Klasse 11 c
Thema: Der “edle Verbrecher” Karl Moor und Goethes Prometheus können gleichermaßen als Symbolfiguren der Sturm-und-Drang-Literatur gelten. Stelle die Gemeinsamkeiten zwischen beiden dar und versuche Karls Verhalten im Drama aus deiner Sichte kritisch zu beurteilen!
NOTE: 2Gliederung
Einleitung: Definition des Begriffs “Symbolfigur” für die “Sturm-und-Drang-Literatur”
Charakteristik Karl Moors
in seiner Kindheit
auf dem Weg zum Verbrecher
als Räuberhauptmann
Kritische Beurteilung von Karl Moors Verhalten im Drama
Charakteristik des Prometheus
Gemeinsamkeiten von Karl Moor und Prometheus
Schlussgedanke: eigene Meinung zu den beiden Figuren
Ein wichtiges Merkmal der Sturm-und-Drang-Literatur sind die charakteristischen Personen, die sich in den Dramen immer wieder als Symbolfiguren dieser Epoche finden. Dies sind zum Beispiel der “große Kerl” oder der “Selbsthelfer”. Wenn sich diese Dramengestalt im Streben nach Autonomie, Selbstverwirklichung oder im Kampf um versagtes Recht auflehnt, dabei in extremer Weise die von der Gesellschaft gesetzten Grenzen überschreitet und so quasi als Verfechter einer neuen, eigenen Moral in unmoralische Handlungen verfällt, so bezeichnet man sie als “edlen Verbrecher”. Als Beispiel dafür dient “Karl Moor” aus Friedrich Schillers Drama “Die Räuber”, während beispielsweise “Prometheus” aus Johann Wolfgang von Goethes gleichnamigem Gedicht eher der Gattung des “Selbsthelfers” zuzuordnen ist. Im folgenden möchte ich die Gemeinsamkeiten dieser beiden “Sturm-und-Drang-Figuren” veranschaulichen.
Karl Moor ist bereits seit frühester Kindheit gewohnt, seine gewünschten Ziele zu erreichen, da er vom Vater ganz klar gegenüber seinem Bruder Franz bevorzugt worden ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass er eine gute Kindheit genossen hat; denn er wird von seinem Vater so sehr geliebt, dass dieser Karl nicht erzieht, sondern ihm alles erlaubt, was er will. Jeder, der ihn kennt, findet ihn sympathisch wegen dem “feurigen Geist, der in dem Buben lodert, [...] der ihn für jeden Reiz von Größe und Schönheit so empfindlich macht” (S.
11; V. 37ff). Deswegen werden Karl auch keine Vorwürfe gemacht, wenn er anderen einen Streich spielt oder mit Gassenjungen herumtobt, was sich ja normalerweise nicht für einen adligen Sohn gehört. Ihm sind also nie Grenzen aufgezeigt worden, was sicher ein Hauptgrund dafür ist, dass er später so tief in die Kriminalität abrutscht, als ihn sein Vater nicht mehr aufnimmt.
Als Spiegelberg Karl dazu animiert, mit ihm zusammen eine Räuberbande zu gründen, steht dieser dem ganzen zuerst ablehnend gegenüber und weist ihn mit den Worten “Steig du auf Schandsäulen zum Gipfel des Ruhms. Im Schatten meiner väterlichen Haine, in den Armen meiner Amalia lockt mich ein edler Vergnügen.
” (S.24; V.33ff) zurück. Als er aber den gefälschten Brief von Franz erhält, dreht sich seine Meinung um 180° und er meint, “der Gedanke verdient Vergötterung – Räuber und Mörder! – so wahr meine Seele lebt, ich bin euer Hauptmann!” (S.32; V.35ff).
In diesem Moment verändert sich Karls gesamtes Leben und er wird zum Rebellen, weil er erstmals seinen Kopf nicht durchsetzen kann. Diese Entscheidung trifft er allerdings im Affekt auf Grund der riesigen Enttäuschung, dass er vom Vater verstoßen wird, denn “[er hat] ihn so unaussprechlich geliebt! so liebte kein Sohn, [er] hätte tausend Leben für ihn” (S.32; V.14ff). Dadurch ist er so aufgebracht, dass er ein lautes Donnerwetter los lässt: “Warum ist dieser Geist nicht in einen Tiger gefahren, der sein wütendes Gebiß in Menschenfleisch haut? Ist das Vatertreue? Ist das Liebe für Liebe? Ich möchte ein Bär sein, und die Bären des Nordlands wider dies mörderische Geschlecht anhetzen – Reue, und keine Gnade! – Oh ich möchte den Ozean vergiften, dass sie den Tod aus allen Quellen saufen! Vertrauen, unüberwindliche Zuversicht, und kein Erbarmen!” (S.31; V.
32ff). Hier zeigt sich, wie sehr Karl seinen Vater geliebt haben muss, weil er seine zuvor geäußerten Grundsätze über den Haufen wirft und sich stattdessen von Spiegelberg überreden lässt, Hauptmann der Räuberbande zu werden.
Als Anführer dieser Bande wird Karl nun als der typische “edle Verbrecher” der Sturm-und-Drang-Literatur dargestellt. Er merkt zwar bald, dass man durch die Beute der Verbrechen keineswegs schlecht lebt, aber er verfolgt mit den Verbrechen der Räuber auch prinzipiell gute Ziele, denn “nach dem Geld schien er nicht mehr zu fragen, sobald er ers vollauf haben konnte, und selbst sein Dritteil an der Beute, das ihn von Rechts wegen trifft, verschenkt er an Waisenkinder, oder läßt damit arme Jungen von Hoffnung studieren” (S.60 V.11ff).
Er bemüht sich auch, solche Menschen, die andere durch ihre Macht ausnutzen, zu bestrafen. So erdolcht er zum Beispiel mit der Räuberbande, einen reichen Grafen, der durch die Praktiken seines Anwalts bei einem Prozess unrechtmäßig eine Million zugesprochen bekommen hat, aber danach “wandte [er] sich stolz von [den Räubern] weg, [denn] das Plündern ist [ihre] Sache” (S.61 V.10f). Somit wird klar, dass er nur das Unrecht strafen will, wobei er gezwungen ist, die festgelegten Schranken des Gesetzes zu übertreten, aber er schlägt keinen Profit aus diesen Verbrechen.
Als allerdings der Räuber Roller aus seiner Bande gefangen genommen worden ist, kann man in Karls Reaktion erkennen, dass er in schwierigen Situationen leicht den Kopf verliert, wie auch bei seiner Entscheidung, Räuber zu werden, als er den hinterlistigen Brief von Franz erhalten hat.
Denn daraufhin “hat er einen Eid geschworen, [...] er wolle [Roller] eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem König geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun brennen soll” (S.62 V.2ff).
Er macht diese Drohung auch wahr und es werden bei dieser Befreiungsaktion 83 Menschen getötet. Bei dieser Tat wird Karl erstmals zum “echten” Verbrecher und Mörder, und dies ist die wohl schlimmste Tat in seinem Räuberleben. Er bereut sie aber später sehr und ist bestürzt “über den Kindermord! den Weibermord! – Krankenmord” (S.67 V.15 f). Karl ist sich zwar klar, dass er alles, “was [er] getan ha[t], [.
..] ohne Zweifel einmal im Schuldbuch des Himmels lesen [wird], [...] aber [s]ein Handwerk ist Wiedervergeltung – Rache ist [s]ein Gewerbe” (S.
73 V.12ff). Nach dieser Tat wird auch erkennbar, welch guter Anführer der Räuberbande Karl sein muss, da die umzingelten Räuber die Freiheit geschenkt bekämen, wenn sie ihn auslieferten, aber sie versuchen lieber, gemeinsam aus der Umzingelung zu entkommen. Dabei wird wieder Karls für die Sturm-und-Drang-Zeit typischer Charakter gezeigt, denn er ruft freudig: “Tod oder Freiheit! Wenigstens sollen sie keinen lebendig haben!” (S.75 V.23f)
Außer diesem zuvor angesprochenen Mord an vielen unschuldigen Menschen gibt es noch weitere negative Punkte, die an ihm zu kritisieren sind.
Die ganze Sache wäre völlig anders gelaufen, wenn er in seiner Studentenzeit nicht das ganze Geld verprasst hätte. Als ihn sein Vater vermeintlich verstößt, ereignet sich bei Karl das bereits oben erwähnte Phänomen, dass er die Entscheidung, Räuberhauptmann zu werden, in seiner ganzen Frustration ohne “ratio” trifft. Nach den noch schlimmeren Auswirkungen dieses Problems bei der Befreiung Rollers müsste sich Karl, der ja eigentlich ein intelligenter Mann ist, der Tragweite seines Handelns bewusst werden und als Schlussfolgerung seine Räuberlaufbahn beenden, was er aber wegen des ewigen Treueschwurs nicht tun will oder besser gesagt nicht kann. Er sollte sich aber auch die Frage stellen, ob dieser Eid oder das Leben vieler Menschen für ihn einen größeren Stellenwert besitzen.
Die meiner Meinung nach größte Schuld lädt Karl aber auf sich, als er nach Hause zurückkehrt. Er will nämlich seinem Vater und Amalia reinen Wein über sein Räuberleben einschenken, aber auf der einen Seite aus Wut und Enttäuschung über die damalige Verdammung und auf der anderen Seite auch aus Unsicherheit, wie er es ihnen am besten beibringt, brüllt er völlig außer sich “Zu spät! Vergebens! Dein Fluch, Vater, – frage mich nichts mehr! – ich bin, ich habe – dein Fluch – dein vermeintlicher Fluch! [.
..] – Stirb Vater! Stirb durch mich zum dritten Mal! – Diese deine Retter sind Räuber und Mörder! Dein Karl ist ihr Hauptmann!” (S.134 V.37ff), woraufhin sein Vater wirklich stirbt. Dieses ist das schlimmste, was man tun kann, einem den Tod zu wünschen, erst recht dem eigenen Vater.
Diese Tat ist eigentlich als noch frevelhafter einzuschätzen als der Massenmord bei der Befreiung Rollers, da dieser “Mord” nur aus diesem Grunde geschieht, weil Karl sich erneut in einer für ihn problematischen Lage nicht unter Kontrolle hat.
Eine andere Symbolfigur für die Sturm-und-Drang-Literatur ist Prometheus, dessen Geschichte schon in der griechischen Mythologie vorkommt und 1774 von Johann Wolfgang von Goethe in lyrischer Form neu erzählt wird.
Zu Beginn des Gedichts zeigt Prometheus dem Zeus sofort seine Grenzen und fordert ihn auf, sich um seinen eigenen Bereich zu kümmern, aber dem Prometheus “[s]eine Erde doch stehn [zu] lassen und [s]eine Hütte, die [er] nicht gebaut, und [s]einen Herd, um dessen Glut [er ihn] beneidet” (V. 6-12). Prometheus setzt damit sofort eine Barriere zwischen sich und Zeus, indem er unterscheidet zwischen “deine[m] Himmel” (V.1) und “meine Erde” (V.
6). Er wirft den Göttern vor, dass sie nur wegen des Glaubens unwissender Menschen existieren, gleichzeitig aber nichts für das Wohl der Menschheit tun (vgl. V. 38-42).
In der dritten Strophe wird erklärt, warum Prometheus sich gegen die Götter auflehnt. Denn in seiner Kindheit wendet er sich oft an die Götter, wenn er Probleme hat, aber in verzweifelten Situationen hofft er vergeblich auf Hilfe der Götter.
Dadurch erkennt Prometheus, dass er sich nur selbst helfen kann bzw. sogar muss, weil er sich selbst von “der Titanen Übermut [...], vom Tode [..
.], von Sklaverei [durch das] heilig glühend Herz [rettete]” (V. 30-34). Prometheus ist also durch das Verhalten von “dem Schlafenden da droben” (V.37) gezwungen, zum “Selbsthelfer” zu werden.
Als Konsequenz daraus zieht er den Schluss, “Menschen [zu formen] nach [s]einem Bilde, ein Geschlecht, das [ihm] gleich sei, zu leiden, zu weinen, zu genießen und zu freuen sich, und [die Götter] nicht zu achten, wie [er]” (V.
52-58).
Dieses Verhältnis zwischen Zeus und Prometheus kann auch als Vater-Sohn-Konflikt angesehen werden. Während Prometheus in der griechischen Mythologie ein Sohn des Titanen Japetros ist, beschreibt ihn Goethe als Sohn des Zeus. Dieser soll den Widerstand der Sturm-und-Drang-Bewegung gegen die Werte und Ordnungsvorstellungen der Vätergeneration deutlich machen.
Karl Moor und Prometheus sind beide Personen, die in ihrem Leben eine Wandlung durchlaufen. Sie werden nach ihrer Kindheit zum “edlen Verbrecher” bzw.
“Selbsthelfer”, weil Karl von seinem Vater und Prometheus von den Göttern enttäuscht ist. Beide machen sich sozusagen ihre eigene Welt, indem Karl sich der Räuberbande anschließt, die ihm zu diesem Zeitpunkt eine vermeintliche Ersatzfamilie ist, wobei er aber immer wieder über die Grenzen der Gesetze hinausgeht, während Prometheus sich von den Göttern lossagt und sein eigenes Menschengeschlecht formt, das ihm gleich ist, aber dabei keinem anderen Schaden zufügt.
Sowohl Prometheus als auch Karl sind äußerst konsequente Charaktere, die klar und deutlich für ihre Meinung stehen; denn Prometheus versucht nicht, sich mit den Göttern zu versöhnen, sondern er will seinen Willen durchsetzen, und auch Karl ist eher bereit, sich der Gerichtsbarkeit zu stellen als seinen Schwur gegenüber den Räubern zu brechen.
Beide Figuren sind mir auf eine gewisse Art sympathisch, obwohl sie zum Mörder werden bzw. sich gegen Gott richten. Besonders Karl zeigt trotz seines nicht zufriedenstellenden Lebens immer wieder seinen im Grunde genommen guten Charakter.
Als ihn Graf Kosinsky darum bittet, in die Räuberbande aufgenommen zu werden, hält er ihn davon ab, weil er durch dessen Lebensgeschichte an sein eigenes Leben erinnert wird, und ihm das seinige Schicksal ersparen will. Und er scheut sich nie, Verantwortung für sein Tun zu übernehmen. Er überredet die Räuber nicht dazu, ihn zu schützen, als sie nach der Befreiung Rollers für Karls Auslieferung ihre Freiheit bekämen, was sie jedoch von selbst tun. Selbst am Ende bricht er nicht sein Ehrenwort, sondern stellt sich dem Gericht, und tut dabei noch etwas Gutes; denn auf Karls Auslieferung ist eine Belohnung von 1000 Louisdore ausgesetzt, die Karl einem armen Tagelöhner mit elf Kindern vermacht und er beendet somit sein Leben als Räuber mit dem gleichen Ziel, das er am Anfang bereits hatte, mit den Worten “dem Mann kann geholfen werden” (S.139 V.38).
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