Die bürger von calais
Die Bürger von Calais
Georg Kaiser (1878-1945)
Autor:
Zuerst als kaufmännischer Angestellter der AEG in Südamerika tätig, begann Kaiser erst 1905, als er malariakrank von dort zurückkam, zu schreiben. 1928, als Kaiser 50 Jahre alt wurde, umfaßte sein Werk bereits an die vierzig Stücke. 1933 verboten emigrierte er in die Schweiz. Von seiner dort entstandenen Spätproduktion sind einige Werke inzwischen auch in Deutschland bekanntgeworden.
Wichtigste Werke: Nebeneinander (1923)
Kolportage (1924)
Zwei Krawatten (1930)
Von Morgens bis Mitternacht
Stoff (Historischer Hintergrund):
Hundertjähriger Krieg (1339-1453)
Der englische König marschiert nach seinem Siege bei Crecy (1346) gegen Calais und beginnt die stark befestigte Stadt zu belagern, um einen leicht zugänglichen Hafen in Frankreich zu gewinnen. Die Bürger von Calais waren sich wohl bewußt, welche Gefahren die Einnahme der Stadt für Frankreich bedeuten würde, und verteidigten sich darum heldenmütig; ein volles Jahr lang hielten sie den Belagerern stand.
Als aber ihre Lebensmittelvorräte erschöpft waren, bot der Gouverneur der Stadt, Jehans de Viane, im Namen der Bürger dem englischen König die Übergabe von Stadt und Festung an, wenn sie nur ihr Leben daraus retten könnten. Der englische König willigt ein und läßt Jehans de Viane seine Bedingungen übermitteln: „ . . . Wenn sechs der angesehensten Bürger die Stadt verlassen, nackt, nur mit dem Hemd bekleidet und barhäuptig, den Strick um den Hals, die Schlüssel der Stadt und der Festung in der Hand, so werde ich mit ihnen nach meinem Willen verfahren und die Bewohner in Gnaden aufnehmen.“ Nachdem Jehans de Viane diese harten Bedingungen vernommen hatte unterrichtete er die Bürger der Stadt von dem Befehl des englischen Königs und erklärte ihnen, daß es keinen anderen Ausweg gäbe.
Daraufhin erhob sich der reichste Bürger der Stadt, den man Herrn Ustasse de Saint-Pierre nannte, und sprach: „Herr, es wäre ein großer Jammer und Verlust, ein solches Volk wie dieses hier an Hunger oder sonstwie sterben zu lassen, wenn es noch einen Ausweg gibt; und so wäre es eine große Liebestat, wenn einer sie von diesem Übel bewahren könnte.“ Nach Ustasse de Saint-Pierre meldeten sich noch weitere 5 angesehene Bürger, die bereit waren sich für das Wohl der anderen zu opfern. Diese sechs Bürger wurden ohne Zwischenfall in die königliche Herberge gebracht, wo der König befahl, daß man ihnen sogleich die Köpfe abschlagen solle. Ergriffen von Mitleid demütigte sich die Königin und warf sich ihrem Gatten zu Füßen und überzeugte ihn, den Männern Gnade zu erweisen. Der König überließ daraufhin ihr das Schicksal der Männer. Daraufhin ließ die Königin den sechs Bürgern die Stricke abnehmen, führte sie in ihre Gemächer, ließ sie ankleiden, bewirtete sie und schenkte jedem von ihnen 6 Nobel (alte Münze); dann entließ sie sie mit freiem Geleit aus dem englischen Heerbann.
Als Vorbild für sein Werk diente Kaiser neben dem historischen Hintergrund auch eine Statue von Rodin, in der die sechs Bürger beim Antreten ihres Opferganges gezeigt werden.
Personen:
Jean de Vienne Gouverneur von Calais
Eustache de Saint-Pierre reichster Bürger der Stadt
Jacques u. Pierre de Wissant sechster u. siebter Freiwilliger
Inhalt:
gegliedert in 3 Akte:
1.Akt:
Die Bürger von Calais erfahren von den Bedingungen des englischen Königs. Es melden sich 5 Freiwillige.
Den Platz des sechsten Freiwilligen wollen zwei Brüder gleichzeitig einnehmen, daher gibt es vorerst sieben Freiwillige.
2.Akt:
Da ein Freiwilliger zuviel ist muß einem der gewählten Bürger per Losentscheid das Leben „geschenkt“ werden. Doch Eustache de Saint-Pierre manipuliert die Wahl so, daß keiner gezogen wird. Deshalb legt er dann fest, daß am nächsten Morgen jeder mit der ersten Glocke von seinem Haus aufbrechen sollte - und wer zuletzt in der Mitte des Marktes ankommt - ist los.
3.
Akt:
Da Eustache de Saint-Pierre Angst hat, daß wieder 7 Freiwillige am Marktplatz stehen und einer überflüssig ist, bringt er sich selbst um. Den verbleibenden sechs Freiwilligen wird vom König von England das Leben geschenkt, da ihm in jener Nacht ein Sohn geboren wurde.
Werk:
expressionistisches Drama
Es werden Symbole verwendet um die Vision des Dichters zu verdeutlichen. Der Dichter will kein Abbild der Natur gestalten, sondern das eigene Ich in tausendfacher Verwirklichung.
Personen sagen nicht direkt ihre Meinung, sondern drücken diese durch mehrere Fragen aus, wodurch sie die Zuhörer in die richtige Richtung lenken.
Kaiser verwendet häufig die Technik der Wortwiederholung, um die Wichtigkeit der Aussage mehr zur Geltung zu bringen.
(Bsp.: „Sechs gewählte Bürger sollen die Schlüssel vor die Stadt tragen - sechs gewählte Bürger sollen aus dem Tor schreiten.“)
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