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  Träume

Träume   von Günter Eich   Der erste Traum: Uralter Uralte Enkel Frau Kind     Der vierte Traum: Anton Wassilij Koch     1 Ich beneide sie alle, die vergessen können, 2 die sich beruhigt schlafen legen und keine Träume haben. 3 Ich beneide mich selbst um die Augenblicke blinder Zufriedenheit: 4 erreichtes Urlaubsziel, Nordseebad, Notre-Dame, 5 roter Burgunder im Glas und der Tag des Gehaltsempfangs. 6 Im Grunde aber meine ich, daß auch das gute Gewissen nicht ausreicht, 7 und ich zweifle an der Güte des Schlafes, in dem wir uns alle wiegen. 8 Es gibt kein reines Glück mehr ( - gab es das jemals? - ), 9 und ich möchte den einen oder andern Schläfer aufwecken können 10 und ihm sagen, es ist gut so.     11 Fuhrest auch du einmal aus den Armen der Liebe auf, 12 weil ein Schrei dein Ohr traf, jener Schrei, 13 den unaufhörlich die Erde ausschreit und den du 14 für Geräusch des Regens sonst halten magst oder das Rauschen des Winds. 15 Sieh, was es gibt: Gefängnis und Folterung, 16 Blindheit und Lähmung, Tod in vieler Gestalt, 17 den körperlosen Schmerz und die Angst, die das Leben meint.

18 Die Seufzer aus vielen Mündern sammelt die Erde, 19 und in den Augen der Menschen, die du liebst, wohnt die Bestürzung. 20 Alles, was geschieht, geht dich an.         Grundsätzlich besteht das Gedicht “Träume” von Günter Eich aus zwei Teilen. Der erste Teil trägt den Titel “Der erste Traum:” und “Der vierte Traum”. “Der erste Traum:” führt verschiedene Verwandtschaftsbeziehungen an. “Der vierte Traum” besteht aus einer Aufzählung von zwei Vor- und einem Familien-namen.

Danach fängt das eigentliche Gedicht an. In der ersten Strophe des zwei-ten Teils wird alles beschönigt und gut dargestellt, in der zweiten Strophe wird an unser Gewissen appelliert und verschieden Probleme unserer Zeit wie “Ge-fängnis und Folterung” oder die Umweltverschmutzung werden angeschnitten. Am Ende des Gedichts wird mit der Zeile “Alles was geschieht, geht dich an.” an die Verantwortung eines jeden Menschen in der heutigen Gesellschaft erinnert und uns bewusst gemacht, dass jede unserer Handlungen oder das Unterlassen von Handlungen Auswirkungen auf uns und auf jeden einzelnen unserer Mit-menschen hat und dass wir deswegen unser Handeln überdenken sollten.     Jede Strophe besteht aus jeweils zehn Zeilen. In der ersten Strophe befinden sich nur sechzehn Nomen, während in der zweiten Strophe fünfundzwanzig Wörter dieser Wortart zu finden sind.

Das Gedicht könnte ohne weiteres auch als durchgehender Text in Prosa geschrieben sein, dass mach das Lesen des Gedichts sehr flüssig und leicht. Die erste Strophe besteht aus vier Sätzen, wobei der zweite eine Aufzählung und der vierte einen, in Klammern stehenden eingescho-benen Fragesatz enthält. Der zweite Part des Gedichtteils setzt sich aus drei Sät-zen zusammen. Günter Eich schreibt eher lange Sätze, die aus einigen Gliedsät-zen, eingeschobenen Hauptsätzen und Infinitiv- bzw. Partizipialgruppen beste-hen. Die Zeilenlänge in diesem Gedicht variiert sehr stark, konventionelle Ge-dichtschemata werden nicht eingehalten.

Weiters ist kein Reimschema zu erken-nen, deswegen würde ich “Träume” auch als modernen Text einstufen.         Die Antithese ergibt sich aus dem Gegensatz zwischen der ersten und zweiten Strophe. Während in den ersten zehn Zeilen das Leben noch von der schönen, durch nichts zu beeinträchtigen Seite gesehen wird, ergibt sich in den darauffolgenden Zeilen insofern ein Widerspruch als die Schattenseiten unserer Gesellschaft beleuchtet und am Ende auch verurteilt werden. Im Text befinden sich keine Metaphern und gerade deshalb ist das Gedicht schon nach dem ersten lesen zu verstehen und zu deuten. Es sind nur zwei Zeilenenjambements zu fin-den: von der neunten zur zehnten und von der dreizehnten zur vierzehnten Zeile. Eich macht Gebrauch von nahezu allen Satzzeichen, nur ein Ausrufezeichen ist nicht zu finden.

Auffällig sind die vielen Beistriche und die zwei Doppelpunkte, nach denen immer eine Aufzählung, zu finden in den Zeilen vier und fünf bezie-hungsweise fünfzehn, sechzehn und siebzehn, folgt.     In den ersten beiden Zeilen beneidet der Dichter “alle, die vergessen kön-nen, die sich beruhigt schlafen legen und keine Träume haben”. Er meint damit all diejenigen, denen die Gefahren und die Probleme unserer Welt nicht bewusst sind und die die Augen schließen, sich zurücklehnen, vergessen und verdrängen können, die keine Angst vor der Zukunft, vor Problemen oder Gefahren haben und die, denen die Probleme wohl bewusst sind, aber nicht so beschäftigen, dass sie keinen Schlaf mehr finden können.     Eine Zeile darauf beneidet sich der Dichter selbst um “die Augenblicke blinder Zufriedenheit”, die er auch schon auskosten durfte und in denen er sich nur von Glück und innerer Zufriedenheit erfüllt sah. Er führt einige Augenblicke seines Lebens an, die ihn sehr beeindruckten. Es sind dies: “erreichtes Ur-laubsziel, Nordseebad, Notre-Dame, roter Burgunder im Glas und der Tag des Gehaltsempfangs”.


Diese Ereignisse sind Günter Eich in guter, freudiger Erinne-rung geblieben.       In den Zeilen sechs bis zehn zweifelt der Dichter schon am reinen Glück, von dem er vorher noch überzeugt war. Er meint, dass das gute Gewissen, das man hat nicht ausreicht um alles Leid und Unheil der Welt vergessen zu können. Auch an der “Güte des Schlafes”, in dem wir uns alle wiegen, wird gezweifelt und der Dichter ist sogar der Meinung, dass man Schläfer wecken solle und ih-nen sagen solle, dass “es gut so ist”. Jegliches Glück wird hier schon in Frage gestellt.     Die ersten vier Zeilen der zweiten Strophe sind als Frage für den Leser for-muliert.

Gefragt wird nach dem gelegentlichen Erkennen von Problemen und Hilferufen “der Erde”. Der Dichter will damit fragen, ob auch wir von Zeit zu Zeit ein offenes Ohr für das Leid auf unserer Welt haben. Das beruhigende gute Gewissen lässt einen Augenblick nach und sofort meldet sich das schlechte Ge-wissen, das uns die Augen öffnet und uns alles so erkenne lässt, wie es wirklich ist.     Die nächsten drei Zeilen, fünfzehn bis siebzehn, zählen einige Probleme unse rer Zeit an. Genannt werden “Gefängnis, Folterung, Blindheit, Lähmung, Tod in vieler Gestalt, körperloser Schmerz und Angst”. Diese Zeilen enthalten eine Aufforderung an uns, dass wir die Nöte und Sorgen unseres Erdballs erken-nen sollen.

Menschenrechtsverletzungen, Seuchen, Kriege, Behinderungen und die Belastungen unseres täglichen Lebens; all das beschäftigt uns in stillen Mi-nuten, in denen wir alleine und zurückgezogen in unserem Inneren Probleme er-kennen.       Die letzten drei Zeilen appellieren an unser Gewissen in einer eindringli-chen Weise. Jede einzelne unserer Aktionen hat Auswirkungen auf unser Um-feld, jede Unterlassung hat vielleicht noch einen größeren Effekt auf unsere Um-welt. Wir müssen die Verantwortung übernehmen und jeden unserer Schritte und jede unserer Handlungen genau überdenken. Es ist unsere Pflicht, dass wir alles hinterfragen und erst dann handeln, denn nur so ist es möglich für jede Aktion die Verantwortung zu übernehmen und dafür einzustehen.     Günter Eich wendet sich in dem Gedicht “Träume” an unser aller Gewissen und Vernunft.

Deutlich wird die Doppelmoral unserer Gesellschaft angeprangert, die einerseits auf dem Verdrängen von Problemen, andererseits auf dem Entste-hen lassen von Nöten basiert und der wir alle unterliegen. Die Sorgen der Ent-wicklungsländer sollten uns zu denken geben, denn gibt uns nur das Glück, in einem Land zu wohnen, dem es nicht so schlecht geht wie zum Beispiel Ghana, das Recht, auf die hilfsbedürftigen Menschen herabzusehen oder ihnen gar keine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Die Solidarität jedes einzelnen ist gefor-dert, nicht nur in Hinblick auf die Probleme der Entwicklungsländer, sonder auch auf die Probleme einer Welt, in der trotz Hochtechnologie und extremen medizi-nischen Fortschritts noch immer Menschen wie Tiere in Gefängnissen gefangen gehalten und gequält werden, oft sogar durch schlimmste Foltermethoden.     Verschieden Hilfsorganisationen wie Amnesty International oder das Rote Kreuz versuchen zu helfen so gut es geht, aber diese Institutionen sind auf unsere Hilfe, auf unsere Spenden angewiesen. Wenn wir schon nicht aktiv mithelfen können oder wollen, dann sollten wir wenigstens unseren Obolus passiv leisten und die Organisationen finanziell unterstützen.       Der einfachste Weg Problemen und Nöten anderer aus dem Weg zu gehen, ist, sie einfach nicht an sich herankommen zu lassen.

Diese Haltung zeugt jedoch von geringer Sensibilität und einem schwachen Charakter, dem das Leid anderer Menschen nichts bedeutet und dem nur das Erreichen seiner eigenen Ziele wich-tig ist. Egoismus und mangelnde Solidarität gehören nicht zu den Werten, die heutzutage vermittelt werden sollten, jedoch ist es oft so, dass uns schon von klein auf gelehrt wird, dass sich nur der Stärkere durchsetzt und nur der gewinnt, der am kräftigsten nach unten tritt. In der Erziehung und im Denken der Men-schen muss wieder eine Rückkehr zu Hilfsbereitschaft, Verantwortungsbewusst-sein und Mitgefühl stattfinden, denn ohne eine Rückbesinnung auf, so hat es zu-mindest den Anschein, längst vergessene Werte, kann nicht alles auf dieser Welt verbessert werden.    

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