Bertold brecht - der kaukasische kreidekreis
Bertold Brecht - Der Kaukasische Kreidekreis
Zwischen den Trümmern eines zerschossenen kaukasischen Dorfes sitzen im
Kreis, Mitglieder zweier Kolchosdörfer , meist Frauen und ältere Männer,
doch auch einige Soldaten. Bei ihnen ist ein Sachverständiger der
staatlichen Wiederaufbaukommission. Der Kolchos „Galinsk“ (Ziegenzucht)
wanderte aus als die Hitlerarmeen anrückten und erwägt jetzt eine
Rücksiedlung. Der benachbarte Kolchos „Rosa Luxemburg“ (Obst&Weinbau) will
das Tal allerdings für den Obstbau verwerten insofern dieser Kolchos
bereits ein Projekt zur Bewässerung des Tales ausgearbeitet hat. Da die
Wiederaufbaukommission „Projekten und Maschinen nicht widerstehen kann“,
wird schließlich der Streitfall zugunsten „Rosa Luxemburgs“ geklärt. Als
Ausklang sowie zu Ehren der Delegierten wird schließlich ein Theaterstück
des Sängers Arkadi Tscheidse aufgeführt:
In Grusinien führt der Großfürst Krieg.
Die Fürsten des Landes stürzen seine
Regierung und liquidieren alle seiner Gouverneure. In einer Stadt herrschte
der Gouverneur Georgi Abaschwili. Er wird vom Fürsten Kazbeki gestürzt.
Seine Frau kann fliehen, läßt aber ihr Kind zurück da sie nur ihre Kleider
retten will. Die Dienstmagd Grusche nimmt sich des Kindes an und flieht vor
den ihr nacheilenden Reitern zu ihrem Bruder. Da das Kind und seine
Herkunft verheimlicht werden muß nimmt ihr Bruder sie nur auf, das sie von
der Flucht sehr geschwächt ist.
Damit die Leute im Dorf nicht über sie reden weil sie alleine mit einem Kind
ist - das Dorf ist extrem fromm, organisiert ihr Bruder einen Mann, der
gerade stirbt. Diesen soll Grusche heiraten um ein legitimes Kind zu haben.
Die Trauung geht sehr rasch von sich da sie ja gleichzeitig die Beerdigung
sein sollte. Als allerdings jemand die Nachricht bringt - „der Krieg ist
aus“, wird der Totgeglaubte hellwach. (wollte nicht in den Krieg) Grusche
ist somit gebunden und kann ,als ihr Verlobter aus dem Krieg zurückkehrt,
nicht zurück. Mittlerweile stoßen die Reiter zu Grusche vor und nehmen das
Kind mit.
Grusche folgt ihnen in die Stadt.
Der Schreiber Azdak hat den als Bettler verkleideten, sich auf der Flucht
befindlichen Großfürsten Unterschlupf gewährt. Als er seinen Fehler erkennt
will er sich in der Stadt richten lassen. Keiner nimmt ihn aber ernst. Bei
dieser Gelegenheit will der Fürst Kazbeki seinen Neffen als Richter
bestätigen lassen. Azdak spielt den verurteilten Großfürsten um die
Unfähigkeit des Neffen aufzuzeigen.
Die anwesenden Soldaten setzen
schließlich Azdak als neuen Richter ein. Er richtet jetzt 2 Jahre als „Robin
Hood auf dem Richterstuhl“.
Schließlich kehrt der Großfürst zurück und Azdak bekommt es mit der Angst zu
tun. Er soll den Streitfall zwischen Grusche und der Gouverneursfrau klären
will aber heimlich verschwinden. Schließlich wird er gefaßt und soll
aufgehängt werden. In letzter Minute kommt ein Bote welcher Azdak als
Richter bestätigt da er ja den Großfürsten geholfen hatte.
Er nimmt also doch den Fall an und will mit einem Kreidekreis entscheiden
welche von den beiden die wirkliche Mutter ist. Er stellt das Kind in die
Mitte des Kreises. Die beiden Frauen sollen nun gleichzeitig versuchen das
Kind herauszuziehen. Die richtige Mutter soll nun die Kraft haben das Kind
herauszuziehen. Die Gouverneursfrau besteht auch wirklich die Probe.
Allerdings hat natürlich Azdak erkannt, das Grusche aus Liebe zu dem Kind
und um es nicht zu zerreißen, losgelassen hat.
Er spricht damit das Kind
Grusche zu. Die Güter der Gouverneursfrau fallen an die Stadt, die damit
einen Garten für die Kinder bauen soll. Er selber verschwindet nun
endgültig.
Damit erkennen nun auch die zwei Kolchosen den Sinn des Stückes:
Die Kinder den Mütterlichen, damit sie gedeihen
Und das Tal den Bewässerern, damit es Frucht bringt.
Interpretation:
Seit der Mitte der zwanziger Jahre beschäftigte sich Brecht mit dem
Kreidekreisstoff. Zweifellos gehörte das Motiv des weisen Richters, der den
Streit zweier Frauen um ein Kind im Sinne der wahren Mutter entscheidet, für
ihn zu den dramatischen Grundkonstellationen.
Wohl hat ihm die Erfahrung
der abendländisch gefärbten Nachdichtung des chinesischen Singspiels von Li
Hsingtao durch den ihm befreundeten Klabund auf die Bedeutung dieser Szene
gestoßen. Er griff die Fabel zunächst im Lustspiel „Mann ist Mann“ auf. Er
verwendete sie weiters im „Odenseer Kreidekreis“ sowie im „Augsburger
Kreidekreis“ der als Vorläufer des kaukasischen Kreidekreises gesehen
werden kann.
Brecht schrieb das Stück in den USA, somit wurde es 1948 in Northfield
(Minn.) uraufgeführt. Als Brecht nach Ost-Berlin zurückkehrte mußte er
seinem Stück erst den Weg ebnen.
1954 war die erste Aufführung in
deut.Sprache, seinen Durchbruch erlangte das Werk allerdings durch die von
Brecht selber eingerichteten Inszenierung beim Internationalen Pariser
Theaterfestival 1955.
Das grusinische Kreidekreis-Spiel beruht auf Fiktion. Der gesamte
theatralische Vorgang ist Vortrag des Sängers. Denn was der Sänger vorträgt
wird in der szenischen Demonstration zum Spiel im Spiel.
Bewußt vom Blickpunkt eines Berichterstatters her entfaltet der Sänger das
Geschehen.
-> der Erzähler vermittelt das Drama (Paradefall des epischen
Theaters)Der Status des Künstlers gibt ihm eine Sonderstellung. Er ist
nicht nur Spielleiter sondern führt in die Handlungen sowie Gedanken
einzelner Personen ein. Genauso wichtig sind auch seine Kommentare und
Folgerungen. Gewiß nicht zufällig hat er auch im Stück das letzte Wort. Mit
Bedacht gibt Brecht seinem Publikum durch den Sänger zu versehen, daß für
die Kunst andere Maßstäbe gelten. So müssen sich die zur Diskussion
angereisten Kolchosmitglieder mit zwei Zeitkategorien anfreunden.
Während ihnen einerseits die Rede beschnitten wird („beim Aufbau müssen alle
Vergnügungen rationiert werden ... die Diskussion auch“), widerfährt ihnen
strikte Ablehnung bei ihrer Frage, ob der Vortrag des Sängers nicht rascher
abgewickelt werden könne. Anscheinend geht es dem Autor darum die Erwartung
des Publikums umzulenken ,er spricht den Anspruch aus, die Kunst als einen
Produktivfaktor besonderer Art zu würdigen. Brecht zeigt hier sein
künstlerisches Prinzip: eine Synthese von Ausdruckswert und „Gebrauchswert“.
Seine Denkmodelle zielen allerdings nicht auf die Realität ab, sondern auf
das noch nicht Vorhandene, das aber noch Herzustellende. Mit Hilfe seines
epischen Zeigetheaters versucht er eingreifendes Denken zu vermitteln. Nur
die auf den historischen Prozeß bezogene Utopie hat Chancen zu polit.
Wirkung zu kommen. Es geht ihm um die Gestaltung des gesellschaftlichen
Zusammenlebens in der Zukunft. Somit legt er es darauf an den Sinn der
sozialistischen Gesellschaft spielerisch zu entwickeln.
Beispielhaft ist
der „Garten des Azdak“.
Er demonstriert hier eine sozialistische Forderung und Herausforderung. Wie
zur Verdeutlichung verheißt die Agronomin den Ältesten des Ziegenkolchos „Du
wirst einen Garten sehen“ und bekommt die Antwort „Gnade euch Gott, wenn es
nicht ein Garten ist“. Der Garten ist hier Utopie-Sinnbild einer
freundlicheren Welt welche realisiert werden soll. Da das Vorspiel des
Kreidekreises in der Sowjetrepublik spielt, dürfte es Brechts Absicht
gewesen sein, das utopische Bild mit einem „historischen, erklärenden
Hintergrund“ zu versehen, und es in der Realität der (damals) aktuellen Zeit
zu verankern.
Er konnte dies nur mit dem Verweis auf die sozialistische Praxis machen.
Er
tat dies mit dem produktiv gelösten Streit um das Tal, das denen
zugesprochen wird die es am intensivsten nutzen. Während im Hauptteil ein
glücklicher Zufall im Mittelpunkt steht, sucht das Vorspiel nach
gesellschaftlichen Erfordernissen. Insofern beschreibt Brecht den
qualitativen Sprung vom Zufall zur Notwendigkeit.
Das Bild des Aufbaus sollte einerseits ein Exempel des wahren Sozialismus
statuieren (Sozialismus als historische Vernunft,aufbauende Kraft),sowie
auf die deutsche Situation beim Wiederaufbau aufmerksam machen.
Das Stück wurde aus diesem Grund unterschiedlich aufgefaßt: aus der
Sowjetunion kamen Einwände wegen „mangelnden realistischen Gehalts“; vom
Westen wurde das „bolschewistische Einwickelpapier“ zerrissen. So kam es
auch, daß bei der westdeutschen Erstaufführung 1955 das Vorspiel weggelassen
wurde.
Selbst Peter Suhrkamp wollte das Vorspiel bei der Druckfassung
weglassen.Es lag ihm also viel daran dem Publikum die Art der Erledigung des
Streites als produktive Haltung nahezulegen.
+ ausführliche Inhaltsangabe und Interpretation
keine Brecht-Biografie
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