Das amulett
Das Amulett Novelle von Conrad Ferdinand MEYER, erschienen 1873. – Nach dem Gedichtzyklus Huttens letzte Tage (1871) und dem Versepos Engelberg (1872) war dies die erste, 1872 niedergeschriebene Novelle des Autors, deren historischer Hintergrund die in der Bartholomäusnacht von 1572 gipfelnden französischen Glaubenskriege des 16. Jh. s sind; Vorstudien Meyers zum Text gehen auf das Jahr 1867 zurück, der Stoff selbst jedoch beschäftigte ihn, vor allem in Form seiner „Hugenottengedichte“ (Der Hugenott; Die Füße im Feuer) zeit seines Lebens. Als Quellen für Das Amulett dienten dem Autor neben L. HÄUSSERS Geschichte des Zeitalters der Reformation 1517-1648 (1868) und J.
MICHELETS Histoire de France au seizième siècle (1856) vor allem Prosper MÈRIMÈES Roman Chronique du règne de Charles IX., der 1829 anonym erschienen war.
Ein protestantischer Deutsch-Schweizer, Hans Schadau, erzählt rückblickend seine Jugendfreundschaft mit dem Katholiken Wilhelm Boccard, der ihm, dem Ketzer, mittels eines Amuletts das Leben rettete: Als Schadau einen Zweikampf zu bestehen hat, schiebt ihm Boccard unbemerkt das wunderwirkende Amulett unter den Wams, so dass die Klinge des Gegners daran abgleitet. Das geschieht in Paris, wo Schadau als Sekretär bei Admiral Coligny, dem Führer des Hugenotten, tätig ist, während Boccard im Dienst der Schweizer Garde des Königs steht. Nach der Bartholomäusnacht des Jahres 1572, in der die Hugenotten einem fürchterlichen Blutbad zum Opfer fallen, gelingt es Boccard abermals, den Freund vor dem Tod zu bewahren, indem er ihm die Uniform eines Schweizer Gardisten beschafft. Schadau kann fliehen, Boccard aber fällt, von einer Kugel getroffen, die seinem protestantischen Freund zugedacht war.
Das Amulett konnte seinem Besitzer nicht helfen.
Bereits in diesem erzählerischen Erstlingswerk tritt der für Meyers gesamtes Schaffen kennzeichnende Anspruch auf Tendenzlosigkeit und Objektivität hervor: „Das Amulett“, so betont der Autor selbst, „ist eine rein objektiv gehaltene, nach dem Vorgange der altitalienischen Meister knapp erzählte Novelle“ (An F. Brümmer, 11. 3. 1874). Die Historizität des Stoffs, vor allem aber die exakt datierte (hier ist es der 14.
3. 1611) Rahmenhandlung – Merkmale auch der späteren Werke Meyers – unterstützen die Distanz zum erzählten Geschehen ebenso wie die der Erzählung vorangestellte Anmerkung des Autors: „Alte vergilbte Blätter liegen vor mir mit Aufzeichnungen aus dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts. Ich übersetze sie in die Sprache unserer Zeit.“ Dass der Autor zugleich aber die betonte Objektivität durchaus ironisch bricht, indem er in Hans Schadau einen Berichterstatter zulässt, der „als gläubiger, ja fanatischer Calvinist ...
in vielen Fragen, die sich aus der Handlung ergeben, notwendig parteiisch entscheiden muss“ (G. P. Knapp), hat erst die Aufmerksamkeit der neueren Forschung gefunden, die zudem darauf verweist, dass Hans Schadau – und darin setzt sich C. F. Meyer in sehr moderner Weise vom Schema des traditionellen Bildungsromans ab – von seinen Erlebnissen sich in keiner Weise geprägt zeigt, obgleich ihn bei der späten und zufälligen Begegnung mit dem alten Amulett die Erinnerung zu einer persönlichen Beichte zwingt: „Das Schicksal Wilhelm Boccards war mit dem meinigen aufs engste verflochten ..
. Ich habe ihn in den Tod gezogen. Und doch, so sehr mich dies drückt, ich kann es nicht bereuen und müsste wohl heute im gleichen Falle wieder so handeln ... Immerhin setzte mir die Erinnerung der alten Dinge so zu, dass ich mit mir einig wurde, den ganzen Verlauf dieser wundersamen Geschichte schriftlich niederzulegen und so mein Gemüt zu erleichtern.
“
Es ist wirklich eine gut erzählte, romanhafte und oft auch spannende Geschichte! Es geht um einen alten Streit, der heute nicht mehr über Religion geführt wird, sondern über Politik. Aber ich muss sagen, eine Stelle hat mir besonders gefallen: das Zitat eines Franziskaner Mönch: „Denn ein christliches Volk ist ein Leib, von dem geschrieben steht: Wenn dich dein Auge ärgert, so reiße es aus! Wenn dich deine rechte Hand ärgert, so haue sie ab und wirf sie von dir, denn, siehe, es ist dir besser, dass eines deiner Glieder verderbe, als dass dein ganzer Leib in das nie verlöschende Feuer geworfen werde!“ Wahrhaftig ein Satz zum Nachdenken! Nun wenn sich jemand für die Zeit der Reformation und Gegenreformation interessiert, wie ich, ist dem das Buch nur zu empfehlen! (persönliches Nachwort)
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