Elfriede jelinek
elfriede jelinek
Zur Person:
Elfriede Jelinek wurde 1946 in Mürzzuschlag in der Steiermark geboren und studierte Kunstgeschichte, Theaterwissenschaft und Musik in Wien. Nach Aufenthalten in Berlin 1972 und Rom 1973 lebt sie heute in Wien. Zu den zahlreichen Literaturpreisen der Autorin gehören das Österreichische Staatsstipendium für Literatur (1972), der Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln (1986) und der Literaturpreis des Landes Steiermark (1987). Zuletzt erhielt sie 1998 Deutschlands bedeutendste Literaturauszeichnung, den Georg-Büchner-Preis.
Werke:
Zu Jelineks bekanntesten Werken zählen die Romane Die Liebhaberinnen (1975), Die Klavierspielerin (1983), Lust (1988) und Die Kinder der Toten (1996) sowie die gattungsmäßig oft zur Prosa tendierenden “Stücke” wie Burgtheater (1986), Krankheit oder Moderne Frauen (1987), Wolken. Heim (1988) bzw.
zuletzt Totenauberg, Raststätte, Stecken, Stab und Stangl oder Ein Sportstück (1998). Jelineks neuestes Werk trägt den Titel er nicht als er (1998).
Zu “Die Klavierspielerin”
Erika Kohut, Mitte dreißig und von Beruf Klavierlehrerin, lebt seit der Vertreibung des störenden Vaters eingeschlossen in der trauten Zweisamkeit mit ihrer alten Mutter. Das Hauptproblem ihrer Mutter besteht darin, ihr Besitztum – die Tochter – an sich zu binden, damit die Tochter ja nicht davonläuft. Zu diesem Zweck unterdrückt die Mutter Erika, einerseits durch übertriebene Kontrolle und Verbote, aber auch mit Hilfe von Prügel und Ausreißen von Haaren. Erikas Körper ist schon empfindungslos und sie scheut auch nicht, sich selbst mit Nadeln und Rasierklingen Wunden zuzufügen.
Ehrgeizig und herrschsüchtig versucht die Mutter, Erika zur brillanten Pianistin auszubilden. Aus Erika ist jedoch keine Künstlerin geworden, sondern nur eine Lehrerin, eine Interpretin, weil die Mutter aus dem “aus ihrem Leib hervorschießenden Lehmklumpen” nichts besseres geformt hat.
Erika widersetzt sich verständlicher Weise der mütterlichen Unterdrückung. Anfangs wird das mütterliche Ordnungssystem nur durch Erikas eitle Gier nach Äußerlichkeiten – Kleider, Schuhe, Handtaschen – und heimliche Ausflügen in “Pornokinos” zum Prater, wo sie aus sicherer Entfernung lustlos das Treiben der Prostituierten betrachtet, gestört. Doch dann taucht Walter Klemmer, ein Klavierschüler von Erika, in ihrem Leben auf. Erika, für die Zärtlichkeit nur denkbar ist als Verlangen nach Unterwerfung, straft das Begehren von Walter zuerst mit Mißachtung, später mit Verachtung.
Seinen Höhepunkt findet dieser langwierige Unterwerfungsakt in einem Brief Erikas, in dem sie Walter zu sadistischen Handlungen auffordert. Walter interpretiert diesen Brief falsch (als wörtliche Aufforderung zur Gewalt) und will nichts mehr mit Erika zu tun haben. In seiner sadistischen Lust vergewaltigt er Erika und tut all das, was sie ihm der Brief vorschrieb. Dann geht er weg, endgültig befreit von Erika. Erika selbst denkt daran, Walter zu ermorden, sie fügt sich jedoch nur selbst wieder eine Verletzung zu und geht nachhause zu ihrer Mutter.
Zu “Ein Sportstück”
"Ein Sportstück" ist eine Aneinanderreihung langer Monologe, die geradezu aus den Protagonisten heraussprudeln.
Gerade deshalb bedarf dieses wie kaum ein anderes zeitgenössisches Stück des Nachlesens, ja sogar Nachsprechens. Das Stück kann mit seiner Länge von etwa sechs Stunden als “ultimative Langfassung” angesehen werden. Ausgestattet mit Pausenbroten und Getränkedosen, tummelten sich Tennisspieler, Skifahrer, Fußballer, Boxer, Bergsteiger oder ganze Rugby- oder Fußballmannschaften in den Rängen der Burg (wer verkleidet kam, bekam eine ermäßigte Eintrittskarte). Viele Kritiker und “Kenner” meinen, dass Jelinek in diesem Stück “virtuos Phänomene der Massenpsychologie aufscheinen ließe”, andere vertreten die Auffassung, dass es sich bei diesem Stück um einen “virtuosen Blödsinn” handelt.
Interpretation:
«Elfriede Jelinek provoziert.»
Elfriede Jelinek ist zu einer der bekanntesten und umstrittensten Theaterautorinnen im deutschsprachigen Raum aufgestiegen.
Sie schreibt Theatertexte, die keine zentrale Interpretation zulassen. Sie selbst versteht ihre Theaterstücke als eine Weiterentwicklung des Brechtschen Theaters. Jelinek selbst sagt: “Ich bemühe mich nicht um abgerundete Menschen mit Fehlern und Schwächen, [...] Ich schlage sozusagen mit der Axt drein, damit kein Gras mehr wächst, wo meine Figuren hingetreten sind.
”
Man hat vom Entwicklungsroman und vom psychologischen Roman gesprochen, Elfriede Jelineks Roman könnten als “soziologische Romane” bezeichnet werden. Diese Romane sind die literarische Form einer Gesellschaft, die das Individuum nicht mehr zerstört, weil sie es gar nicht erst entstehen läßt, seine Entwicklung schon im Keim erstickt oder frühzeitig abbricht.
Jelinek plädiert für ein sich absolutistisch gebendes Autorenverhältnis, das die dramatischen Figuren als aufgezogene Spielzeugpuppen versteht. Der Körper des Schauspielers ist zwar in den Stücken Jelineks noch vorhanden, ihm gelingt aber die Täuschung nicht mehr. Dazu Elfriede Jelinek selbst: “Es ist das Verbotene. Das, was sie sonst für sich behalten, nicht aussprechen würden, sprechen meine Figuren ständig aus.
[...] Deswegen sind sie in einem Vor-Ich oder Post-Ich-Zustand. Sie sind alles oder nichts.”
«Wer vor Jelineks Texten erschrickt, erschrickt vor sich selbst.
» (Elfriede Gerstl)
Es zeigt sich, dass Jelineks Theaterstücke die Bühne als Schauplatz herausfordern, als traditionellen Ort des "schönen Seins", dem ein anderer Schein entgegengesetzt werden soll. "Ich will kein Theater – Ich will ein anderes Theater" lautet der pragmatische Satz, mit dem Elfriede Jelinek ihr Verhältnis zum Theater umrissen hat.
So wird das Publikum also zum Voyeur von Vorgängen, die auf der Bühne niemand aushält. Die widerwärtigen Vorgänge können gezeigt werden, weil sie Zuschauer haben, die ihre Augen nicht abwenden.
Meine Meinung:
Elfriede Jelinek wurde einst aufgrund ihrer “ungewöhnlichen sprachlichen Begabung” entdeckt. Meiner Meinung nach gibt es kaum jemanden, der so präzise und ironisch beschreiben kann wie Elfriede Jelinek.
In “Die Klavierspielerin” mußte als erstes der Vater aus dem Weg geräumt werden, um die Symbiose von Mutter und Tochter perfekt zu machen. Die beiden Damen bringen den Vater daher in ein abbruchreifes Altersheim, reden sich aber ein, dass sie das einzig Richtige täten. Jelinek schreibt: “Der Vater soll, als sie wieder abfahren, seinen zwei Damen, von einem unfreiwilligen Helfer in weißem Kittel gestützt, Winkewinke machen. Der Papa jedoch hält sich statt des Winkens die Hand unvernünftig vor die Augen und fleht, nicht geschlagen zu werden. Dies wirft schlechte, grelle Lichter auf die abfahrende Rumpffamilie, denn geschlagen ist der Vati nie worden, gewiß nicht.”
Seit nunmehr fast 30 Jahren wird die Frage nach der pornographischen Gestalt der Texte Jelineks gestellt.
Im Sinne der Definition von Pornographie (“einseitig das Sexuelle darstellende Schriften oder Bilder”) können Teile von Jelineks Texten sicherlich als pornographisch bezeichnet werden. Ich sehe darin jedoch kein Problem darin, solange Jelinek nur versucht, auch das darzustellen, was normalerweise verschwiegen wird, nicht aber sexuelle erregende Texte schreibt (was sicherlich noch nicht der Fall ist). Jelineks Fehler besteht meiner Meinung nach darin, zu glauben, dass es möglich ist, den – sicherlich vorhandenen - tieferen Sinn eines “Sportstückes” während einer Theatervorstellung zu begreifen. Solange es jedoch (Pseudo-)”Kultur-Interessierte” gibt, die für derartige Theatervorstellungen zahlen, kann man der Autorin eigentlich keine Vorwurf machen.
Weblink: Homepage von Elfriede Jelinek:
► https://www.ourworld.
compuserve.com/homepages/elfriede/LEPUS.HTM
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