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  Das goldene fließ

Das goldene Fließ von Franz Grillparzer  Franz Grillparzer wurde am 15. Jänner 1791 in Wien geboren und starb am 21. Jänner 1872. Das dramatische Gedicht, in dem Grillparzer die Sage vom goldenen Vlies verarbeitet, besteht aus drei Teilen: Der Gastfreund Die Argonauten und Medea.   Zuerst möchte ich die Entstehung des Werkes behandeln: Der große Erfolg der “Sappho” hatte zu einer Besserung der äußeren Umstände Grillparzers geführt. Eine Anstellung als Theaterdichter des Burgtheaters ermutigte ihn zum Schaffen neuer Werke.

Es bedrückte ihn die allgemeine Lage der deutschen Bühne. Die in Deutschland verbreitete Ideologie, zu der Grillparzer sich im Widerspruch sah, war die Romantik, besonders die heute längst vergessenen Seitentriebe, die Ritterstücke und die bürgerlichen Dramen. Diese Unsicherheit wirkte auf den empfindsamen Dichter so sehr zurück, daß seine Gesundheit angegriffen wurde. Auch seine Mutter war dringend erholungsbedürftig und so entschlossen sie sich zu einem Kuraufenthalt. Sie wählten Baden bei Wien. Dort entdeckte Grillparzer in seinem Zimmer im mythologisches Lexikon von Hederich einen Artikel über Medea.

Grillparzer kannte die Geschichte dieser berüchtigten Zauberin sehr wohl. Doch erst der recht trockene Artikel des Lexikons ließ schlagartig vor ihm das neue Werk erstehen. Sogleich aber war ihm auch klar, daß sich der ungeheuere Stoff nicht in einem einzigen Drama bewältigen ließ. Der Gedanke einer Trilogie tauchte in ihm auf. An sich liebte er diese ausgedehnte Form nicht, die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß man mit Stücken, die über einen einzigen Abend hinausgingen, Schwierigkeiten haben mußte. Aber er war auch überzeugt, daß sein Ruf und sein dichterisches Ansehen beim Theater und Publikum gefestigt genug waren, daß er erwarten konnte, man würde ihm auch ein solch ungewöhnliches Werk zubilligen.

So entschloß er sich zur Trilogie. Er begann zunächst mit ausführlichen Studien über frühere Bearbeitungen der Sage. Dazu zählen der Apollodorus (2. Jahrhundert v. Chr.), die Werken des griechischen Geographen Strabo (etwa 60 vor bis 20 nach Chr.

), das unvollendete Epos “Argonautica” des Gaius Valerius Flaccus, Tragödien von Seneca und Euripides, die Fabeln des Hyginus und Werke Ovids, Homers und Hesoids. Er kannte wahrscheinlich auch die 1797 entstandene Oper “Medee” von Luigi Cherubini, die zwischen 1815 und 1817 mit viel Erfolg in Wien gespielt worden war, und möglicherweise auch das zur gleichen Zeit aufgeführte Melodram von Friedrich Wilhelm Gotter (l746-l797). Es ist auch mehr als wahrscheinlich, daß ihm die ,,Medea” des Stürmers und Drängers Friedrich Maximilian Klingers (1752-1831) nicht unbekannt war. Die Arbeit ging zuerst zügig vonstatten. Schon im Oktober 1818 war die erste Tragödie, “Der Gastfreund”, ein ein-aktiges Werk, beendet. Noch im gleichen Monat schrieb er auch die ersten drei Akte des zweiten Teils, “Die Argonauten” nieder.

Der gewaltsame Tod der Mutter und eine Italienreise unterbrachen die Arbeit. Am 8. November 1819 begann er die Niederschrift des dritten Teiles der Trilogie, am 27. Januar 1820 war sie beendet. Den vierten und fünften Akt der “Medea” hatte Grillparzer in je zwei Tagen abgeschlossen. Gegen Mitte Oktober desselben Jahres stellte er die abschließende Überarbeitung fertig.

Die Uraufführung fand am 26. und 27. März 1821 Im Hofburgtheater statt. Die berühmte Sophie Schröder spielte die Medea was aber nur dadurch möglich wurde, daß alle Stellen in den Argonauten gestrichen wurden, die sich auf den jugendlichen Liebreiz Medeas bezogen, da die Schröder bereits das 50. Lebensjahr überschritten hatte und auch in ihrer Jugend nie schön war. Schon jetzt erkannte man die Schwierigkeit, die darin liegt, daß die jugendliche Medea der ,,Argonauten” und die um 10 Jahre ältere, gereifte und vom Leid gezeichnete Medea des dritten Teiles von der gleichen Schauspielerin dargestellt werden sollen.

Der Erfolg des Werkes reichte bei weitem nicht an den der ,,Sappho” heran. Schon die zweite Aufführung, ausgerechnet die, deren Einnahmen Grillparzer als Honorar zugedacht waren, spielte sich vor mehr als halbleerem Haus ab. Das Interesse erlahmte rasch. Das Berliner königliche Theater, auf das Grillparzer große Hoffnungen gesetzt hatte, lehnte nach dem geringen Wiener Erfolg vorläufig eine Aufführung ab. Im Mai 1822 erschien Das goldene Fließ bei Wallishauser in Wien. Die erste Aufführung in Berlin fand am 19.


August 1826 statt, es gab aber nur den dritten Teil. Es hat sich eingebürgert, den dritten Teil, ,,Medea” allein zu spielen. So lange Grillparzer lebte, ist außerhalb Österreichs nur die ,,Medea” gespielt worden. Die ganze Trilogie wurde nur 9 mal, ,,Medea” aber 37 mal zu Grillparzers Lebzeiten am Burgtheater gespielt. Die anfänglichen Befürchtungen Grillparzers für seine Trilogie haben sich also bis zu einem gewissen Grad erfüllt.   Doch nun zum Inhalt: Im ersten Teil, Der Gastfreund, landet der Grieche Phryxus, mit dem goldenen Flies bei den Kolchern.

Dem Gegenstand, Kleid eines Gottes, werden magische Eigenschaften zugeschrieben, und er wird mit verschiedenen Sagen in Verbindung gebracht. Der König der Kolcher, Aietes, und Vater Medeas, tritt als habgieriger und hinterlistiger Barbarenfürst auf. Phryxus und seine Mannschaft erbitten von ihm den Schutz des Gastrechts, doch der König nimmt die Griechen gefangen und läßt sie ermorden. Als er Phryxus töten will, das heilige Gebot der Gastfreundschaft verletzend, verflucht ihn dieser. Dieser Fluch und die dadurch hervorgerufene Vision Medeas vom Untergang ihres Geschlechts beherrschen den weiteren Verlauf der Trilogie als Leitmotiv. Medea macht sich mitschuldig am Tod Phryxus, indem sie ihm unter einem Vorwand sein Schwert abnimmt und im Auftrag ihres Vaters ein Schlafmittel mischt.

In den Argonauten, dem zweiten Teil der Trilogie, werden Jason und seine Gefährten ausgesandt, um das goldene Vlies für die Griechen zurückzuholen. Diese Expedition ist der Zug der Argonauten. Ihr historischer Kern ist die griechische Kolonisation an den Küsten Kleinasiens und des Schwarzen Meeres (750 bis 550 v.Chr.). Das Schiff Argo gab den Argonauten den Namen.

Jason, der Anführer, verliebt sich nach Ankunft bei den Kolchern in Medea, die Tochter der Zauberin Hekate, und es gelingt ihm, mit Hilfe von Medeas Verfügung über den Zauber, sich des goldenen Flieses zu bemächtigen. Dabei hintergeht Medea Jason zuliebe ihren Vater und wird mitschuldig am Tod ihres Bruders Absyrtus. Dieser begeht Selbstmord um der Schande der Gefangenschaft zu entgehen.. Medea und Jason fliehen und irren vier Jahre umher. Während der Reise heiraten Jason und Medea.

Als sie mit dem Vlies zu Jasons Oheim Pelias kommen werden sie kühl empfangen. Aufgrund der Greuel, die in Kolchis geschahen, meidet und verachtet man Medea. Als Pelias plötzlich stirbt, werden beide von rachsüchtigen Verwandten des Pelias dafür verantwortlich gemacht. Jason und Medea werden vertrieben, irren lange Zeit heimatlos umher, bis sie endlich nach Korinth gelangen, wo Jason bei seinem Freund, dem König Kreon, um Aufnahme bittet. Damit setzt der letzte Teil, die Medea-Tragödie, ein. Medea vergräbt ihre Zauber-Werkzeuge und auch das goldene Vlies.

Sie ist gewillt, in die Welt Jasons, ins Griechentum, überzutreten. Sie ist bereit, Jason zuliebe ihre Tradition aufzugeben und auf jede Zauberkunst zu verzichten. Medea muß erfahren, daß sie als Mensch nicht angenommen, nicht anerkannt wird. Man meidet sie unter den Griechen, von denen sie nur Abweisung und Verachtung erleidet; als Tochter der Hekate wird sie aus der Gemeinschaft ausgegrenzt. Der König, der die strenge Gesetzlichkeit vertritt, erscheint ebenso einseitig wie Medeas Amme Gora, die als stolze Barbarin an Kolchis festhält. Nur Kreons Tochter Kreusa macht einen Schritt auf Medea zu.

Unter ihrer Anleitung bemüht sich Medea redlich, griechische Lebensart zu erlernen, um Jason zu gefallen. Doch was Jason in Kolchis für Liebe hielt, erkennt er in Griechenland als Irrtum. Der Herold der Amphiktyonen tritt auf und verkündet den Spruch, den das Gericht über Jason und Medea verhängt hat: Wegen des Mordes an Pelias sind sie aus Griechenland verbannt. Doch Kreon wird zum Beschützer Jasons und bürgt für dessen Unschuld. Medea aber gibt er Preis und verbannt sie aus den Grenzen seines Landes. Medea ist einsam, verlassen, verbannt, sie ist von Jason zurückgestoßen und von ihren Kindern gemieden.

Jeder Anspruch auf Menschlichkeit, die Teilhabe an der Menschheit wird ihr verweigert. Da ihr dies streitig gemacht wird, verliert sie in ihrer Verzweiflung jegliches Maß. Da sogar ihre eigenen Kinder vor ihr zu Kreusa flüchten, beschließt sie alle drei mit Hilfe ihres Zaubers zu vernichten um so Jason zu strafen. Gora bringt in Medeas Auftrag ein Gefäß in den Pallast. Gleich darauf bricht Feuer aus und Kreusa und Medeas Kinder kommen in den Flammen um. Medea geht am Ende nach Delphi, bringt das goldene Flies zurück und unterwirft sich dem Urteil der dortigen Priesterschaft.

Jason wird des Landes verwiesen und steht allein und verlassen vor den Folgen seiner Gier und Ruhmsucht. Noch einmal treffen sich die beiden, doch Medea weißt ihn mit den Worten “Trage! Dulde! Büße!” von sich.   Das Werk beschäftigt sich mit dem Gegensatz von Griechen und Kolchern, von humaner Gesittung, menschenwürdiger Kultur und dunklem, zauberisch-magischem Barbarentum. Die Unterscheidung der zwei Gruppen setzt sich bis zur unterschiedlichen Sprachgestaltung der Verse fort. Für die Griechen verwendet Grillparzer vornehmlich den ebenmäßigen Jambus, den Blankvers; für die Kolcher den freien Vers und einen polymetrischen Rhythmus.   Doch nun zu den Charakteren: Medea steht in ihrer Heimat hoch über ihrer Barbarischen Umgebung.

Ihr Vater wird aus Gier nach dem goldenen Vlies zum Frevler am göttlichen Gebot. Medeas sittliches Bewußtsein und ihr fester Glaube an das ordnende Walten der göttlichen Mächte sind dadurch zutiefst erschüttert. Sie zieht sich in die Einsamkeit eines abgelegenen Turmes zurück. Aber sie hat sich doch aus Ergebenheit dem Wunsch des Vaters gefügt, sie hat ihre Hand zum Frevel geliehen, als sie dem Fremden das Schwert unter einem Vorwand abnahm. Damit ist sie in das Schicksal und Verhängnis verstrickt, das den Frevel ausgelößt hat. Jason findet sie und sogleich springt der Funke der Liebe über.

Medea weiß zwar noch um Gut und Böse, aber die Liebe ist stärker als der eigene Wille und die bessere Einsicht. Erneut holt sie die Zauberkräfte hervor, verhilft Jason zum goldenen Flies, und wird dabei zur Vernichterin ihres Hauses. Im dritten Teil will sie mit ihrer Vergangenheit Schluß machen, damit will sie aber das Unmögliche. Sie will nur noch Griechin unter Griechen sein. In ihrer Hilflosigkeit schließt sie sich der korinthischen Königstochter Kreusa an, die ihr zum ersten mal menschliches Gefühl und Verständnis zeigt. Willig läßt sie sich von ihr führen, bis sie mit Schreck in ihr die Nebenbuhlerin entdeckt.

Das Bild Jasons wandelt sich im Laufe des Werkes grundlegend. In den Argonauten ist er der strahlende Held, ritterlich und unerschrocken in seinem sieghaften Willen. Der Jason in Medea ist nur ein Schatten seines einstigen Selbst. An seine heldenhafte Vergangenheit erinnert eigentlich nur sein Selbstlob, mit dem er der kindlichen Kreusa imponiert. Schweren Entscheidungen möchte er aus dem Weg gehen. Held ist er nur, solange er in einem Auftrag handelt.

Er vermag nicht, sich selbst einen Befehl zu geben. Seine griechische Humanität beschränkt er auf sich selbst. Trotzdem fällt es ihm nicht leicht, von der einmal eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten, es fällt ihm nicht leicht, Medea zu verstoßen, selbst wenn sich seine Gefühle gegenüber ihr gewandelt haben. Kreon erscheint am Anfang des Stückes als ein wahrer Vertreter klassischer Humanität. Trotz aller Bechuldigungen gewährt er Jason und Medea Gastfreundschaft. Wohl gibt sich Kreon als gerechter Richter, aber seine Gerechtigkeit richtet sich immer nach dem, was ihm zweckmäßig erscheint.

Mit der Strenge fängt er doch lieber bei Medea an. Jason aber will er mit spitzfindigen Verdrehungen seine Schuldgefühle ausreden. Auch Kreons Ziel ist die Erwerbung des goldenen Vlieses. Letztendlich fordert er Medea auf, die wiedergefundene Kiste mit dem goldenen Flies aufzuschließen. Damit erhält aber Medea auch ihre Zaubergeräte wieder, die ihr ihre schreckliche Rache ermöglichen und Kreon macht sich aufgrund seiner Gier mitschuldig. Kreusa ist die lichteste Gestalt der Tragödie.

Ihre Freundschaft mit Medea ist sicher echt und ehrlich. Schnell gewinnt sie das Vertrauen von Medeas Kindern, was aber deren Eifersucht herausfordert. Die Kehrseite Kreusas ist ihre Schwäche. Sie läßt sich von den Ereignissen einfach tragen, auch als sie ahnt, daß sie in Unrecht verstrickt wird. Wenn Medea sie auf so furchtbare Weise vernichtet, so gilt die Tat doch mehr Jason.   Wie auch bei Ein Traum ein Leben hat hier ein Unrecht viele weitere zur Folge.

Das goldene Flies erweckt bei allen das Verlangen, es zu besitzen und führt schließlich alle ins Verderben. Weiters zeigt sich in diesem Werk, daß die Griechen aufgrund ihrer Unfähigkeit, das Fremde zu verstehen, mitschuldig an Medeas Verzweiflung sind. Die Triologie ist insofern ein Beispiel dafür, wie Nichtverstehen des Anderen, insbesondere des Fremden, direkt umschlägt in Gewalt.

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