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                                ZUM AUTOR   Döblin, Alfred (*10.8.1878 Stettin, †28.6.1957 Emmendingen b. Freiburg/Br.

)   Döblin stammt aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Sein tiefstes Kindheitserlebnis war die Flucht des Vaters nach Nordamerika. 1888 zog er mit der Mutter nach Berlin um. Ab 1902 studierte er Neurologie und Psychiatrie in Berlin und Freiburg/Br., 1905 Promotion. Während der folgenden Tätigkeit in Spitälern, Laboratorien und in der Irrenanstalt zu Regensburg publizierte Döbin in fachwissenschaftlichen Zeitschriften (1909-13).

Erzählerische und essayistische Arbeiten gingen nebenher. 1911 ließ Döblin sich in Berlin als Neurologe und Psychiater nieder (Kassenpraxis in Lichtenberg bis 1931, bis 1933 Privatpraxis im Westen). 1914-18 nahm er als Militärarzt am Weltkrieg teil. - 1910 begründete er mit H. Walden und L. Schreyer die expressionistische Zeitschrift "Der Sturm".

Seinen ersten großen literarischen Erfolg erlebte Döblin mit dem Roman “Die drei Sprünge des Wang-lun” (1915), der ihm den Kleist- und den Fontane-Preis einbrachte. 1918 bekannte er sich zur Revolution, trat der USPD bei (bis 1920) und übte unter dem Pseudonym Linke Poot scharfe Kritik an den reaktionären Mächten der Weimarer Republik. 1921 wurde er Mitglied der SPD (bis 1930). Eine Reise nach Polen steigerte sein Interesse für christlich-jüdische Probleme (Reise nach Polen). 1928 wurde Döblin in die Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin gewählt. In diesem Rahmen ergaben sich - neben den seit der Mitte der 20er Jahre bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu B.

Brecht, H.H. Jahnn, O. Loerke - besondere Beziehungen zu H. Mann, mit dem Döblin im Auftrag des preußischen Kultusministers C.H.

Becker ein sozialpolitisches Schullesebuch bearbeitete. Mit seinem Roman Berlin Alexanderplatz hatte Döblin 1929 internationalen Erfolg. Anfang 1933 trat Döblin , als Jude und Linksintellektueller bedroht, wie H. Mann, R.Huch und K.Kollwitz aus der Preußischen Akademie der Künste aus.

Einen Tag nach dem Reichstagsbrand (28.2.1933) verließ er Berlin und floh nach Zürich. Am 10.5.1933 verbrannten und verboten die Nationalsozialisten Döblins Werke.

Als Emigrant trat Döblin für die zionistische "Freilandbewegung" ein. Seit August 1933 lebte Alfred Döblin in Paris. 1936 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft. Er arbeitete 1939/40 im französischen Informationsministerium unter Leitung von J. Giraudoux an antifaschistischer Propaganda mit. 1940 floh Döblin vor den deutschen Truppen über Portugal in die USA, wo er in New York, Los Angeles und Hollywood lebte.

Seine Enttäuschung über das Versagen der Intellektuellen und eine schwere persönliche Krise versuchte Döblin 1941 durch den förmlichen Übertritt zum Katholizismus zu lösen (s. den autobiographischen Bericht Schicksalsreise). Bereits im November 1945 kehrte Döblin als kulturpolitischer Mitarbeiter der französischen Militärregierung nach Deutschland zurück. Er gab in Baden-Baden die Zeitschrift "Das goldene Tor" heraus (1946-51) und wurde 1949 Mitbegründer und Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. 1953-56, enttäuscht von den Entwicklungen in Westdeutschland, hielt er sich in Paris auf. Er kehrte als Schwerkranker 1956/57 in die Bäder des Schwarzwaldes zurück.

Erste Jugendversuche blieben unveröffentlicht und werden erst heute in ihrer Bedeutung für Döblins Entwicklung erkannt. Schon als Primaner hatte Döblin unter dem Einfluß F. Hölderlins und H.v. Kleists einen lyrischen Ich-Roman geschrieben, der eines der Hauptthemen von Döblins mittlerer Schaffensphase, die Sehnsucht nach Vereinigung des Individuums mit der Natur, aufgreift (Jagende Rosse). Das Schwanken zwischen Askese und Teilnahme am Leben, das die Entwicklung des Erzählers bestimmt, deutet auf den frühen Einfluß F.

Nietzsches hin, dem Döblin 1902 und 1903 Aufsätze widmete. Döblins zweiter Roman aus den Jahren 1902/03, Der schwarze Vorhang. Ein Roman von den Worten und Zufällen, ist dem Stoff nach eine Selbstanalyse, aufgebaut nach den Lehrsätzen der Sexualtheorie S. Freuds. Sprachlich zeigen sich hier erste Ansätze zu jener Stilmischung, die Döblins Werk beherrschen sollte: der Verbindung exakter Sachlichkeit mit assoziativer Metaphorik, der sprachlich der Bericht einerseits, andererseits transformierende Adjektive und Adverbien entsprechen. Döblins Widerspruch gegen das an klassischen Normen gewonnene Stilideal (Buffon) tritt hervor: "Ich hatte keinen eigenen Stil, den ich ein für allemal fertig als meinen (Der Stil ist der Mensch) mit mir herumtrug, sondern ich ließ immer vorsichtig den Stil aus dem Stoff kommen" (Epilog).


Thematisch wird im Schwarzen Vorhang der Mutter-Sohn-Konflikt, der Döblins Jugend beherrschte, zum erstenmal benutzt. Döblin hat über ihn in autobiographischen Aufzeichnungen (A.D. - im Buch, zu Haus, auf der Straße) berichtet und ihn in zwei späteren Romanen abermals ausgewertet (Pardon wird nicht gegeben, Hamlet). In dem folgenden Jahrzehnt entstanden kürzere Erzählungen, Märchen, Satiren, Grotesken, in denen der Neurologe die zeitgenössische Gesellschaft als eine Ansammlung von Neurotikern betrachtete. Sie erschienen in "Der Sturm" und machten Döblin als "Expressionisten" bekannt.

Indessen bildete Döblin unter dem Einfluß F.T. Marinettis und A. Holz' eine eigene, den Abstraktionen des "Sturm" durchaus widersprechende, objektbezogene Literaturtheorie aus: "Was nicht direkt, nicht unmittelbar, nicht gesättigt von Sachlichkeit ist, lehnen wir ...

ab" (Futuristische Worttechnik). Er berief sich, ähnlich wie der junge F. Kafka, auf den literarischen Naturalismus. Weltanschaulich ruhen Döblins Romane Die drei Sprünge des Wang-lun, Wallenstein und Berge, Meere und Giganten auf einem Pantheismus nach Spinoza, in den Döblin chinesisches Gedankengut (Taoismus, besonders Wang-lun) und indische Lehren (Buddhismus, besonders das Epos Manas) verwoben hatte. Hinzu trat der Einfluß A. Schopenhauers, der Döblin in diesem Jahrzehnt jede Bedeutung und Nützlichkeit menschlichen Handelns zugunsten einer fast mystischen Verehrung der "starken Lebenskraft von Himmel und Erde" (Wang-lun) leugnen ließ.

Nach 1918 entwickelte Döblin mit Hilfe Hegelscher Kategorien den Begriff einer neuen höheren Einheit von Natur und menschlicher Gesellschaft. Dem Monismus und Determinismus des 19.Jhs. weiterhin zugewandt, schaffte er sich derart die Möglichkeit, geistige Bestrebungen als Ergebnisse natürlich-kollektiver Vorgänge aufzufassen (s. den Essay Der Geist des naturalistischen Zeitalters, 1924). So gelangt er in seinen beiden großen Entwicklungsromanen, Wang-lun und Berlin Alexanderplatz, zu unterschiedlichen Ergebnissen: Während Wang-lun, der chinesische Rebell, in der freiwilligen Selbstaufgabe endet, wird Franz Biberkopf, der Berliner Transportarbeiter und Hilfsportier, über dieses Stadium hinaus zu einem neuen gesellschaftlich verstandenen Freiheitserlebnis geführt.

Stil und Struktur von Berlin Alexanderplatz werden durch lockere Fabelführung, die sinnvolle Verflechtung von Assoziationen, durch die Anwendung der Bewußtseinsstrom-Technik und vor allem durch einen bisher im deutschen Roman nicht ausgebildeten Wechsel der Erzählperspektive bestimmt. Einflüsse von J. Joyce und Dos Passos sind nicht anzunehmen. - Neben zeitkritischen Betrachtungen (Wissen und Verändern) hatte Döblin sich in den 20er Jahren mit Essays frühzeitig für Kafka, R. Musil, Jahnn, Joyce und M. Proust eingesetzt.

Aus der Werkreihe, die Döblin in der Emigration schuf, erheben sich nur zwei Romane zu formaler Bedeutung: Pardon wird nicht gegeben , in dem Döblin seine Jugenderlebnisse abermals verwertet. In der Form des realistischen Gesellschaftsromans schildert er den Aufstieg und seelischen Niedergang eines wilhelminischen Besitzbürgers, dessen Lebensweg stellvertretend für die geschichtliche Entwicklung des imperialistischen Bürgertums steht. Döblins letzter Roman: “ Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende” verknüpft zeitkritische, psychoanalytische und religiöse Motive: Edward Allison kehrt als Stupider, umnachtet, aus dem Krieg heim. Eine psychotherapeutische Behandlung - vornehmlich durch Geschichten erzählen (die Romanhandlung wurde von D. vorher entstandenen Novellen hinzugefügt) - bringt zutage, daß er unter der "Strindberg-Ehe" der Eltern und an einer zu engen Bindung an die Mutter leidet. Der Romanschluß, daß Edward in ein Kloster geht, wurde von ost- und westdeutschen Verlagen abgelehnt.

D. änderte den Schlußsatz zu: "Ein neues Leben begann." Die aufgegriffenen Probleme, insbesondere dasjenige der Kriegsschuld, blieben somit ungelöst. Bei aller Sprach- und Formkraft ist D.s Denken bis zum Ende Widersprüchen verhaftet geblieben.     INHALT   Die Geschichte von Franz Biberkopf.

  Der ehemalige Zement- und Transportarbeiter Franz Biberkopf wird aus dem Gefängnis entlassen. Er hat vier Jahre absitzen müssen, weil er bei einer Auseinandersetzung seiner Braut Ida die Rippen zerschlagen hatte. Sie war kurz darauf gestorben. Nun schwört er, anständig zu bleiben. Doch die Strafe beginnt eigentlich erst mit seiner Entlassung aus dem Gefängnis Tegel. Franz findet sich im Leben nicht mehr zurecht und weiß nichts mit sich anzufangen.

Es zieht ihn zur Stätte seiner Tat, er läuft in Idas Haus, trifft dort ihre verheiratete Schwester Minna und vergewaltigt sie. Aus Berlin wird er zwar ausgewiesen, aber die Gefangenenfürsorge setzt sich für ihn ein. Wochenlang bleibt er anständig und verdient sich seinen Lebensunterhalt als ambulanter Gewerbetreibender mit Textilwaren. Abends geht er regelmäßig in die Kneipen am Alexanderplatz. Bald schafft er sich eine polnische Freundin an, deren Onkel Otto Lüders mit Schnürsenkeln handelt. Dieser Mann bereitet Franz eine schwere Enttäuschung.

Als nämlich Franz beim Hausieren das Herz einer Witwe gewinnt, erzählt er dies seinem Freunde. Dieser verschafft sich daraufhin auch Zutritt bei der Witwe und erleichtert sie um ihr Kleingeld. Franz ist erschüttert über so viel Gemeinheit. In Reinhold lernt er einen neuen und sehr gefährlichen Freund kennen, der ihn mehrmals auffordert, ihm seine Mädchen, deren er überdrüssig geworden ist, abzunehmen. Weil Franz sich weigert, macht ihn Reinhold durch Geschenke gefügig, und schließlich wird Franz ihm so hörig, dass ein regelrechter Kettenhandel mit zweifelhaften Mädchen entsteht. Eines Tages bietet Reinhold ihm eine lohnende Gelegenheitsarbeit an.

Gemüse soll schnellstens verladen werden. In Wirklichkeit soll Franz bei einem Raubzug Schmiere stehen. Da Franz unbedingt ehrlich bleiben will, versucht er wieder auszuweichen, Reinhold rächt sich an ihm und stößt ihn bei der Rückfahrt brutal aus dem Wagen vor ein nachfolgendes Auto. Freunde schleppen Franz in eine Klinik nach Magdeburg. Ein Arm muß abgenommen werden. Obwohl er dadurch zum Krüppel wird, bewahrt er über alle Vorgänge Stillschweigen.

Nach seiner Genesung erlebt Franz Biberkopf Berlin zum dritten Male. Wieder ist er Gast in den Kneipen um den Alexanderplatz. Er kauft sich ein eisernes Kreuz und täuscht Kriegsbeschädigung vor. Bald lernt er wieder ein Mädchen kennen: Mieze, die Tochter eines Straßenbahnschaffners aus Bernau. Sie ist von ihren Eltern wegen ihres Lebenswandels verstoßen worden, verdient sich ihr Geld durch Prostitution. Durch Mieze sinkt Franz wieder tiefer.

Er wird Lude, lebt von Miezes Geld, ist Geschäftemacher, Schieber und Hehler. Obgleich ihn Reinhold damals töten wollte, übt dieser verkommene Mensch immer noch eine solche Anziehungskraft auf ihn aus, dass er sich ihm wieder nähert. Da prahlt er denn im Gespräch mit seiner Mieze, so dass Reinhold den verhängnisvollen Entschluß faßt, ihm Mieze wegzunehmen. Es gelingt ihm, sie nach Freienwalde zu locken, wo er sie vergewaltigt, ermordet und im Wald verscharrt. Franz ist über Miezes Ausbleiben nicht besonders traurig, er glaubt, sie sei mit einem vornehmen Kavalier verreist. Nun muß er eben wieder selbst arbeiten.

Als sich zwei Bandenmitglieder zanken, kommt die Polizei Reinhold auf die Spur. Man warnt Franz. Obwohl er an dem Verschwinden Miezes nicht beteiligt ist und ihr Schicksal erst später aus der Zeitung erfährt, zieht er es wegen seines Vorlebens doch vor, nach Wilmersdorf zu verschwinden. Franz und Reinhold werden nun steckbrieflich gesucht. Da Franz das Kneipenleben nicht lassen kann, zieht es ihn zum Alexanderplatz zurück. Dort sucht er ein Lokal auf, in dem gerade eine Razzia stattfindet und die Gäste auf ihren Abtransport warten.

Als er von einem Polizisten angesprochen wird, schießt er auf ihn. Franz wird zum Polizeipräsidium gebracht. In der Untersuchungshaft verweigert er die Nahrung. Halb verhungert wird er in eine Irrenanstalt gebracht. Wird jedoch wieder entlassen. Reinhold wird durch Verrat entdeckt.

Er erhält 10 Jahre Zuchthaus. Franz wird nicht angeklagt. Er sucht Miezes Grab. Weinen kann er nicht, er legt eine Handvoll Tulpen hin und streichelt das Holzkreuz. Dann beginnt er wieder ein neues Leben. Er nimmt eine Stelle als Hilfsportier in einer Fabrik an.

  SPRACHLICHE GESTALTUNG   Die Erzählzeit ist ausschließlich Präsens, die Sätze sind meist kurz und prägnant. Verschiedenartigste Wirklichkeitsfetzen wie Zeitungsausschnitten oder Schlachthausstatistiken bringen dem Leser die Hast und die Unruhe der Stadt näher. Durch das Eingliedern dieser Elemente entstehen oft starke Kontrastwirkungen, woraus sich später Surrealismus und Dadaismus entwickeln. Häufige Verwendung des Dialogs und inneren Monologs, nicht nur zwischen Menschen , sondern auch zwischen Menschen und unbelebten Gegenständen. Der improvisierte Satzbau der Umgangssprache wird auch in den gewöhnlichen Satz übernommen. Die Sprache ist oftmals Berliner Dialekt.

Teilweise Fehler in der Zeichensetzung und der Rechtschreibung der mundartlichen Ausdrücke.     CHARAKTERISTIK     FRANZ BIBERKOPF Franz Biberkopf ist 1,80 groß und kräftig gebaut. Zeitweise ist er fast zwei Zentner schwer und Mitglied eines Athletenklubs. Vor seiner Inhaftierung war er als Zement- und Möbeltransportarbeiter tätig. Er ist ein grober Mann und hat ein abstoßendes Äußeres. Überwiegend wird der Charakter des Helden positiv gezeichnet.

Immer wieder gilt Franz als gutmütig, treuherzig, friedfertig und naiv. Ein Charakterzug, der besonders auffällt, ist die Treue, die Franz seinen Freunden hält. Gegenüber Reinhold steigert sie sich allerdings zu blinder Ergebenheit. Schon im Vorwort ist jedoch von einer negativen Entwicklung die Rede, die als hochmütig und ahnungslos, frech, dabei feige und voller Schwäche umschrieben wird. Er prahlt gern vor seinen Freunden, zugleich hat er Angst, seine Freunde könnten ihn verspotten, wenn ihm etwas Unangenehmes passiert ist. Franz rappelt sich zwar immer wieder auf, gelegentlich zeigt er aber doch auch Selbstmitleid.

Sein größtes Problem ist der Alkohol. Mann kann sich gut vorstellen, daß ein Mensch wie Franz wirklich gelebt hat.   REINHOLD Reinhold wird vielfach als Gegenbild zu Franz gezeichnet. Er ist nicht dick, sondern schlank. Während Franz‘ Nase dick und rot sein kann, ist die von Reinhold kurz, stumpf, sachlich aufgesetzt. Statt Bier trinkt Reinhold zunächst nur nichtalkoholische Getränke wie Kaffee.

Er hat nicht helle sondern dunkle Augen. Reinhold wird im Allgemeinen als sehr schweigsam und verschlossen beschrieben. Wie Franz handelt auch Reinhold häufig aus dem Affekt heraus. Zum Beispiel hat er nicht geplant, Franz unter das Auto zu werfen. An jenem Tag ändert sich auch sein Wesen schlagartig, der Kontrast zu Franz wird deutlicher.   INTERPRETATION   Berlin Alexanderplatz (1929) gilt als der bedeutendste Großstadtroman der deutschsprachigen Literatur und zugleich als Döblins Hauptwerk.

Bei der Lektüre des Romans fällt auf, daß immer wieder Geschichten erzählt werden, die nicht unmittelbar zur Haupthandlung gehören, aber auch nicht zur Darstellung Berlins beitragen. Häufig stammen sie aus der griechischen Mythologie oder aus dem Alten Testament. Sie dienen in der Regel als Parallel- und Kontrastgeschichten. Der Roman ist ein hervorragendes Zeitgeschichtliches Dokument. Gerade der Konflikt zwischen Nationalisten und den Kommunisten wird in einigen Passagen sehr deutlich. Ob er jedoch als gesellschaftskritischer Roman zu betrachten ist scheint sehr fraglich, da Franz nach einer Konfrontation mit beklagenswerten sozialen Verhältnissen, durch einen Läuterungsprozeß, letztlich ein positives Ende nimmt.

Bibel und christliche Kultur sind, wie bereits erwähnt, von Anfang an durch Anspielungen und Zitate präsent. Der Roman beschränkt sich aber nicht darauf, die Geschichte Biberkopfs mit biblischen Motiven zu untermalen. Franz wird solange in vielfältiger Weise auf Gott aufmerksam gemacht, bis es zu einer Art Bekehrung kommt. Auch das Gefängnis kann in einen christlichen Deutungssatz einbezogen werden. Es ist der paradiesische Ort, an dem der Mensch in einer vorgegebenen Ordnung unbekümmert leben kann, ohne selbst Verantwortung übernehmen zu müssen. Immer wenn Franz mit dem Leben außerhalb der Gefängnismauer nicht mehr klarkommt, zieht es ihn zum Gefängnis zurück.

Das Irrationale zieht sich unter immer neuen Bezeichnungen (Schicksal, Leben, dunkle Macht,...) durch den Roman. Franz muß gegen die dunkle Macht ankämpfen ohne sie zu sehen. Bereits im Vorwort heißt es, etwas das wie ein Schicksal aussieht sei daran schuld, daß Franz nicht anständig bleiben kann.

Erst als sich Franz der finsteren Macht wirklich stellt, kann er sie auch überwinden. Nur wer das Schicksal nicht mehr als übernatürliche Macht verehrt, vermag es zu zerstören. Am Ende des Romans entpuppt sich die dunkle Macht als Tod. Entscheidend ist, daß der Tod als positive Größe dargestellt wird. Er klärt Franz über seine Irrtümer, seinen Hochmut und seine Unwissenheit auf. Erst durch diese Einsicht gelingt es ihm ein neues Leben zu beginnen.

                 

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