Zu faust i:
Faust I:
Wie verhält sich Mephistopheles gegenüber dem Herrn, Faust und den Menschen?
von Eva Gollubits
Mephisto ist Goethes leibhaftige Form des Teufels, Faust nennt ihn „Des Chaos wunderlichen Sohn“, der allerdings nicht als genauso mächtiger Gegenpart des Herrn auftritt, sondern vielmehr selbst ein Teil der Schöpfung ist, nur andere Ziele als der Herr verfolgt.
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar.
Mephisto besitzt des Teufels typische Eigenschaften: List, Schläue, die Kunst, andere zu verführen und die Menschen zu blenden. Er leugnet dies auch nicht, wird er danach gefragt. Faust gegenüber stellt er sich selbst vor:
Ein Teil von jener Kraft
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.
Ich bin der Geist, der stets verneint
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zu Grunde geht
Drum besser wärs, dass nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
Er ist also gleichzeitig der Feind allen Werdens, aller Verjüngung, allen Strebens, ist in Wahrheit der ewige Stachel zur ewigen Verjüngung, zum unendlichen Werden.
Im Himmel tritt er als Schalk, als Spaßmacher auf, der beim Herrn fundamentale Kritik an der Schöpfung übt. Er findet sie „herzlich schlecht“, doch nicht ihre Ganzheit – „von Sonn und Welten weiß ich nichts zu sagen“ - , sondern nur das Zentrum: die Menschheit. Mephisto wirft dem Herrn vor, es sei ein von Grund auf ein Fehler gewesen, dem Menschen die Vernunft zu schenken, in Wirklichkeit missbrauche er sie nur dadurch „um tierischer als jedes Tier zu sein“. Damit spricht Goethe auch etwas Grundsätzliches im Hinblick auf das menschliche Dasein in der Faust-Dichtung an: Mephisto ist ein Teil der Schöpfung – aber was für einer, wenn er die göttliche Schöpfung eigentlich verneint? Auch der Herr erkennt ihn als solchen an:
Ich habe deinesgleichen nie gehasst,
Von allen Geistern, die verneinen,
Ist mir der Schalk am Wenigsten zur Last.
Nach Goethes erstem Plan für das Schauspiel stellt Mephisto den Diener des Luzifer da, des bei Gott in Ungnade gefallenen Erzengels. Die Wette, die Mephisto dem Herrn anbietet, ist zu vergleichen mit der Geschichte von Adam und Eva: Der Plan Luzifers ist es, Faust, wie schon vorher Adam, zu einem göttlichen Wissen zu verhelfen, um so jeden Ansatz der Gottähnlichkeit im Menschen zu vernichten und ihm seine Verantwortung für sein Handeln sowie die Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen Gut und Böse bewusst zu machen. In der endgültigen Fassung des Fausts trägt statt Luzifer Mephistopheles allein diesen Plan. Er ist der Gegenpol zur Schöpfung, zu aller Ordnung und Harmonie, aber gleichzeitig ein Teil von ihr – etwas Gutes, Bestehendes hat nur einen Sinn, wenn es sich von etwas Gegenteiligem unterscheidet. Ohne die Unordnung könnte die Ordnung nicht bestehen. Deshalb hat auch der Teufel seine Funktion im Ganzen der Schöpfung: Er führt dem Menschen den Gegenpol zum ewig Guten und Schönen vor Augen und trägt so mit dazu bei, das der Mensch weiter schafft und strebt.
Durch die Wette will Mephisto dem Herrn beweisen, dass er recht hat, dass die Schöpfung einen grundlegenden Fehler hat: Dort, wo es Menschen gibt, die vernunftbegabt, aber doch nicht göttlich sind. Er muss Faust zum Tier machen, denn dann, wenn der Doktor sich nicht mehr von diesem unterscheidet, sich also völlig von seiner Sinnlichkeit lenken lässt, hat Mephisto recht. Die Schöpfung hätte sich als falsch erwiesen. Erst im zweiten Teil der Dichtung bringt der Herr Faust zu der Einsicht, dass ein Streben nach etwas, das außerhalb der menschlichen Welt liegt, nicht der Sinn des menschlichen Lebens sein kann, doch das liegt außerhalb von Mephistos Vorstellungskraft. Sein Gebiet ist die pure Sinnlichkeit. Er ist ein Teil Gottes wie auch des faustistischen Menschen, den der dadurch, dass er ihn an den Augenblick zu fesseln versucht, die Unzulänglichkeiten und Leerheit jeden Augenblicks erleben lässt und ihn so von Augenblick zu Augenblick höher treibt.
Er ist auch der aktive Part im Verhältnis zu Faust. Durch seine Zauberei verführt er zuerst Faust selbst, indem er ihm das Bildnis Gretchens vor Augen führt, später setzt er seine Magie und Verführungskunst ein, Gretchen zu verführen und hilft Bruder und Mutter zu ermorden. Sein Treiben auf der Erde besteht rein aus Gemeinheiten, Spott, bloßer Sinnlichkeit und Zerstörung. Er führt die Menschen an der Nase herum, weiß ganz genau, wie er sie packen muss. Er ist ein Meister des Blendens und der Verführung in jeder Art, man siehe nur sein Spiel mit Marthe, die er umschmeichelt und der er Hoffnungen macht, die er aber hinter seinem Rücken verspottet und verlacht, oder die Szene in Auerbachs Keller, wo er die jungen Studenten durch sein Zauberkunststück zum Narren hält. Mephisto schafft nichts, er vernichtet alles, auch das Kostbarste, das in diesem Werk beschrieben wird: Die naive und reine Kindlichkeit Gretchens, die mit sich und ihrer kleinen Welt so lange in Harmonie und Frieden lebt, bis Faust, vom Abbild des Mädchens, das ihm Mephisto gezeigt hat, angelockt, in diese einbricht und die Idylle jäh zerstört.
Gretchen ist der einzige Mensch, der den Teufel auch in seiner Verkleidung sofort erkennt, sich nicht von ihm blenden und täuschen lässt. Sie repräsentiert auch den Teil eines Menschen, den Mephisto in seiner Anklage an den Herrn unerwähnt lässt: Die stille, einfältige Liebe eines Menschen, der sich zur Aufgabe, in die er gestellt ist, bekennt und sie nach bestem Vermögen ausfüllt. Immer fühlt sie Unbehagen und Beklemmung in seiner Gegenwart. Auch Mephisto merkt, dass er dieses Mädchen nicht für sich einnehmen kann, viel zu rein und unschuldig ist ihr Herz, viel zu fromm ihre Gesinnung. Er versteht nicht ganz, was Faust an diesem kindlichen Wesen finden kann außer körperlichem Verlangen, doch da das vorhanden ist, beschäftigt ihn das auch nicht weiter. Mephisto liegt es fern, Faust ans Ziel seiner rastlosen Suche auf der Erde zu bringen, nämlich die Begrenztheit der Erde zu übersteigen, sein Bestreben ist es, ihn in die Niederungen der Sinnlichkeit zu führen und so seine Theorie vom Fehler in der Schöpfung aufzuzeigen.
Doch Faust erkennt bald, das selbst der Teufel ihm nicht das bieten kann, was er begehrt:
Was willst Du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben,
Von deinesgleichen je gefasst?
Mephisto fällt es leicht, auf Fausts Wette einzugehen. Er kennt die Menschen genau, weiß, dass es gar nicht so schwer ist, dass ein Mensch „zum Augenblicke“ sagt: „verweile doch, Du bist so schön!“. So versucht er, Fausts sinnliches Begehren herauszufinden. In Auerbachs Keller jedoch kann ihm das nicht gelingen: die zechenden Studenten stoßen den Doktor eher ab. Als er das merkt, macht er ihn durch den Hexentrank vom alternden Wissenschaftler zum jugendlichen Liebhaber und führt ihm das Bild der schönen Helena vor, das Faust in Aufregung versetzt. Da weiß Mephisto, das er gewonnen hat und prophezeit Faust, in dem die Leidenschaft entbrannt ist, von nun an „Helena in jedem Weibe“ zu sehen.
Obwohl es dem Teufel gelingt, Faust in diesem Fall zu dem zu machen, was er sich vorgenommen hatte, nämlich einen Menschen, der sich vom Tier nicht mehr unterscheiden lässt, kann er auf der anderen Seite Fausts wahres Wesen auf Grund seiner einseitigen Bestrebungen und Sicht der Dinge gar nicht erfassen. Doch trotz aller Verlockungen schafft er es nicht, Faust zum Aussprechen des in der Wette vereinbarten Satzes zu führen, weder durch das Zechen in Auerbachs Keller, noch durch die Liebe zu Gretchen und auch nicht durch die stark erotische Aufführung des Hexenstückes in der Walpurgisnacht auf dem Blocksberg.
Am Schluss des ersten Teils der Tragödie ist Mephisto siegreich: Faust befindet sich in einem Zustand völliger Verzweiflung, weiter denn je entfernt von der Erfüllung seines Verlangens nach ewigem Glück.
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