Dürrenmatt
Friedrich Dürrenmatt
„Der Besuch der alten Dame“
1. Informationen über den Autor
Friedrich Dürrenmatt, geboren am 5. Jänner 1921 in Bern, ist der Sohn eines protestantischen Pfarrers. Er besucht das Gymnasium in Bern, ist ein begeisterter Maler, zeichnet gern und studiert in Zürich Theologie, Philosophie und Germanistik. Eine Zeit lang arbeitet er als Graphiker, Journalist und schreibt erste Texte für Kabarett. Im Alter von 22 Jahren beginnt er mit ersten schriftstellerischen Versuchen.
Seinen endgültigen Durchbruch schafft der Dramatiker mit dem 1956 in Zürich uraufgeführten Stück "Der Besuch der alten Dame". Nach dem Erfolg seiner Theaterstücke, wendet er sich ganz dem literarischen Schaffen zu. Als Erzähler nimmt er vorwiegend Kriminalstoffe zur Vorlage. Dürrenmatt schreibt Romane und Hörspiele, doch seine Stärke ist die Dramatik. Entscheidend für ihn ist die Konfrontation mit der Dramatik Thornton Wilders und des späten Bert Brechts.
Dürrenmatt wird vielfach ausgezeichnet und erhält unter anderem Ehrendoktorate an den Universitäten von Jerusalem, Neuchâtel und Zürich.
Außerdem wird er Direktionsmitglied am Baseler Theater und Mitherausgeber des Züricher “Sonntag Journals”.
Er stirbt am 14. Dezember 1990 in Neuenburg.
Dürrenmatt war ein leidenschaftlicher Satiriker und Moralist mit einem Hang zur Übertreibung. Seine Bühnenwerke sind voll von zynischem Humor und von schockierenden Einfällen. Gerechtigkeit und Gnade sind Grundthemen seiner Stücke, die er nicht in Form von Tragödien gestaltet, sondern tragisch-grotesk abwandelt.
Er vertritt die Meinung, dass unserer heillosen Welt nur mit Mitteln der Komödie beizukommen ist.
Dramen: Romulus der Große, 1950;
Die Ehre des Herrn Mississippi, 1952;
Ein Engel kommt nach Babylon, 1954;
Der Besuch der alten Dame, 1956;
Die Physiker, 1962
Romane: Der Richter und sein Henker, 1952;
Grieche sucht Griechin, 1955;
Die Panne, 1956;
Das Versprechen, 1958
Hörspiele: Unternehmen Wega, 1955;
Nächtliches Gespräch mit einem verachteten Menschen, 1957
Preise: Hörspielpreis der Kriegsblinden, 1957;
Schiller-Preis der Stadt Mannheim, 1959;
Buber-Rosenzweig Medaille, 1977;
Österreichischer Staatspreis für Europäische Literatur, 1983;
Karl-Zuckermayer Medaille, 1984;
Georg-Büchner-Preis, 1986;
Ernst-Robert-Curtuis-Preis, 1989
(Quelle: https://www.fundus.org/referat.asp?ID=222)
2.a) Zeit und Ort des Geschehens
Das Stück spielt in Güllen, einer Kleinstadt irgendwo in Mitteleuropa.
Die ehemalige berühmte Stadt ist verarmt und ihre wichtigen Stätten wie die Platz-an-der-Sonne-Hütte sind nur mehr verstaubte Bruchbuden und Behausungen für Insekten.
Der Bahnhof dient als einleitender Schauort und vermittelt dem Leser ein schäbiges Bild. Das einzige, was sich noch nicht verändert hat, ist der Konradsweilerwald, in dem Bäume und Tiere oft von den vier Bürgern dargestellt werden.
Weiters kommen der Laden von Ill und die Polizeistube vor, die ebenfalls von der Armut gekennzeichnet sind.
Anhand Dürrenmatts Erklärung spielt das Stück in der Gegenwart, wobei sich jedoch die Frage stellt, ob damit die damalige Gegenwart um 1955 oder die Gegenwart gemeint ist, in der der Leser dieses Buch liest (oder das Schauspiel sieht), denn jene Probleme werden fast immer zutreffen. Aber laut einigen zeitlichen Dingen wie z.
B. der Mercedes des Arztes aus dem Jahr 32, könnte man eher vermuten, dass die Geschichte in den 50igern stattfindet.
2.b) Fabel
Claire Zachanassian, geb. Kläri Wäscher, die in Güllen aufgewachsen ist und wilde Jahre mit dem jungen Ill verbracht hat, kehrt als über 60-jährige alte Dame in die verarmte Kleinstadt zurück, um den Bewohnern ein verheerendes Angebot zu machen: Die Stadt erhält eine Milliarde, wenn sie Alfred Ill, ihren ehemaligen Liebhaber, der sie geschwängert und sitzengelassen hat, tötet.
2.
c) Art des Werkes
Bei diesem Theaterstück handelt es sich um eine tragische Komödie, die die heutige geldgierige Gesellschaft mit all ihren Machenschaften kritisch darstellt. Das 1955 geschriebene und 1956 in Zürich uraufgeführte Stück besteht aus drei Akten, die ihre Höhepunkte je dem Ende zugehend erreichen und endet mit einem moralischen Lied, gesungen von einem Chor und einigen vorkommenden Personen, dass die Taten der Menschen rechtfertigt.
2.d) Inhaltsangabe
In Güllen, einer heruntergekommenen, verarmten Kleinstadt, erwartet man die als wohltätig bekannte Multimilliardärin Zachanassian. Der Bürgermeister versucht mit den zur Verfügung stehenden Mitteln einen würdevollen Empfang zu feiern und hofft, dass der Jugendfreund namens Alfred Ill Klara Wäscher, so hieß Zachanassian vor der Heirat mit dem reichen armenischen Ölscheich, zu einer großzügigen Spende überreden kann. Nach dem improvisierten Empfang werden der Milliardärin Arzt und Lehrer vorgestellt, dann wird sie von ihren Dienern, zwei Gangstern aus Amerika, in einer Sänfte in die Stadt getragen.
Während deren Koffer, ein schwarzer Panther und ein Sarg ins Hotel geschafft werden, führen Ill und Zachanassian im Konradsweilerwald ein Gespräch über ihre Jugend und was mit ihnen passierte. Anschließend hält der Bürgermeister eine Art Rede im Goldenen Apostel und preist mit ihr die alte Dame. Als Reaktion darauf verspricht die Milliardärin, Güllen eine Milliarde zu schenken, aufgeteilt auf Stadt und Bevölkerung, aber nur unter einer Bedingung: Sie will Gerechtigkeit. Ihr Butler Boby, der ehemaliger Richter, erklärt, dass Ill im Jahr 1910 eine Vaterschaftsklage von Klara Wächter nur dadurch verhindert habe, weil er zwei Zeugen bestoch, welche von Claire aus Rache entmannt und geblendet wurden. Deshalb lautet die Bedingung Zachanassians: eine Milliarde für den Tod Alfred Ills. Der Bürgermeister lehnt entsetzt ihr Angebot ab, sie aber antwortet gelassen, daß sie abwarte.
Ill ist sich zunächst der Loyalität seiner Mitbürger sicher, doch er beginnt zu zweifeln, als alle in seinem Laden plötzlich teurere Waren kaufen bzw. aufschreiben lassen. Am meisten verunsichert ihn, dass auf einmal alle neue gelbe Schuhe tragen. Verstört geht er zur Polizei und verlangt die Verhaftung von Claire. Doch der Polizist, aus dessen Mund ein neuer Goldzahn glänzt, erklärt seine Handlung und Beschuldigung für hysterisch. Empört über das Verhalten des Polizisten sucht er den Bürgermeister auf, der gerade eine neue Schreibmaschine in Empfang nimmt, was wieder merkwürdig wirkt.
Auch der Bürgermeister erklärt, dass seine Furcht unnötig sei.
Inzwischen ist der schwarze Panther der Milliardärin ausgebrochen und ganz Güllen schleicht mit Gewehren herum, was Ill glauben lässt die ganze Jagd sei auf ihn bezogen. Aus Angst um sein Leben flieht er zum Pfarrer in die Sakristei, doch als auch dort eine neue Glocke läutet und Schüsse ertönen, die den Panther betreffen, verzweifelt Ill und beschließt auf Rat des Priesters zu fliehen, doch auf dem Weg zum Bahnhof folgen ihm immer mehr Bürger, um sich von ihm zu “verabschieden”, wie sie behaupten. Ill wird immer unruhiger und glaubt, er würde am Einsteigen gehindert (es wird ihm versichert, dass dies nicht der Fall sei) Schließlich fährt der Zug ohne Ill ab, dieser bricht zusammen und meint, er wäre verloren.
Der Arzt und der Lehrer, inzwischen besser gekleidet, suchen die Milliardärin in der Peterschen Scheune auf und schlagen ihr das Geschäft vor, die Wagnerwerke und die Platz-an-der-Sonne Hütte zu kaufen und sie wieder aufzubauen, damit Ill nicht getötet werden muss. Doch die alte Dame gesteht, dass ihr alles schon gehört.
Zachanassian heiratet, nach ihrer Scheidung von Hoby, ihren neunten Gatten, der ein Schauspieler ist. Durch die Heirat angezogen, wimmelt es in der Stadt von der Presse, die neugierig auf die Affäre der Milliardärin mit Ill ist. Doch alle Bürger versuchen krampfhaft Ill und auch den Lehrer vom Gestehen abzuhalten, damit sie mehr oder weniger in Ruhe ihre Milliarde erhalten. Inzwischen hat sich ein großer Hass zwischen den Bewohnern und Ill aufgetan und viele gestehen ihre Abneigung gegenüber dem Krämer.
Zwei Pressemänner erscheinen in Ills Laden und verlangen Informationen, der Lehrer wird von Ill zum Schweigen gebracht und das Angebot von Claire verschwiegen. Ill hat mittlerweile seine Furcht abgelegt, ist sich seiner Schuld bewusst und hat sich mit seinem Schicksal abgefunden.
Der Bürgermeister teilt jenem mit, dass eine Gemeindeversammlung über ihn abgehalten werde, die aber für das Fernsehen als eine Stiftungs-Einrichtungsfeier dargestellt wird, obwohl sie in Wirklichkeit über Ill urteilen. Dieser erklärt sich mit jedem Urteil einverstanden, lehnt es aber ab, Selbstmord zu begehen, wie der Bürgermeister als Wiedergutmachung vorschlägt.
Nachdem er mit seiner Familie einen letzten Ausflug gemacht hat, trifft er im Konradsweilerwald auf Klara. Sie sprechen über ihr Kind, das bei einer Adoptivfamilie verstorben ist. Weiters versichert ihm die Zachanassian, dass er auf Capri begraben und immer bei ihr sein würde.
Die Versammlung, die von den Medien geleitet wird, liefert einen einstimmigen Beschluss.
Nachdem alle Presseleute den Sitzungssaal verlassen haben, werden die Türen verschlossen und alle Anwesenden bilden eine Gasse, die Ill entlangschreitet bis alle auf ihn fallen und ihn töten. Als die Reporter zurückkehren, erklärt man ihnen, es sei ein Tod aus Freude gewesen. Zachanassian begutachtet Ill ein letztes Mal und bezeichnet ihn als ihren schwarzen Panther. Sie überreicht den Bürgermeister den Scheck.
Ein Chor behelligt die Tat und die alte Dame reist ab.
3.
a) Thema, Absichten, Probleme und Konflikte
Dürrenmatt will mit dieser tragischen Komödie dem Leser die geldgierige Gesellschaft des 20. Jahrhunderts zeigen. Denn wie so oft auch in der Realität, geht es in diesem Stück hauptsächlich um Geld, missbrauchte Liebe und die schmutzigen Taten der Menschen, die damit verbunden sind.
Die Multimillionärin Zachanassian (=alte Dame), die ihre Finanzen mehr oder weniger durch schlaue Heiratspolitik erlangt hat, bietet als Rache (für den Missbrauch ihrerseits; sie wurde von Ill geschwängert und sitzengelassen) der verarmten Stadt Güllen eine Milliarde, die sie nur dann erhält, wenn einer ihrer Bewohner den ehemaligen Liebhaber von ihr tötet. Und so entsteht ein gewaltiges Misstrauen zwischen dem so angesehenen Bürger Ill und seinen Freunden und Bekannten. Vorerst wirkt der Geschäftsmann (der aber seit Jahren nichts mehr verdient) sehr gelassen und versucht seine Tat abzutun, indem er sie dem Vergangenen zugehörig erklärt.
Doch als ihm immer mehr Leute gestehen, dass sie seine Handlung nicht verstehen bis verabscheuen, beginnen langsam die Schuldgefühle in ihm zu erwachen und er verliert allmählich den Verstand. Auch hier zeigt uns Dürrenmatt, dass auch ein gerissener, wenn nicht auch krimineller Mensch Angst bekommt und sich nach einiger Zeit von ihr beherrschen lässt. Daher ist ein wichtiges Thema die Schuld und all ihre schrecklichen Zustände, die der Mensch mit ihr erlebt.
Zusammengefasst ist Geld die Macht, die alles beherrscht und meistens können sogar schreckliche Taten damit abgetan werden. In dem Fall ist es die Gerechtigkeit, die verlangt wird und leider auch käuflich ist bzw. die Menschen, die diese hervorbringen sollten.
Claire Zachanassian: ... Eine Milliarde für Güllen, wenn jemand Alfred Ill tötet.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 49)
Die Bürger Güllens, die dieser Macht nicht widerstehen können, erscheinen daher nicht richtig böse, sondern eher schwach und daher verständlicher.
Der einzige, der in dem Chaos noch sein Humanitätsgefühl behält, zumindest für längere Zeit, ist der gebildete Lehrer, doch auch dieser gesteht seine Schwäche und führt dem Leser daher vor Augen, dass niemand dieser Kraft widerstehen kann.
Siehe Vorausdeutung Zitat S. 103
3.b) Darstellung des Werkes
- stilistische Mittel
Der größte Gegensatz in diesem Stück ist eigentlich der Reichtum, denn während die Stadt Güllen sich nur noch mehr verschuldet und gar nicht aus ihrem Trott herausfindet, führt die geschiedene Multimilliardärin das schönste Leben mit Dienern und jeglichem Luxus, den sie sich nur vorstellen kann. Sie verschenkt mühelos 4000 Einheiten ihres Geldes, wobei nicht genannt wird, um welche Währung es sich handelt.
Daher versuchen die Stadtbewohner mit allen Mitteln von der Zachanassian Geld zu erhalten.
Und letztendlich ist es genau dieser Spalt zwischen reich und arm, der die Menschen überhaupt auf den Gedanken bringt, einen Menschen für Geld zu töten. Kein Mensch ist fehlerfrei und schon gar nicht, wenn es um Geld geht.
Weiters ist es sehr verwunderlich, dass sich die Positionen der Personen in diesem Stück während der Handlung stark verändern: So erscheint uns die Zachanassian zunächst als Wohltäterin, bevor sie ihr unmoralisches Angebot einbringt. Von dort an wird sie zur Rachesüchtigen, die sich nur mit ihrem Geld die erwünschte Gerechtigkeit erkaufen kann, da ihr Ill das Leben zerstört und nie versucht hat, sich zu entschuldigen oder es irgendwie gut zu machen. Und obwohl sie so viel Geld besitzt, ist sie nicht glücklich.
Die Stadtbewohner scheinen zuerst loyal gegenüber Ill zu sein, doch sie können aufgrund ihrer misslichen Lage der Versuchung des Geldes nicht widerstehen und werden somit zu geldgierigen und blutrünstigen Bestien, die jegliche Humanität hinter sich lassen.
- Ähnlichkeit
Unverkennbar in diesem Theaterstück sind die Namen der Ehegatten und Diener der Zachanassian, wobei sich der Name des jeweiligen Ehegatten dem des Butlers anzupassen hat, wie die alte Dame selbst erklärt.
Auffallend bei dieser Ähnlichkeit ist jedoch, dass sich bei den Namen nur immer der erste Buchstabe des Namens ändert und sich so folgendes daraus ergibt:
Toby und Roby, die Gangster aus Amerika
Koby und Loby, die Entmannten und Geblendeten
Der Butler Boby
Ehegatte VII = Moby, Ehegatte VIII = Hoby, Ehegatte IX = Zoby
- Vorausdeutungen
Von Freunden zurückgestoßen, sucht Ill Zuflucht bei der Polizei, beim Bürgermeister und auch beim Pfarrer, doch auch jene Bürger verfallen der Geldsucht, was den 65-jährigen noch mehr verunsichert.
Dürrenmatt lässt durch Symbole wie den entlaufenen schwarzen Panther der Zachanassian, der erschossen wird, schon erahnen, dass auch Ill bald dieses Schicksal widerfahren wird, denn früher nannte Claire Zachanassian ihren Liebhaber oft „schwarzer Panther“, was das ganze darauf hinaus laufen lässt, dass diese Frau Ill zeigen will, was sie ihm wünscht und als Ill dann wirklich stirbt, bezeichnet sie ihn wieder als ihren Panther:
„Er ist wieder so, wie er war, vor langer Zeit, der schwarze Panther.“
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 131)
Vielleicht steht dieses Raubtier aber auch für die Gewalt und Brutalität im Menschen, alles Erdenkliche zu tun, um (in dem Fall) Geld zu erlangen. So denkt auch Ill die Jagd nach dem ausgebrochenen Tier betreffe ihn.
Der Lehrer übernimmt die Rolle des Botschafters, indem er behauptet, dass die Leute, die Ills Tod wünschen, nicht besser sind als dieser selbst und macht mit jener Aussage einiges klar:
“Man wird sie töten. Ich weiß es, von Anfang an, und auch sie wissen es schon lange, auch wenn es in Güllen sonst niemand wahrhaben will. Die Versuchung ist zu groß und die Armut zu bitter. Aber ich weiß noch mehr. Auch ich werde mitmachen. Ich fühle, wie ich langsam zu einem Mörder werde.
Mein Glaube an die Humanität ist machtlos. Und weil ich es weiß, bin ich ein Säufer geworden. Ich fürchte mich, Ill, so wie sie sich gefürchtet haben. Noch weiß ich, daß auch zu uns einmal eine alte Dame kommen wird, eines Tages, und dann mit uns geschieht, was nun mit Ihnen geschieht,...
“
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 103)
Durch dies wird auch wieder die Aussichtslosigkeit der Lage beschrieben, da der sonst so gerechte und gebildete Lehrer selbst zugibt, wie auch er langsam den Drang nach dem Geld verspürt.
Letztens wird der Tod Ills, nach der gut umschmückten Gerichtsverhandlung, als ein „Tod aus Freude“ bezeichnet, was eher die Freude der Bürger wiederspiegelt, die erfreut über das Geld sind, das sie erhalten.
Eine weitere Vorausdeutung für den Tod Ills ist wohl der Sarg, der ständig geschmückt wird. Auch die Aussage Zachanassians gibt uns deutlich eine Erwartung vor:
Claire Zachanassian: Schafft das Gepäck und den Sarg unterdessen in den >Goldenen Apostel<.
Der Bürgermeister verblüfft: Den Sarg?
Claire Z.
: Ich brachte einen mit. Ich kann ihn vielleicht brauchen.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 31)
- Komik
Komik erzielt Dürrenmatt vor allem durch manchen makabren Ausdruck, wie zum Beispiel bei Unterhaltungen der Zachanassian bei ihrer Ankunft.
Der Bürgermeister: Meine Enkelkinder, gnädige Frau, Hermine und Adolfine. Nur die Gattin fehlt.
Er wischt sich den Schweiß ab.
Die beiden Mädchen knicksen und überreichen der Zachanassian rote Rosen.
Claire Zachanassian: Ich gratuliere zu den beiden Gören, Bürgermeister. Da!
Sie drückt die Rosen dem Bahnhofsvorstand in die Arme.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 29)
Claire Zachanassian: Ich nannte dich: mein schwarzer Panther.
Ill: Der bin ich noch.
Claire Z.: Unsinn. Du bist fett geworden. Und grau und versoffen.
Ill: Doch du bist die gleiche geblieben.
Zauberhexchen.
Claire Z.: Ach was. Auch ich bin alt geworden und fett. ..
.
... Komm, Moby, verneig dich. Eigentlich heißt er Pedro, doch macht sich Moby schöner.
Es passt auch besser zu Boby, wie der Kammerdiener heißt. Den hat man schließlich fürs Leben, da müssen sich dann eben die Gatten nach seinem Namen richten.
Gatte VII verneigt sich.
Claire Z.: Ist er nicht nett mit seinem schwarzen Schnurrbart? Denk nach, Moby.
Gatte VII denkt nach.
Claire Z.: Fester.
Gatte VII denkt fester nach.
Claire Z.: Noch fester.
Gatte VII: Aber ich kann nicht mehr fester nachdenken, Mausi, wirklich nicht.
Claire Z.: Natürlich kannst du’s. Probier’s nur.
Gatte VII denkt noch fester nach.
Glockenton.
Claire Z.
: Siehst du, es ging. ...
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 26,27)
- Bilder, Symbole
Ein sehr wichtiges Symbol in diesem Stück sind die gelben Schuhe.
Diese zeigen von der Untreue bzw. Unloyalität gegenüber Ill, da sie jene tragen, die sich etwas leisten, sozusagen auf Ills Tod warten. Sogar der scheinbar gerechte Polizist und auch der Bürgermeister haben die knalligen Schuhe an.
Deshalb wird Ill ziemlich wütend, da er weiß, dass ihm die Leute nicht mehr helfen und ihn unterstützen. Der Reichtum, den sich nun viele leisten, sogar der Pfarrer, ist schließlich auch der Auslöser für die Mordgedanken, da die unbezahlten Waren nur durch jene Milliarde wieder gutgemacht werden können.
Der Lehrer vergleicht Zachanassian mit Medea, einer Figur aus der Mythologie des antiken Griechenlands.
Sie verhalf Jason das Goldene Vlies zu rauben und wurde dessen Frau. Die beiden kehrten zum Ausgangspunkt der Abenteuer zurück, wo Medea Pelias, der Jason auf die gefährliche Reise geschickt hat, täuscht und dann von seinen eigenen Töchtern zerstückeln lässt. Als Jason in Korinth eine Königstochter heiraten will, lässt Medea der Braut ein Kleid überbringen, aus dem beim Anziehen Flammen emporschlagen und alle Anwesenden verbrennen. Medea ist aus Rache und Verrat des Mannes zu unglaublichen Grausamkeiten fähig.
Der Lehrer: Frau Zachanassian! Sie sind ein verletztes liebendes Weib. Sie verlangen absolute Gerechtigkeit.
Wie eine Heldin der Antike kommen Sie mir vor, wie eine Medea. Doch weil wir Sie im tiefsten begreifen, geben Sie uns den Mut, mehr von Ihnen zu fordern: Lassen Sie den unheilvollen Gedanken der Rache fallen, treiben Sie uns nicht zum Äußersten, helfen Sie armen, schwachen, aber rechtschaffenen Leuten, ein etwas würdigeres Leben zu führen, ringen Sie sich zu reinen Menschlichkeit durch!
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 91)
- Charaktere
Claire Zachanassian
Klara Wäscher hat vor 45 Jahren ihrer Rückkehr nach Güllen eine Liebesaffäre mit Alfred Ill. Sie wird schwanger und klagt ihn in einem Vaterschaftsprozess, doch er besticht zwei Männer und entzieht sich seiner Verantwortung. Claire verlässt das kleine Nest und verkommt zu einer Dirne in einem Bordell. Dort findet sie der armenische Ölmilliardär Zachanassian und macht sie zu seiner Frau und Erbin.
Anfangs wirkt die alte Dame als Wohltäterin, die Spitäler und Kinderkrippen spendet, doch Zachanassian enttäuscht alle durch ihr mehr oder weniger egoistisches Angebot: sie will blutige Rache. Gedemütigt von einem Mann, verlangt sie die Gerechtigkeit, die sie immer allem anderen vorgezogen hat. Da sie alles Geld der Welt hat und sie glaubt, dass alles käuflich ist, befriedigt sie ihre Rache durch eine Milliarde.
Durch die Blendung und Entmannung von Koby und Loby und durch die Einstellung des Richters als ihren Butler, hat sie einen Teil ihrer Rache bereits abgetan, doch der größte Anteil zur Perfektheit fehlt noch: der Tod Ills.
Genauso wie ihre unzähligen Prothesen, erscheint diese Frau kalt und gefühlslos gegenüber Ill, doch dieser machte sie zu dem, was sie ist.
Ihr Vertrauen in die Männer hat sie längst verloren, sie heiratet und lässt sich scheiden, spielt mit ihren Ehegatten.
Sie mag es ihnen Befehle zu erteilen und Herr über ihre Diener zu sein. Doch ob sie ihr Leben wirklich genießt ist fraglich, denn Geld allein macht nicht glücklich, wie man auch in diesem Fall sieht.
Claire Zachanassian ist eine raue, unbeeinflussbare, kalte Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt, zu ihrer Ansicht steht und das tut, was sie will. Dennoch erscheint sie, besonders beim Betrachten ihrer alten Heimat etwas sentimental zu werden und zeigt so etwas Menschlichkeit.
Claire Zachanassian: Das Leben ging weiter, aber ich habe nichts vergessen, Ill. Weder den Konradsweilerwald noch die Petersche Scheune, weder die Schlafkammer der Witwe Boll noch deinen Verrat.
Nun sind wir alt geworden, beide, du verkommen und ich von den Messern der Chirurgen zerfleischt, und jetzt will ich, dass wir abrechnen, beide: Du hast dein Leben gewählt und mich in das meine gezwungen. Du wolltest, dass die Zeit aufgehoben würde, eben, im Wald unserer Jugend, voll von Vergänglichkeit. Nun habe ich sie aufgehoben, und nun will ich Gerechtigkeit, Gerechtigkeit für eine Milliarde.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 49)
Alfred Ill
Er ist der Krämer der Stadt und ein angesehener Bürger. Durch seine einstige Beziehung zu Klara Wächter wird er dazu überredet für seine Heimatstadt eine Spende zu ergattern.
Als er Claire gegenübertritt, ist er sich seiner Schuld nicht mehr bewusst; er überschätzt sich maßlos, nimmt geschmeichelt manches Lob auf, und glaubt durch Verfälschen der Vergangenheit die Zachanassian milde zu stimmen und ihr Geld zu entlocken. Doch er wird nur all zu bald von der Vergangenheit eingeholt, muss dem ehemaligen Richter gegenüberstehen und auch seiner Schuld. Von diesem Augenblick an, sehen die Güllener den richtigen Ill und beginnen sich von ihm abzuwenden, was den sonst so selbstbewussten Mann erschüttert. Natürlich ist es auch das Geld, was die Bürger anzieht und immer rasanter verfallen seine Mitbürger der Geldsucht, sogar die Höheren der Stadt, zu denen er sich verzweifelt wendet. Er verdächtigt alle, Angst kommt in ihm auf, die er nicht bekämpfen kann.
Nachdem ihn auch der Pfarrer im Stich lässt, versucht Ill zu fliehen, wird jedoch von seiner eigenen Vorstellungskraft, wie auch von den Güllenern, davon abgehalten.
Nun beginnt Ill plötzlich seine Schuld sich selbst zu gestehen und das Handeln der anderen zu verstehen. Er legt einen Großteil seiner Angst ab, fasst neuen Mut, stellt sich sich selbst.
Vom Bürgermeister aufgefordert, lehnt er den Selbstmord ab. Er hat Angst vorm Sterben, wartet jedoch nur noch auf das Urteil, um seinem Leiden ein Ende zu setzen.
Ill: Bürgermeister! Ich bin durch die Hölle gegangen. Ich sah, wie ihr Schulden machtet, spürte bei jedem Anzeichen des Wohlstands den Tod näher kriechen.
Hättet ihr mir diese Angst erspart, dieses grauenhafte Fürchten, wäre alles anders gekommen, könnten wir anders reden, würde ich das Gewehr nehmen. Euch zuliebe. Aber nun schloß ich mich ein, besiegte meine Furcht. Allein. Es war schwer, nun ist es getan. Ein Zurück gibt es nicht.
Ihr müsst nun meine Richter sein. Ich unterwerfe mich eurem Urteil, wie es nun auch ausfalle. Für mich ist es die Gerechtigkeit, was es für euch ist, weiß ich nicht. Gott gebe, dass ihr vor eurem Urteil besteht. Ihr könnt mich töten, ich klage nicht, protestiere nicht, wehre mich nicht, aber euer Handeln kann ich euch nicht abnehmen.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S.
58)
Der Bürgermeister verfügt über eine unbestreitbare Autorität. Er repräsentiert die Stadt bzw. die Bürger, die in ihr leben; er kommt dem Bild eines durchschnittlichen Bürgermeisters sehr zugute. Wenige Fakten aus dem Leben von Claire Zachanassian genügen ihm, um eine Rede zu halten, die die wirklichen Ereignisse verschweigt. Als er im Namen der Stadt das Angebot der Milliardärin ablehnt, zeigt er seine Stärke und beweist sich in seiner Rolle. Doch andererseits hat er damit seine Bürger zu einer weiteren schlechten Zeit verdonnert und gibt deswegen auch bald der Versuchung nach.
Durch die Aufforderung an Ill, er möge sich selbst töten, wirkt er nicht so böse wie manch andere Bürger; es erscheint als sei er einer der wenigen, die den Tod Ills bereuen.
Der Bürgermeister: Frau Zachanassian: Noch sind wir in Europa, noch sind wir keine Heiden. Ich lehne im Namen der Stadt Güllen das Angebot ab. Im Namen der Menschlichkeit. Lieber bleiben wir arm denn blutbefleckt.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S.
50)
Der Bürgermeister: Wir könnten dann der Dame sagen, wir hätten Sie abgeurteilt, und erhielten das Geld auch so. Es hat mich Nächte gekostet, diesen Vorschlag zu machen, das können Sie glauben. Es wäre doch nun eigentlich Ihre Pflicht, mit ihrem Leben Schluss zu machen, als Ehrenmann die Konsequenzen zu ziehen, finden Sie nicht? Schon aus Gemeinschaftsgefühl, aus Liebe zur Vaterstadt. Sie sehen ja unsere bittere Not, das Elend, die hungrigen Kinder...
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 58)
Der Pfarrer steht manchen Dingen nur religiös gegenüber. Obwohl er zunächst aufbauend gegenüber Ill wirkt, der bei ihm Schutz sucht, entpuppt er sich schließlich auch als Schwacher, richtet sich seine Waffe und entsetzt Ill als eine neue Glocke ertönt. Zweideutig ist jedoch die letzte Aussage von ihm:
Der Pfarrer wirft sich gegen Ill und umklammert ihn. Flieh! Wir sind schwach, Christen und Heiden. Flieh, die Glocke dröhnt in Güllen, die Glocke des Verrats.
Flieh, führe uns nicht in Versuchung, indem du bleibtst.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 129)
Dies ist der letzte menschliche Aufschrei des Pfarrers, der später auch zu den Mördern übergeht, Ill vor seinem Tod noch verräterisch beistehen will.
Der Lehrer scheint durch seine intellektuellen Bemerkungen oft etwas neunmahlklug, doch ist er der einzige, der bis in den Zweiten Akt mehr oder weniger seine Humanität behält, sich in einen Suff versteckt, um vor seinen Gelüsten wegzukommen, doch ohne Erfolg. Stolz gibt er zu, dass auch er bald einer von Ills Mördern sein wird.
Doch er versucht sogar noch Ills Leben zu retten, indem er der alten Dame einen Vorschlag darreicht, der jedoch von ihr wieder zerstört wird.
Belehrt durch seine Bücher vergleicht er abermals die Zachanassian mit historischen Figuren und kann noch in seiner Endrede versteckt, seine Meinung unterbringen.
Der Lehrer mutig: Frau Zachanassian. Reden wir offen miteinander. Versetzen Sie sich in unsere traurige Lage. Seit zwei Jahrzehnten pflanze ich in dieser verarmten Gemeinde die zarten Keime der Humanität, rumpelt der Stadtarzt zu den tuberkulösen und rachitischen Patienten mit seinem alten Mercedes. Wozu diese jammervollen Opfer? Des Geldes wegen? Wohl kaum.
Unsere Besoldung ist minim, eine Berufung ans Kalberstädter Obergymnasium lehnte ich schlankweg ab, der Arzt einen Lehrauftrag der Universität Erlangen. Aus reiner Menschenliebe? Auch dies wäre übertrieben. Nein, wir harrten aus, all die endlosen Jahre, und mit uns das ganze Städtchen, weil es eine Hoffnung gibt, die Hoffnung, dass die alte Größe Güllens auferstehe, dass die Möglichkeit aufs neue begriffen werde, die unsere Heimaterde in so verschwenderischer Hülle und Fülle birgt. Öl liegt unter der Niederung von Pückenried, Erz unter dem Konradsweilerwald. Wir sind nicht arm, Madame, nur vergessen. Wir brauchen Kredit, Vertrauen, Aufträge, und unsere Wirtschaft, unsere Kultur blüht.
Güllen hat etwas zu bieten: Die Platz-an-der-Sonne-Hütte.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 129)
Der Polizist ist der Repräsentant für den Arm des Gesetzes in Güllen, der ständig zur Stelle ist, wenn ihn jemand benötigt. Verlegen versichert er der Zachanassian, dass er öfter mal ein Auge zudrücke.
Als ihn jedoch Ill aufsucht, tut er seine Hysterie unverständlicherweise ab, behauptet Ill würde überreagieren. Er ist jedoch auch der teuflischen Geldsucht verfallen, denn aus seinem Mund glänzt ein Goldzahn und er trägt ebenfalls neue, gelbe Schuhe.
Zuletzt zeigt der Mann der Gerechtigkeit jedoch seine wirkliche Meinung, die ihn sozial auf eine niedrigere Stufe herabsetzt.
Der Polizist: Steh auf, du Schwein.
Er reißt ihn in die Höhe.
Der Bürgermeister: Polizeiwachtmeister, beherrschen Sie sich.
Der Polizist: Verzeihung. Es ging mit mir durch.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 129)
Der Polizist: Ich habe keine Zeit, über Ihre Hirngespinste zu disputieren, Mann. Ich muss gehen. Der verschrobenen Milliardärin ist das Schoßhündchen fortgelaufen. Der schwarze Panther. Ich muss ihn jagen.
Das ganze Städtchen muss ihn jagen.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 66)
- Aufbau
Das Stück besteht aus drei Akten, die jeweils ruhig beginnen, Spannung aufbauen, eine Situation zum Eskalieren bringen und schließlich mit einem offenen Schluss enden.
Im ersten Akt fängt alles mit der Ankunft der Dame an, durch die Festlichkeit im Gasthaus wird der Leser aufmerksam gemacht und schließlich fällt der Vorhang mit der Ablehnung des Angebotes.
Im zweiten Akt wird eine eher ruhige Situation in Ills Laden geschildert, bis die Jagd auf den Panther beginnt, Ill den Polizist, Bürgermeister und Pfarrer aufsucht und schließlich vom Fliehen von sich selbst, wie auch von den Bürgern abgehalten wird.
Im dritten und letzten Akt bieten zuerst Lehrer und Arzt der Milliardärin an Ill zu verschonen und anstatt seiner Ermordung, die Wirtschaft Güllens durch Aufkauf der verwahrlosten Betriebe wieder auf Vordermann zu bringen; spannend wird es, als die Reporter in Ills Laden auftauchen, der Lehrer vorm Ausplaudern ruhig gestellt wird und Ill ein letztes Mal durch seinen Wald geht, wo er Claire trifft und sich mit ihr unterhält.
Letztendlich kommt es zu einem Höhepunkt nach der Verhandlung, wo Ill durch die Gasse schreiten muss, die die Bürger gebildet haben, und schließlich ermordet wird.
Das Stück schließt mit bereits erwähntem Chorlied ab, indem es den Mord beschönigt.
3.c) Sprache
Dürrenmatts Sprache, die wesentlich Schriftdeutsch ist, weist selten längere Satzperioden auf, er bevorzugt Imperativ und kurze Feststellungssätze. Besonders bei Claire Zachanassian kommt dies immer wieder zum Ausdruck, welche eigentlich ständig ihrem Gefolge irgendwelche Befehle erteilt und nur im Beschreiben irgendwelcher Situationen Satzgefüge verwendet.
Claire Zachanassian: Setz dich Hoby, rede nicht.
Die Landschaft seh ich selber, und Gedanken sind nicht deine Stärke.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 58)
Claire Zachanassian: Habe mich in die Petersche Scheune zurückgezogen. Brauche Ruhe. Die Hochzeit eben im Güllener Münster ermüdete mich. Bin schließlich nicht mehr blutjung.
Setzen sie sich auf das Faß.
(Dürrenmatt, Der Besuch der alten Dame S. 87)
4. Charakteristische Stelle
Der Bürgermeister: Kommen Sie, Alfred Ill.
Ill lässt die Zigarette fallen, tritt sie mit dem Fuß aus. Geht dann langsam in die Mitte der Bühne, kehrt dem Publikum den Rücken.
Der Bürgermeister: Gehen Sie in die Gasse.
Ill zögert.
Der Polizist: Los, geh.
Ill geht langsam in die Gasse der schweigenden Männer. Ganz hinten stellt sich ihm der Turner entgegen. Ill bleibt stehen, kehrt sich um, sieht, wie sich unbarmherzig die Gasse schließt, sinkt in die Knie.
Die Gasse verwandelt sich in einen Menschenknäuel, lautlos, der sich ballt, der langsam niederkauert. Stille. Von links vorne kommen Journalisten. Es wird hell.
Pressemann I: Was ist denn hier los?
Der Menschenknäuel lockert sich auf. Die Männer sammeln sich im Hintergrund, schweigend.
Zurück bleibt nur der Arzt, vor einem Leichnam kniend, über den ein kariertes Tischtuch, wie es in wirtschaften üblich ist, gebreitet ist. Der Arzt steht auf. Nimmt das Stethoskop ab.
Der Arzt: Herzschlag.
Stille.
Der Bürgermeister: Tod aus Freude.
Pressemann I: Tod aus Freude.
Pressemann II: Das Leben schreibt die schönsten Geschichten.
Pressemann I: An die Arbeit.
Die Journalisten eilen nach rechts hinten. Von links kommt Claire Zachanassian, bleibt stehen, geht dann langsam nach der Mitte der Bühne, kehrt sich gegen das Publikum.
Claire Zachanassian: Bringt ihn her.
Roby und Toby kommen mit einer Bahre, legen Ill darauf und bringen ihn vor die Füße Claire Zachanssians.
Claire Zachanassian unbeweglich: Deck ihn auf, Boby.
Der Butler deckt das Gesicht Ills auf. Sie betrachtet es, regungslos, lange.
Claire Zachanassian: Er ist wieder so, wie er war, vor langer Zeit, der schwarze Panther.
Ich habe diese Stelle gewählt, weil sie die Spannung und den Konflikt in diesem Stück so hervorragend darstellt.
Bemerkenswert sind die wenigen Kommentare, die zu Ills Ermordung abgegeben werden und lassen das Ganze somit noch viel makabrer wirken. Außerdem ist diese Szene sehr gut vorstellbar, man kann sich leicht in die Lage der verschiedenen Personen hineinversetzen.
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