Buchbesprechung - hermann hesse
Buchbesprechung - Hermann Hesse
Unterm Rad
Hermann Hesse wurde am 2. Juli in Calw / Wüttemberg als Sohn eines Missionars und einer Missionarstochter geboren.
1946 wurde er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Er starb am 9. August 1962 in Montagnola bei Lignano. Neben der Erzählung “Unterm Rad” entstanden noch folgende wichtige Werke: Das Frühwerk “Peter Camenzind”, das stark romantische Züge aufweist, die Bücher “Der Steppenwolf”, “Narziß und Goldmund”, “Demian” und das Spätwerk “Das Glasperlenspiel”.
Seine Bücher sind bis heute in einer Auflage von mehr als 50 Millionen Exemplaren erschienen und haben ihn zum meistgelesenen europäischen Autors des 20. Jahrhunderts in Japan und den USA gemacht.
Diese Geschichte spielt zu Beginn unseres Jahrhunderts und erzählt von den Höhen und Tiefen des kurzen Lebens des Hans Giebenraths.
Das 1903 in seinem Heimatort entstandene Werk zeigt das Schicksal des begabten Schülers Hans Giebenrath, der durch den Ehrgeiz seines Vaters und seiner ortsansässigen Lehrer in eine Rolle gedrängt wird, der er nicht gewachsen ist, und deshalb “unters Rad” kommt.
Hans Giebenrath kommt aus einer bürgerlichen Familie. Sein Vater ist “Agent und Zwischenhändler”, seine Mutter jedoch schon gestorben.
Die Geschichte beginnt an den Tagen vor dem Landesexamen, an dem der begabte Schüler teilnehmen soll. Da er der einzige Kandidat des kleinen Städtchens ist, genießt er von allen Seiten “Unterstützung”. Am Tag vor dem Examen jedoch, als er sich einige Stunden vom Lernen abwendet, wird ihm bewußt, daß er seine Kindheit und die Freiheit der Jugend gegen das Lernen eingetauscht hat. Er fährt trotzdem zum Examen, in die für ihn unbekannte Großstadt. Nachdem er das mehrtägige Examen hinter sich gebracht hat, genießt er einige Tage in seiner Heimat. Als er jedoch erfährt, daß er als Zweiter bestanden hat und weiß, daß er ins Seminar nach Maulbronn kommen wird, erkennt er, daß er nicht mehr das unbeschwerte Leben seiner Kindheit führen kann.
Im Herbst kommt er ins Kloster Maulbronn. Er setzt seine Ziele, um seinen Vater und die Lehrer nicht zu enttäuschen, sehr hoch und wird so zu einem Einzelgänger - bis er Hermann Heilner kennenlernt. Hermann Heilner ist das Gegenteil zum introvertierten Hans Giebenrath, er ist lyrisch begabt, melancholisch und glaubt, daß das Lernen nicht das Einzige im Leben ist.
Nachdem Hermann Heilner einmal einen Schüler schlägt, wird dem Schüler Giebenrath der Umgang mit ihm verboten. Doch die Trennung währt nicht lange, und schnell verbringen die Beiden wieder viel Zeit miteinander.
Bald werden die Noten Hans Giebenraths wirklich schlechter, und der Euphorus diktiert ihn zu ihm und meint, daß er aufpassen müsse, um nicht “unters Rad zu kommen”.
Plötzlich ist Heilner verschwunden - ausgerissen. Als man ihn findet wird er aus dem Kloster geworfen. Die Leistungen Giebenraths steigern sich jedoch nicht, im Gegenteil, seine Noten und sein geistiger Zustand verschlechtern sich so sehr, daß er auf “Urlaub” nach Hause geschickt werden muß, doch allen ist klar, daß er niemehr ins Seminar zurückkehren kann.
Nun steht Hans vor dem Nichts und versucht krampfhaft einen Weg zurück in seine Kinderjahre zu finden. Dieser Versuch kann aber nicht gelingen, und so beschließt er, Selbstmord zu begehen. Als er alles vorbereitet hat, erkennt er, daß er mit diesem Zustand, daß er über sein Weiterleben frei entscheiden kann, sehr zufrieden ist und schreitet nicht zur Tat.
Eines Tages trifft er Emma und verliebt sich in sie. Nach wenigen Tagen reist diese aber, ohne sich von Hans zu verabschieden, ab. Hans Giebenrath, den noch immer schwerer Liebeskummer plagt, entschließt sich schließlich den Beruf des Schmiedes zu erlernen.
Der erste Arbeitstag ist sehr interessant, wenn auch anstrengend. Diese geordnete Welt soll aber nicht lange andauern. Schon am nächsten Tag feiert ein Schulfreund von Hans seinen ersten Gesellenlohn.
Auch Hans selbst ist dabei, und nach reichlichem Genuß von Bier, Wein
und Zigaretten, macht er sich, schwer betrunken, auf den Weg nach Hause, wo er nicht mehr ankommt. Am nächsten Tag findet man den jungen Burschen ertrunken in einem Bach.
Hans Giebenrath ist ein introvertierter, aber sehr begabter Junge. Er wird in eine Rolle gedrängt, der er nicht gerecht werden kann. Er ist seelisch sehr labil, gutgläubig und leicht beeinflußbar. Alle diese Eigenschaften lassen ihn die vielen Hochs und Tiefs seiner Jugendzeit erleben.
Herr Joseph Giebenrath ist ein durchschnittlicher Bürger, der zwar beruflich, wenn auch nicht übermäßig, erfolgreich (ist), sonst aber weder mit besonderen Tugenden oder Eigenheiten, noch Lastern ausgestattet ist. Folgende Textstelle zeigt das besonders klar:
“Er hätte mit jedem beliebigen Nachbarn Namen und Wohnung vertauschen können, ohne daß irgend etwas anders geworden wäre. Auch das Tiefste seiner Seele, das schlummerlose Mißtrauen gegen jede überlegene Kraft und Persönlichkeit und die instinktive, aus Neid erwachsene Feindseligkeit gegen alles Unalltägliche, Freiere, Feinere, Geistige teilte er mit sämtlichen übrigen Hausvätern der Stadt.” (7/8)
Schustermeister Flaig ist ein freundlicher, tüchtiger Mensch und äußerst gottesfürchtig. Er scheint als einziger zu erkennen, daß dies der falsche Weg ist, den Hans einschlägt.
Seine Lehrer wollen, daß Hans Großes für die kleine Stadt leistet und bürden ihm damit zu viel auf.
Sie wollen sich selbst durch die Person Hans Giebenraths in ein gutes Licht rücken, doch sie erreichen das Gegenteil.
Hermann Heiler ist melancholisch, lyrisch begabt und hat ein starkes Selbstbewußtsein. Er erkennt bald, daß er nicht für das Lernen und schon gar nicht für den Beruf des Pfarrers geschaffen ist. Er ist ein Außenseitertyp, bis er Hans Giebrath kennenlernt, den er sehr stark beeinflußt.
>Da lesen wir Homer<, höhnte er weiter, >wie wenn die Odyssee ein Kochbuch wäre. Zwei Verse in einer Stunde, und dann wird Wort für Wort wiedergekäut und untersucht, bis es einen zu Ekel wird.
Aber zum Schluß der Stunde heißt es dann jedesmal: Sie sehen, wie fein der Dichter das gewendet hat, sie haben hier einen Blick in das Geheimnis des dichterischen Schaffens getan! Bloß so als Soße um die Partikeln und Aorisre herum, damit man nicht ganz dran erstickt. Auf diese Weise kann mir der ganze Homer gestohlen werden. Überhaupt was geht uns eigentlich das alte griechische Zeug an? Wenn einer von uns einmal probieren wollte, ein bißchen griechisch zu leben, so würde er ´rausgeschmissen. Dabei heißt unsere Stube Hellas ! Der reine Hohn ! Warum heißt sie nicht “Papierkorb” oder “Sklavenkäfig” oder “Angströhre”? Das ganze klassische Zeug ist ja Schwindel.< (68/69)
Hermann Hesse klagt das Erziehungswesen des beginnenden
20. Jahrhunderts an, das sehr engstirnig und kurzfristig gewesen ist.
“Ein Schulmeister hat lieber einige Esel als ein Genie in seiner Klasse, und genau betrachtet hat er ja recht, denn seine Aufgabe ist es nicht, extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und Biedermänner. Wer aber mehr und Schweres vom anderen leidet, der Lehrer vom Knaben oder umgekehrt, wer von beiden mehr Tyrann, mehr Quälgeist ist und wer von beiden es ist, der vom anderen Teil seiner Seele und seines Lebens verdirbt und schändet, das kann man nicht untersuchen, ohne mit Zorn und Scham an die eigene Jugend zu denken.” (90)
Es werden eindrucksvoll die Konflikte geschildert, denen Hans Giebenrath (gegenüber) seinem Vater und den Bekannten im Ort gegenüber ausgesetzt ist, nachdem er aus dem Seminar zurückgekommen ist. Die Furcht vor ihm selbst und davor, daß man glauben könnte, er sei geisteskrank, machte ihn scheu und allen Leuten gegenüber reserviert.
“Am ersten Tag war der Junge noch froh, nicht mit Vorwürfen empfangen zu werden. Dann fiel ihm die schwere ängstliche Schonung auf, mit der ihn sein Vater behandelte und zu der er sich sichtlich gewaltsam zwingen mußte.
Gelegentlich bemerkte er nun auch, daß er ihn mit sonderbar prüfenden Blicken, mit einer unheimlichen Neugierde anschaute, in einem gedämpften und verlogenen Ton mit ihm redete und ihm, ohne daß er es merken sollte, beobachtete. Er wurde nur noch scheuer, und eine unbestimmte Angst vor seinem eigenen Zustand begann ihn zu quälen.” (112)
In dieser Prosaerzählung kommt als Hauptmetapher die Wendung “Unters Rad kommen” vor.
Wiederholt kommen düstere Vorausdeutungen durch die Warnungen des Schustermeisters Flaig vor.
Die Absicht Hermann Hesses ist es, die Fehler des Erziehungssystems aufzuzeigen. Er schildert aber auch deutlich die Probleme, die Außenseiter in einer Zeit, da man nicht gerne Ungewöhnliches aufnimmt, bekommen.
Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen zeigen die Fehlbarkeit der Menschen.
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