Aufsatz zu johann wolfgang von goethes "novelle"
Aufsatz zu Johann Wolfgang von Goethes „Novelle“
Wie werden Mensch und Natur dargestellt ?
Schon auf den ersten Seiten bekommt die Beschreibung der Natur ein sehr große Bedeutung. Der Cousin der Fürstin namens Friedrich Fürst-Oheim stellt eine, auf seinen Auftrag hin angefertigte, Zeichnungen der Stammburg vor. Während seines Vortrags wird deutlich, daß die Natur ein Teil der Burg geworden ist. Die verlassene Ruine ist von der Natur überwuchert worden. An den unmöglichsten Stellen sind Bäume und Sträucher gewachsen. Man könnte von einer Symbiose zwischen Natur und der Burg sprechen.
Diese Bilder stellen aber nur den Zustand nach einer geplanten „Renovierung“ dar. Das außergewöhnliche an dieser Renovierung ist, daß die Natur, genauer gesagt die Bäume und Sträucher, nicht entfernt werden sollen. Bei einer Renovierung wäre es eigentlich angebracht solches „Unkraut“ zu entfernen. Aber der Fürst-Oheim hat, wie in seinem Vortrag auch klar wird, sehr großen Respekt vor der Natur. Er bezeichnet die Natur als „Herr über die Burg“ (S.7.
Z.8). In seinen Plänen für die Burg will er den ehrwürdigen und „mächtigen Bäumen“ (S.6 Z.14) eine der Burg gleichberechtigte Rolle zuordnen.
Bei einem Ausritt kommt die Fürstin am Markt vorbei.
Dort werden an einer Bude Tiger und Löwen ausgestellt. Auf einem Gemälde wird gezeigt wie ein Tiger einen Schwarzen anfällt. Der Tiger wird wie ein grimmiges bösartiges Monster dargestellt (S.11 Z.17-19). Die Realität, die sich direkt daneben befindet zeigt ein anderes Bild.
Ein Tiger liegt friedlich in seinem Käfig. Hier kritisiert Goethe das erste Mal die falsche und einseitige Darstellung der Tiere. Am Ende wird dies noch mal ausführlich wiederholt.
Später klettert die Fürstin einen Felsen hoch um von dort das wunderbare Panorama über das gesamte Gebiet zu genießen. Hier staunt sie über die Natur :
„ ..
. wie doch die Natur so reinlich und friedlich aussieht und den Eindruck verleiht, als wenn gar nichts Widerwärtiges in der Welt sein könnte; und wenn man denn wieder in die Menschenwohnung zurückkehrt, sie sei hoch oder niedrig, weit oder eng, so gibt’s immer etwas zu kämpfen, zu streiten, zu schlichten und zurechtzulegen. ...“
(S.
14 Z.11-14)
Genau wie bei der Betrachtung des Tigers zeigt sich hier auch wieder wie friedvoll die Natur eigentlich ist, wogegen der Mensch genau das Gegenteil darstellt.
Dieser Frieden, den die Fürstin in diesem Moment empfindet, wird schlagartig zerstört. Nicht etwa die Natur selbst sondern der Mensch ist dafür verantwortlich. Auf dem Marktplatz bricht ein Feuer aus, wie vom Aussichtspunkt sehr gut zu erkennen ist.
Während dieses Feuers zeigen sich einige Schwächen der Menschen.
Anstatt ihr Leben in Sicherheit zu bringen, bemühen sich die meisten Inhaber der Buden ihre Waren in Sicherheit zu bringen. Auch wenn sie dabei verletzt werden, lassen sie sich nicht von ihren materiellen Gütern trennen.
Durch den Brand sind die Tiere ausgerissen. Ein Tiger kreuzt den Weg der Fürstin, die zur Stadt reiten will. Er verfolgt die Fürstin, aber kann in letzter Minute von Honorio erschossen werden. Sogar bei der Betrachtung des toten Tieres hat die Fürstin noch Respekt vor dem Tiger (S.
18 Z.24-26). Der herbeigeeilte Junge der zu den Besitzern der Tiere gehört, möchte nicht, daß das Fell des Tigers weiter beschädigt wird, weil er es noch zu einer Decke verarbeiten will. Die Fürstin ist empört (S.18 Z.7), da sie wie schon gesagt Respekt vor dem toten Tier hat.
Nachdem auch die restlichen Besitzer des Tigers ankommen, sind sie über den Tod des Tieres tief erschrocken:
„Sie haben dich ermordet, armes Tier! Ermordet ohne Not! Du warst zahm und hättest dich gerne niedergelassen und auf uns gewartet. (...) Du warst der Schönste deinesgleichen; wer hat je einen königlichen Tiger so herrlich ausgestreckt im Schlafe gesehen, wie du nun hier liegst, tot, um nicht wieder aufzustehen. Wenn du des Morgens aufwachtest beim frühen Tagschein und den Rachen aufsperrest, ausstreckend die rote Zunge, so schienst du uns zu lächeln, und wenn schon brüllend, nahmst du doch spielend dein Futter aus den Händen einer Frau, von den Fingern eines Kindes ! “
(S.
20 Z.5-17)
Zwar beurteilt die Frau die Situation die zum Tod des Tiers führte falsch, denn immerhin mußte Honorio davon ausgehen, daß der Tiger die Fürstin töten wollte.
Doch es wird klar, daß der Tiger an sich nicht bösartig ist, wie es die Besitzerin deutlich beschreibt.
Der durch den Rauch alarmierte Fürst trifft ein und nachdem ihm die Geschehnisse geschildert worden sind, wird bekannt, daß auch der Löwe ausgerissen ist. Die Entscheidung dieses Tier aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zu töten ist schnell gefallen, aber die Besitzerfamilie bittet darum ihn unverletzt einzufangen.
Man vermutet den Löwen in der Nähe der alten Stammburgruine.
Auf dem Weg dorthin schildert der Besitzer des Löwen das Verhältnis Mensch – Natur und speziell Löwe – Mensch:
„Betrachtet hier die Biene! Noch spät im Herbst sammelt sie emsig
und baut sich ein Haus, winkel- und waagerecht, als Meister und Geselle, schaut die Ameise da! Sie kennt ihren Weg und verliert ihn nicht, sie baut sich eine Wohnung aus Grashalmen, Erdbröslein und Kiefernadeln, sie baut es in die Höhe und wölbet es zu, aber sie hat umsonst gearbeitet, denn das Pferd stampft und scharrt alles auseinander; seht hin! Es zertritt ihre Balken und zerstreut ihre Planken, ungeduldig schnaubt es und kann nicht rasten; denn der Herr hat das Roß zum Gesellen des Windes gemacht und zum Gefährten des Sturms, daß es den Mann dahin trage, wohin er will,
und die Frau, wohin sie begehrt.
Aber im Palmenwald trat er auf, der Löwe, ernsten Schrittes durchzog er die Wüste, dort herrscht er über alles Getier und nichts wider steht hin.
Doch der Mensch weiß ihn zu zähmen, und das grausamste der Geschöpfe hat Ehrfurcht vor dem Ebenbilde Gottes, wornach auch die Engel´s gemacht sind, die dem Herrn dienen und seinen Dienern. Denn in der Löwengrube scheute sich Daniel nicht, er blieb fest und getrost, und das wilde Brüllen unterbrach nicht seinen frommen Gesang. „
(S.24 Z.
6-29)
Wie klar zu sehen ist beklagt er hier den Menschen und sein machtergreifendes Verhalten gegenüber der Natur und den Tieren. Die Metapher des „Daniel in der Löwengrube“ zeigt wieder, daß die Tiere an sich nicht bösartig sind. Erst durch die Darstellung der Menschen und durch das Anlegen menschlicher Maßstäbe wird das Tier zum Monster. Die Metapher kommt auch in dem Lied vor, das der kleine Junge singt um den Löwen zu besänftigen.
Bei der Burg angekommen, beginnt der Junge im Innenhof den Löwen in den hereingebrachten Käfig zu führen. Der Vergleich zu Daniel in der Löwengrube drängt sich geradezu auf.
Der Junge erkennt, daß sich der Löwe einen scharfen Dornenzweig in die Pfote gestochen hat. Nachdem der Junge den Stachel entfernt hat, bemerken die Anwesenden die Erleichterung, welche der Löwe empfindet:
„Ist es möglich zu denken, daß man in den Zügen eines so grimmigen Geschöpfes, des Tyrannen der Wälder, des Despoten des Tierreiches, einen Ausdruck von Freundlichkeit, von dankbarer Zufriedenheit habe spüren können, so geschah es hier, und wirklich sah das Kind in seiner Verklärung aus wie ein mächtiger siegreicher Überwinder, jener zwar nicht wie der Überwundene, denn seine Kraft blieb in ihm verborgen, aber doch wie der Gezähmte, wie der dem eigenen friedlichen Willen Anheimgegeben.“
(S.29 Z.30 - S.30 Z.
5)
Die Unruhe, welche der Tiger vorher ausstrahlte, verschwindet nachdem er von seinen Schmerzen befreit ist. Die Novelle endet mit einem letzten Vers des Gedichtes.
Zusammenfassend kann man sagen, daß die Beziehung zwischen der Natur und den Menschen nicht gut ist. Die Natur und vor allem die Tiere werden, wie ich bereits zeigte, werden von den Menschen unterjocht. Aber die anfangs angeführte Symbiose zwischen der Burg und der Natur zeigt, daß es trotzdem eine gewisse Kompatibilität zwischen Mensch und Natur gibt. Auch die Tatsache, daß die Tiere nicht bösartig sind und Daniel bzw.
den Jungen in der „Löwengrube“ verschonen zeigt die Unschuld und Friedfertigkeit der Natur.
Wie wird die „Gesellschaft“ des Fürsten charakterisiert ?
Wie es in Novellen üblich ist, ist die Beschreibung der Charaktere auf das Notwendigste beschränkt. Demnach haben die Passagen in denen die Charaktere beschrieben werden besonders große Bedeutung.
Schon auf der ersten Seite findet sich eine solche Passage:
„Alle jedoch warteten auf den Fürsten, der, von seiner jungen Gemahlin Abschied nehmend, allzu lange zauderte.
Erst vor kurzer Zeit zusammen getraut, empfanden sie schon das Glück übereinstimmender Gemüter; beide waren von tätig-lebhaftem Charakter eines nahm gern an des andern Neigungen und Bestrebungen Anteil.“
(S.
3 Z.16-23)
Die Tatsache, daß der Abschied des Fürsten solange dauert spricht dafür, daß die Beziehung zwischen dem Fürsten und der Fürstin sehr gut ist.
Bei den von den Familien erzwungenen Heiraten die zu diesen Zeiten üblich waren ist dies nicht immer so gewesen. Wie aus dem Zitat hervorgeht verstehen sich die Beiden sehr gut und es ist sogar von „übereinstimmenden Gemütern“ die Rede. Somit nimmt die Fürstin gern an den Aktivitäten ihres Gatten teil. Warum dies bei der Jagd nicht möglich ist kann ich mir nur damit erklären, daß es vielleicht zu diesen Zeiten für Frauen nicht erlaubt war an solchen Jagden teilzunehmen, weil es sich um eine „Männerdomäne“ handelte.
Auf jeden Fall ist die Fürstin sehr betrübt, weil sie ihren Mann nicht begleiten kann. Bei der Abreise winkt sie, als wäre es eine Abschied für immer, mit ihrem Schnupftuch
(S.4 Z.30). Sogar als er schon lange außer Sichtweite ist, greift sie zum Teleskop und nachdem sie ihn gesichtet hat winkt sie ihm wieder mit ihrem Tuch, wobei er sie natürlich nicht mehr sehen kann. Dies spricht auch dafür, daß die Beiden sich sehr lieben.
Beim Vortrag des Fürst-Oheim über die Stammburg zeigt sich ein gewisser Respekt vor der Natur. Diese Ehrfurcht die er empfindet habe ich im ersten Teil des Aufsatzes bereits beschrieben. Dem Fürst-Oheim liegt sehr viel daran, daß die Natur einen der Burg gleichgestellten Platz bekommt. Diese „Pietät“ gegenüber der Natur zeigt sich später auch bei der Fürstin.
Nun macht die Fürstin einen Ausflug bei dem sie auch einen Aussichtspunkt besucht. Dort läßt sie das überwältigende Panorama auf sich einwirken.
Ich glaube, daß die Empfänglichkeit für solche Impressionen eine erwähnenswerte Charaktereigenschaft ist. Ein Mensch der sich für solche Dinge nicht interessiert oder die Natur nicht respektiert würde nicht von einem Gefühl von Frieden überwältigt werden, wie es bei der Fürstin der Fall ist.
Ob eine solche Sensibilität für die Natur damals öfters anzutreffen war als heute weiß ich nicht, aber in unserer heutigen Welt sind wir für solche Eindrücke größtenteils unempfänglich. Meiner Meinung nach ist dies ein Aspekt, der auf die heutige Zeit sehr gut übertragbar wäre.
Nachdem Honorio den Tiger erschießt, und der Junge eintrifft, zeigt sich wieder der Respekt den die Fürstin für den Tiger empfindet. Dieser Respekt gegenüber allen Lebenden egal ob Mensch oder Tier ist auch ein Teil dieser Sensibilität für die Natur.
Als der Fürst am Ort des Geschehens eintrifft und bekannt wird, daß auch der Löwe ausgerissen ist, würde man eigentlich eine vorbeugende Tötung des Löwen erwarten. Immerhin hätte eines der ausgerissenen Tiere um ein Haar die geliebte Frau des Grafen getötet. Doch nachdem die Besitzer den Vorschlag machen ohne Gewalt den Löwen einzufangen und ihn somit unschädlich zu machen bleibt der Graf vorurteilsfrei und stimmt dem Versuch zu. Natürlich hält er sich für den Fall, daß die Aktion mißlingt, die Möglichkeit offen das Tier zu töten. Hier beweist auch der Graf, daß er Respekt vor jedem Lebewesen hat, egal ob Tier oder Mensch.
In Novellen kommt es oft vor, daß Themen, die sich außerhalb von gesellschaftlichen Normen bewegen, behandelt werden.
Das junge, glückliche und sehr „naturbewußte“ Ehepaar und ihre Einstellungen waren für damalige Zeiten (ca. 1825) vielleicht etwas außergewöhnliches, jedoch handelt es sich bei diesen Eigenschaften nicht um ein Problem und so würde diese Interpretation nur begrenzt gelten.
1.926 WörterSebastian F. Appler: Applepie@gmx.de https://www.
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Quellen
-„Novelle“ und Titelbild (S.1)
J.W..Goethe
Reclam Verlag
-Zitate aus:
„Novelle“
J.
W.Goethe
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