Rudolf kreis
Rudolf Kreis
FABEL UND TIERGLEICHNIS
Didaktische Neubestimmung
Vor zweieinhalb Jahrtausenden tritt die Fabel als ein ästhetisch wie intelektuell ausgereiftes Sprachgebilde in die abendländische Geschichte. Sie ist ein politisches Kampfmittel, da sie eine dialektische Struktur hat. Dies gilt nicht nur für die griechisch- römische Fabel, sondern auch für die alttestamentlichen Texte. Der historische Hintergrund der Aesopschen (Aesop lebte um 550 v. Chr. auf Samos und ist ein Sklave, der als Erfinder der Fabel gilt) Fabel ist geprägt vom Gegensatz zwischen Adel und Demos.
Es kam zu einer Klassenjustiz, vor allem die breite Masse und die kleinen Bauern litten darunter. Das Leben des Adels bestand aus Kampfspielen, Wagenrennen und Jagd. Die politischen Rechte der einzelnen Bürger waren nicht gleich, sondern abgestuft entsprechend dem Mehr oder Weniger an Besitz (z.B. Solonische Klassenordnung). In diesem Widerstand der Klassen ergreift die Fabel eindeutig die Partei der Armen.
Sie ist ein literarischer Aufstand gegen den Reichtum.
Die durch 5 Jahrhunderte gehende sozialkritische Dichtung bereitete nicht nur dem Adel Sorgen- Aesop wurde vom Felsen gestürzt- sondern z.B. auch der frühchristlichen Kirchenführung um den Apostel Paulus, wie aus dem 1. Timotheusbrief, einem Dienstschreiben zur Ordnung der kirchlichen Disziplin hervorgeht. Dieses Schreiben verbot die Heranziehung der Fabel in der Predigt, da sie Streitfragen hervorbringe statt Dienstleistungen im Sinne Gottes.
Im 19. Jahrhundert wurde die Fabel aus dem Tempel der „reinen“ Dichtung verwiesen. Dies hat wahrscheinlich ideologische Hintergründe. Die Gattung blieb weiterhin eine niedrige Klasse. Der Hauptgrund dafür war, das die Leute die Fabel lasen, sich aber ncihts dazu gedacht haben. Deshalb fanden sie keinen Sinn darin.
Die Fabel verlangt ein hohes Maß an Kunst: Wenn man nichts hinzudenkt, wird man ihre Einfalt unerträglich finden.
Hinzugedacht werden muss:
Eine bloß formale Betrachtung verfehlt die historischen Hintergründe der Gattung und damit auch die sozialkritischen Inhalte
Eine auf Charakterprobleme reduzierte Fabelbehandlung, wie sie in Seminaren noch oft praktiziert wird , verkennt die soziologische Absicht der Fabel.
Wenn die Fabel nicht in ihrem historisch- politischen Kontext gesehen wird, bleibt sie weitgehend unverständlich
Die dialektische Struktur der Fabel
Im Jahre 1530- in der Zeit der Bauernkriege- stößt der Reformator Luther, der selbst in politische Schwierigkeiten mit den Mächtigen geraten war- auf diese literarische Form. Er hat großen Respekt vor Aesop und stellt die Fabel auf eine Stufe mit der Bibel. Er schätzt an der Gattung, dass sie alle, vor allem die Kinder, zu einer realistischen Sicht auf die Dinge der Welt bringt. Luther, der selbst Fabelschreiber war, weist auf drei Dinge hin: erstens den Entstehungsprozess, zweitens die Konstruktion und drittens die Intention der Fabel.
Der Entstehungsprozess verläuft vom Erleben oder Erleiden eines Schicksals über die Reflexion dieses bis hin zur Erkenntnis der Wahrheit. Diese Wahrheit wird in eine Tiergeschichte übersetzt, da man so die Leute nicht direkt angreift, sie aber bei Interpretation auf Fehler hinweist. Luther nennt dies „Unter einer Lügenfarbe kleiden“. Die Wahrheit wird nicht verborgen, aber auch nicht betont. Damit hat man auf die Wahrheit keinen Hass, sondern erkennt sie nur- und das ist das Ziel- DAS ERKENNEN DER WAHRHEIT. Nebenbei wird die Enträtselung zu einem intelektuellen Vergnügen.
Die Erzählung der Fabel mit Hilfe der Tierwelt ist die poetische Seite der Gattung. Die Fabel zielt darauf hin, das Urteil des Lesers zu provozieren, wozu ein Denkansatz erforderlich ist. Diesen Denkansatz bezeichnet Luthers Theorie als dialektisch. D.h.: große gegen kleine Tiere, ungerechte gegen gerechte, mächtige gegen schwächere, reiche gegen arme, brutale gegen friedfertige etc.
Alle Dichter von Aesop bis Lessing haben das Ziel die Grundprobleme der sozialen Welt aufzudecken. Unter allen Fabeln gibt es eine, die diese Grundproblematik am deutlichsten darlegt: Aesops Fabel „Die Teilung der Beute“. Sie spiegelt die Macht- und Besitzverhältnisse der Gesellschaft wieder. Ihre Bestialität ist zurückzuführen auf ein Prinzip, das in der Teilung der Beute deutlich gemacht wird. Es entsteht ein brutales Gerangel um die Beute. Die Problematik liegt darin, dass wir zur Selektion, also zur Teilung, gezwungen sind.
Unter dem vollzog sich auch in der Gesellschaft eine Selektion in Priviligierte und solche, die es nicht sind. Texte des Evgangeliums oder Fabeln sind eine Botschaft für Gerechtigkeit und Gleichheit. Diese Botschaft ist den Reichen feindlich gesinnt. Luther verstand es allerdings anders. Er war im Grunde ein Konservativer, ein „Fürstenideologe“. Er ist somit ein Gegensatz zu Aesops Intention.
Die Pointe, die es in jeder Fabel gibt, hält die Denkstruktur und Poesie jeder Fabel zusammen.
Leidenschaften sollten in Fabeln vermieden werde, da nichts unsere Erkenntnis so verdunkelt wie diese. Deshalb wird man auch kaum über die Lebensgeschichte eines Tieres erfahren, da man sonst zu viel Sympathie für ein Tier aufbringen würde. Die Tiere sollten keine individuelle Psyche aufweisen, damit sie nicht, wie es bei einer normalen Romanlektüre schon der Fall ist, unvergesslich mit uns eingehen. Damit wir uns einfacher gesagt nicht zu sehr in sie hineinversetzen.
Lessing hat besonders stark auf die sozialkritische Erkenntnis hingewiesen.
Er forderte, dass sie ernsthaft, knapp, gezielt und pointiert sein müsse. Die Fabel würde durch verbalen Aufputz ihren Wert als „Waffe“ verlieren.
3. Lernzielbestimmung
Der Schüler lernt, dass die Fabel ein sogenannter „kodierter“ Text ist, den man erst entschlüsseln muss. Was hier angestrebt wird, ist die Hinführung des Schülers zu einem bewussten Leseverhalten. Ratsam ist es mit Luthers Fabeln zu beginnen, da diese mit Lehrhilfe nicht so schwierig zu verstehen sind.
Zuerst ist es wichtig die Schlüsselwörter zu finden. Dazu gehören- gemäß der Theorie Luthers- zunächst Tiernamen; „Löwe“, „Fuchs“....Für das, was darüber hinaus als Schlüsselwort gilt, entwickelt sich das Gespür erst nach und nach.
PHÄDRUS
1.5 Vacca, capella, ovis et leo = Die Kuh, die Ziege, das Schaf und der Löwe
Niemals ist man sicher, wenn man in der Gesellschaft mit Mächtigen teilt. Diesen meinen Satz bezeugt die Fabel.
Die Kuh, dir Ziege und das leidende Schaf verbanden sich mit dem Löwen auf Bergeshöhen. Als sie einen Hirschen mit ungeheurem (großem) Körper fingen teilte ihn der Löwe und sprach: „Ich nehme mir den ersten Teil, weil ich mit Namen König genannt werde, den zweiten teilt ihr mir zu, weil ich Gefährte bin (Genosse, Teilhaber), (dann) der dritte gehört mir, weil ich der Stärkste bin, wenn wer den vierten berührt, dem soll es schlecht gehen.“
So nimmt der Ruchlose die Jagdbeute allein weg.
1.8 Lupus et gruis = Der Wolf und der Kranich
Zweimal sündigt der, der den Preis für den Verdienst von Ruchlosen fordert. Erstens, weil er Unwürdige unterstützt, zweitens weil er nicht ungestraft weggehen kann.
Als ein verschluckter Knochen am Schlund eines Wolfes hing (im Schlund haftete), begann er überwältigt vom großen Schmerz die einzelnen (Tieren) durch einen Preis anzulocken, damit sie dieses Übel herausziehen. Endlich wurde ein Kranich durch einen Schwur überredet und vollbrachte an dem Wolf eine gefährliche Heilung, indem er die Länge des Halses der Kehle anvertraute. Als er von diesem den vereinbarten Preis forderte, sagte er: „ Du bist undankbar, der entfernt das Haupt unversehrt aus meinem Maul und verlangt einen Lohn.
“
1.9 Passer ad leporem consiliator = Der Sperling (Spatz) als Berater für den Hasen
Wir wollen in einigen Versen zeigen, wie dumm (albern) es ist, sich nicht zu hüten und anderen einen Rat zu geben.
Ein Hase, den ein Adler schlug (bestrafte) ließ einen schweren Tränenstrom vernehmen. Ein Spatz tadelt den Hasen:“ Wo ist die bekannte Schnnelligkeit?“ Warum hören so deine Beine auf?“ Während er sprach packt ihn (den Hasen) unversehens ein Falke und trotz eitler Klage tötet er den Schreienden.
Schon halbtot sprach der Hase:“ Sieh da, der Tod ist mir Trost! Du hast eben noch über mein Unglück unbesorgt (furchtlos) gelacht, über deine Klage jammerst du ähnlich.“
1.
10 Lupus et vulpes iudice simio = Der Affe als Richter über Wolf und Fuchs
Wer auch immer einmal durch den Vorwurf schändlichen Betrugs bekannt wird, nämlich wenn er Wahres sagt, verliert er die Treue. Das bezeugt die kurze Fabel von Aesop.
Der Wolf beschuldigte den Fuchs für einen Diebstahl , jener leugnet es, dass es seine eigene Schuld sei. Da setzt sich der Affe als Richter zwischen jene. Als jeder von beiden den Fall vortrugen, machte Der Affe ein Urteil (fällte..
....):“ Was du verlangst, scheinst du nicht verloren zu haben, ich glaube, du hast weggenommen, was du so schön verneinst.
1.
11 Asinus et leo venantes = Der Esel und der Löwe auf der Jagd
Wenn ein Schwächling unkundig ist, aber den Ruhm mit Worten wirft, er täuscht den Unbekannten (der es nicht weiss), jedoch lacht ihn der, der es weiss, aus.
Der Löwe ging mit dem Esel als Begleiter auf Jagd, jenen versteckt er im Gebüsch und feuert ihn an mit seinem Brüllen Das Ungewohnte (die Tiere) zu schrecken. Dem es neu war, fing er selbst ab. Plötzlich nimmt der Langohrige das ganze Geschrei mit neuen Kräften auf und stiftet durch ein Wunder Unruhe. Als die Angsthabenden den bekannten Weg aufsuchten, bringt sie der Löwe mit schrecklicher Gewalt um, der nach dem Töten erschöpft ist ruft den Esel und befiehlt ihm zu schweigen. Da sagt jener frech:“ Wie erscheint dir die Dienstleistung meiner Stimme?“ Er (der Löwe) sagte.
“ Großartig, so dass, wenn ich nicht gewusst hätte dein Geschlecht und deine Seele, wäre ich vor Furcht ähnlich geflohen.“
1.12 Cervus ad fontem = Der Hirsch an der Quelle
Man verachtet oftmals nützlicher als das, was man oft gepriesen wird. Die Erzählung zeigt dies:
Nachdem ein Hirsch an einer Quelle getrunken hatte, blieb er stehen und sah im Wasser sein Abbild (sein Spiegelbild). Dort lobt er sein verzweigtes Geweih, aber er tadelt seine allzu dünnen Schenkel. Plötzlich erschreckt durch die kommenden Stimmen begann er durch die Felder zu flüchten und entging den Hunden durch seinen leichten Lauf.
Da griff ihn der Wald auf, in dem sich sein Geweih verfing und ihn festhielt, und ein Hund begann ihn grausam zu zerfleischen. Sterbend hat er noch diesen Ausspruch getan:“ Ich Unglücklicher, der erst jetzt einsieht, wie nützlich für mich war, was ich verachtet hatte, und wie viel Übel brachte was ich gelobt hatte.“
1.21 Leo senex, aper, taurus et asinus = Der alte Löwe, der Eber, der Stier und der Esel
Wer auch immer seine alte Würde verlor ist auch für Nichtsnutzige ein Gespött im Unglück.
Erlahmt durch die Jahre, entkräftet und fast in den letzten Zügen lag ein Löwe da, da kam ein Eber schäumend mit mörderischem Fang zwischen den Hauern und rächt mit einem Stoß sich für frühere Wunde. Bald durchbohrt der Stier mit feindlichen Hörnern den Leib des Feindes.
Als der Esel sah, wie man das wilde Tier misshandelte, stellt er sich mit den Hufen vor sein Gesicht. Jener (der Löwe) sprach im Sterben:“ Tapfere haben mich verspottet, mit Würde nehme ich es hin, dich aber, Schandfleck der Natur, beim Tod erleiden zu müssen, erscheint mir wie ein zweiter Tod.“
1.23 Canis fidelis = Der treue Hund
Der plötzlich Freie ist den Erfahrenen willkommen, aber er legt vergeblich Schlingen. Als ein Dieb in der Nacht einem Hunde Brot hinwarf, versuchend ob er nicht durch die vorgeworfene Speise gewonnen werden könnte, sagte er: „Hör einmal, du willst mir die Stimme verschließen (mir das Maul stopfen), damit ich nicht für den Besitztum meines Herrn belle? Du täuschst dich sehr. Denn diese plötzliche Güte von dir nötigt mich wachsam zu sein, damit du nicht durch meine Schuld einen Gewinn machst.
“
1.25 Canes et corcodilli = Hunde und Krokodile
Der schlechte Ratschläge gibt denen, die sich hüten (in Acht nehmen), verliert Fleiss und wird schändlich ausgelacht.
Laufend trinkt der Hund am Nilfluss, damit er nicht von einem Krokodil geschnappt wird, das ist überlierfert. Als daher ein Hund im Lauf zu trinken begann, sprach ein Krokodil:“ Gib der Muße Zeit, wie es dir beliebt (zum Trinken), fürchte dich nicht.“ Jener (der Hund) sagte:“ Ich würde es machen, wahrlich, wenn ich nicht wüsste, dass du mit Verlangen mein Fleisch fressen willst.“
1.
26 Vulpes et ciconia = Der Fuchs und der Storch
Keinem soll (darf) man schaden: dass aber, wenn jemand (uns) verletzt hat, er nach ähnlichem Recht bestraft werden müsse, , darauf weist die Fabel belehrend hin. Der Fuchs soll den Storch zuerst zu einem Mahle eingeladen und ihm in einer Schüssel flüssige Suppe vorgesetzt haben, die der hungrige Storch auf keine Weise kosten konnte. Als dieser dem Fuchs eine Gegeneinladung gemacht hatte setzte er ihm eine mit eingebrockter Speise gefüllte Flasche vor: Er steckte seinen Schnabel hinein und wird selbst so gesättigt, er quält dabei seinen Gast mit Hunger. Als dieser nun den Hals der Flasche vergeblich beleckte, so vernehmen wir, wie der Zugvogel sprach: „Das, wozu man selbst das Beispiel gegeben hat, muss man mit Gleichmut sich gefallen lassen“
1.28 Vulpes et aquila = Der Fuchs und der Adler
Die, die auch noch so sehr hochgestellt sind, müssen die Tiefgestellten fürchten, weil der gelehrigen Gewandtheit steht die Rache zu Gebote. Einst entführte ein Adler die Jungen des Fuchses in die Lüfte und legte sie seinen Jungen ins Nest, damit sie die Speise verzehren.
Die Mutter, die diesen verfolgt hat, beginnt zu bitten, er möge ihr, der Armen, nicht so großes Leid zufügen. Jener beachtete es nicht, da er ja schon durch den Ort sicher war. Die Füchsin raubte vom Altar eine brennende Fackel und umgab den ganzen Baum mit lodernden Flammen, verbindend den Schmerz des Feindes mit dem Verlust ihres Blutes. Der Adler, damit er seine aus der Gefahr des Todes befreite, gab unter Bitten die Kinder wohlbehalten der Füchsin zurück.
2.1 Juvencus, leo et praedator = Der junge Stier, der Löwe und der Beutemacher
Oben auf einem erlegten jungen Stier stand der Löwe.
Ein Beutemacher kam dazwischen, der einen Teil forderte. Er (der Löwe) sagte: „Ich würde dir geben, wenn du nicht gewohnt wärest dir selbst zu nehmen“. Er wies den Bösewicht zurück. Zufällig wurde ein harmloser Wanderer an denselben Ort geführt, und als er das wilde Tier gesehen hatte, wich er einen Schritt zurück. Jener sagt ihm freundlich: „Du musst dich nicht fürchten, sondern nimm den Teil, der deiner Bescheidenheit zukommt.“ Nachdem er dann den Leib geteilt hatte suchte er schnell die Wälder aufdamit er dem Mann Eintritt gewähren könne.
Dies ist ein vortreffliches und lobenswertes Beispiel: Aber die Habgier ist reich und die Bescheidenheit arm.
2.3 Aesop ad quendam de success improborum = Aesop an jemand über den Erfolg der Bösewichte
Vom Bisse eines hitzigen Hundes zerfetzt, warf jemand dem Übeltäter ein mit Blut getränktes Brot vor, wovon er gehört hatte, dass es ein Heilmittel gegen die Wunde sei. Da sprach Aesop so:“ Mach das nicht vor mehreren Hunden, damit sie uns nicht lebendig verschlingen, wenn sie wissen, dass das die Belohnung für die Schuld ist. Der Erfolg der Bösewichte lockt mehrere an.
2.
4 Aquila, feles et aper = der Adler, die Katze und die Wildsau
Ein Adler macht sich in einer hohen Eiche ein Nest, die Katze verschafft sich in der Mitte ein Loch, wo die Bewohnerin im Hain Junge gabar und auch ein Schwein ihre Ferkel zur Welt brachte. Da zerstört die Katze die zufällige Kameradschaft durch ihre hintergangene und ruchlose Bosheit. Zum Nest hinaufkletternd sprach sie:“ Das Verderben droht dir und vielleicht mir Armen auch, wenn du nämlich täglich siehst wie die Sau in der Erde wühlt, so will sie, dass wir in die ebene Erde leicht die Nachkommenschaft stürzen. Nachdem sie ihn in Schrecken versetzt hatten und ihn verwirrt hatten, schlich zur Lagerstätte der borstigen Sau herab und sagte:“ Deine Jungen sind in großer Gefahr. Wenn du nämlich die Herde zur Weide führst ist der Adler bereit deine Ferkelchen zu rauben.“ Nachdem sie auch hier den ganzen Platz mit Angst ausgefüllt hatte, verbarg sie sich mit List ganz in der Höhle.
Sie schlich nur in der Nacht heraus, wo sie ihre Nachkommen füttert, den ganzen Tag sitzt sie in der Höhle und täuscht Furcht vor, der Adler sitzt auf den Zweigen: Der Eber den Raub vermeidend geht nicht hinaus. Wozu viele Worte? Vom Hunger sind sie verzehrt worden samt den Ihren und sie haben den Jungen der Katze reichliches Essen geboten. Wie viel Übel ein doppelzüngiger Mensch oft zusammenbringt, dafür kann die dumme Leichtgläubigkeit den Beweis liefern.
2.6 Aquila et cornix = Der Adler und die Krähe
Gegen die Mächtigen ist niemand genügend geschützt, wenn aber ein übel handelnder Ratgeber hinzukommt, so stürzt alles, was Gewalt und Nichtsnutzigkeit bekämpfen. Ein Adler hob eine Schildkröte in die Luft empor.
Als nun diese ihren Körper in dem Haus aus Horn versteckt hatte und geborgen auf keine Weise verletzt werden konnte, kam durch die Lüfte eine Krähe, flog in die Nähe und sagte:“ Du hast in der Tat eine stattliche Beute mit deinen Krallen geraubt, wenn ich dir aber nicht zeige, was zu tun ist wird sich dich durch das schwere Gewicht umsonst ermüden.“ Nachdem ihr ein Teil versprochen worden war, gibt sie ihm den Rat, die harte Schale von den hohen Gestirnen herab auf einen Felsen zu schmettern, um nach der Zertrümmerung die Speise leicht genießen zu können. Durch diese Worte veranlasst, gehorchte der Adler den Ermahnungen (folgte der Adler dem Rat) und teilte zugleich auch der Lehrmeisterin reichlich zu. Die, die durch ein Geschenk der Natur geschützt war, kam den zweien nicht gewachsen durch einen traurigen Tod um.
2.8.
Cervus ad boves = Der Hirsch bei den Rindern
Ein Hirsch aus einem Schlupfwinkel im Wald aufgescheucht, damit er der drohenden Ermordung durch den Jäger flüchtet, floh in blinder Furcht in das nächste kleine Dorf und versteckte sich in einem günstig gelegenen Rinderstall. Ein Ochse sprach zu dem Versteckten:“ Was fällt dir denn ein, Unglücklicher, der du selbst in den Tod rennst und du vertraust dein Leben dem Dach eines Menschen an?“
Aber jener flehte und sagte:“ Sei mit eurer Art sparsam, wenn es Gelegenheit gibt werde ich wiederum ausbrechen.“
Den Zeitraum des Tages löst die Nacht durch Wechsel ab. Der Knecht (Ochsentreiber) bringt Laub herein, doch er sieht so weit nichts. Alle Knechte kommen und gehen, doch niemand nimmt es wahr, es geht auch der Verwalter vorüber, doch auch jener merkt nichts. Da freute sich der Hirsch und beginnt den Ochsen zu danken, dass sie ruhig gehandelt haben.
(dass sie sich ruhig verhalten haben) und weil sie Gastfreundschaft ihm boten in widrigen Zeiten.
Da antwortete einer:“ Jedenfalls wünschen wir dich wohlbehalten, doch jener der hundert Augen hat, wenn der kommt, so befindet sich dein Leben in großer Gefahr.“ Inzwischen kam vom Speisen der Herr selbst, und, weil er die Rinder in einem verwahrlosten Zustand gesehen hatte trat er an die Krippe:“ Warum ist zuwenig Laub da? Stroh fehlt. Die Spinnweben wegzunehmen ist zu viel Arbeit?“ Dann untersucht er jedes einzelne und er sieht auch das hohe Geweih des Hirschen, er befiehlt nachdem das Gesinde zusammengerufen war das Tier zu töten.
Die Fabel gibt zu erkennen, dass der Herr in seinen eigenen Sachen am meisten sieht.
3.
1 Anus ad amphoram = Das alte Weib zum Weinkrug
Eine Alte sah einen ausgetrunkenen Weinkrug, noch immer duftete aus edler Flasche Bodensatz des Weines heraus. Das Weib zog gierig, schnüffelnd mit der Nase den Duft ein:“ Oh süsse(r) Seele (Duft), wie gut muss ich dich nennen gewesen zu sein, wenn der Bodensatz noch so derartig ist!“
Worauf diese Geschichte sich bezieht weiss der, der mich kennt.
3.6. Musca et mula = die Fliege und das Maultier
Eine Fliege sitzt auf der Deichsel und scheltet das Maultier. „Du bist so langsam“, sagt sie „willst du nicht schneller gehen? Sieh nicht, wie ich dich mit meinem Stachel in den Hals steche.
Jenes (das Maultier) antwortete:“ Deine Worte bewegen mich nicht, aber ich fürchte mich vor jenem, der auf dem Wagen sitzt (auf dem vordersten Sitze), er regiert mit geschmeidiger Peitsche meinen Weg und er zügelt mit schäumenden Zügeln das Maul, deshalb lass deine wertlose Überheblichkeit, ich weiss nämlich wo zu trödeln und wo es zu laufen ist.“ Mit dieser Fabel kann zu Recht verspottet werden, der ohne Tugend leere Drohungen macht.
3.7 Lupus ad canem = Der Wolf zum Hund
Ein durch Magerkeit erschöpfter Wolf begegnete zufällig einem wohlgenährten Hund. Darauf begrüssten sie sich gegenseitig als sie stehenblieben: „Wovon, bitte ich, bist du so wohlgenährt? Von welcher Speise hast du so viel an Körpermasse gewonnen? Ich, der bei weitem stärker ist, komme um vor Hunger.“ (sagte der Wolf)
Der Hund sagte treuherzig:“ Dieselbe Möglichkeit hast du wenn du dem Herrn einen gleichen Dienst verrichten kannst.
“
„Was“ fragte jener.
„Dass du Wächter der Türschwelle bist und dass du das Haus in der Nacht vor Dieben bewahrst“
„Ich bin wahrlich dazu bereit, nun ertrage ich Schnee und Regengüsse in den Wäldern ein rauhes Leben hinbringend, wie viel leichter wäre es für mich unter einem Dach zu leben und mich in Ruhe mit reichlicher Nahrung zu sättigen!“
„Komm also mit mir“
Während sie vörwärtsschreiten erblickt der Wolf den von der Kette abgeriebenen Hals des Hundes.
„Wovon hast du das mein Freund?“
„Es ist nichts“
„Sag doch, ich bitte dich“
„Weil ich bissig erscheine binden sie mich an, damit ich mich bei Tageslicht ausruhe und wenn die Nacht kommt wache. In der Abenddämmerung schweife ich umher wo(hin) es mir beliebt. Von selbst bringt man mir Brot, von seinem Tisch gibt mir der Herr Knochen, Brocken wirft mir das Gesinde zu und jeder die Speise, die er verschmäht. So wird ohne Arbeit mein Bauch angefüllt.
“
„Sag, hast du die Freiheit irgendwohin zu gehen, wenn du es im Sinne hast?“
„Es ist durchaus nicht so“ sagte er (der Hund)
„Genieße, was du lobst, Hund. Ich will nicht König sein, ohne frei zu sein“
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