Woyzeck - georg büchner
Woyzeck – Georg Büchner
Georg Büchner wurde am 17. Oktober 1813 als Sohn eines Arztes in Goddelau geboren. 1816 übersiedelte die Familie nach Darmstadt, wohin der Vater als Bezirksrat versetzt wurde. Nach anfänglichem Elementarunterricht bei seiner Mutter trat er 1822 in eine Privatschule ein. Wirklich zu schreiben und sich mit der damaligen Problematik auseinanderzusetzen begann Büchner erst mit seinem zwanzigsten Lebensjahr. Doch Selbstzeugnisse aus Büchners Schulzeit lassen auf die Entwicklung seines Charakters und seiner Denkart schließen.
Er schwärmte für die Dichter und war ein großer Verehrer Shakespeares. Büchner litt vor allem unter dem damaligen trockenen, strengen Schulsystem. Mit den Idealen der Klassik nahm er auch deren Freiheitsgedanken auf. Büchner entwickelte sich zu einem selbständigen Kopf. Keine der Meinungen über Philosophie, Religion, Literatur, Geschichte oder Kunst übernahm er ungeprüft. 1831 schrieb Büchner sich in der medizinischen Fakultät der Universität Straßburg ein.
Durch seinen Freund Friedrich Ludwig Weidig geriet Büchner in revolutionäre Kreise. Er gründete eine „Gesellschaft der Menschenrechte“ und schrieb heimlich die politische Flugschrift „Der hessische Landbote“ („Friede den Hütten, Krieg den Palästen!“). Nur durch Flucht konnte er sich der Verhaftung entziehen. Er starb in Zürich an einer Typhuserkrankung im Jahre 1837 im Alter von nur 23 Jahren. Büchners Größe wurde erst in der Gegenwart wirklich erkannt.
Büchners erstes großes Drama „Dantons Tod“ entstand in Jahre 1835.
Ein Jahr später stellte er „Leonce und Lena“ fertig und schrieb das Fragment „Woyzeck“, welches er jedoch nie fertigstellen konnte.
Zu Woyzeck gibt es ein historisches Vorbild, einen Mörder aus Eifersucht. Der Perückenmacher Johann Christian Woyzeck hatte am 3. Juni 1821 seine Geliebte im Hauseingang ihrer Wohnung erstochen. Ihm war bekannt, daß sie noch mit anderen Männern, besonders mit Soldaten, Umgang pflegte. Dies trieb ihn zuletzt zu dieser Tat.
Bei der Voruntersuchung tauchte bald die Vermutung auf, daß Woyzeck geistig nicht für normal genommen werden könne. Er neige zu Unberechenbarkeiten. Der Gerichtsarzt fand jedoch keine weiteren Anzeichen und somit wurde Woyzeck zum Tode verurteilt.
Büchner wird durch die Fachjournale, die in seines Vaters Zimmer massenhaft herumlagen, auf den Fall aufmerksam und beginnt erste Studien über Woyzeck anzustellen.
Inhalt:
Der Barbier und Soldat Woyzeck liebt Marie. Aus Geldnöten stellt er sich dem Regimentsarzt als Casus zur Verfügung und wird somit zum Objekt der ärztlichen Experimente.
Seit ungefähr drei Monaten darf er nichts anderes essen als Erbsen. Der Doktor ist begeistert von den Nebenwirkungen. Diese einseitige Ernährung soll lediglich eine Theorie des Doktors bestätigen. Zu diesem Verpflegungsterror gesellen sich nun auch seelische Probleme. Marie hat ein uneheliches Kind von ihm, welches er ernähren muß.
Eines schönen Tages zieht das Regiment vorbei.
Voran geht der Tambourmajor, welcher sich prompt in Marie verliebt und umgekehrt. Durch mehr oder weniger offensichtliche Anspielungen des Hauptmanns kommt Woyzeck dahinter, daß Marie ihn betrügt. Woyzeck ist nicht mehr Herr seiner Gefühle. Bei einer Tanzveranstaltung sieht Woyzeck Marie und den Tambourmajor gemeinsam. Er zieht sich in seine Kaserne und zu seinem Freund Andres zurück und schüttet diesem gewissermaßen sein Herz aus. Dieser kann ihm jedoch nicht weiter helfen.
Woyzeck lebt jetzt, wie in geistiger Umnachtung. Von Stimmen, die er vernimmt und die ihn begleiten, beschließt er, Marie zu töten, und kauft bei einem Trödler ein Messer. Dann lockt er Marie zu einem Teich unter der Vorgabe, mit ihr sprechen zu wollen. Er sticht auf sie ein und läßt die Tote liegen. Später kehrt er in ein Wirtshaus ein. Dort wird man auf das Blut am Ärmel von Woyzeck aufmerksam.
Woyzeck stürmt aus dem Gasthaus und begibt sich auf die Suche nach dem Messer. Er findet es am Tatort und wirft es in den Teich. Er bildet sich ein, daß er das Messer noch sehen kann, geht ins Wasser, taucht es heraus und wirft es noch weiter in den See. Er sieht das Messer noch immer als einen “weißen Fleck”, taucht abermals, um es noch weiter zu werfen, und ertrinkt dabei!
Im Mittelpunkt dieses Sozialdramas befindet sich Woyzeck. Er ist ein einfacher Soldat und hat nur Befehle auszuführen. Bereits am Anfang des Dramas kommt heraus, wie das Bild Woyzecks aussieht.
Der Hauptmann hält Woyzeck für einen armen tugend- und morallosen Kerl, worauf Woyzeck ihm antwortet: “Ja Herr Hauptmann, die Tugend, I hab´s noch nit so aus!“. Dieser Satz ist nicht nur durch mundartliche Merkmale spontanen Sprechens geprägt, er kennzeichnet auch den Sprecher. Er zeigt die sprachliche Schlichtheit, die wie Unbeholfenheit wirkt.
Die Sprache in „Woyzeck“ ist volkstümlich und fragmentarisch. Die Sätze sind grammatisch nicht ausgeformt, sondern oft mittendrin abgebrochen. Diese Art des Sprechens ist expressiv.
Sie wird besonders im Sturm und Drang des 18. Jahrhunderts und im Expressionismus des 20. Jahrhunderts verwendet. Seelische Zustände werden schlaglichtartig durch einzelne Worte erhellt.
Woyzeck wird von niemandem verstanden, weder von seinen Peinigern noch von Marie und Andres. Er vereinsamt immer mehr und ist zuletzt mit seinem Mordgedanken allein.
Diese Isolierung drückt sich in der Dialogführung aus. Die Dialoge brechen häufig auseinander, sie werden zu Monologen. Die Personen reden von verschiedenen Dingen und verfehlen den Partner.
z.B.: Andres: Franz, du kommst ins Lazarett.
Armer, du mußt Schnaps trinke
und Pulver drin, das töt´t das Fieber.
Woyzeck: Ja Andres, wann der Schreiner die Hobelspän sammlet, es
weiß niemand, wer sein Kopf drauf lege wird.
Woyzeck ist körperlich am Ende und spürt bereits den näherrückenden Zusammenbruch. Seine unterschwellige Todesahnung ist wahnhaft übersetzt in das Verfolgtwerden von Stimmen. Er übersetzt diese Stimmen in die reale Welt, die zuletzt zur Katastrophe führen. Durch die physiologische Belastung ist der kritische Punkt dann erreicht.
Beim Ausbruch richtet sich seine Aggression aber nicht gegen die Urheber sondern gegen Marie, die ein Opfer ist, wie er. Doch in ihrer Ermordung steckt der verdrehte Moment der Rebellion gegen seine Peiniger. Woyzeck ersticht Marie, obwohl er, wie er selber sagt, sonst nichts besitze. Das Verhältnis zu Marie und zu ihrem Kind war das Asyl, in das er sich retten konnte.
Das ganze Stück läßt sich als Gerichtsstück auffassen. Es ist die Revision gegen einen Urteilsspruch, ein Gericht über die Richter.
Büchner will damit gegen das System rebellieren.
Marie, der Hauptmann, der Tambourmajor und der Doktor verkörpern die zeitlosen Typen des Menschen. Der Tambourmajor ist das genaue Gegenteil zu Woyzeck, welcher unfähig ist mit Menschen zu reden. Mit Woyzecks revolutionären und meistens etwas aus der Luft gegriffenen Aussagen, die sehr schnell wechseln, kommen die Menschen nicht zurecht. Ein Gespräch mit Woyzeck, so sagt auch der Hauptmann, sei anstrengender als jede Mahlzeit. Marie ist eigentlich ein liebes Mädchen.
Sie hat ein Kind von Woyzeck. Besteht am Anfang noch eine gute Verbindung zwischen ihr und Woyzeck, so wird diese zunehmend schlechter.
Erst 1913 wurde der „Woyzeck“ anläßlich des 100. Geburtstages Büchners in München uraufgeführt. Büchner übte mit diesem revolutionären Werk großen Einfluß auf die Vertreter der naturalistischen Epoche aus. Bis heute ist das Thema der sozialen Anklage aktuell, sodaß man beim „Woyzeck“ wirklich von einem äußerst modernen Stück sprechen kann.
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