Walter-ludwig skolud
walter-ludwig skolud <waluliso@gmx.net>
Autor : Schnitzler Arthur
Titel : Liebelei
Schauspiel in 3 Akten
Uraufführung am 9. Oktober 1895 im Burgtheater in Wien
Entstanden 1894
Personen : Christine Weiringer
Hans Weiringer (ihr Vater)
Mizi Schlager (Modistin)
Katharina Binder (Frau eines Strumpwirkers)
Lina (ihre 9 jährige Tochter)
Fritz Lobheimer (junger Mann)
Theodor Kaiser (junger Mann)
ein Herr
Ort und Zeit : Wien
Inhalt :
1. Akt :
Theodor, der sienen Freund Fritz von einer alten Liebe ablenken will, organisiert ein Abendessen mit zwei Damen, Mizi und Christine. Christine, die vorher ihren Vater noch zum Theater gebracht hat, bringt einen Blumenstrauß für Fritz mit, um ihm zu zeigen, wie gern sie ihn hat.
Bei und nach dem Abendessen unterhalten sich die vier ausgezeichnet, als plötzlich der Ehemann von der ehemaligen Geliebten von Fritz bei der Tür hereinkommt und ihm seine Liebesbriefe an dessen Frau auf den Tisch wirft.
Die anderen drei befinden sich einstweilen im Nebenzimmer und wissen von all dem nichts was sich zwischen den beiden abspielt. Der Herr fordert von Fritz die Liebesbriefe von seiner Gattin, welche er ihm aber nicht gibt, worauf Fritz dem Herren wissen läßt, daß er jederzeit eine Herausforderung zu einem Duell annehmen würde.
Theodor beschwichtigt nach dem Abgang des Herren noch Fritz, daß solche Sachen zu 90% immer gut ausgehen. Theodor begleitet die beiden Damen danach nach Hause, nachdem Fritz und Christine sich für den nächsten Tag verabredet haben.
2. Akt :
In der Dachwohnung von Christines Vater.
Katharina will Christine in den Lehnergarten einladen, da sie Christine mit einem Herrn Binder verkuppeln möchte. Christine lehnt aber ab, da sie an diesem Herren keinerlei Interesse hat. Katharina spricht über Christines Freundin Mizi sehr verächtlich und meint, daß Mizi kein Umgang für Christine sei und sie nur in Verruf bringen würde. Als Mizi gegangen ist, unterhalten sich Herr Weiringer und Katharina über ihre Jugend. Herr Weiringer erzählt ihr, daß er nicht den gleichen Fehler wie bei seiner verstorbenen Schwester machen will, und sie so ihr Leben geniesen lassen will. Mizi, die zu dem Gespräch hinzu kommt, erkundigt sich nach Christine.
Diese jedoch kommt gleich darauf auch dazu und gibt an, daß sie Kopfschmerzen habe. Katharina bemerkt spöttisch, daß ihr Freund ihr eher Kopfschmerzen verursacht. Nachdem Mizi und Christine sich alleine in der Wohnung befinden, erklärt Christine ihr, daß Fritz sie hätte sitzen lassen. Mizi versucht sie zu trösten, in dem sie ihr erklärt, daß es kein Mann Wert sei sich wegen ihm die Augen auszuweinen.
Als Fritz, nachdem Mizi gegangen ist, doch kommt, und Christine versucht zu erklären, daß er sie liebt, kommt Theodor dazu und gibt vor, daß er und Fritz auf das Gut dessen Eltern für einige Tage fahren. Mit einem "Lebe wohl" verabschiedet sich Fritz von Christine.
3. Akt :
In der Wohnung des Herrn Weiringers. Christine beichtet Mizi, daß sie ihre Liebe zu Fritz ihren Vater gebeichtet hat, und bittet sie bei Theodor zu schauen, ob die beiden schon von ihrem Gutbesuch zurück seien.
Herr Weiringer, der erfahren hat, daß Fritz bei einem Duell ums Leben gekommen ist, versucht Christine auf die schönen Dinge des Lebens aufmerksam zu machen, um ihre Fixiertheit an Fritz etwas zu schwächen. Christine ahnt aber etwas von dem Unglück und trifft auf Theodor beim Öffnen der Tür. Voller Entsetzen erfährt sie, daß Fritz bei einem Duell um eine andere Frau ums Leben gekommen ist.
Christine stürzt sich danach aus dem Fenster.
Interpretation :
Schnitzler hat mit Liebelei seinen ersten und größten Bühnenerfolg. Der "Seelenzergliederer und Sittenschilderer, Gesellschaftskritiker und Wahrheitsfanatiker Schnitzler" (R. Alewyn) verwandelt hier den Typus des gemütvollen Wiener Volksstücks in ein sozialpsychologisches Drama, wobei der ironische Unterton im Titel bereits auf die ambivalente Tragik der Handlung verweist.
Theodor und Fritz, 2 fesche wohlhabende Wiener Studenten, verbringen mit ihren Freundinnen Mizzi und Christine in Fritzens Wohnung eine stimmungsvolle Soireé - bei Kerzenlicht, leiser Klaviermusik und belangloser Konversation. Theodor, der mit der lebenslustigen Mizzi liiert ist, hat seinem Freund - als Erholung von der strapaziösen "Liebestragödie" mit einer verheirateten Frau aus der "guten" Gesellschaft - eine kleine, unverbindliche "Liebelei" mit Christine Weiring, der naiven Tochter eines städtischen Theatermusikers, verordnet.
("Die Weiber haben nicht interessant zu sein, sondern angenehm ... Erholen! Das ist der Sinn. Zum Erholen sind sie da.").
Für Fritz, labiler aber auch sensibler als Theodor, bedeutet Christine die Möglichkeit, seinem Enuii in augenblickshaften Glückserlebnissen zu entfliehen. Strikt verbittet er sich beim Téte-á-téte mit Christine alles, was diesem Vorhaben im Wege steht - etwa ihre besorgte Frage nach jener mysteriösen "Dame in Schwarz" mit der Fritz im Theater gesehen wurde : "Gefragt wird nichts. Das ist ja gerade das Schöne. Wenn ich mit dir zusammen bin, versinkt die Welt - punktum." Das Kontinuum der Zeit ist für Fritz in ein Zufallsmosaik unzusammenhängender Augenblicke zerfallen; Glück ist nur denkbar als Stillstand, als Verewigung des Augenblicks : Denn der "Augenblick" ist die "einzige Ewigkeit", so argumentiert Fritz, "die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört". Dieses Bewußtsein, daß die Wirklichkeit ungreifbar und nur momentanerweise zugänglich sei, steht, wie im lyrisch-dramatischem Werk des jungen Hofmannsthal (vgl.
"Der Kaiser und die Hexe" und "Das Kleine Welttheater"), in thematischem Zusammenhang mit einer radikalen Sprachskepsis : Fritz glaubt nicht mehr an die "großen Worte", die das Geheimnisvolle der Augenblickserfahrung zerstören ("Sprich nicht von Ewigkeit"); er glaubt einzig an die "Stimmung" davon, daß es "vielleicht Augenblicke" gibt, "die einen Duft von Ewigkeit um sich sprühen".
Jäh wird die inszenierte Gemütlichkeit gestört, als ein "unbekannter Herr" erscheint, der Gatte jener "Dame in Schwarz". Kompromitierende Liebesbriefe Fritzens hat er als Beweismaterial mitgebracht. Barsch, in kaltem Zorn, spricht er in einer kurzen Unterhaltung unter 4 Augen die unvermeidliche Duellforderung aus. Fritz zweifelt nicht daran, daß dies sein Todesurteil bedeutet. - Der 2.
Akt spielt in der kleinbürgerlichen Dachwohnung, die Christine mit ihrem Vater bewohnt. Frau Binder, eine Nachbarin, die ihre Umwelt mit "guten" Ratschlägen tyrannisiert, versucht Christines Vater von den Vorteilen einer Ehe seiner Tochter mit einem Cousin zu überzeugen, der "so ein honetter junger Mensch" sei; "jetzt ist er sogar fix angestellt ... mit einem ganz schönen Gehalt". Der einsichtige Vater Christines aber weist diese trostlose Aussicht auf ein Leben "ohne Glück und ohne Liebe" zurück.
Schnitzler erkennt, mit einem unbestechlichen Blick für Korespondenzen im Gefüge der zeitgenössischen Gesellschaft, die Verwandtschaft von Frau Binders Prüderie und Mizis erotischer Leichtlebigkeit: Beide betrachten die Beziehung zum Mann vornehmlich unter dem Aspekt von Sicherheit und Profit ; Frau Binder findet den "schönen Gehalt" ihres biederen Cousins ebenso imponierend wie Mizi die "schöne" und "prachtvoll" eingerichtete Wohnung von Fritz. Mit bissigen Anspielungen zieht Frau Binder sich zurück als Christine nach Hause kommt und über Kopfschmerzen klagt. Fritz ist zum verabredeten Rendevous nicht erschienen . Plötzlich jedoch, gepackt von "einer solchen Sehnsucht nach diesem lieben süßen Gesichterl" steht er vor der Tür und läßt sich, unter dem Vorwand, kurzfristig vereisen zu müssen, in Wirklichkeit aber um Abschied für immer zu nehmen, Christines Zimmer zeigen. Das Interieur dieses Raumes - kleinbürgerliches Mobilar mit künstlichen Blumen, Schubertbüste und kleiner Bibliothek - verklären sich in den Augen des Todgeweihten zur Stätte paradiesischen Geborgenseins. Gleichzeitig behauptet sich in ihm hartnäckig das Wissen um die abgründige Scheinhaftigkeit dieser Idylle: "O Gott, wie lügen diese Stunden !" Zwei Tage später erfährt Christine durch Dritte, daß sie für Fritz "nichts gewesen als ein Zeitvertreib".
Er hat sich im Duell "für eine andere niederschießen lassen" und ist bereits begraben. "Indem er an einer Lüge stirbt wird sichtbar, daß sie von einer Lüge gelebt hat" (H. Bahr). Verzweifelt stürzt sich Christine aus dem Zimmer, um sich den Tod zu geben.
Schnitzlers Schauspiel, dessen beiläufiger Konversationsbau sich im letzten Akt unversehens zu eindringlicher Unmittelbarkeit verdichtet, als in Christines jäh ausbrechender Verzweiflung der tragische Kern dieser scheinbar flüchtigen Beziehung enthüllt wird, erreicht mit diesen Szenen eine Dimension, die weit über den unmittelbaren, präzis faßbaren Zeitbezug hinaus reicht. Es ist, der Figurenkonstellation und Thematik nach, ein später Nachfahre der - Ende des 19.
Jhds. bereits historisch gewordenen - Gattung des bürgerlichen Trauerspiels (vgl. "Kabale und Liebe"). Das tragische Scheitern der leidenden Bürgermädchen bei Lessing und Schiller enthält jedoch stets einen versöhnenden Aspekt: Die Heldin durchschaut, kraft eines Bewußtseinsaktes, die Ausweglosigkeit ihrer Lage und verklärt den eigenen physischen Untergang zur Utopie eines von den Zwängen der Gesellschaft befreiten Individuums. Bei Schnitzler dagegen steht am Ende, wie in Gerhart Hauptmanns frühen naturalistischen Dramen (vgl. "Vor Sonnenaufgang" und "Die Ratten"), Ratlosigkeit und Verzweiflung.
Alle Beteidigten sind in einem vom Individuum her nicht mehr aufhebbaren Schuldzusammenhang verstrickt. Die Übermacht des Anonymen, dem der einzelne ausgesetzt ist und erliegt, hält allegorisch ein Bild in Christines Zimmer fest; es zeigt "ein Mädel", das "schaut zum Fenster hinaus, und draußen ... ist der Winter". Das Bild heißt "Verlassen".
Allgemeines :
Arthur Schnitzler (1862-1931) befaßt sich hauptsächlich mit erotischen Problemen, und mit der darstellung schwierigen und absonderlichen seelischen Zuständen (aus Liebe in den Tod). Er war auch Mediziner. Er schrieb eine Abhandlung u.a. zu Problemen der Psychoanalyse. Er gilt als Vertreter der Dekadenzdichtung.
Er verfügt über eine scharfe psychologische Einfühlung und Darstellung. Gehörte zum "Jungen Wien". Impressionistischer Schreibstil.
Impressionistischer Stil :
.) Sichtbarmachung von Stimmungen
.) Wiedergabe des augenblicklichen subjektiven Eindrucks
.
) Drama und Roman als Darstellung des Seelenzustandes
Liebelei behandelt das Thema Liebe ohne Bedürfnis nach Treue, welches zum Tode führt.
Fritz Lobheimer :
Fritz, der glaubt seine Leidenschaft zu einer früheren Liebe, eine verheiratete Frau, schon überwunden zu haben, wird von dieser wieder eingeholt. Ihr Mann kommt hinter diese vergangene Beziehung, und Fritz stirbt im Duell mit ihm. Gerade in dem Augenblick in dem er glaubt, durch die Liebe zu christine alles überwunden zu haben. Fritz fühlt sich in der Nähe von Christine geborgen, und gerade in diesem Augenblick holt ihm seine Vergangenheit ein.
Christine Weiringer :
Christine verspürt einen furchtbaren Schmerz als sie erfährt, daß ihr Geliebter gestorben ist.
Sie hat zwar gewußt, daß er sie einmal verlassen würde, aber daß ihr Geliebter wegen einer anderen gestorben ist, hat sie nicht verkraftet.
Als sie begreift, daß sie für ihn nur eine Liebelei war (um die alte Liebe zu vergessen), stürzt sie sich aus Angst vor der Wiederkehr dieses Schmerzes in den Tod.
Mizi und Theodor :
Mizi ist eine enttäuschte Frau, die der Liebe negativ eingestellt ist. Z.B. : "Den Männern soll man überhaupt kein Wort glauben.
"
Theodor ist ein Mann für den Frauen nur eine Art Spielzeug darstellen. Er läßt sich auf eine Beziehung nur aus reinem Vergnügen ein, ohne dabei treu zu sein und auf die Frau Rücksicht zu nehmen. Auch eine Art Schutzmechanismus um nicht verletzt werden zu könnne ("Verletzt lieber selbst, als du verletzt wirst").
Hans Weiringer :
Er versucht seine Schwester vor allem Glück und Unglück zu beschützen. Er bereut es aber als sie gestorben ist, da er ihr nicht das Recht richtig leben zu können gab.
Tochter Christine läßt er ihre Jugend genießen, quält sich aber nach Christines Schmerz mit Vorwürfen.
Katharina :
Glaubt an das Glück der Liebe nicht und wirft Christine ihre Beziehung zu Fritz vor. Sie ist der Meinung, daß eine Frau damit glücklich sein soll, daß sie einen Mann bekommt (Herr Binder), der einen guten Beruf hat, denn mehr ist ihr nicht bestimmt.
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