE:
WUNSCHLOSES UNGLÜCK
Entstehung:
Peter Handke erzählt, angeregt durch einen Zeitungsartikel, vom Leben und anschließenden Selbstmord seiner Mutter.
Personen:
Mutter, Vater (leiblicher Vater), Stiefvater und Ehemann seiner Mutter, Bruder(Zimmermannmeister)
Inhalt:
Wunschloses Unglück ist die Erzählung des Lebenslaufes von Peter Handkes Mutter, Maria.
Handke hat das Werk nach dem Selbstmord seiner Mutter geschrieben.
Aufgewachsen in einem kleinen Ort in Kärnten, wird sie von ihrem Vater unterdrückt. Sie ist eine sehr begabte Schülerin und fröhliche Person und auch gewillt, etwas zu erlernen. Da sie aber ihr Vater nicht weiterlernen lässt, verlässt sie mit 15 ihre Heimatstadt und startet ein neues Leben. Sie genießt Feste und andere Gemeinschaftserlebnisse. Sie beginnt in einem Hotel als Stubenmädchen und Köchin zu arbeiten, verliebt sich in einen deutschen Parteigenossen und wird von diesem schwanger.
Doch noch vor der Geburt heiratet sie einen Unteroffizier, obwohl sie diesen nicht liebt. Sie zieht mit ihm und ihrem bald darauf geborenen Kind Peter nach Berlin, in die Heimat ihres Ehemanns. Die Ehe ist eher eine Scheinehe und Maria bleibt nur bei ihrem Mann, weil es zu dieser Zeit nicht möglich gewesen wäre, ein uneheliches Kind allein aufzuziehen und den Anspruch auf ein Ehestandsdarlehen zu erwerben. Während des Krieges lebt sie allein auf dem Land. Nach dem Krieg kehrt sie zu ihrem Mann zurück, der aber in der Zwischenzeit mit einer Freundin zusammenlebt. Sie verbindet eine Hassliebe, sie gehen aus, ihre alte Selbstständigkeit kommt wieder.
Als Folge ihrer ,,kümmerlichen Lebensumstände" und wohl auch aus Hass gegen die sie beherrschenden Männer - alles Alkoholiker - treibt sie zwei Kinder ab.
Schließlich verlässt die Familie mit 2 Kindern den Ostsektor Berlins ohne Papiere. Wieder in Österreich lebt sie bei ihrer Familie. Ihr Mann wird eingestellt, sie selber bekommt nach einer weiteren Abtreibung ein weiteres Kind.
Sie beginnt selbstbewusster zu werden und verabscheut ihren Gatten noch mehr. Er ist ein Säufer.
Lustlos erledigt sie ihre täglichen Aufgaben.
Maria fühlt sich immer mehr für andere schuldig. Sie wird sehr krank, bekommt starke Kopfschmerzen und betäubt sich nun mit Medikamenten, sodass sie nichts mehr wahrnehmen kann. Schließlich fährt sie zu einem Nervenarzt, dieser stellt einen Nervenzusammenbruch fest, verschreibt ihr als Therapie, zur Abwechslung eine Reise zu unternehmen. Doch die Reise bringt nicht viel und nachher verfällt Maria wieder.
Maria denkt zwar öfter ans Sterben, doch graust ihr gleichzeitig davor.
Sie kehrt immer mehr in sich zurück, lässt niemanden mehr an sich heran. Ihre Sehnsucht nach dem Tod wird von Tag zu Tag größer, aber sie sucht wieder Kontakt zu ihrem ältesten Kind, Peter Handke. Mit ihm hat sie ein wenig Briefkontakt. Er versucht ihr auch zu helfen, kann aber die letzte Konsequenz nicht aufhalten.
Eines Tages schreibt Maria Abschiedsbriefe an alle Angehörigen und bringt sich dann mit Schlaftabletten und Antidepressiva um. Ein Leben voll von ,,wunschlosem Unglück" findet sein Ende.
Gleich zu Beginn kritisiert Handke die Journalisten, die über den Selbstmord seiner Mutter Bericht erstattet haben und meint, er wolle selber darüber schreiben, nicht nur um sich dies von der Seele zu schreiben, sonder auch, da er, als Sohn, den Vorfall objektiv, aber aus einer anderen Perspektive schildern kann.
Auf sehr direkte Weise, zeigt er die innere Zerrissenheit (zwischen Verantwortung und eigenem Wohlergehen) auf, die seine Mutter dann letztendlich zum Selbstmord trieb.
Fragen aus „Stichwort Literatur“:
Welche Beweggründe gibt der Dichter für seine „Arbeit“ an?
Handke möchte das Geschehene verarbeiten, indem er es niederschreibt „...ich möchte mich an die Arbeit machen, bevor das Bedürfnis, über sie zu schreiben, das bei der Beerdigung so stark war, sich in die stumpfsinnige Sprachlosigkeit zurückverwandelt, mit der ich auf die Nachricht von dem Selbstmord reagierte.
“
Außerdem ist er überzeugt, dass er den Tod seiner Mutter besser erklären kann, als irgendein Journalist, der seine Mutter geschweige denn ihre Lebensumstände nicht einmal gekannt hatte.
Worin zeigt sich die von Handke als notwendig erachtete Distanz zum Tod der Mutter?
Er meint, dass er als Sohn objektiver über den Selbstmord schreiben kann, nur eben aus einer anderen Perspektive.
Interessant ist auch das Wort FREITOD anstelle von Selbstmord. Dieses positiv gefärbte Wort zeigt, dass Handke aufzeigen will, dass der Tod seiner Mutter irgendwie gerechtfertigt ist. Dass es plausible Motivationen für die Tat gab.
„>>Alles hat nun einmal seine Vor- und Nachteile<<, und schon wird das Unzumutbare zumutbar – als Nachteil, der wiederum nichts als eine notwendige Eigenheit jedes Vorteils ist.
Die Vorteile waren in der Regel nur mangelnde Nachteile: kein Lärm, keine Verantwortung, keine Arbeit für Fremde, kein tägliches Getrenntsein vom Haus und von den Kindern. Die Tatsächlichen Nachteile wurden also von den fehlenden aufgehoben.“
Zeigt die Lebenssituation zu dieser Zeit und ist vom Stil her typ. Handke:
die kritische Auseinandersetzung mit dem Leben
die Sprachspiele (Vorteile = mangelnde Nachteile)
DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER
Inhalt:
Als der Monteur Josef Bloch, der früher ein bekannter Tormann gewesen war, zur Arbeit kam wurde ihm mitgeteilt, dass er entlassen sei. [bzw. nahm er das an] Daraufhin verläßt er den Arbeitsplatz und bezieht für einige Tage ein Hotelzimmer Während dieser Zeit geht er ziellos von einem Ort zum andern.
Er ist öfters am Naschmarkt oder im Kino. Er lernt die Kassiererin eines Kinos kennen. Ein paar Tage später begleitet Bloch sie zu ihrer Wohnung, wo er sie am nächsten Morgen erwürgt.
Bloch verläßt die Stadt und fährt mit dem Bus aufs Land. Er besucht eine ehemalige Freundin, die nahe der Grenze eine Gaststätte gepachtet hat. Es ist ein kleiner Ort, wo Bloch sich aufhält.
Er kommt mit den Leuten ins Gespräch fragt sie Dinge über den Ort, ob sie hier leben, welcher Arbeit sie nachgehen und vieles mehr. Bloch macht viele Spaziergänge, sieht sich die Landschaft und die Häuser an und beobachtet die Menschen.
Eines Tages liest er in der Zeitung einen Artikel über die Kassiererin, die er ermordet hat. Neben dem Artikel ist ein Phantombild des Täters abgebildet. Bloch beunruhigt das nicht, er verläßt den Gasthof und geht zum Fußballplatz, wo gerade ein Spiel stattfindet.
Er stellt sich hinter das Tor und beginnt mit einem anderen Mann, der ebenfalls dort steht ein Gespräch über die wichtige Funktion des Tormanns in einem Spiel.
Während des Spiels kommt es zu einem Elfmeter. Bloch erzählt seinem Stehnachbar über die Beziehung zwischen Tormann und Schützen, ob der eine weiß, wie der andere reagiert und darüber auf welche Seite sich der Tormann werfen wird, wenn der Ball kommt. Alle warten auf den Elfer. Der Spieler läuft an. Der Tormann bleibt vollkommen regungslos stehen und der Elfmeterschütze schießt ihm den Ball genau in die Hände.
Fragen aus „Stichwort Literatur“:
Aus welcher Perspektive erzählt Handke die Geschichte? Wie bezeichnet man
diese Erzählhaltung?
Personales Erzählen in der 3.
Person; der Erzähler mischt sich nicht in die Erzählung ein
Es wird aus dem Blickwinkel von Bloch erzählt und man weiß nicht mehr als die Hauptperson selbst. So hat der Leser das Gefühl mitten im Geschehen zu sein und scheint alles hautnah, wie die Romanfigur, zu erleben.
Es ist eine erlebt Rede mit direkter Figurenrede (aber nur selten)
Erzählformen:
Ich-Erzählung
Auktoriale Erzählung
Personale Erzählung in der 3. Person
Erzähler-/Figurenrede:
Episches Präteritum
Historisches Präsens
Indirekte Figurenrede
Indirekte Erzählerrede
Erlebte Rede
Innerer Monolog
Welchem folgenreichen Trugschluss fällt Bloch in den ersten beiden Sätzen zum Opfer?
„Dem Monteur Josef Bloch, der früher bekannter Tormann gewesen war, wurde, als er sich am Vormittag zur Arbeit meldete, mitgeteilt, dass er entlassen sei. Jedenfalls legte Bloch die Tatsache, dass bei seinem Erscheinen in der Tür der Bauhütte, wo sich die Arbeiter gerade aufhielten, nur der Polier von der Jause aufschaute, als eine solche Mitteilung aus und verließ das Baugelände.“
Schon ganz am Anfang wird eine Eigenschaft von Bloch deutlich, die sich durch das ganze Buch zieht: Er interpretiert Dinge in Handlungen, die gar nicht so gemeint sind.
Nur weil ihn außer dem Polier niemand zur Kenntnis nimmt, als er erscheint, denkt er, er sei gekündigt worden. Man könnte es auch so interpretieren, dass Bloch von seinem Auftreten (zumindest am Anfang) noch ziemlich überzeugt ist und empfindet es als abnormal, dass er nicht genügend Beachtung geschenkt bekommt.
Auf jeden Fall geht er einfach wieder von seiner Arbeitsstätte weg, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
Welche Textstellen zeigen Blochs gestörte Beziehung zu den Menschen und Gegenständen, die ihn umgeben?
„Alles, was er sah, störte ihn; er versuchte möglichst wenig wahrzunehmen. Im Kino drinnen atmete er auf.“ [Zeile 10-11/Stichwort Literatur, Seite 460]
„Mitten im Film hörte er eine Glocke läuten; er war lange unschlüssig, ob sie in dem Film läutete oder draußen in dem Kirchturm neben dem Naschmarkt“ [Zeile 15-16/Stichw.
Lit. Seite 461]
„Im Nachhinein wunderte er sich, dass die Kassiererin die Geste, mit der er das Geld, ohne etwas zu sagen, auf den drehbaren Teller gelegt hatte, mit einer anderen Geste wie selbstverständlich beantwortet hatte“ [Zeile 12-14/Stichw. Lit]
„Schon im Halbschlaf glaubte er, draußen ein unbeleuchtetes Auto anfahren zu hören“[Die Angst d. Tormanns...
S. 39]
„Zugleich hörte er Staub gegen die Scheiben schlagen“ [Die Angst d. Tormanns... S.
11]
Inwieweit entspricht die Erzählung einem Kriminalroman?
Kriminalroman (=Kriminalgeschichte, Kriminalnovelle)
Ein Gewaltverbrechen bzw. die Geschichte des Verbrechers
steht im Mittelpunkt (im Gegensatz zum Detektivroman).
Vorformen sind: Volksbücher, Schwänke, Kalendergeschichten,
Abenteuer-/Schelmen-/Räuberromane
Literarisch anspruchsvolle Formen entstehen in England:
Charles Dickens, Daniel Defoe, Henry Fielding
In der deutschen Literatur wird er durch Schiller, Kleist, Hoffmann repräsentiert.
Im 20. Jahrhundert wurde er zur Hauptgattung der Trivialliteratur.
Es wird die Geschichte von Bloch erzählt, sein „Abenteuer“, seine Wahrnehmungen und nicht die Geschichte der Ermittlungen eines Detektivs.
Man erfährt immer nur durch Bloch selbst, wie weit die Untersuchungen fortgeschritten sind.(z.B. wenn er in der Zeitung einen Bericht liest)
Handke ist nicht die Tat, sondern die Reaktion wichtig.
Er erzählt nicht die Geschichte des Mörders Bloch, sondern die Entfremdung des Menschen Bloch von der Gesellschaft.
Textstellen, in denen der Mörder Bloch in Verkennung der Realität alles Geschehen in seiner Umgebung auf sich und seine Tat bezieht.
Interpretation:
Seit seiner Entlassung fühlt Bloch sich losgelöst und fremd. Er ist wie Treibgut, dass von der Strömung erfaßt, hin und her getrieben wird. Er verliert sich in Gedanken über Geschehnisse, Dinge, Wörter und deren Bedeutung. Die Unruhe, die Bloch befällt läßt ihn nie lange an einem Ort verweilen, selbst nach seiner Flucht in das kleine Dorf ändert sich nichts an dieser Unbeständigkeit.
Bloch wird zum Beobachter, er beobachtet seine Umgebung und die Menschen, die ihm begegnen. Er versucht hinter allem eine Bedeutung zu sehen, z.
B. warum die Leute so reagieren, wie sie reagieren und was sie damit bezwecken. Bloch versucht den Sinn bzw. die Berechtigung einer Sache zu finden.
Die Symbolik tritt für Bloch im Verlauf der Geschichte immer mehr in den Vordergrund. Er sieht das Ding nicht als das an was es ist, sondern als das was es bedeutet und ob sich diese Bedeutung auf seine Person bezieht.
Dadurch werden bis jetzt verständliche Handlungen unverständlich, sinnlos. Auch in diesem Buch ist Wittgensteins Theorie vom Sprachspiel zu erkennen.
Handke gibt sich nicht zufrieden damit eine Reihe von Geschehnissen zu einer Geschichte zusammenzustückeln. Er schickt Bloch auf eine Suche nach Sinn und Zusammenhang von Geschehnissen.
Bloch ist keineswegs krank, obwohl er alle Symptome eines Schizophrenen aufweist, was bedeutet, dass er eine Spaltung der Persönlichkeit erlebt und die Realität nicht mehr richtig wahrnehmen kann.
Handke läßt gewöhnliche HandIungen absurd oder irreal erscheinen.
Er jongliert in seiner Geschichte mit Wörtern, Satzstellungen und Sprachspielen.
„zugleich hörte er den Staub gegen die Scheiben schlagen.“ [S.11]
„Ohne dass er damit etwas ausdrücken wollte, senkte er den Kopf“ [S. 10]
„Als er sich setzte, sah er, obwohl das nichts zu bedeuten hatte in die Augen des Fahrers im Rückspiegel“ [S. 26]
„Endlich erblickte er einen Tropfen, der außen am Glas herunterlief.
.. er hatte nicht den herunterlaufenden Tropfen angeschaut, sondern die Stelle auf dem Deckel, auf die der Tropfen wohl treffen könnte.“ [S. 33]
„Schon im Halbschlaf, glaubte er, draußen ein unbeleuchtetes Auto anfahren zu hören“ [S. 39]
„Jedenfalls betonen sie Wörter wie >Geh weg!< und >beherzigen< absichtlich falsch als >Gehweg< und >Becher-Ziegen<.
..“[S. 38]
DIE PUBLIKUMSBESCHIMPFUNG
Dieses Stück brachte Handke zum ersten Mal wirklich Erfolg. Es ist kein Theater im herkömmlichen Sinne, sondern eher eine Art Dialog zwischen Schauspielern und Publikum, wobei nur die Schauspieler sprechen und das Publikum es sich schweigend anhört, sich zugleich aber angesprochen fühlt.
Die Grenzen zwischen Bühnen- und Zuschauerraum sind aufgehoben, auch gibt es kein Bühnenbild oder Lichttechnik.
Besonders interessant sind die „Regeln für die Schauspieler“. Er denkt, dass sie nur so, den wahren Sinn des Stücks erkennen können. Außerdem zeigt es, was Handke wichtig ist, wie z.B. die Popmusik („>Tell me< von den Rolling Stones anhören“) und das Kino („In dem Film >Der Mann aus dem Westen< das Gesicht Gary Coopers sehen“)
Außerdem gibt er ganz genaue Anweisungen für die Inszenierung vor dem Theaterstück (hinter dem Vorhang Möbel herumrücken, Klingelsignal, Platzanweiser, Dress-Code). Ab dann, wenn der Vorhang aufgeht, gibt es keine Anweisungen mehr.
Die Schauspieler müssen nicht darstellen, sondern einfach nur sprechen.
Diese Stück kann auch als revolutionär angesehen werden, da es die Regeln des herkömmlichen Theater überhaupt nicht beachtet
„Indem wir beschimpfen, können wir unmittelbar werden. Wir können einen Funken überspringen lassen. Wir können den Spielraum zerstören“
Möchte nicht, dass sich das Publikum von irgendeiner Geschichte berieseln lässt, sondern möchte, dass es ein Teil vom Stück wird.
Beim epischen Theater treten die Darsteller schon aus dem Bühnengeschehen heraus, um sich mit dem Publikum zu unterhalten und um sie aus ihrer passiven Situation als Zuhörer zu holen. In Handkes Stück gibt es überhaupt keine andere Handlung, als jener Dialog mit dem Publikum.
„Alle drei erwähnten Umstände zusammen bedeuten die Einheit von Zeit, Ort und Handlung. Dieses Stück ist also klassisch.“ [S. 32]
„Sie haben erkannt, dass dieses Stück eine Auseinandersetzung mit dem Theater ist.“ [S. 24]
Die Schauspieler widersprechen sich immer wieder, um den Zuschauer für sich selbst zum Urteilen zu bringen.
„Sie haben sich etwas erwartet.
Sie haben sich vielleicht etwas anderes erwartet.
Sie haben sich Gegenstände erwartet.
Sie haben sich keine Gegenstände erwartet.
Sie haben sich eine Atmosphäre erwartet.
Sie haben sich eine andere Welt erwartet.
Sie haben sich keine andere Welt erwartet“ [Publikumsbeschimpfung, S.15]
„Hier ist das Verstummen und Stummsein kein Kunstmittel. Hier gibt es keine stummen Buchstaben. Hier gibt es nur das stumm H. Das ist eine Pointe.“ [S.
24]
„Nur ein Spiel , in dem die Zeit aus dem Spiel ist, ist ein Spiel“ [S.39] ... Handke-Sprachspiel
Am Ende beginnt dann die „echte“ Beschimpfung. („Glotzaugen“, „Rotzlecker“, „Gernegroße“, „Gauner“, „Schrumpfgermanen“, „Ohrfeigengesichter“)
„Dadurch, dass wir Sie beschimpfen, werden Sie uns nicht mehr zuhören, Sie werden uns a n hören.
Der Abstand zwischen uns wird nicht mehr unendlich sein.“
Dramatisches Theater = Illusionstheater
Handelnd
Ermöglicht dem Zuschauer Gefühle
Der Zuschauer steht mittendrin
Der Zuschauer erlebt mit
Das Geschehen ist linear
Der Mensch ist ein Fixum
PETER HANDKE – DEUTSCHSPEZIALGEBIET – ASTRID SONNLEITNER
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